History is sexy

Emma Southon (40) ist Althistorikerin, lebt in Belfast und hat bisher drei Bücher über die römische Geschichte geschrieben. Dieses Buch ist das erste, das ins Deutsche übersetzt wurde.

Wir kennen Cäsar, Nero, Brutus, Cicero oder Augustus, aber fallen Ihnen auch so viele berühmte Frauen ein? Wer sind diese 21 Frauen?
Sie kommen fast alle aus der Oberschicht, sind selbstbewusste Königsmacherinnen, Geschäftsfrauen, Dichterinnen oder auch zwei ausländische Feindinnen von römischen Kriegern. Emma Southon hat tief in Archiven gegraben und widmet sich u.a. auch römischen Geschichtsschreibern, die von heutigen männlichen Historikern oft als unbedeutend angesehen werden. In diesen Aufzeichnungen hat sie z.T. Material gefunden, das bisher keiner breiten Öffentlichkeit zugänglich gemacht wurde. Chronologisch von der Gründung Roms, über das Königreich, der Republik, dem Imperium bis zum Verfall des Römischen Reiches erzählt sie von Frauen und wir begegnen z.B. einer Sabinerin, lernen die Bräuche der mächtigen Vestalinnen kennen oder sind bei dem Bacchanalienskandal mit dabei.
Beim Schmökern lernt man einiges über die römische Vorstellung von Luxus, die geltenden Gesetzen bezüglich Frauen und Sklaven, über typische Alltagsprobleme, das queere Leben in Rom oder auch über das Frauenleben während der Kriegszeiten.

„History is sexy“- so heißt ein Podcast, den die Autorin veröffentlicht. Sie liebt die römische Geschichte, erzählt aber nicht zum x-ten Mal detailliert über die Schlachten, sondern sucht nach anderen Blickwinkeln. Sie schreibt sehr lebendig, frech, mit Humor und ohne Tabus. So kann ein Geschichtsbuch Spaß machen. Römermuseum in Xanten….Ich komme!


Vom Wegwerfen und dem Tod

Ich hatte in der Vergangenheit schon zwei größere Anwandlungen, Dinge wegzuwerfen und das war danach jedes Mal ein tolles Gefühl. In den letzten Monaten wollte ich mich gerne mal wieder trennen, aber konnte mich nicht so recht überwinden. Also las ich erst einmal ein Buch, um mir einen geistigen „Überbau“ zu geben.


In diesem Reclamheft beschreibt die Autorin, wie sie nach dem Tod der Eltern deren Haus ausräumen muss. Viele Dinge behält sie und packt sie erst einmal in Kisten. Nach einer Zeit der Trauer will sie die Kartons „angehen“, doch sie schafft es nicht und schreibt stattdessen dieses Buch.
Zuerst die gute Nachricht: Es gibt zu der berühmten Konmari-Methode des Wegwerfens inzwischen eine Gegenbewegung, sie heißt „Cluttercore“ und befürwortet laut „Brigitte“ eine gewisse Unordnung, da sie Kreativität fördert. Musste ich das Buch überhaupt noch weiterlesen? Doch, es sollte in meinem Leben leerer werden.
Wie beeinflussen uns Dinge, die wir zuhause aufheben, horten oder dekorieren? Sie schenken uns schöne Erinnerungen, bringen kurzzeitig Frustverminderung, können uns ermahnen, drücken unsere Persönlichkeit aus und sind der Beweis, dass wir noch zu den Lebenden gehören. Deshalb fällt es uns oftmals so schwer, uns mit den toten Dingen unserer verstorbenen Eltern zu beschäftigen. Beim Ansehen und Aussortieren werden wir auch an den eigenen Tod erinnert und dagegen wehren wir uns.
In unserer heutigen Welt, in dem wir angehalten sind, möglichst wenig wegzuwerfen und lieber zu recyceln, kann das Wegwerfen zum Problem werden. Wie froh sind wir, wenn wir Sachen gemeinnützigen Anlaufstellen bringen können und damit das schlechte Gewissen, etwas wegzuwerfen, weitergeben. Die gute Tat ist eigentlich etwas Scheinheiliges. Diese Stellen platzen aus allen Nähten und nein, vieles kann man nicht mehr gebrauchen, die Zeit des Gegenstandes ist abgelaufen. Weg damit!
Die These der Autorin und da orientiert sie sich u.a. an dem Philosophen Michel de Montaigne: Wenn wir bewusst ein Ding wegwerfen, lernen wir auch ein bisschen, von der Welt Abschied zu nehmen. Der Tod verliert nach und nach seinen Schrecken, da wir uns an den Abschied und unser Verschwinden langsam gewöhnen.
Darüber musste ich erst einmal grübeln, kann diesem Gedanken aber etwas abgewinnen. Allerdings benutze ich bei einigen Dingen einen Krückstock, der mir das Wegwerfen erleichtert. Es ist dieses Heft:

