Das Musical Anatevka- ist es noch zeitgemäß?

In dieser und der nächsten Spielzeit der Deutschen Oper am Rhein habe ich das Vergnügen, als „Scout“ Premieren zu besuchen und im Anschluss daran mich mit anderen Scouts (wir sind dieses Jahr 11 Personen) auszutauschen, bzw. eine kleine Rezension zu schreiben. Dabei wird besonders darauf wert gelegt, dass die Scouts nicht nur das Stück selbst, sondern auch die Örtlichkeiten und das Davor und Danach bewerten.
(Wer mehr über dieses Projekt wissen möchte, letzte Woche erschien dazu ein Zeitungsbericht in der Rheinischen Post: https://rp-online.de/nrw/staedte/duisburg/duisburg-die-neuen-opernscouts-der-rheinischen-post_aid-120108911

„ Anatevka“ war am Freitag unser erster Premierenbesuch. Das Musical nahm mich direkt gefangen, als am Anfang das Lied „Tradition“ mit Stimmgewalt gesungen wurde. Sangen 50 Künstler (die ganze Dorfgemeinschaft von Anatevka auf der Bühne? Im weiteren Verlauf des Stücks war ich immer wieder beeindruckt von der Musik, Anatevka sollte nicht nur wegen „Wenn ich einmal reich wär“ bekannt sein, es bietet noch andere schöne „Ohrwürmer“. Was mich ebenfalls begeisterte, war das Bühnenbild mit den wandelbaren Tüchern.  In der Szene des Schabbatgebetes kam die Idee besonders zum Tragen. Durch die Transparenz der Tücher, durch die man andere Familien sehen konnte, die eine Kerze anzünden, ging  dieser Moment zu Herzen.

Und dann die Hochzeit von Zeitel und Mottel. Welche Achterbahn der Gefühle! Zuerst pure Lebensfreude mit dem Flaschentanz, dann menschelte es, als Tevje und Lazar Wolf sich wieder streiten und dann die Gewalt der russischen Männer, die randalieren und am Ende die Fiedel zerschlagen. Totenstille. Diese Szene werde ich sicherlich nicht vergessen.

Immer noch aufgewühlt und beeindruckt, war ich nach der Pause gespannt auf den zweiten Teil. Doch für mich fiel dieser musikalisch und szenisch etwas ab bis zu dem Moment, als Tevje still alleine auf der Bühne steht und der Vorhang fällt. Ein Ende, das wohl niemanden unberührt ließ.

Ich konnte mich am Anfang mit Andreas Bittl als Tevje nicht anfreunden. Zu sehr hatte ich noch Ivan Rebroff im Kopf. Aber im Laufe des Abends änderte es sich und seine Dialoge mit Gott oder sich selbst ließen mich schmunzeln. Die anderen Schauspieler und Schauspielerinnen spielten auch gut, die Gesangsstimmen waren alle angenehm

Mir hat das Musical gefallen, auch dank des mit Hingabe spielenden Orchesters und ich reihte mich gerne am Ende mit ein in die Standing Orvations des Publikums. Das Thema „Traditionen“ hat meiner Meinung nach etwas an Aktualität verloren, doch „Vertreibung“ ist umso aktueller und diese Mischung macht es nach wie vor zu einem außergewöhnlichen Musical, dem ich viele Zuschauer wünsche.

Als kleinen Appetitanreger hier ein Trailer einer Aufführung vom Saarländischen Staatstheater:

Niederrheinische Scottish Moments und Jazzkonzerte vom Feinsten

Wenn man sich intensiv mit der AfD und deren Ziele beschäftigt, braucht man zwischendurch auf jeden Fall Kopfauszeiten, um nicht zu niedergeschlagen zu sein.

Ich lernte am Mittwoch die Umgebung vom Bearlagshof in der Nähe von Issum kennen. Hier hat man pure Niederrheinlandschaft mit einem Hauch von Schottland und da hauptsächlich Laubbäume vertreten sind, kündigt sich jetzt schon eine tolle Herbstfärbung an.

