4/ 3-2023
Schlagwort: Sprache
Ein praktischer Buchstabe
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Nächsten Montag geht s weiter. „Programm“ der Woche: Besprechungen von 2 Krimis, eine weitere Software, um Fotos zu bearbeiten und ein neuer Ausflugstipp.
Ein Garderobenroman
Herr Harald, ein Mann mittleren Alters, Junggeselle, arbeitet an der Garderobe in der Oper, vertretungsweise auch in der Philharmonie oder im Theater. Sein Leben verläuft geordnet ohne Überraschungen, sein mitunter rasantes Gefühlsleben hat er im Griff. Er beobachtet seine Umwelt genau, sein Notizbuch wird stetig mit Anmerkungen über Opernbesucher, Waschsalonbenutzer und das Wetter gefüllt und er wählt das „Wort des Monats“ aus. Eine Coca Cola gönnt er sich manchmal, ebenso kleine Fantasiereisen, die er mit der jungen Frau unternimmt, die bei Klavierkonzerten als Notenumblätterin agiert. Ihren Namen kennt er nicht, aber ihr fohlenbraunes Haar hat es ihm angetan.
Sein korrektes Leben bekommt einen Knacks, als nach einer Vorstellung ein Mantel nicht abgeholt wurde und Herr Harald in dem Mantel eine Waffe findet. In Panik nimmt er die Waffe mit nach Hause und lässt den Mantel verschwinden. Die Waffe ist eine „Rhön“, eine Schreckschusspistole, die er im Backofen in einem Römertopf versteckt. Er gewöhnt sich an ihre Gesellschaft und in ihm reift eine Idee. Sein Leben hat sich wieder etwas beruhigt, als er in einer Zeitung das Foto einer männlichen Leiche sieht, nach deren Identität die Polizei sucht. War das der Mantelmann? Ein paar Abende später fragt in der Oper ein Mann nach dem Mantel. Herr Harald schafft es, dem Mann sein Unwissen über den Verbleib des Mantels glaubhaft zu vermitteln, doch was bedeutet das alles? Dann taucht eines Tages eine Katze vor seiner Wohnung auf und besteht darauf, hineingelassen zu werden. Herr Harald bekommt eine neue Mitbewohnerin und sein Leben wird noch aufregender.
Mein Verhältnis zu Herrn Harald wechselte bei der Lektüre mehrmals. Gerne hätte ich ihn öfter geschüttelt, dass er doch mal von seinen Ordnungsprinzipien abweichen möge, dann wieder war er ein liebenswerter Mensch, der kleine Schönheiten im Alltag entdeckt und beobachtet. Die kreative Sprache der z.T. mit feiner Ironie geschriebenen Geschichte und Herr Haralds Gedanken zu einzelnen Wörtern sind aber die Hauptgründe dafür, dass ich den Roman gerne gelesen habe
LKWs gelesen
Auf der A 1 zwischen Bremen und Münster staute es sich letzte Woche an mehreren Stellen. Als Beifahrerin war ich etwas gelangweilt und begann, die Aufschriften auf den LKWs zu studieren. Vier Slogans und Statements hintereinander gelesen:
Steine fürs Leben
It‘s transportible
Technik ändert sich, Sicherheit bleibt
Systemlösungen!
Das hatte für mich etwas Lyrisches und ich sammelte weitere LKW Beschriftungen.
Aus ihnen bastelte ich folgende Texte (Nur die Überschriften sind von mir ausgedacht):
Drei weitere LKW Beschriftungen möchte ich Ihnen nicht vorenthalten.
Eine Firma richtete sich ausschließlich an Menschen, die der lateinischen Sprache mächtig sind: Qua paret orbis. Ich ahnte nur, was die Worte bedeuten könnten und schlug nach: Soweit die Erde (der Erdkreis) reicht. Schönes Motto für ein Logistikunternehmen, aber vielleicht ein bisschen zu exklusiv?
Ein anderer LKW betrieb Aufklärung: „Zwischen Hamburg und Verona liegen nur 40 km Autobahn – dank der Kombination aus Bahn-und Straßentransport. Gelber Schriftzug mit Wildblumenwiese im Hintergrund. Für einen Moment stellte sich bei mir ein warmes Ponyhofgefühl ein.