Hier notiere ich vor dem Wegwerfen Dinge wie Souvenirnippes, Bücher, Kleidung, Schmuck, Fotos, u.v.m. und mein Gedächtnis hat dann immer mal wieder eine schöne Lektüre.

Erinnerungen an das Ahrtal sind gewollt

4. Juni 2024 in der Tagesschau: Der Deutsche Wetterdienst warnt in der kommenden Nacht vor einer Unwetterfront mit der Gefahr von schweren Gewittern und Überflutungen.

Innerhalb weniger Stunden wird in Unterlingen der kleine Rurbach zum reißenden Fluß, der erst die Straßen überschwemmt und dann mit seinem Wasser in die Häuser eindringt und auch viele Tiere tötet. Fast alle Dorfbewohner sind geflohen, aber die 81jährige Gudelia harrt in der oberen Etage ihres Hauses aus. Als der technische Hilfsdienst kommt, um sie zu retten, weigert sie sich, ihr Haus zu verlassen, erzählt allerdings dem jungen Mann, dass sie zwei Leichen mit gefesselten Händen im Fluss gesehen hätte. Es waren keine Dorfbewohner. Am nächsten Morgen, als das Wasser zurückgeht, kommen zwei Polizisten zur Befragung, aber auch sie glauben Gudelia eher nicht, obwohl sie ihnen den Hinweis gibt, dass die Leichen eventuell Gäste eines Reiterhofes waren.
Nach der Unwetterkatastrophe überprüfen Statiker, in welche Häuser die Bewohner wieder zurückkehren dürfen, bzw. welche Häuser abgerissen werden müssen. Durch einen Trick schafft es Gudelia, dass ihr Haus bei der Prüfung übersprungen wird. Auf keinen Fall darf jemand die Rückseite ihres Hauses sehen, denn dort geht ein breiter Riss durch die Wand und Gudelias Geheimnis, das sie seit 40 Jahren bewahrt hat, ist plötzlich sichtbar. Und dann taucht plötzlich ein Kommissar auf, der Interesse an Gudelias beiden Leichen hat. Seine Besuche werden Gudelia zunehmend lästig.

Während das Wasser in der Nacht unaufhörlich steigt, denkt Gudelia über ihr Leben nach. Die Jahre 1984 und 1998 waren prägend, denn 84 verloren sie und ihr Mann Heinz ihren 15jährigen Sohn Nico. 14 Jahre später ergreift Gudelia die Gelegenheit und erpresst den Besitzer des Reiterhofes. Mit dem Geld löst sie den Kredit für ihr Haus ab. Heinz, der inzwischen Alkoholiker geworden ist und auf der Arbeit nicht mehr klarkommt, schickt sie in den Entzug. Danach lebt Gudelia mit ihrem Geheimnis alleine im Haus.

Dieser Krimi ist keiner für einen Kuschelsonntag auf dem Sofa, sondern eher etwas für Spezialisten, die eine außergewöhnliche Geschichte suchen. Das Buch bietet Spannung, Humor, eine gewisse Morbidität und extreme Gefühle, Gudelia wird mir in Erinnerung bleiben.

