Man kann sich die Nachbarin nicht aussuchen

Momentan bin ich auf einem kleinen „Bilderbuchtrip“, denn bei manchen Titeln geht mir das Herz auf. Dieses Buch gehört dazu.
Frau Unglück wohnt im Haus Nr. 13. Sie ist hochgradig irritiert, als in Haus Nr. 12 Herr Glück einzieht und verweigert jegliche Kontaktaufnahme, als Herr Glück sich freundlich vorstellt. Doch das hält Herrn Glück nicht ab, sie weiterhin lächelnd zu grüßen. Ansonsten genießt er das Leben und widmet sich seinem Garten, in dem er viele Blumen pflanzt und Blumensamen verteilt. Im Laufe des Jahres wird es so in seinem Garten schön bunt und wild. Frau Unglück beobachtet das Treiben mit Argusaugen und sie beschließt, dass Herr Glück weg muss! Sie schmiedet einen Plan und schickt Raupen, den Maulwurf und ihre Katze in den Garten von Herrn Glück. Doch dieser freut sich über den Besuch und die Tiere fühlen sich in diesem schönen Garten sehr wohl. Dann besucht Frau Unglück eines Tages heimlich Glücks Garten und sie entdeckt etwas, dass ihr Herz zum Schmelzen bringt und ihr ein Lächeln auf das Gesicht zaubert. Da standen zwei riesige Sonnenblumen und bildeten ein Dach:

Könnte man dieses Bilderbuch vielleicht auch verschenken, um etwas durch die Blume zu sagen…

Ein Leben mit fünfzehn Kugeln

An der Westküste der USA nennt man ihn in den 50er Jahren voller Ehrfurcht „Fast Eddie“, denn der talentierte junge Mann hat alle Größen in der Billardszene bereits besiegt. Jetzt ist er zusammen mit seinem Freund und Betreuer Charlie im Auto unterwegs Richtung Osten, um neue Herausforderungen zu suchen. Während Charlie weiterhin daran festhält, Eddie langsam zum besten Spieler der USA aufzubauen, ist Eddies Selbstbewusstsein so groß, dass er in Chicago gegen die Billardlegende Minnesota Fats antreten will. Es kommt zum Streit und die beiden trennen sich.
Eddie spielt fast zwei Tage lang zig Partien gegen Minnesota Fats. Zuerst ist er mehrmals ein strahlender Sieger, doch am Ende verliert er sein ganzes Geld und ist mittellos. Glück hat er, als er bei der Studentin Sarah unterkommt und dort wohnen darf. Er versucht, in zwielichtigen Kneipen Geld zu verdienen. Nach einem Spiel wird er als Poolhai beschimpft und man bricht ihm beide Daumen. Eddie ist an einem Tiefpunkt angelangt.
Während des Spieles gegen Minnesota Fats hatte Bert, ein reicher Geschäftsmann und Pokerspieler, Eddie beobachtet und bietet ihm danach eine Zusammenarbeit an. Bert kennt viele reiche Männer, die sich für gute Billardspieler halten, die gegen Eddie aber keine Chance hätten. Man könnte gemeinsam viel Geld verdienen…Damals lehnte Eddie dieses Angebot ab, doch jetzt sieht er es als Chance, sein Leben wieder in den Griff zu bekommen. Zuerst scheint diese Partnerschaft die richtige Entscheidung zu sein, doch dann kommt es zu einem zweiten Duell mit Minnesota Fats und Eddie erkennt, welchen Fehler er gemacht hat.

Bereits die ersten beiden Seiten des Romans haben mich fasziniert und mich in die Geschichte hineingezogen. Beschrieben wird, wie ein alter Billardsaal aussieht, welche Gerüche und Töne sich vermischen und welche Typen von Spielern „abhängen“. Die Stimmung des Romans ist eine Mischung aus Western und Roman- bzw. Film noir. Man kann dem Diogenes Verlag dankbar sein, dass er diesen Roman, der als Vorlage für den 1961 erschienen Film „Die Haie der Großstadt“ mit Paul Newmann diente, jetzt in neuer Übersetzung anbietet.

Hoffnungsvoll ins neue Jahr

Willkommen im Jahr 2024! Als ersten Beitrag möchte ich Ihnen dieses Lied vorstellen oder ist es eher eine musikalische Buchbesprechung?

