Die Kolonie- ein nordirisches Inselleben

Wir schreiben das Jahr 1979.
Der Franzose Jean-Paul Masson reist seit vier Jahren im Sommer zu einer kleinen abgelegenen irischen Insel. Dort sprechen noch einige wenige Bewohner die alte irische Sprache und er will als Sprachwissenschaftler erforschen, wie diese Sprache durch das Englische verdrängt wird. Die Inselbewohner mögen JP und unterstützen ihn, die junge schöne Witwe Mainhead wird seine Geliebte.
Doch im fünften Sommer ist alles anders. Als JP eintrifft, ist er nicht der einzige Gast. Der englische Künstler Mr. Lloyd hat sich einquartiert. Er kommt aus London, seine Frau hat hat eine Kunstgalerie, hält seine Bilder aber schon seit geraumer Zeit für antiquiert. Lloyd hofft, auf der Insel neue Inspirationen für seine Bilder zu finden.
JP und Lloyd wohnen nebeneinander und sind wie Hund und Katze. Lloyd wird von JP bei seiner Suche nach inspirierender Stille gestört, JP befürchtet, dass durch Lloyd die Inselbewohner mehr Englisch sprechen und damit Massons Bestrebungen untergraben werden, dieses Jahr seine Doktorarbeit beenden zu können.
Schließlich zieht Lloyd in eine abseits gelegene Hütte ohne Wasser und Strom. Die meisten Bewohner mögen den Engländer nicht, nur Maeinhead und ihr fünfzehnjähriger Sohn James zollen ihm Respekt und kümmern sich etwas um ihn. So gehen die Wochen dahin und es ergibt sich, dass Meinhead Lloyds Modell wird und James bei ihm zu zeichnen anfängt. Schnell erkennt Lloyd, dass James sehr begabt ist und Insel-und Naturszenen besser darstellt als er selbst. Er will James fördern und ihn mit nach London nehmen, um ihn zur Kunstakademie zu schicken. Auch eine gemeinsame Ausstellung in der Galerie seiner Frau kann er sich vorstellen. James malt wie im Fieber, denn er will weg von der Insel. Er möchte nicht wie sein Vater Fischer werden und eines Tages von einer Ausfahrt nicht mehr wiederkommen.
Die Abreise von JP und Lloyd rückt näher und näher rücken auch die tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten auf dem Festland. Hört man anfangs nur manchmal im Radio eine Meldung, dass wieder eine Bombe gezündet wurde und Menschen starben, häufen sich diese Meldungen im Laufe der Geschichte und gipfeln in zwei Anschlägen, bei denen u.a. Verwandte der Queen getötet werden. Nun ist auch die Insel involviert, denn Einwohner nehmen Partei und die Situation für Lloyd als Engländer wird nicht einfacher. Er muss nur noch sein übergroßes Meisterstück beenden, dann wird er gehen. Das Bild zeigt eine Inselszene mit allen Bewohnern und James erkennt darauf seine eigenen Bilder wieder. Zufall oder Verrat?


Wenn mich jemand fragen würde, was Literatur ist, dann sage ich: „Lesen Sie das Buch „Die Kolonie!“ Die Geschichte, die Atmosphäre des Buches, die Beobachtungen, die Sprache, die angerissenen Themen- perfektes „Material“ für einen Buchclub, in dem Menschen diskutieren und jeder etwas anderes in diesem Roman entdecken wird.

Besuch auf der Glücksinsel (Dubai Nr. 3)

Von Dubai aus machten wir einen Ausflug nach Abu Dhabi. (1 1/2 Stunden Autofahrt). Der Herrscher des Emirats Abu Dhabi, Scheich Mohammed bin Zayed Al Nahyan, liebt Kunst und Kultur und möchte damit Touristen in sein Land locken. Seine Devise: Nicht kleckern, sondern klotzen! So wurde 2017 zuerst eine Dependance des französischen Louvres eröffnet.

Der Louvre in Paris stellt dem neuen Museum für dreißig Jahre Kunstwerke zur Verfügung. Darüber hinaus kauft der Scheich Kunstwerke an. Das Museum befindet sich auf einer künstlich angelegten Insel, der sogenannten „Glücksinsel“ und ist von Wasser umgeben. Auch im Gebäude spielt das Wasser eine große Rolle.

Hier fünf Fotos, beginnend mit einem Modell der gesamten Anlage:

Das Museum hat eine permanente Ausstellung und bietet zudem Sonderausstellungen an. Man gibt den Kunstwerken viel Platz, einzelne Kunstwerke haben einen Raum für sich alleine.

Rechts: Der Raum für ägyptische Kunst war wie ein dunkles Labyrinth gestaltet und erinnerte ein bisschen an das Innere einer Pyramide
Links ist eine kleine Dose das einzige Ausstellungsstück. An der Wand werden in einer Bildershow einzelne Details der Dose gezeigt.