Im Land der Wölfe

In Grenzlitz stehen Bürgermeisterwahlen an. Die Sensation: In anderen sächsischen Gemeinden bieten sich bei dieser Wahl die konservative und die rechte Partei ein Kopf-an-Kopf-Rennen, in Grenzlitz erreicht Katja, die Spitzenkandidatin der Grünen, bei den bisherigen Umfragen 30 %. Als Nana, die in Berlin lebt und als Coach für Berufstätige arbeitet, davon hört, ist sie fasziniert und bietet Katja an, sie bis zum Wahltag zu begleiten. Katja stimmt zu und so fährt Nana in das Land der Wölfe.

Dort angekommen, eckt Nana als Außenstehende schnell mehrmals an und muss lernen, dass die Uhren in Grenzlitz völlig anders ticken als in der Hauptstadt. Jeder dritte Einwohner wählt potentiell die rechte Partei, also auch der Bäcker, die Kindergärtnerin, der Kneipenwirt. Man muss mit diesen Menschen den Alltag gemeinsam bewältigen. Erik, der lieber Frauenkleidung und lila Haare trägt und ein Baumhaus-Ferienparadies eröffnen will und auch Knut, ein Mann der seit 25 Jahren für grüne Ideen kämpft, erzählen Nana von ihren Erfahrungen mit der rechten Partei. Man braucht Rückgrat, Visionen und einen langen Atem, um es in Grenzlitz trotz Anfeindungen und Bedrohungen von Anhängern der Blauen auszuhalten. Besonders schwer fällt Nana anfänglich der Umgang mit Falk Schloßer, Justizvollzugsbeamter und im Wahlkampf aktiv für die rechte Partei tätig. Sein Duft und sein Auftreten erinnern Nana an ihren Exfreund Tom, mit dem sie zusammen in der Antifa-Bewegung auf Demonstrationen gegen Nazis gekämpft hat. Wie kann jemand wie Falk rechts wählen? Aber Nana hört ihm und anderen zu, lernt, beginnt zu verstehen und Falk zu mögen. Sie überzeugt Katja, die sich zu der rechten Partei hin zuerst abschottet, auf ihren politischen Gegner zuzugehen.
Kurz vor der Wahl findet das islamische Zuckerfest auf dem Marktplatz statt. Nana und Katja sind mit dabei und viele Bürger feiern friedlich, bis eine rechte Schlägertruppe auftaucht, an deren Spitze Falk Schloßer steht. Es kommt zu Auseinandersetzungen. Nana fährt unter Schock kurz nach Berlin zurück. Hier kann sie wieder in der Anonymität frei atmen und den rechten Mief hinter sich lassen. Sie hofft auch auf ein Gespräch mit ihrem Bruder Noah, mit dem sie sich vor ihrer Abreise zerstritten hat. Es gab zwischen ihnen seitdem nur Emailverkehr und aus diesem erfährt man, dass Nana noch eine ganz andere Baustelle hat, nämlich die traurige Geschichte ihrer eigenen Familie, vor deren Aufarbeitung sie bisher immer geflohen ist. Als sie Noah in Berlin nicht antrifft wird ihr klar, dass sie in Berlin ganz alleine ist und kehrt nach Grenzlitz zurück. Beim ersten Wahldurchgang am Sonntag muss sie Katja zur Seite stehen. Das Ergebnis ist unglaublich knapp.

In diesen Roman fließen die Erfahrungen der Autorin, die sie während eines mehrtägigen Aufenthalts in Görlitz gemacht hat. Sie beschreibt sehr differenziert die Lebensumstände der jungen und alten Beteiligten und dass es teilweise schwer ist, diese im Westen zu verstehen. Miteinander respektvoll (!) sprechen und versuchen, die Gemeinschaft zu retten, das sollte für alle die oberste Priorität sein.

