Wie überwintern Sie?

Für die Autorin Katherine May gibt es zwei Arten des Winters: Die Jahreszeit und der Winter im eigenen Leben, in dem das „normale“ Leben ruht und fast alles stillsteht. So einen persönlichen Winter erlebt die Autorin, als sie 40 wird und ihr Mann schwer erkrankt. Sie wird zur Maschine, die sich fast rund um die Uhr um ihren Mann kümmert, ihren Sohn versorgt und sich an der Universität um ihre Studenten kümmert. Eigenen Bedürfnissen nachzugehen ist kaum möglich. Als es ihrem Mann wieder besser geht, tauchen bei ihr undefinierbare Bauchschmerzen auf, die sie so belasten, dass sie ihren Beruf aufgeben muss. Erst sehr spät stellen die Ärzte die richtige Diagnose, um zu gesunden, braucht es viel Zeit und Ruhe. Diese Ruhe findet sie in den Wintermonaten und sie setzt ihre Krankengeschichte in Beziehung zu allem, was typisch für den Jahreszeitenwinter ist. Zwei Beispiele:
May wohnt am Meer der englischen Südostküste und Spaziergänge sind für sie Medizin. Sie beobachtet die Natur, die sich auch wie sie selbst ausruht und neue Kräfte für den Frühling sammelt. Sie fährt nach Stonehenge, um dort die Wintersonnenwende zu erleben und beschäftigt sich mit Ritualen, die ihr auf ihrem Weg der Heilung gut tun.
Das Buch ist in Kapiteln aufgeteilt, es beginnt im September und endet Ende März. May schreibt mit großer Offenheit über ihre körperlichen und geistigen Befindlichkeiten und den daraus resultierenden Problemen. Dabei wünscht sie sich in der Gesellschaft eine größere Akzeptanz von persönlichen Winterzeiten. Einen „Happy Summer“ kann es nicht immer geben! Sie hat ein Hohelied auf die kalte Jahreszeit geschrieben und ruft auf, diese Jahreszeit viel mehr für das eigene Innehalten zu nutzen.
Die englische Zeitung „The Guardian“ meinte zu dem Buch:“Wenn Therapie eine Redekur ist, dann ist dieses wunderbare Buch eine Lesekur. Ein Buch wie ein warmer Mantel.“ Da schließe ich mich an.

Revival-Urlaub in England 4 – London

Unser Urlaub endete in London, genauer gesagt im Stadtteil Islington. Dort wollten wir ein Konzert besuchen. Da wir mit unserem alten Berlingo unterwegs waren, durften wir mit unserem Auto nicht in die Innenstadt von London. So fuhren wir bis nach Cheshunt, parkten dort und setzten uns in den Zug, sieben Stationen später wechselten wir in die U-Bahn, nach zwei Stops später waren wir im Herzen von Islington. (Die Fahrt dauerte insgesamt ca. eine Stunde).
Nach Islington kommen nicht viele Touristen, denn der Stadtteil bietet keine Superhighlights. Aber wir fühlten uns dort sofort sehr wohl. Hier geht es quirlig zu und anzugucken git es auch Einiges.

Bilder rechts: Die Camden Passage- hier findet am Wochenende ein kleiner feiner Flohmarkt statt. Bilder links: Eins von mehreren Museen in Islington: Das Estorick Museum mit Werken italienischer Künstler, darunter der Cafégarten des Museums.

Gefallen haben uns auch die kleinen Parks als Ruheoasen und die Möglichkeit, am Regents Canal zu flanieren. Das Wetter war gut und viele Londoner nutzten dies aus und machten am Canal ein Picknick.

Die Auswahl ein Restaurants, Cafés, Pubs (mehrere sehr altehrwürdige) und kleinen Geschäften ist groß, da gibt es nichts zu meckern. Da wir nur für eine Nacht in London waren, blieben wir in Islington. Man ist aber von hier aus schnell im Herzen der City, da Islington nur zwei U-Bahnstationen von „Kings Cross“ entfernt ist. So kann man von diesem Viertel aus gut die ganz Stadt erkunden.

P.S. Wir besuchten ein Konzert der Gruppe „IQ“. Die Musiker habe ich früher schon zweimal vorgestellt, deshalb halte ich mich jetzt mit meinen Lobeshymnen zurück.