Ein Bauernhofcafé, wie man es sich wünscht.

Am Freitag waren wir zum ersten Mal in Dottendorf bei Bonn, das sich dank eines engagierten Bürgervereins in den letzten Jahren als Anlaufpunkt für Jazzfreunde etabliert hat. Ich hatte das große Vergnügen, das Omer Klein Trio zum ersten Mal live zu erleben, ein Trio aus Israel, das dieses Jahr eine Nominierung zum Live Act des Jahres beim Deutschen Jazzpreis bekam.

Omer Klein tritt auch solo auf, dann zumeist mit etwas eingängigeren Stücken.

Nach dem Abend hatte ich wieder neue Kraft getankt, um meine Kopf-Komfortzone zu verlassen.

Besuch im BoSy

Bald beginnt wieder die Konzertsaison und allen, die sich darauf schon freuen, möchte ich heute das Anneliese Brost Musikforum Ruhr, auch gerne „BoSy“ genannt, vorstellen.
Diese Konzertstätte gibt es seit 2016 und ist insofern speziell, als dass an der ehemaligen St. Marien- Kirche ein Konzertsaal gebaut wurde und die Kirche jetzt als Foyer genutzt wird.

Ich sah zum ersten Mal den Duisburger Violinisten Frank Peter Zimmermann, der im europäischen Raum als einer der besten Geigenspieler gilt. Hier eine kleine Hörprobe:

An unserem Konzertabend spielte er u.a. dieses Stück, was mir sehr gut gefiel.

Frank Peter Zimmermanns Auftritt zeichnete sich nicht nur durch sein Können aus, sondern auch durch seine freundliche und natürliche Art. Ist eben ein „Duisburger Jung“!
In der Pause gingen wir nach draußen und wurden von lautem Autogehupe und vielen Menschengruppen überrascht. Die türkische Fußballmannschaft war gerade Sieger in einem EM-Spiel und das wurde gefeiert. Im Konzertsaal hatten wir davon nichts mitbekommen- ein Lob auf den Konzertsaal! Nach der Pause hörten wir die 9.Symphony von Anton Bruckner, bei der der Saal seine sehr gute Akustik noch einmal präsentierte.

Hier geht es zum Spielplan 24/25 vom BoSy: https://www.bochumer-symphoniker.de/fileadmin/user_upload/240527_BoSy_Kalender_24_25_E-Book.pdf

Sie können tatsächlich auch komponieren

Da heute der internationale Frauentag gefeiert wird, widme ich mich mal wieder dem Thema „Komponistinnen entdecken“.
Im ersten Video hören Sie Musik von Florence Price ( 1887 bis 1953). Sie schrieb ca. 300 Werke und war die erste Afroamerikanerin, die in den USA als Komponistin klassischer Musik bekannt wurde.

Die Amerikanerin Sarah Kirkland Snider ( geboren 1973) komponiert  Kammermusik, Chor- und Ballettstücke sowie sinfonische Orchesterwerke. Ihre Musik ist eine Mischung aus Indie-Rock und klassischer Musik und wird dem Genre „Neoklassik“ zugeordnet.

Die Amerikanerin Joanne Brackeen (geboren 1938) ist Autodidaktin und wurde Jazzpianistin, die mit ihren Kompositionen laut Wikipedia in den 80er Jahren wegweisend für die Entwicklung des Jazz war.

https://youtu.be/n3mTrBHRQPA?si=fOxYUCF23kMcM1V7

Für alle, die nicht so klavierbegeistert sind, habe ich abschließend noch Anna Meredith in die Auswahl mit aufgenommen. Die Britin wurde 1978 geboren, bekam schon mehrere Auszeichnungen für ihre innovativen elektronischen und akustischen Kompositionen, die u.a. auch in verschiedenen Filmen zu hören sind. Hier zwei Beispiele:

Stellen Sie laut und schnallen Sie sich an! Ich habe das Stück schon einmal live in der Elbphilharmonie gehört und dachte, dass jeden Moment die apokalyptischen Reiter auf der Bühne auftauchen. Taten sie nicht- noch einmal Glück gehabt…

Hier dürfen Sie gerne mitklatschen:

Die Kunst von Hipgnosis

Ich vermute, dass einige meiner Leser und Leserinnen Kunst von Hipgnosis bei sich zuhause im Regal stehen haben…

„Hipgnosis“ ist ein Künstlerduo, dass zwischen 1967 und 1984 über 400 Plattenhüllen für bekannte Musikgruppen wie Pink Floyd, Led Zeppelin oder Yes entworfen haben und 120 dieser Cover kann man sich noch bis zum 20. Mai in der Oberhauser Ludwigsgalerie ansehen.