Es wird Kunst von der Antike bis hin zur Gegenwart präsentiert. Was mir besonders gut gefiel, waren teilweise die Zusammenstellungen der Exponate. In diversen Vitrinen zeigte man jeweils ein Stück von verschiedenen Kontinenten, alle ungefähr zur selben Zeit hergestellt.

Oben in der Vitrine: Afrika, Europa und Asien sind vertreten. Unten Südamerika, Europa (lebend), Asien und Afrika

Ab ca. dem 17. Jahrhundert wurden überwiegend europäische Kunstwerke gezeigt.

Fotocollage: Oben links: ein Art-Deco Wandschmuck, daneben ein Bild von Frantisek Kupka, der als erster Künstler, noch vor Matisse, abstrakte Bilder gemalt hat. Links unten eine Skulptur von Jean Tinguely, daneben eine Skulptur in Form einer Bodenvase von Keith Haring.

Auf der „Glücksinsel“ befinden sich noch zwei weitere Museen, die demnächst eröffnet werden sollen. (Deshalb am Anfang nicht kleckern, sondern klotzen).

Links eine Dependance des New Yorker Guggenheim Museums, rechts das Zayed Nationalmuseum für arabische Kultur, das mit dem British Museum zusammenarbeitet.
Weiterhin entstehen auf der Glücksinsel ein Meeresmuseums und ein Theater.

In meinem abschließenden Bericht über Dubai zweige ich Ihnen nächste Woche die Altstadt von Dubai und nehme Sie mit auf eine Fahrt in die Wüste.

Fliegende Taxis ab 2026 (Dubai Nr. 2)

Hier nun mein zweiter Bericht über die Dubai Reise, ich erzähle vom Museum der Zukunft.

Wir werden nicht Hunderte von Jahren leben, aber wir können etwas schaffen, das Hunderte von Jahren überdauert .“ „Die Zukunft gehört denen, die in der Lage sind, sie sich vorzustellen, zu entwerfen und zu bauen. Die Zukunft wartet nicht. Die Zukunft kann heute entworfen und gebaut werden.“ Diese Worte stammen von Scheich Mohammed bin Rasched Al Maktoum, dem derzeitigen Herrscher von Dubai.

Der emiratische Künstler Mattar bin Lahej ist für 14.000 Meter arabischer Kalligrafie auf der Fassade des Museums verantwortlich. Diese Kalligrafie dient dem Gebäude als Fenster.

Aber was innen gezeigt und geboten wurde, war teilweise auch atemberaubend.

Das rechte Bild ist keine Kopie aus einem Science Fiction Film, sondern ein Plakat für Lufttaxis, die ab 2026 in Dubai eingesetzt werden. Dann gibt es mitten in der Stadt einen Bahnhof für fliegende Taxis!

Kommt man in die Eingangshalle des Museums, kann man sich direkt von einem Roboter einen Kaffee machen lassen oder man kreiert mit Hilfe von KI sein eigenes Parfüm.

Besucher fahren in einem Aufzug in die oberste Etage des Museums. Der Aufzug ist kein Nullachtfünfzehnaufzug, sondern ist einer Weltraumkapsel nachempfunden und bei der Fahrt nach oben fliegt man quasi ins Weltall und guckt auf die Erde. Es hat aber nicht nur ein Ortswechsel stattgefunden, sondern auch ein Zeitwechsel, denn jetzt befinden sich die Besucher im Jahr 2071. Angekommen, werden die Besucher mit verschiedenen Szenarien konfrontiert, was 2071 alles Realität sein könnte. Das war mir zu etwas zu spekulativ, aber eine Etage tiefer wurde es dann konkret für unsere heutige Welt.

Fotocollage: Ein Archiv für Samen und DNA vieler Lebewesen, wie beispielsweise Löwenzahn, Libelle oder Kaktus.

Auf einer anderen Etage ging es um die Weiterentwicklung der Technik in den nächsten Jahren. Hier eine kleine Auswahl:

Fotocollage: Oben links ein Roboterhund, der beim Gassigehen die Hinterlassenschaften des lebenden Hundes aufsammeln und direkt kompostieren könnte. Rechts daneben: Die neue Generation des Käfers, selbstverständlich selbstfahrend.
Unten links: Ein Model für die zukünftige platzsparende Anordnung von Solarmodulen. Der Turm in der Mitte speichert direkt die Energie. Rechts daneben: Eine leistungsstärkere Windräderanlage mit der Höhe eines einzelnen Windrades.

Es gab noch viele beeindruckende Naturvideos und auch dem Thema Duft wurden zwei Räume gewidmet.