Revival-Urlaub in England 2-Hastings

Die englische Stadt Hastings ist in Deutschland hauptsächlich als Zielort für Schüler bekannt, die eine Sprachreise unternehmen. Vielleicht kennt man auch noch die Schlacht bei Hastings 1066. Aber sonst die Stadt wohl eher ein unbeschriebenes Blatt.
Eine bedeutende Musikszene in den 70er und 80er Jahre machte Hastings in England zum Hotspot für berühmte Musikgruppen wie Pink Floyd, Rolling Stones oder Genesis und brachte der Stadt ein besonderen Ruf. Dann aber führten die hohe Quote der Arbeitslosigkeit und überdurchschnittliche Kriminalität zum Abstieg der Stadt. Einer der Tiefpunkte war schließlich der Brand des alten Piers. Vor zehn Jahren jedoch wurde in der Innenstadt ein Gebäudekomplex als Ableger der Brightoner Universität eröffnet und es sollte mit Hastings wieder aufwärts gehen. Wir wollten wissen, was sich in den letzten Jahren in Hastings getan hat.

Immer noch ein Besuchermagnet sind die alten Fischerhäuser mit anliegendem Museum für moderne Kunst.(Oben rechts). Täglich fahren noch mehrere Boote zum Fischfang hinaus aufs Meer und in diesem Viertel findet man mehrere Fischrestaurants und Fischverkaufsstellen. Nicht weit entfernt sind die Spielhallen, in und aus denen man beschallt wird. (Unten links). Auch nur einen Katzensprung entfernt ist die Altstadt von Hastings, in der sich in den letzten Jahren einige neue Geschäfte etabliert haben und die 68er Atmosphäre verabschiedet sich merklich.
Die Einkaufsstraßen von Hastings mit einem Shoppingcenter kann man getrost links liegen lassen, ein Spaziergang am Meer auf der großzügigen Promenade macht mehr Spaß. Ziel ist der neue Pier, eine moderne Seebrücke mit mehreren Büdchen, einem großen Biergarten und einer Bühne. (Foto links oben).
Eine Sehenswürdigkeit der besonderen Art versteckt sich im Stadtteil Sankt Leonards. Es ist ein B&B in einem alten viktorianischen Haus aus dem 19.Jahrhundert.

Zwei inzwischen pensionierte Lehrer kauften vor 20 Jahren dieses Haus und machten es sich zur Lebensaufgabe, dieses Haus passend zu seinem Entstehungsdatum um 1880 einzurichten. Nicht nur im Haus konnte ich mich an den vielen Details nicht sattsehen, auch der Garten war wunderschön

Links eins der floralen Fenstern im Haus, rechts oben eine kleine Privatkirche

Wer Interesse an einer Übernachtung hat:http://victorianbedandbreakfast.co.uk/

In ca. zehn Minuten zu Fuß findet man drei gute Restaurants (indisch, italienisch und philippinisch) und zwei Pubs.

Von Hastings aus kann man viel unternehmen. Zwei Ausflugsziele stelle ich Ihnen in der nächsten Woche noch ausführlicher vor. Setzen Sie sich in den Zug, sind sie in einer Stunde in Brighton und in gut 1 1/2 Stunden in London City. Für Gartenfreunde sind ca. zehn bekannte Gärten gut zu erreichen, auf Platz 1 dabei Sissinghurst Garden.

Revival-Urlaub in England 1- Rye

Meine England „Vorgeschichte“: Seit Mitte der 90er Jahre waren mein Mann und ich mindestens einmal pro Jahr in England, weil wir Land und Leute sehr schätzten und dort auch Freunde gefunden hatten. Seit 2013 waren dann unterschiedliche Gründe dafür verantwortlich, dass wir England nicht mehr besuchen konnten. Wir nannten es schlechtes Karma. Um dieses Karma zu durchbrechen, starteten wir jetzt einen neuen Versuch- mit Erfolg! Wir waren nur 3 Tage dort und zwar unten an der Südküste und in London, doch fühlten wir uns gleich wieder „wie Zuhause“.

Im Vorfeld hatten wir uns natürlich gefragt, wie sehr merkt man den Brexit? Das kann schnell beantwortet werden: An der Fähre in Dünkirchen mussten wir insgesamt fünfmal unsere Reisepässe zeigen und zweimal hinten den Kofferraum öffnen. Alles ging sehr schnell, alle Kontrolleure waren freundlich und entspannt. Auf der Rückfahrt wollten die Zöllner nur den Reisepass sehen.
Den ersten Tag verbrachten wir in Rye und Umgebung. Mehrmals sah man Schilder dieser Art:

Das waren die einzigen Brexiterfahrungen, die wir gemacht haben.
Rye ist ein Städtchen mit vielen malerischen Ecken.