Zum Abschluss noch etwas pfiffiges Freches: „Werden Sie Spießer!“ wurde man aufgefordert. Warum? Das Unternehmen hatte den Familiennamen Spießer…
Schall und Rauch
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Deutsch für alle
Ist Deutsch Ihre Muttersprache? Dann beglückwünschen Sie sich dazu, diese Sprache nicht wie der Autor Abbas Khider neu lernen zu müssen.
Er ist ein Flüchtling aus dem Irak und kommt nach mehreren Zwischenstationen im Jahr 2000 in Bayern an. Dort beginnt er umgehend, die deutsche Sprache zu lernen und hat schnell drei phonetische Todfeinde: Ä Ö Ü. Diese Buchstaben richtig auszusprechen- keine Chance! Aber auch grammatikalische Regeln lassen Khider immer wieder verzweifeln. Es gibt Regeln, die haben so viele Ausnahmen, dass man eigentlich nicht mehr von einer Regel sprechen kann. Andere Regeln leuchten ihm und seinen Mitschülern partout nicht ein und nach der Lektüre des Buches neige ich nun auch dazu, die deutsche Sprache teilweise als absurd zu bezeichnen.
Khider erzählt aber nicht nur von seinen Schwierigkeiten, sondern er bietet direkt Lösungsvorschläge an, wie man die deutsche Sprache vereinfachen könnte, so dass sie gute Aussichten hätte, die Weltsprache Nr. 1 zu werden. Diese Vorschläge haben mir nicht alle gefallen, aber genial fand ich die Einführung der arabischen Wörter „min“ und „ila“, sie reduzieren erheblich den Wust von deutschen Präpositionen.
Die deutsche Sprache- ein trockenes Thema? Mitnichten, denn Khider gelingt es, sehr humorvoll über Sprachunsinnigkeiten zu schreiben. Dazu erzählt er aus seinem Alltag als Flüchtling, Asylbewerber und schließlich als ausländischer Student und Autor. So liest man ganz nebenbei auch eine bewegende Lebensgeschichte und bekommt Einblick in den deutschen Behördenalltag, für den man sich als Deutsche/r nur schämen kann.
Abbas Khider ist inzwischen für seine Romane mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet worden. Dass ein Nichtmuttersprachler dieses Buch schreiben konnte, dass beeindruckt mich sehr.
Neuigkeiten für diametralreflektierende Menschen
Ich berichtete Ihnen ja schon über mein Vergnügen, aus Zeitungen ausgeschnittene Wörter neu zusammenzusetzen. Hier meine tagesaktuellen Postkarten:
Entdecke….Mein Herta Müller Projekt
Im Oktober stellte ich Ihnen kurz ein Collagebuch der Autorin Herta Müller vor. Herta Müller hat ca. 100000 Wörtern aus verschiedenen Druckerzeugnissen ausgeschnitten und danach die Wörter zu neuen Sätzen zusammengesetzt. Ich versuchte mich in ihrer Wortschnipselcollagenkunst- es machte mir sehr viel Spaß, so dass ich jetzt ein weiteres Buch las:
Auch dieses Buch ist wieder eine Fundgrube für surreale Aussagen, tiefgründige Beobachtungen oder witzige Sätze. Ich wollte es auch noch einmal versuchen, schlug allerdings einen anderen Weg als Frau Müller ein. Anstatt aus Tausenden von Wörtern Sätze zu bilden, beschränkte ich meine Wortauswahl pro Satz aus Überschriftwörtern nur eines Magazins der Süddeutschen Zeitung. Ich hatte noch einige ungelesene Exemplare dieses Magazins und entdeckte beim ersten Durchblättern, dass in jeder Zeitung eine Anzeige geschaltet war, die mit dem Wort „Entdecke“ begann. Das wurde für mich zum roten Faden und hier sehen Sie eine Auswahl meiner Ausbeute von Wortschnipselkompositionen:
Mich erinnert diese Beschäftigung ein bisschen ans Puzzlelegen. Beim Puzzlen gibt es das Glücksgefühl, wenn man ein lang gesuchtes Teil endlich gefunden hat und dieses Glücksgefühl erlebte ich immer dann, wenn mein Bauchgefühl mir sagte, das ist genau das Wort, das an der Stelle passt. Unterbewusstsein lässt grüßen?