Weggucken ist leichter

In diesem Jugendbuch wird die Geschichte von Finn und seiner Familie erzählt. Sie leben in einer mittelgroßen Stadt, ihr Leben verläuft am Anfang noch friedlich. Das ändert sich, als Finn, sein Freund Lennard und das Mädchen Sam beschließen, sich mit Likes und Kommentaren in den Sozialen Medien gegenseitig zu unterstützen, um den Bekanntheitsgrad ihrer jeweiligen Videos vergrößern. Finn sieht plötzlich zig Hasskommentare unter seinen Filmen, weil er zu Sam, deren Eltern aus Angola kommen, Kontakt hat. Seinen Eltern erzählt Finn nichts davon und versucht, diese Angriffe zu ignorieren. Parallel dazu fordert Finns Vater, der in Finns Schule Lehrer ist, die Aufklärung eines rassistischen Vorfalls. Der Direktor und einige aus der Kollegschaft tun dies als dummen Jungen Streich ab und machen nichts dagegen. Auch ein weiterer Vorfall wird heruntergespielt, worauf der Vater anonym einen Brief an die Presse schickt, in dem er die rechte Blindheit an der Schule beschreibt. Dieser Brief schlägt hohe Wellen.
Finn ist in der Schule mittlerweile immer wieder verbalen Angriffen einer rechten Clique ausgesetzt, was sich verschlimmert, als herauskommt, dass sein Vater den Brief geschrieben hat. Er wird bedroht und schikaniert, sein Freund und andere Mitschüler ziehen sich zurück, selbst einige Lehrer sind ihm gegenüber nicht neutral.
Der Bekanntheitsgrad des Vaters steigt durch einen Fernsehauftritt und die Situation eskaliert. Es stehen Wahlen an und der Kandidat der rechten „WIR“ Partei wird der neue Bürgermeister. Am Haus der Familie taucht zuerst ein Hakenkreuz aus, dann wird der Garten verwüstet. Die Polizei nimmt die Anzeigen nur widerwillig auf, für sie sind es Lappalien. Nur wenige Nachbarn unterstützen die Familie, für die meisten Bewohner der Stadt werden die Eltern immer mehr zu unerwünschten Personen. Auf dem Sportplatz wird Finn von vier Männern aus dem Lager des Bürgermeisters gezielt mit Baseballschlägern bedroht. Dank einer Gruppe anderer Sportler, die sich vor Finn stellen, kommt es nicht zu einer Auseinandersetzung. Auch hier findet die Polizei Gründe, nicht einzuschreiten.
Das Buch hat kein Happyend, denn die Familie fühlt sich nicht mehr sicher und zieht in eine andere Stadt.

Der Autor schreibt zumeist aus der Sicht von Finn und dies ohne Schnörkel oder Anbiederung an die Jugendsprache. Das Buch ist spannend zu lesen und mit voranschreitender Handlung nimmt das ungute Gefühl zu. Es wird weggeschaut, sei es aus Gleichgültigkeit, Angst oder dem Sympathisieren mit rechtem Gedankengut. Glücklicherweise gibt es aber auch immer wieder Szenen, in denen Menschen Zivilcourage beweisen und sie zeigen den Weg, wie man Rechtspopulisten in die Schranken weisen kann.

Ein Buch, das nicht nur für Jugendliche ( ab 13) geschrieben ist. Man kann es in der Familie oder in der Schule als Grundlage für Gespräche nehmen, in denen es auch um die eigene Einstellung zum Rechtspopulismus geht.

Was passiert im Pavillon 44?

Der Autor hat für dieses Buch mehrere Jahre in verschiedenen psychischen Kliniken recherchiert.