Im oberen Raum sollte man einen blumenartigen Duft mehrmals tief einatmen. Laut Aussage des Museumsangestellten wären die Museumsbesucher dank des Dufts nunmehr miteinander verbunden. Im nächsten Raum konnte man diese Verbundenheit bei sphärischen Klängen dann spüren- oder auch nicht.

Was ich wirklich furchteinflößend fand war dieser humanoider Roboter:

Die Dame könnte auch so aussehen…

Zum Schluss noch fünf „Zukunftsanwendungen“ außerhalb des Museums:

Fotocollage: Oben links: Auch die Begrünung von Häusern wird in Dubai vorangetrieben. Darunter: Eine mit Sonnenenergie betriebene Wasserpumpe in der Wüste. Links unten: Die Bushaltestellen haben oft klimatisierte Wartehäuschen, ebenfalls mit Sonnenenergie betrieben.
Rechts oben: Kein Papier mehr beim Museumsbesuch. Die Zahlungsquittung erscheint auf dem Bildschirm (links), danach fotografiert man diese ab (rechts) und zweigt beim Eingang dem Museumswärter das Foto.
Rechts unten: Hier gibt es bereits einen Uber-Bahnhof und es wir angezeigt, wann die nächsten Uberfahrzeuge bereitstehen.

Als wir vom Rückflug in Düsseldorf landeten, fühlten wir uns ein bisschen ins Mittelalter zurückversetzt. Auch bei diesem Urlaub stellte sich dann umgehend das „Ach, wir sind wieder in Deutschland“ Gefühl ein, als wir von deutschen miesepetrigen Gesichtern empfangen wurden. (Auch was Freundlichkeit angeht, ist Dubai uns weit überlegen):

Aber man muss auch die Kehrseite der Medaille sehen. Bei einem Gespräch mit einer Polin, die seit ca. 4 Jahren in Dubai lebt, wurde mir das besonders klar. Sie betonte, dass es immer besser sei, in einer Demokratie zu leben und nicht von den Launen eines Mannes abhängig zu sein, eben Scheich Rasched Al Maktoum- s.o. Wer mehr über ihn wissen möchte: http://Scheich Mohammed bin Rasched Al Maktoum.

Nächste Woche besuche ich mit Ihnen die Louvre Dependance in Abu Dhabi.

Im Fokus von Trump: Der Panamakanal

Neben Grönland hat Donald Trump auch den Panamakanal im Visier und forderte den Wunsch, dass der Panamakanal wieder der USA gehört. Da passt es doch ausgezeichnet, dass im Hanser Verlag im Frühjahr dieses Buch über den Bau des Panamakanals erschienen ist:

Bereits im 19. Jahrhundert hatten französische Ingenieure versucht, in Panama einen Kanal zwischen Atlantik und dem Pazifischen Ozean zu bauen, scheiterten aber an technischen und vor allen Dingen an gesundheitlichen Problemen. Geldfieber und Malaria töteten viele Arbeiter und die Erschließung musste eingestellt werden.
Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich die Voraussetzungen verbessert. Inzwischen engagiert sich die USA in Panama, das zu der Zeit noch zu Kolumbien gehört, es gibt eine Eisenbahnstrecke, das Gelbfieber hat man im Griff und ein junger Arzt, John Oswald will auch vor Ort die Malaria durch bessere Hygienebedingungen bekämpfen. Er und seine Frau gehören zu den Romanfiguren, die die Geschichte des Kanals lebendig werden lassen. Der Fischer Francesco und Sohn Omar, die das Für und Wider zum Kanalbau, die Vergangenheit und die Zukunft, repräsentieren, sowie das junge Mädchen Ada von Barbados, das in Panama Arbeit sucht, um Geld für die Operation ihrer Schwester zu verdienen, gehören ebenfalls zu den Protagonisten. Aber in dem Roman wird nicht nur über das Alltagsleben im Kanalgebiet erzählt, viele kleine und ebenso bedeutende Geschichten gruppiert die Autorin um das Hauptthema. Leise Liebesgeschichten werden erzählt und es geht auch um Themen wie „Arm und Reich“, „Rassismus“, „Unterdrückung von Frauen“ oder „Politisches Handeln der Bevölkerung“. Der große Riss in der Gesellschaft im übertragenden Sinne.
Ich habe das Buch gerne gelesen. Es ist ein Kaleidoskop menschlicher Glücksmomente, Liebe, Sorgen, Ehrgeiz, Kämpfe, eben wie das Leben so ist.

Ach ja, der US-Präsident Jimmy Carter unterschrieb einen Vertrag, der besagt, dass ab dem Jahr 2000 der Kanal dem Staat Panama gehört. Nur für den Fall, dass Herr Trump etwas anderes behauptet.