Dies ist das Buch zu dem Video:

Und hier geht es zu einer Leseprobe:
https://www.penguin.de/leseprobe/Vom-Mythos-des-Normalen/leseprobe_9783466347988.pdf#page4

Harriets Albtraum

Dieser Krimi spielt in der nahen Zukunft. Die Protagonistin Harriet lebt mit ihrer betuchten Familie in München. Seit sie fünf Jahre alt ist, gibt sie öffentlich Klavierkonzerte und ihre Laufbahn als berühmte Pianistin scheint vorbesimmt. Doch dann ändert sich alles, als sie siebzehn Jahre alt ist und eine Operation an der Hand misslingt und die Karriere zerstört. Die Eltern ziehen nach Frankfurt und Harriet wird Klavierbauerin.

Das sind Harriets Erinnerungen.

Inzwischen ist Harriet zweiunddreißig und hat ein eher freudloses Leben. Reich ist sie nicht mehr, denn ihre erfolgreiche Mutter kam bei einem Autounfall ums Leben und das vorhandene Geld finanziert den Aufenthalt ihres dementen Vaters in einem Sanatorium. Um über die Runden zu kommen, hat Harriet inzwischen nachts einen zweiten Job als Türsteherin vor einem Luxuskaufhaus, das 24 Stunden geöffnet ist, angenommen. Sie wohnt in einem 30 qm Raum im 9.Stock eines ehemaligen Wolkenkratzers. Früher gehörte dieser einer Bank, jetzt leben dort Menschen, die zur großen Gruppe der Armen gehören. Weiterhin wird Harriets Alltag geprägt von fast täglichen Katastrophenwarnungen, bedingt durch große Hitze und den damit verbundenen Bränden in Wäldern oder in der Stadt.

Auf dem Weg zu einer Familie, deren Klavier gestimmt werden muss, gerät Harriet in einen dieser Waldbrände. Sie rettet zusammen mit zwei anderen Frauen eine ihr unbekannte alte Frau aus deren Haus. Bevor die Frau ohnmächtig wird, nennt sie Harriets Namen. Harriet bringt die Frau mit deren Auto ins Krankenhaus. Als die alte Frau aus der Ohnmacht erwacht, ist sie gegenüber Harriet abweisend und verbietet sich jeden weiteren Kontakt. Harriet ist nicht nur deswegen irritiert, sondern ihr macht auch die Tatsache zu schaffen, dass sie Auto gefahren ist. Sie hat nie den Führerschein gemacht.
In den darauffolgenden Wochen gerät Harriets Alltag immer mehr ins Wanken, denn sie bekommt den Eindruck, dass ihr aus einem großen schwarzen Loch Erinnerungsbrocken vor die Füße geworfen werden, die sie nicht zuordnen kann. Die Angst, verrückt zu werden oder zu sein, wird unerträglich. Um Klarheit zu gewinnen, nimmt sie eine Woche Urlaub und fährt nach München, dem Ort ihrer Kindhei und Jugend.

Und der Albtraum beginnt…

Zoë Becks spannender und beklemmender Krimi steht seit mehreren Wochen auf der Krimibestenliste des Deutschlandfunks. Völlig zu recht!

Die passende Antwort finden

Vorletzte Woche besuchte ich in der Duisburger Volkshochschule einen Vortrag zum Thema Schlagfertigkeit. Herr Jürgen Strauß, beruflich u.a. als Mitarbeitercoach tätig, leitete den Kurs.
Der erste Teil des Vortrags widmete sich äußeren Faktoren, die wichtig sind, um einem unangenehmen Gegenüber Paroli zu bieten. Brust raus, gerade Haltung, feste Stimme und Augenkontakt sind schon die halbe Miete, um sich Respekt zu verschaffen. Beim Augenkontakt verriet er uns den Trick, seinem Gegenüber nicht direkt in die Augen zu sehen, sondern die eigenen Augen auf die Nasenwurzel zwischen den anderen Augen zu richten. So kann man länger jemanden intensiv ansehen, was für die zweite Person unangenehm ist. Sie wird höchstwahrscheinlich wegsehen und das ist der erste „Sieg“.


Die meisten von uns denken beim Thema Schlagfertigkeit meistens an verpasste Möglichkeiten, eine geistreiche Antwort auf eine Provokation zu geben, oft fällt einem eine gute Antwort erst fünf Minuten später ein. Dass die Antwort geistreich sein muss, ist ein allgemeiner Denkfehler und diesen Fehler versuchte Herr Strauß uns im zweiten Teil seines Vortrags abzugewöhnen.