Die Schriftstellerin Aliza Berg möchte einen biografischen Roman schreiben über Dr. Dr. Siegfried Lobell, dem Chef der psychiatrischen Anstalten in Wien. Lobell fühlt sich geschmeichelt und bietet ihr an, vor Ort in einem Gästezimmer zu wohnen und ihn bei seiner täglichen Arbeit zu begleiten.
In den nächsten Tagen lernt Aliza auch die Bewohner des Pavillons 44 kennen. Hier wohnen vier Patienten, um die sich Lobell besonders kümmert. Da ist einmal Claudia Hofer mit einer nur schwer therapierbaren Persönlichkeitsstörung, denn sie verweigert jegliche Zusammenarbeit. Sie will kein „normaler Mensch“ werden, der bei all den Gräueltaten auf der Welt nur die Schultern zuckt. Die „Grande Dame“ des Pavillons ist die manisch-depressive Cecilie Weisz, die glaubt, sie sei 6212 Jahre alt.
Der dritte Patient heißt Sebastian Dimsch. Er besitzt einen gesunden Menschenverstand und trägt das Herz auf dem rechten Fleck. Allerdings hat er Wahnvorstellungen und meint, dass er seine klugen Gedanken von seinem verstorbenen Freund Frantisek eingeflüstert bekommt. Und schließlich wohnt im Pavillon 44 noch ein junger Mann, der sich für Jesus hält. Er sieht aus wie Jesus und wenn er etwas sagt oder tut, hören die Menschen ihm zu und sind von seiner Aura eingenommen. Jesus sucht seinen Vater und begab sich dafür schon öfter in Lebensgefahr, so wurde er Patient.
Lobell genießt beim Wiener Bürgermeister Narrenfreiheit und damit kann Lobell seine eigenen kleinen Merkwürdigkeiten ausleben und seinen Heilungsansatz verfolgen, indem er möglichst wenige Medikamente einsetzt. Sein Credo ist es, dass Patienten sich gegenseitig helfen und heilen können. Lobells Widersacher, Dr. Christian Thaler, setzt dagegen als Handlanger der befreundeten Pharmaindustrie auf die neusten Pillen und Spritzen.

Aliza Berg und Siegfried Lobell erzählen abwechselnd. Die ersten Tage in der Klinik verlaufen ruhig, sind nur gespickt mit dem normalen Wahnsinn. Doch dann taucht ein merkwürdiges Graffiti am Pavillon auf und kurze Zeit später flüchten erst Jesus und dann auch Sebastian Dimsch. Wir lesen, was ihnen in der Wiener Innenstadt widerfährt. Dann macht sich Lobell persönlich auf die Suche und in der Klinik läuft mit Thaler als Chef einiges aus dem Ruder.

Sie lieben das Skurile? Dann kommen Sie bei „Pavillon 44“ auf Ihre Kosten. Manchmal kamen mir Zweifel, ob Berg und Lobell nicht vielleicht auch Patienten sind, die sich ihre Leben nur einbilden.
Allerdings bietet der Roman noch mehr. Der österreichische Autor rechnet mit seinen korrupten und manchmal auch verhaltensauffälligen Landsleuten ab. Einige Aussagen des Patienten Sebastian Dimsch möchte man unterstreichen, über die abgeklärte Lebenseinstellung von Jesus ließe sich einmal nachdenken.


Auf Goldsuche in Irland

Die Schriftstellerin Tana French ist bekannt für ihre anspruchsvollen Krimis. Auch ihr neustes Buch landete in der Krimibestenliste des Deutschlandfunks.

Hauptperson ist die 15jährige Trey, die zusammen mit ihrer Mutter und Geschwistern in armen Verhältnissen in dem irischen Dorf Ardnakelty aufwächst. Johnny, ihr Vater, ist vor einigen Jahren verschwunden, ebenso ihr geliebter Bruder Brenan, der sich vor zwei Jahren aufgemacht hat, den Vater zu suchen und nicht wiedergekommen ist. Im Raum steht der Verdacht, dass die Dorfbewohner ihn umgebracht haben, aber Trey kann nichts beweisen. Halt und Zuspruch bekommt sie von dem zugezogenen amerikanischen Ex-Polizisten Cal und dessen Freundin Lena. Cal ermöglicht Trey, mit ihm zusammen Möbel zu reparieren oder zu bauen und Trey kann ihre Mutter dadurch finanziell unterstützen.
Dann taucht eines Tages plötzlich Johnny auf. Mit ihm gereist ist der Engländer Rushborough, dessen Verwandte angeblich aus Ardnakelty stammen. In seiner Familie kursiert seit langer Zeit das Gerücht, dass es in Ardnakelty eine Goldader gibt und er will diesem Gerücht nachgehen. Natürlich zusammen mit den Männern aus dem Dorf, die er bei Erfolg am Gewinn beteiligen wird. Nach einer kurzen Zeit der Zweifel und des Misstrauens gegenüber Johnny, steigert sich fast die ganze Dorfgemeinschaft immer mehr hinein in Träume vom besseren Leben. Eine schon lange anhaltende Hitzewelle macht sie mürbe und jede Chance, dem sorgenvollen Alltag zu entfliehen, wird ergriffen. Doch schnell wird das Dorf wieder in die Realität zurückgeworfen, denn Trey findet eines Morgens eine Leiche und „die Spiele“ der Verdächtigungen, falschen Aussagen, unterschwelligen Drohungen und Begleichungen alter Rechnungen können beginnen.