Die Stadt und seine Einwohner kann man eher als wohlhabend bezeichnen, was sich auf den Einkaufsstraßen widerspiegelt. Kaum Filialen von Ketten, stattdessen schicke Boutiquen, Einrichtungsläden, Galerien und Antiquitätengeschäfte. Nicht zu vergessen diverse Cafés,Tearooms und Restaurants.
Der besondere Charme von Rye liegt darin, dass es neben seiner Innenstadt, in der viele Gebäude aus dem 15.-18. Jahrhundert stammen, auch einen Hafen besitzt, man also auch „maritimes Flair“ findet. Darüberhinaus befindet sich nur einen Steinwurf das „Rye Harbour Nature Reserve“. Das bietet mehrere Lebensräume für Flora und Fauna und in ihm kommt man auf seine Kosten, wenn man sich mit der Natur verbunden fühlt. Mehrere markierte Wege ermöglichen schöne Spaziergänge.

In den Salzwiesen (oben) kann man besonders gut Vögel beobachten.

Über den zweiten Tag in Hastings berichte ich nächste Woche.

Grünes Flanieren

Ich könnte natürlich auch „wandern“ oder „spazierengehen“ schreiben, wenn ich vom Schlosspark von Lütetsburg und dem Neuenburger Urwald erzähle, doch beide Male passt „flanieren“ besser.
Der Schlosspark (nicht weit von Emden gelegen) ist ein ca. 30 ha großer englischer Landschaftspark, der im 18. Jahrhundert angelegt wurde. Theodor Fontane beschrieb ihn 1882 so:

„Ein uraltes Schloss am Meeresstrand;
ein herrlicher Park im baumlosen Land…”

Das Schloß kann nur im Rahmen einer Führung besichtigt werden, gegen einen kleinen Obolus darf man aber in einigen Teilen des Parks lustwandeln. Mehrere Wege schlängeln sich durch Wiesen, an mannshohen Rhododendrenbüschen, über Brücken und an eindrucksvollen Bäumen vorbei. Immer wieder gibt es neue Sichtachsen, die man auf sich einwirken lassen kann.

Die Rhododendrenblüte hatte gerade erst begonnen, aber jetzt war der Park schon prächtig.

Zu dem Park gehören ein Café und ein Laden, dessen Angebot mich sehr an Läden des englischen National Trusts erinnerte, so we had a splendid afternoon!

Zwei Fotos mit mehreren Überbelichtungen

Der Neuenburger Urwald…So sieht er nicht aus. Aber als ich zum ersten Mal davon gehört hatte, stellte ich ihn mir so vor. Bereits 1630 erließ der damalige Besitzer des Landes, Graf Anton Günter, Anordnungen, die diesen Wald schützen sollten und nahm damit den Gedanken des Naturschutzgebietes vorweg. Kein aufgeräumter Wald, 600 bis 800 Jahre alte Eichen, riesige Hainbuchen, eine abwechslungsreiche Flora auf dem Boden, so ist in diversen Beschreibungen im Internet zu lesen.
Meine Fantasie war mit mir etwas durchgegangen, denn ganz so wild war es dann doch nicht. Doch ich fand diesen Wald trotzdem sehenswert, denn es gibt immer etwas zu entdecken.

Links oben: Viele Waldgeister beobachteten uns, Mitte: Alte Wurzeln machen Skulpturen von Künstlern Konkurrenz, unten: Die Buschwindröschen blühten um die Wette

Noch mehr Unaufgeräumtes, aber jetzt mal in „Mono“:

Ein Tipp zum Schluss: Sollten Sie den Urwald besuchen, parken Sie beim Urwaldcafé (sehr gemütlich) in Neuenburg und gehen Sie auf dieser Seite der Bundesstraße spazieren. Die Wege zu den Knotenpunkten 12 und 17 sind besonders ursprünglich.