Er verteilte an die Kursteilnehmer ein Blatt mit ca. 50 gängigen unverschämten Sätzen und ein Blatt mit 15 Antwortmöglichkeiten. In Zweiergruppen trainierten wir, auf einen provozierenden Satz schnell eine passende Antwort zu finden. Schnell deswegen, da man nach einer Beleidigung selbst erst einmal eine Schrecksekunde erlebt, die einen lähmt. Dann muss man, ohne groß überlegen zu müssen, eine passende Erwiderung parat haben.
Es funktionierte! Ein paar Beispiele, wie man seinem Gegenüber den Wind aus den Segeln nimmt:

„Sie sehen immer so schmuddelig aus!“ – „Ich passe mich nur der Umgebung an!“

„ Ihr Kollege ist viel gebildeter!“ – „ Bitte definieren Sie, was Sie unter Bildung verstehen!“

„Na, wieder die Nacht durchgemacht? Du hast ganz schöne Augenringe!“ – „Leidest du darunter?“

„Man weiß ja, dass Frauen ab 30 abbauen.“ – „Ich mag Ihre Witze!“ oder „Ist Ihr Denkapparat ausgeschaltet?“

Dieses Training machte Spaß und wir lachten viel. Am Ende der 1 1/2 Stunden hatten die meisten von uns fünf individuelle Abwehrtechniken gefunden, die sie sich gut merken konnten und die der eigenen Mentalität entsprachen. Mehr braucht man nicht, um ca. 80 % aller dummen Sprüche zu begegnen.

Aus der Bücherei hatte ich mir nach dem Kurs noch zwei Bücher ausgeliehen, um den Vortrag lesend noch einmal Revue passieren zu lassen.

Der Inhalt des linken Buches kommt dem Vortrag recht nahe, allerdings beschreibt es fast nur Szenen aus dem Berufsleben. Das rechte Buch beginnt mit einem Übungsteil, in dem schnelles und kreatives Denken trainiert wird. Anschließend werden 100 Situationen im Privat-und Berufsleben geschildert. Bei jeder Szene bietet die Autorin mehrere Reaktionsmöglichkeiten. Die verschiedenen Varianten fand ich lesenswert, jedoch waren es mir zu viele Möglichkeiten.

Einen Kurs zu besuchen, halte ich für die bessere Methode, denn das verbale Üben mit anderen Personen hat einen deutlichen Vorteil gegenüber dem Lesen im stillen Kämmerlein.

Wenn eine Straßenlaterne, ein Gespenst und ein Regenwurm einkaufen gehen

Heute bespreche ich ein Bilderbuch, das ich beim Lesen direkt ins Herz geschlossen habe.

Erzählt wird eine Woche aus dem Leben eines Geräuschehändlers. Er hat einen kleinen Laden in einem unscheinbaren Haus. Am Montag ist eine Straßenlaterne eine Kundin von ihm. Auf ihrer Straße ist es es nachts zu ruhig und sie braucht ein paar Geräusche, um wach zu bleiben und hell zu leuchten. Kein Problem für den Geräuschehändler. Er mixt ihr eine Geräuschkulisse aus einer Prise Kinderlachen, eine Messerspitze Martinshorn und Bremsengequietsche und eine Portion Lieder, die man aus Autoradios hört. Dienstags hilft er einem Zirkusdirektor aus der Patsche. Die Musikkapelle ist ausgefallen und er braucht schnell eine Stimmungskanone. Im Laufe der Woche kommen noch ein Gespenst, das noch mehr Gruselatmosphäre ausstrahlen möchte, einem Trauerkloß verkauft er Geräusche von Kichererbsen, so dass dieser wieder zu lachen beginnt und einer Reisekrähe verhilft er zu Reisebegleitern, in dem er bei anderen Krähen mit Geräuschen aus Afrika die Lust aufs Verreisen weckt. Schließlich kann er am Samstag einem Regenwurm für eine mega hippe Regenparty 87 verschiedene Regengeräusche anbieten.
Und am Sonntag? Da hat der Geräuschehändler frei und fährt ans Meer, um seinen Vorrat an Möwengeschrei und Meeresrauschen wieder aufzufüllen. Doch dann passiert etwas Unerwartetes und am Ende hängt ein Schild in der Ladentür „Komme bald wieder!“

Man kann dieses Bilderbuch Kindern ab 4 Jahren vorlesen oder Selbstlesern ab der 2. Klasse schenken oder man kauft es sich selbst und bekommt gute Laune, wenn man es sieht.