Liest sich meine Zusammenfassung wie die Besprechung über einen Krimi? Dann rudere ich jetzt zurück. Für mich war das Buch kein Krimi, sondern ein Roman, in dem mit psychologischer Raffinesse über die Verflechtungen einer Dorfgemeinschaft geschrieben wird. Dabei fällt dem Außenseiter Cal eine ganz besondere Rolle zu. Die Autorin kombiniert die Schilderungen über diesen Dorfsumpf mit den Gedanken von Trey, die zwar selbstbewusst ist und eine ganz besondere Einstellung zum Dorf hat, deren Gefühlswelt mit fünfzehn aber auch besonders schwierig ist.
Vor diesem Buch erschien von Tana French das Buch „Der Sucher“, im dem erzählt wird, wie Cal in das Dorf zieht und plötzlich Seltsames im Dorf passiert. Cal lernt Trey kennen und auch der Weggang von Brenan ist ein Thema. Ich habe dieses Buch nicht gelesen, was ich bei der Lektüre von „Feuerjagd“ aber nicht als störend empfand. Ich vermute, dass es mindestes noch einen dritten Band geben wird, denn nicht alle meiner Fragen waren am Ende beantwortet.

Die unbeschwerte Zeit ist vorbei oder ich möchte nicht in einem rechten Deutschland leben

Eigentlich wollte ich Ihnen heute ein paar Tipps geben, wie man seine Zeit im verregneten München am besten verbringen kann. Aber ich habe nach der Wahl in Brandenburg dieses Buch gelesen und seitdem kreisen meine Gedanken um ein anderes Thema.

Ich habe Ihnen im Februar schon ein ähnliches Buch vorgestellt (siehe unten „Demonstrieren ist gut, reicht aber nicht), aber Ruprecht Polenz listet noch mehr Ideen auf, was man selbst tun kann, um dem zunehmenden Rechtsruck in unserer Gesellschaft etwas entgegenzusetzen.
Aus verschiedenen Gründen habe ich mich seit langer Zeit nicht mehr auf Instagram bewegt, doch bietet sich laut Polenz gerade hier eine Möglichkeit an, rechtspopulistischen Strömungen entgegenzuwirken. Möchte man es sich einfach machen, verteilt man auf den Seiten, die über die AfD aufklären oder zu friedlichen Demonstrationen aufrufen, „Likes“ und unterstützt dieses Engagement moralisch.
Inzwischen habe ich viele rechte Beiträge und deren Erwiderungen gelesen. Unverständnis, Fassungslosigkeit, Wut kamen immer wieder hoch. Ich empfinde die Instagramzeit besonders dann als Belastung, wenn ich den Eindruck habe, dass die Kluft zwischen den Menschen in Deutschland zunehmend unüberbrückbar wird und es kein Miteinander mehr gibt. Was tun?
Ich werde einen neuen Account eröffnen und versuchen, mit humorvollen Beiträgen zur Entspannung beizutragen. Das ist ein langer Weg, aber ich habe Hoffnung, dass sich etwas ädern kann.
Diese Hoffnung ist bei mir durch die Lektüre dieses Buches wieder größer geworden. Es beinhaltet einige sehr kluge Gedanken, die ich hier nicht wiedergebe. Bitte selber lesen!

