Das glückliche Geheimnis

Arno Geiger schreibt über sein Leben als Schriftsteller und sein ganz persönliches Geheimnis.
Er lebt in den 90er Jahren als junger Mann zusammen mit seiner Freundin in einer kleinen ärmlichen Wohnung in Wien. Sein Traum ist es, Schriftsteller zu werden.
Eines Tages entdeckt er in einem Altpapiercontainer einen Stapel Bücher. Er sucht weitere Container ab, findet auch dort welche und beginnt, Bücher auf Flohmärkten gewinnbringend zu verkaufen. Die nächsten drei Jahre macht er daraufhin wöchentlich seine mehrstündige Tour zu den Altpapiersammelstellen. Am Anfang geniert er sich noch, denn wer in Abfall kramt, wird als Bettler stigmatisiert. Aber gewinnbringende Funde wie beispielsweise Originalpostkarten von den Wiener Werkstätten lassen seine Bedenken verblassen. Sein Grundeinkommen ist gesichert.
Erste Erfolge stellen sich in seiner Schriftstellerkarriere ein, aber der große Durchbruch ist es noch nicht. Wird er als Müllsammler enden? Er bekommt für ein Jahr ein Stipendium und geht nach Berlin. In dieser Zeit macht er viele neue Erfahrungen und als er nach Wien zurückkehrt, beginnt eine neue Lebensphase. Inzwischen hat er sich von seiner Freundin getrennt und ist mit Karin, seiner späteren Frau, zusammen. Die Beziehung ist schwierig, denn er ist nun ganz auf das Schreiben seines nächsten Romans fokussiert und hat nicht die Zeit, die sich Karin von ihm wünscht. Sein Laufbahn wird 2005 schließlich gekrönt vom Gewinn des Deutschen Buchpreises. Er ist jetzt ein gefragter Mann, das Verhältnis zu Karin wird dadurch nicht leichter. Beide haben Affären, sie trennen sich und sind dann wieder ein Paar. Hinzukommt, dass sein dementer Vater immer pflegebedürftiger wird und er zwischen Wien und Wolfurt in Vorarlberg pendeln muss.
Was ihn diese Zeit durchstehen lässt, das sind seine Radtouren zu den Altpapiercontainern. Körperlich halten sie ihn fit und seine Funde sind für seinen Beruf inzwischen unabdingbar. Neben Büchern hat er früher auch Briefe mitgenommen. Er macht jetzt seine Runden, um weitere Briefkonvolute zu finden, denn diese Briefe geben ihm Einblicke in Lebenswelten, die oft so ganz anders sind als seine eigene. Nichts Menschliches ist ihm mehr fremd und besonders Schriftstücke, die sich mit alten Kriegserfahrungen auseinandersetzen, werden Inspirationen für einige seiner nächsten Werke.
Am Ende des Buches sind 25 Jahre vergangen. Arno Geiger sucht nicht mehr. Wie er sich in dieser Zeit mehrfach gewandelt hat, so hat sich auch der Alltag verändert. Handschriftliches findet man nicht mehr, stattdessen mehr Pizza-und Weinkartons. Sein Entschluss steht fest: Er wird über sein glückliches
Geheimnis schreiben, seinem Doppelleben als Müllsammler.

I get a bird

Johan Zweipfennig, ein Busfahrer aus Neumünster, geht in seiner Mittagspause in eine Telefonzelle, um seine Tochter Marie anzurufen. Er findet in der Zelle einen Zeitplaner, den er einsteckt. Dass er Marie nicht erreicht, sondern nur „Kein Anschluss unter dieser Nummer“ hört, wirft ihn aus der Bahn, doch dann passiert noch etwas Fürchterliches, so dass Johan eine längere Zeit in einer Fachklinik für psychiatrische Erkrankungen verbringen muss. Erst als es ihm wieder besser geht, findet er die Kraft, den Zeitplaner zurückzusenden. Er legt einen Brief mit einer Entschuldigung bei, inzwischen sind drei Jahre vergangen.
Jana, die Besitzerin des Zeitplaners, schreibt Johan zurück und es entwickelt sich eine außergewöhnliche Brieffreundschaft, denn auch Jana hat eine Tochter, von der sie nicht weiß, wo sie ist.
Jana lebt in Freiburg, stammt aber aus Neumünster und die beiden entdecken Schnittpunkte in ihren Lebensläufen. Gemeinsam ist ihnen auch, dass das aktuelle Leben für sie ein andauernder Kampf ist. Johan hat eine ganze Kollektion von Ängsten, denen er sich täglich stellen muss, Jana hatte einen sehr schweren Unfall und die langandauernde Genesung gibt ihr viel Zeit, über ihre Vergangenheit mit diversen Dämonen nachzudenken.
Johan und Jana sind zwei Fremde, die sich, gerade weil sie sich fremd sind, Wahrheiten sagen bzw. schreiben können. Sie helfen sich damit gegenseitig, die Dunkelheit in ihrem Leben ganz langsam hinter sich zu lassen. Am Ende des Buches, nach fünf Monaten Korrespondenz, reist Jana zu einer Beerdigung nach Neumünster. Vielleicht wird sie Johan sehen, vielleicht nicht.
Anne von Canal und Heikko Deutschmann haben gemeinsam einen tollen Briefroman geschrieben, der wohl kaum jemand unberührt lässt.

KukB

Eine KukB (=Kurze und knackige Buchbesprechung) zum heutigen Erscheinungstag dieses Buches:

 Nicht kaufen und nicht lesen-das Geld und die Zeit wären zu schade. Oder anders ausgedrückt: 2 von 10 Punkten. Ein wohlwollender Punkt für das Cover, ein zweiter Nettigkeitspunkt für kurze Momente aufkommender Spannung. Doch die Geschichte ist so abwegig, dass man schon bald befürchtet, dass das Ende einen hochgradig frustrieren wird und so ist es dann auch. Nächsten Mittwoch bespreche ich das Buch “Bilqiss”, heben Sie sich Ihre Leselust lieber dafür auf.