Der Teufelskreis der Einsamkeit

Als wir Anfang des Monats in Luxemburg waren, sah ich abends überall Menschen, die etwas Verlorenes ausstrahlten. Vielleicht lag es daran, dass ich gerade dieses Buch las und meine Antennen für Einsamkeit besonders sensibel waren:

Die Autorin gibt ihr Leben in England vollständig auf, um zu ihrem neuen Freund nach New York zu ziehen. Eine fatale Entscheidung, denn ihr Freund serviert sie sehr schnell ab. Sie beschließt, in New York zu bleiben, findet eine Arbeit und wechselt in den nächsten Jahren mehrmals die trostlosen Unterkünfte. Was Olivia Laing völlig unterschätzt hat ist die Wucht, mit der das Einsamkeitsgefühl sie trifft. Sie kennt niemanden in New York und versucht auf langen Spaziergängen, das Gefühl in den Griff zu bekommen. Doch beim Anblick von Pärchen und Familien breitet sich die Einsamkeit immer mehr in ihr aus und bestimmt ihr Denken und Handeln. Sie zieht sich zurück, hat Angst davor, in der Öffentlichkeit als Einsame entlarvt zu werden.
Glücklicherweise hat sie als studierte Kulturwissenschaftlerin Zugang zur Kunst und sie entdeckt schließlich für sich Künstler, deren Leben und Werke ihrer Meinung nach auch von großer Einsamkeit geprägt sind. Parallel zu ihrer eigenen Geschichte erzählt sie deshalb auch von Edward Hopper, Andy Warhol, David Wojnarowicz und anderen Künstlern, die für sie verschiedene Facetten der Vereinsamung repräsentieren. So geht es beispielsweise um das Abhandenkommen von Sprache bei Warhol oder bei Wojnarowicz um die grenzenlose Suche nach Sex und Intimität in den heruntergekommenen Piers und Kinos am Trafalgar Square in den 70er Jahren.
Einsamkeit „passiert“ nicht nur bei Verlust einer geliebten Person, sondern auch, wenn Menschen durch die Gesellschaft ausgegrenzt oder stigmatisiert werden. Der Umgang mit Aidskranken in den 80er Jahren ist für Olivia Laing ein Paradebeispiel.
Die Einsamkeit der Menschen in Zeiten des Internets mit dem Wunsch nach endloser Aufmerksamkeit und Anerkennung ist ein weiteres Thema in diesem Buch. Auch hier gibt die Autorin wieder ihre eigenen Erfahrungen preis und berichtet über die Aktivitäten des Internetgurus Josh Harris.
Die Analysen der Autorin, was Einsamkeit ist und wie tiefgreifend sich Einsamkeit bei Menschen auf Körper und Psyche auswirkt, haben mich sehr beeindruckt. Ihre eigene Geschichte mit Texten über die amerikanische Künstlerszene zu kombinieren, ist überraschend und nachvollziehbar.
Olivia Laing findet etwas Trost in der Tatsache, dass sie in ihrer Verlorenheit nicht alleine ist, sondern immer mehr Menschen von Einsamkeit heimgesucht werden. Auch scheint es so, dass einsame Menschen eine erweiterte Wahrnehmung des Alltagslebens haben, daraus zieht sie selbst eine positive Kraft.
Nach Laings Meinung ist das offene Bekennen zur eigenen Einsamkeit fast immer noch ein Tabu in der Gesellschaft. Diese fürchtet sich vor dem Gefühl und verdrängt es gerne. Die wohl gemeinten Ratschläge Nichtbetroffener (einem Verein beitreten, ein Ehrenamt übernehmen, sich einen Hund anschaffen) helfen gegen das Alleinsein, sind für die Einsamkeit aber nur ein Pflaster. Deshalb wünscht sich die Autorin mehr Orte, in dem einsame Menschen sich ohne Scham treffen und sich gegenseitig unterstützen können, um aus dem Teufelskreis der Einsamkeit zu entkommen.