Essbare Musikinstrumente und erstes Gartenexperiment im neuen Jahr

Auch 2022 beginne ich mit einem Gartenthema. Kündigte ich noch im letzten Beitrag von 2021 an, im neuen Jahr als Gemüseeinstieg es mal mit Radieschen in meinem Garten zu probieren, so schmiede ich jetzt schon ganz andere Pläne. Als Vegetarierin, die gerne Musik hört und spielt und vielleicht auch mal ein bisschen unkonventionell denkt, ließ mich diese Musikgruppe gestern schmunzeln, als ich sie auf YouTube entdeckte. Eine Karottenflöte aus dem eigenen Garten, das wäre lustig…

Gestern verbrachte ich auch ein bisschen Zeit im Garten, begleitet von mehreren Bienen und einer Hummel. Und das am 1.1. …Ich buddelte noch
50 Blumenzwiebeln ein, die ich im Herbst vergessen hatte. Zum Jahresanfang also direkt ein Experiment: Ob die Zwiebeln dieses Jahr noch blühen werden? Wenn ja, wäre das praktisch, denn ich konnte noch Lücken zwischen den Schneeglöckchen füllen, deren Spitzen man schon gut sehen kann.

Könnten Sie das, könnte ich das?

Moth und Raynor Winn sind ein Ehepaar Mitte 50 aus Wales, das den West Coast Path (1014 km) fast komplett erwandert. Der Grund: Sie beide besitzen nichts mehr und müssen von 48 Pfund (ca. 53 Euro) staatlicher Unterstützung pro Woche leben. Wegen eines unrechtmäßigen aber endgültigen Gerichtsurteils wurde ihre Farm komplett gepfändet, sie haben kein Zuhause mehr. Ihre Kinder sind Studenten mit wenig Geld, Freunden wollen sie nicht zur Last fallen, während sie auf die Zuteilung einer Sozialwohnung warten. Moth und Raynor hoffen, dass die Wanderung ihnen helfen wird, den Schock über den Verlust zu überwinden, den Kopf klar zu bekommen und neue Perspektiven zu gewinnen.
Abgesehen von dem wenigen Geld, das sie bekommen, ist die unheilbare Krankheit von Moth ein weiteres Damoklesschwert, das über dem Paar hängt. Oft kann Moth wegen seiner Schmerzen nicht laufen. Das Alter der beiden macht das Wandern bei großer Hitze, das Übernachten auf Beton, kaum geschützt von ihrem Zelt, und die unterschätzten Steigerungen des Küstenwegs nicht leichter. Doch die beiden geben nicht auf und lernen die Vorzüge des völligen Ungebundenseins und des Lebens in der Natur kennen. Die Menschen, denen das Paar begegnet, sind zumeist freundlich, aufgeschlossen und auch hilfsbereit, so dass am Ende der Geschichte ein Neuanfang in Cornwall in Aussicht steht.

Ich fand das Buch manchmal etwas langatmig, auch störten mich einige Details. Aber das sind nur Kleinigkeiten. Was dieses Ehepaar körperlich, aber vor allen Dingen mental geleistet hat, machte mich beim Lesen oftmals sprachlos.

Der nächste Beitrag am Donnerstag wird herzig.

Ein Nachmittag mit Pawlowa

Das ist Pawlowa, als es ihr wieder besser ging.

Hinter sich hat sie eine lange Reise und diese beschreibt Brian Sewell in seinem Roman:

Mr. B., Brite, verheiratet, fünfzig Jahre alt, ist Filmregisseur und dreht eine historische Dokumentation in Pakistan. Die Stimmung im Fernsehteam ist schlecht, abgesehen von einem Mitglied mögen alle anderen Mister B. nicht besonders. Er ist zu ernst und zu korrekt. Allerdings ist er auch sehr tierlieb und als er kurz vor Drehschluss in Peschawar eine sehr junge Eselin sieht, die unter ihrem Lastenpaket fast zusammenbricht und deren Fell ganz blutig ist, lässt Mr. B. wider jeglicher Vernunft alles stehen und liegen, um die kleine Eselin zu retten. Er peppelt Pawlowa, (benannt nach einer berühmten Balletttänzerin, deren Beine an die der kleinen Eselin erinnern) auf und beschließt, mit ihr zusammen zurück nach England zu reisen- zu Fuß. In den nächsten Wochen trifft Mr. B. viele sehr hilfsbereite und gastfreundliche Menschen. Pawlowa erholt sich zunehmend und wächst auf dem „Roadtrip“ zu einer gesunden Eselin heran.

Kommen die beiden in England an? Ja, es gibt ein Happy End und deshalb empfehle ich Ihnen diesen so liebevollen schmalen Roman für einen Lesenachmittag. Dieses Buch tut gut.