Weltberühmt wurde Hipgnosis durch die Plattenhülle zu „The Dark Side of the Moon“ von Pink Floyd. In der Ausstellung sieht man, welche verschiedenen Entwürfe es vorher gab und es wird erzählt, wie letztendlich diese Version sich durchsetzte:

Das 30jährige Jubiläum dieser Schallplatte nahmen diverse Künstler zum Anlass, das Motiv noch einmal umzugestalten.

Auch zu den anderen Plattenhüllen von Pink Floyd erfährt man viel zu der Entstehungsgeschichte. Besonders beeindruckend die Fotos zu „Wish, you were here“. Damals gab es noch keine Fotobearbeitungsprogramme und die Umsetzung der Idee war noch einen Herausforderung, die Tage dauern konnte.

Den Hüllen von Peter Gabriel wird ebenfalls viel Platz eingeräumt. Auch hier wird genau beschrieben, wie die Fotos damals gemacht wurden. (Rechts wurde beispielsweise ein Polaroidfoto, bei dem der Entwicklungsprozess noch nicht abgeschlossen war, mit einem Finger berieben.

Diese Plattenhülle von 10cc kannte ich noch nicht und sie gefiel mir ausgesprochen gut. Sie entstand 1976 und zeigt Menschen auf einer Party, die sich nicht mehr miteinander unterhalten, sondern sich gegenseitig anrufen. Wie weitsichtig!

Wir waren eine gute Stunde in der Ausstellung. Die Texte lasen wir alle, nur einen Kurzfilm sahen wir uns nicht an. Also eine Ausstellung, genau richtig für einen verregneten Nachmittag. Vielleicht nehmen Sie sich noch ein Paar Kopfhörer mit und spielen ihre Playlist mit alten Lieblingen ab? So taten es bei unserem Besuch zwei ältere Herren und sie sahen beim Mitsummen ziemlich glücklich aus.

Alternative Karnevalsmusik

Sollten Sie mal eine Abwechslung zu den Karnevalsliedern im Radio brauchen, hier ein Stück der finnischen Komponistin Helvi Leiviskä (1902 bis 1982).
Sie hat Musik studiert, war aber hauptberuflich Bibliothekarin und komponierte jahrelang in ihrer Freizeit. Sie war die erste bedeutende finnische Komponistin, die sich in einer Männerwelt durchsetzten musste und eine 2024 erschienene CD mit ihrem Orchesterwerk Platte zeigt laut Fachleuten, dass Leiviskä die bedeutendste europäische Komponistin neben den Boulanger-Schwestern und Sofia Gubaidulina war.

Wie ist der Ausblick auf das neue Jahr?

Solange es Leckerli, schöne Spaziergänge, Streicheleinheiten und ein kuscheliges Schlafplätzchen gibt, kann eigentlich nichts schief gehen!


Für alle Hundebesitzer habe ich noch einen besonderen musikalischen Gruß zum Sonntag: Walking the Dog von George Gershwin
(Natürlich dürfen alle anderen auch hören!)

Hoffnungsvoll ins neue Jahr

Willkommen im Jahr 2024! Als ersten Beitrag möchte ich Ihnen dieses Lied vorstellen oder ist es eher eine musikalische Buchbesprechung?

Dies ist das Buch zu dem Video:

Und hier geht es zu einer Leseprobe:
https://www.penguin.de/leseprobe/Vom-Mythos-des-Normalen/leseprobe_9783466347988.pdf#page4