Eine Kindheit zwischen Bauern und Bohemians

So ein kleiner Junge hat es wirklich nicht leicht! Jan Peter Bremer lebt in den 70er Jahren mit seinen Eltern im ländlichen Kreis Lüchow-Dannenberg. Zuerst auf einem Bauernhof in einem Dorf, in dem es nur einen Lehrer für alle Schüler gibt und die Kinder der ersten Klasse von einem Schüler aus der dritten Klasse im Schreiben und Lesen unterrichtet werden. Kein guter Start für die schulische Laufbahn von Jan Peter und er tut sich in den folgenden Jahren sehr schwer, zumal er auch ungelenk ist, mit seinem Wuschelkopf komisch aussieht und manchmal seltsam spricht. Das aber eigentlich Schlimmste für ihn als Schüler ist die Tatsache, dass seine Eltern nicht in das bäuerliche Weltbild der erwachsenen Dorfbewohner und deren Kinder passen. Die Familie kommt ursprünglich aus Berlin und sein Vater Uwe Bremer gehört zu den fünf Gründungsmitgliedern der berühmten Rixdorfer Druckwerkstatt der Dichter. In dem Schlösschen, das im Nachbardorf der zweite Wohnsitz der Familie wird, findet ein ständiges Kommen und Gehen bekannter Künstler, Schriftsteller und Journalisten statt. In Zeiten von RAF und der „Atomkraft- nein danke“-Bewegung sind für die Dorfbewohner alle Besucher entweder Gammler oder potenzielle Terroristen. Während die Eltern fast in einer Blase auf ihrem Schlösschengrundstück leben und kaum etwas von der Ablehnung mitbekommen, muss Jan Peter jeden Tag in der Schule die Verachtung und den Hass auf seine Familie aushalten. Er sagt nie etwas, das hat man damals nicht getan.
Die Jahre vergehen. Jan Peter ist in der 7. Klasse und darf auf das Gymnasium wechseln. Langsam ändert sich dort seine Situation, als er entdeckt, wie gut es ihm geht, wenn er liest und eigene kleine Geschichten verfasst. Diese sind wirklich gut und er wird erstmalig gelobt. Sein Selbstwertgefühl steigt und damit scheint die Chance zu bestehen, endlich Freunde zu finden.
Der Autor schreibt liebe-und humorvoll über seine Eltern und deren Freunde. Wie er als Junge versucht, trotz seiner vielen Schwierigkeiten kleine Freuden im Leben zu entdecken, das ist rührend zu lesen. Ein leises Buch, dessen Lektüre ich mit einem Lächeln beendete.

Wer mehr über das Leben des Künstlers Uwe Bremer und dessen Freunde erfahren möchte, dem empfehle ich diesen Bildband. Ein Augen- und Leseschmaus!

Wir sind wandelnde Pfützen

Heute habe ich für Sie einen Buchtipp passend zum nassen Herbstwetter.

„Unser Körper besteht zu 80 % aus Wasser. Wir sind also aufrecht stehende Pfützen.“ besagt ein Kalenderspruch, den ich in diesem Buch gefunden habe:

Auf 136 Seiten beleuchten die beiden Autorinnen (Journalistin und Geografin) das Thema Pfützen. Dank zahlreicher Fotos und launig geschriebenen Texten werden uns die Augen geöffnet, an welchen besonderen Miniseen wir zumeist als Erwachsene gedankenlos vorbei gehen oder über die wir uns sogar ärgern. Als Kind war das anders, plitschplatsch in eine Pfütze gesprungen, war das nicht herrlich?

Die einen ärgern sich darüber, beim Spazierengehen Umwege machen zu müssen, die anderen freuen sich, dass die Pfützen den Himmel auf die Erde holen


Drösele ich mal auf, wo die Pfütze eine Rolle spielt: Picasso, Gerhard Richter und andere Künstler verewigten Pfützen in ihren Bildern, in der Literatur gibt es z.B. Passagen bei Albert Camus oder Günter Grass, wo die Pfütze beschrieben wird. In der Fotografie war und ist die Pfütze ein beliebtes Motiv, angeführt von dem Bild „Der Sprung“ von Henri Cartier-Bresson. Zu jeder Jahreszeit bieten die Minigewässer Hingucker:

Blätterschiffchen im Herbst

In unseren grauen Städten bringen Pfützen Farbe und Abwechslung und wenn es windig ist, noch flüchtige Bewegungen.


Das sind „Wohlfühlargumente“, die für die Pfütze sprechen, doch es gibt noch wichtigere Gründe, Pfützen zukünftig mehr wertzuschätzen.
Pfützen sind lebenswichtige Plätze für Flora und Fauna. Pflanzen wachsen in Pfützen oder benötigen das feuchte Mikroklima des Wassers.(Z.B. seltene Orchideen in freier Natur).

Große wie kleine Tiere brauchen Pfützen als Trinkplatz. Trocknen Pfützen nicht nach wenigen Tagen wieder aus, siedeln sich Kleinstlebewesen an, Molche und Frösche nehmen die Pfütze als Laichgewässer.