Wenn die Beiträge in meinem Blog weniger werden oder sich vielleicht auch verändern, dann wissen Sie jetzt, liebe Blogstammkunden, woran es liegt. Ich weiß noch nicht, wohin mich der Weg führt.


Mehr Respekt vor Fahrstühlen

1854 präsentierte Elisha Graves Otis seine Erfindung des Fahrstuhls auf der Weltausstellung in New York und läutete damit eine neue Ära des Städtebaus ein. Nicht mehr horizontal, sondern vertikal bauen, ungeahnte neue Möglichkeiten des Wohnens ergeben sich. 110 Jahre später spielt diese Roman:

Lila Mae Watson ist die erste farbige Frau in der hochangesehenen Gilde der Fahrstuhlinspektoren in New York. In einer Domäne weißer Männer hat sie einen schweren Stand, doch ihre tadellose Arbeit nötigt zumindest einigen ihrer Kollegen einen gewissen Respekt ab. Das ändert sich schlagartig, als in der Gilde Neuwahlen für den Vorsitz anstehen. Die Gilde wird dominiert von der Gruppe der Empirikern, die bei ihrer Arbeit auf dokumentiertes technisches Wissen setzen. Es gibt aber auch die Intutionisten, die Mängel erhorchen und erfühlen und zu ihnen gehört Lila Mae. Als in einem Wolkenkratzer ein leerer Fahrstuhl, den Lila Mae kurz zuvor inspiziert hat, in die Tiefe stürzt, wird sie von den Empirikern sofort als Sündenbock abgestempelt. Sie taucht unter, denn sie weiß, dass sie keinen Fehler gemacht hat. Unterstützt wird sie von dem Kandidaten der Intutionisten. Hat jemand den Fahrstuhl sabotiert, wenn ja, ist die Wahl der Grund dafür?

Dieses Buch ist teilweise keine leichte Lektüre, denn die Handlung, die durchaus Elemente eines Krimis hat, wird von Rückblenden und Einschüben unterbrochen. Beschrieben werden Lila Maes Werdegang und die philosophische Gedanken zum Thema Fahrstuhlbau und Architektur. Es ist auch ein Buch über Rassismus, Emanzipation, Verrat und das Leben in New York in den Sechzigern. Genau richtig für Leser und Leserinnen, die Bücher jenseits des Mainstreams suchen.

Marmalaide Diaries

Der Schriftsteller Ben sucht eine günstige Wohnung in London. Er nimmt das Angebot an, bei Winnie zu wohnen und bekommt im Gegenzug für eine günstige Miete die Aufgabe, Winnie bei Alltagsarbeiten zu helfen. Winnie ist Anfang 80, lebt in einem Haus mit großem Garten und vor einem Jahr ist ihr Mann Henry gestorben. Da ihr Sohn Stewart dieses Arrangement vereinbart hat, steht Winnie am Anfang Ben sehr distanziert gegenüber und beachtet ihn kaum oder meckert über das Essen, das er gekocht hat. Doch Ben, der schon einmal in einem Seniorenheim gearbeitet hat, lässt sich nicht so schnell von Winnies abweisender Art einschüchtern. Er erkennt, dass Winnies Alltag immer noch von der Trauer und von den Sorgen um ihren anderen Sohn Arthur geprägt ist, der Zerebralparese hat und in einem Pflegeheim lebt. Ganz langsam gewinnt Ben Winnies Herz, findet ein gemeinsames Humorlevel und lenkt die alte Frau von ihrer Trauer ab. Er zeigt an ihrem früheren Leben Interesse und merkt dabei, wie viel er von Winnie lernen kann. Als Winnie stürzt und ins Krankenhaus kommt, erkennt Ben, wie sehr Winnie ihm fehlt.

Obwohl ich dieses Buch schon vor einigen Wochen gelesen habe, wird es mir immer noch warm ums Herz, wenn ich an Winnie und Ben denke, vielleicht, weil Ben sein Buch mit feinem britischen Humor geschrieben hat.