Stürmischer Buchtag
Momentan findet in Frankfurt wieder die Buchmesse statt. Vielleicht kam mein Unterbewusstsein deshalb auf die Idee, gestern einen Buchtag einzulegen? Um der alten Zeiten willen?
Gestern gab es Sturm und Regen,
das war für mich ein wahrer Segen.
Konnte mit gutem Gewissen zuhause bleiben
und mir ein paar Bücher einverleiben.
Morgens um sieben fange ich mit Eckengas Gedichten an,
Humor zu Beginn,
das ist für meine noch müde Stimmung ein Gewinn.
Danach widme ich mich dem Buch von Herta Müller,
hier wird es schon etwas anspruchsvoller.
Die Nobelpreisträgerin schneidet Wörter aus
und setzt sie neu zusammen.
Da verdient sie doch Applaus,
denn damit konnte sie mich entflammen.
Schnell selbst ein paar Wörter aus einer Zeitung ausgeschnitten,
darf ich Sie zu meinem Œuvre um Ihre Meinung bitten?
Zum zweiten Frühstück sind Tintin und Milou dran,
ihre Abenteuer ziehen mich noch heute in den Bann.
Ich fühle mich wie ein Kind,
das sich vom Schulstress eine kleine Auszeit nimmt.
Kein Mittagessen und die Siesta ist auch nicht lang,
jetzt ist mir nach einem Buch über den musikalischen Klang.
Ein Roman mit einem japanischen Klavierstimmer,
über dieses Instrument zu lesen, das geht bei mir doch immer.
It‘s teatime, dazu noch ein paar Plätzchen,
danach suche ich mir ein neues Bücherschätzchen.
Einen Bildband möchte ich jetzt haben,
denn meine Augen sollen sich auch mal laben.
Viele bunte Farben gegen das so graue Wetter,
wie schnell wird das Leben durch ein Buch doch viel netter!
Ich blättere und versinke, fast wie in einem Traum,
vergesse die Zeit und um mich herum den unaufgeräumten Raum.
Plötzlich streift mich das schlechte Gewissen,
ist Putzen und Aufräumen heute ein Müssen?
Nö, beschließe ich und blättere weiter,
meine Stimmung bleibt deshalb auch heiter.
Mein Kater möchte auf meinen Schoß,
da ist der Bildband jetzt doch zu groß.
Schnell nehme ich einen Krimi zur Hand,
dieses Buch ist ein Unterhaltungsgarant.
Wolf Haas, er ist mein Favorit,
denn seine Bücher haben österreichischen Kolorit.
Mein Kater schnurrt laut und ich werde dösig,
ein weiteres Buch zu suchen ist dann wohl müßig.
Um halbzehn habe ich mich hingelegt,
von diesem Tag noch tief bewegt.
Zufrieden schlafe ich schnell ein,
dankbar für mein schönes Bücherheim.
P.S. Morgen habe ich einen zum Wetter passenden Rätselbeitrag für Sie.
Wort kontra Foto
Heute nehme ich Sie mit auf eine kurze Gedankenreise. Vor einiger Zeit sah ich ein schönes Foto mit einem Meermotiv in einem Schaufenster. In dem Moment, als ich es betrachtete, fuhr ein Feuerwehrwagen vorbei und spiegelte sich im Fenster und damit auch auf dem Foto. Plötzlich war die Aussage des Fotos eine ganz andere geworden. Das fand ich bemerkenswert und ich überlegte mir daraufhin zu einigen meiner Fotos Titel, die die Bedeutungen der Fotos so verändern, dass ein kleiner Film im Kopf abläuft, ähnlich wie bei einem Haiku. Ein einfaches Beispiel:
Eine malerische Landschaft am Niederrhein, bestens geeignet, um die Seele baumeln zu lassen. Doch welches Gefühl stellt sich bei Ihnen ein, wenn ich sage, dass der Titel des Bildes „Mückenplage“ lautet?
Ich habe inzwischen auch einige Postkarten gestaltet:
Für Krimifreunde hätte ich noch zwei Zugaben:
Wer hat mehr Macht über uns, das Bild oder das Wort?