Wie oben schon angedeutet, sorgen Pfützen für ein feuchtes und damit auch kühlendes Mikroklima. So könnten sie auch für uns Menschen ein Mittel sein, nach Starkregenfällen in heißen Sommern die Umgebungstemperatur zu senken. Warum sich im Garten nicht eine „Privatpfütze“ anlegen?

Mir ist echt „pfützig“! Dieses Wort gab es schon mal im Frühneuhochdeutschen und starb dann um 1500 aus. Schön wäre es, wenn es in die deutsche Sprache wieder zurückkehren würde, denn es bedeutete in früheren Zeiten: „Eine als nützlich erachtete Sache mit Spaß und Eifer vorantreiben“.

Wieder in eine Denkfalle getappt?

Was ist richtig, was ist falsch? Was ist das Beste, was ist das Schlechteste? Soll ich oder soll ich nicht? Kann ich oder kann ich nicht?
Wir müssen jeden Tag Entscheidungen treffen und versuchen, durch Nachdenken ein gutes Ergebnis zu erreichen. Doch leider tappen wir alle immer wieder in Denkfallen, die uns den Alltag erschweren.
In acht Kapiteln erklärt uns die Autorin dieses Buches, welche Arten von Denkfallen es gibt, erläutert diese mit vielen Beispielen und zeigt Möglichkeiten auf, wie man u.U. richtiges Denken erlernen kann. (Das geht leider nicht immer, dazu gleich noch mehr).

Fangen wir mit drei Beispielen von leicht erkennbaren Denkfallen an:
Sie sehen in einer Glasbläserei, wie eine Person durch das Blasen in ein Rohr eine Vase ausformt. Das sieht ja einfach aus, das kann ich auch!

Falsch gedacht. Dazu gehören viel Übung und Wissen, das kann man nicht aus dem Lamäng = eine Illusion dank Selbstüberschätzung.
Denkfalle Nr. 2: Sie müssen etwas vorführen oder vortragen. Bei der Vorbereitung gehen sie es aber nur im Kopf durch und meinen dann, es schon zu können. Zwischen Theorie im Kopf und Praxis im Tun liegt ein großer Unterschied!
Denkfehler Nr. 3: Wir stellen nur solche Fragen, die unsere vorgefasste Meinung bestätigen. Ein Beispiel: Ein Junge kommt mit einem zerrissenen T-Shirt nach Hause. Die Mutter fragt sofort:“Hast du dich wieder mit jemandem geprügelt?“ Das kam in der Vergangenheit schon zweimal vor. Dass der Junge mit dem Shirt an einem Zaun oder einer Tür hängen geblieben oder das Shirt wegen Altersschwäche einfach gerissen ist, kommt für die Mutter nicht in Frage. Zu versuchen, andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, könnte ein Weg sein, zukünftig Situationen richtig einzuschätzen.

Schwer wird es, Denkfallen zu umgehen, wenn unser Gehirn auf urzeitliche Erfahrungen zurückgreift. Bei unseren Vorfahren führte der Verlust von Nahrung zum Tod. Verlust war also ein großer Angstzustand, der bis heute unser alltägliches Handeln bestimmt. Was wir einmal besitzen, wollen wir nur ungern wieder abgeben. Schauen wir doch mal in den Kleiderschrank:


Da wäre weiterhin die Vorliebe für Bequemlichkeit. Gilt eine Ursache für einen Zustand als passend, warum dann noch groß nach anderen Ursachen suchen? Selbst wenn wir meinen, dass wir unvoreingenommen urteilen, ist unsere Meinung tendenziös, da unser Gehirn auf viele Erfahrungen zurückgreift, die wir brauchen, um uns in der Welt zurechtzufinden. Das geschieht unbewusst, ist aber leider so.

Die Autorin ist Professorin für Psychologie an der Yale University. Sie ist hoch dekoriert und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Denkmustern. Ihr Buch, aus dem ich Ihnen nur einige wenige Denkfehler vorgestellt habe, las ich in kleinen Häppchen, um über das Gelesene in Ruhe nachzudenken. Wie sie unser Denken aufdröselt, fand ich zumeist schlüssig. Zukünftig alle möglichen Denkfallen zu umgehen, ist ein für mich aussichtsloses Unterfangen, aber das stetige Bewusstsein, dass das eigene Denken falsch oder beeinflusst sein könnte, kann ein guter Anfang sein.
Der Autorin hofft, dass ihr Buch dazu beiträgt, dass besseres Denken das eigene Leben erleichtert und den Umgang mit anderen Menschen fairer macht, weil man unvoreingenommener ist. Ich hoffe mit ihr!