Eine zweite Chance für Dubai

Mein Mann und ich waren letzte Woche für ein paar Tage in Dubai, um einen ehemaligen Schulfreund meines Mannes zu besuchen. Ich hatte absolut keine Lust mitzureisen, da ich mir bei unserem ersten eintägigen Besuch vor ein paar Jahren geschworen hatte: “Nie wieder!“ Dubai stand für mich für vieles, was ich schrecklich fand. Exzessives Shopping, kaum Grün, von Umweltschutzgedanken weit entfernt. Doch die Tatsache, dass jemand sich vor Ort auskennt und vielleicht ein anderes Dubai zeigen kann, bewog mich dann doch, meinen Mann zu begleiten.

Vom Flughafen kommend, empfing uns Dubai, wie ich es erwartet hatte:

Collage aus vier Fotos mit Wolkenkratzern

Am ersten Tag hatten wir Tickets für das höchste Gebäude der Welt, dem Burj Khalifa (828 m und 163 Etagen) und sahen uns die Wolkenkratzer von oben an.

Fotocollage: Was der Stadtwerketurm für Duisburg ist, ist der Burj Kalifa für Dubai- er ist unübersehbar
Fotocollage aus vier Fotos, die Wolkenkratzergruppen von oben zeigen und ein Teil der „Mall of Dubai“ (links unten)

Da der Turm nahe bei der „Mall of Dubai“ liegt, absolvierten wir direkt auch den Shoppingteil der Reise. Ich kaufte mir in einem der 1200 Geschäften und Restaurants ein Safran/ Karak-Chai Eis und wir bewunderten das Meeresaquarium. Ansonsten fühlten wir uns heimisch, denn Oberhauser Centro-Feeling machte sich breit.

Vier Fotos, die leckeres Eis zeigen, je eine Ansicht der Mall und des Aquariums und von einem Roboter, der in der an der Mall angeschlossenen U-Bahn Auskünfte für Touristen gab

Außen waren es inzwischen 35 Grad und wir warfen nur einen kurzen Blick auf die Wasserzone, wo eine der größten Springbrunnenshows der Welt stattfindet. (Ja, hier reihen sich Superlative wie Perlen auf einer Kette aneinander, ich kann nichts dafür).

Bei einer abschließenden kleinen Rundfahrt sahen wir noch ein paar andere Dubai-Wahrzeichen, die ich Ihnen nicht vorenthalten möchte.

Zu sehen oben links ist eine Teilansicht des Atlantis The Palm Hotels, rechts daneben das Luxushotel Burj Al Arab. Links unten der größte Bilderrahmen der Welt (150 x 93 m), in dem ein kleines Museum untergebracht ist und ein Lift, der Besucher zu einer Aussichtsplattform in der 48. Etage nach oben bringt. Rechts unten sieht man das Museum der Zukunft…

…und dieses besuchten wir am nächsten Tag. Von unserer großen Begeisterung erzähle ich nächste Woche!

Stadt oder Land- ein Buchexperiment

Ich lese Bücher auf einem E-Reader oder in Papierform. Letzte Woche hatte ich dieses Buch auf meinem E-Reader angefangen:

Der Autor Martin Oswald ist Turmschreiber im Ort Abenberg, südwestlich von Nürnberg gelegen. Er nutzt seinen längeren Aufenthalt, im Ort und in den dazu gehörigen Dörfer ausgiebig spazieren zu gehen und dabei Beobachtungen zu sammeln und sich mit Ansässigen zu unterhalten. Mir gefiel das Buch sehr gut, direkt die ersten Sätze waren ganz nach meinem Geschmack: „Nebensächlichkeitsforscher bin ich. …“Täglich breche ich auf zu meinen Erkundungsgängen, als Marginaliensammler, als Stadtrandläufer und Ortumgehungsethnologe.“

Um so ärgerlicher war es, als ich an einem Abend merkte, dass die Batterie des E-Readers leer war. Etwas unwirsch nahm ich das erstbeste Buch von meinem Bücherstapel auf dem Nachttisch.

Die Autorin lebt in Berlin. Sie hatte vor Jahren eine Panikattacke in der U-Bahn und das konzentrierte Beobachten der Mitfahrenden und das Zuhören der Gespräche halfen ihr, diese Attacke zu überstehen. Dabei entdeckte sie quasi ihr Talent zum genauen Hinsehen und Zuhören und machte daraus ein Buchprojekt. Vorzugsweise besuchte sie Cafés und saugte dort viel Menschliches auf, was sie in ihrem Buch zu Papier bringt. Auch dieses Buch mochte ich sehr und am nächsten Abend fiel es mir schwer, welches Buch ich weiterlesen sollte.
Kein Wunder, denn letztendlich sind beide Titel „Flaneurbücher“, in denen der Alltag auf der Straße unter die Lupe genommen wird. Das Spannende bei diesen beiden Bücher war der Unterschied zwischen Land und Stadt und diesen Doppelpack kann ich sehr empfehlen.

Martin Oswald hat einen feinen Humor. Wenn er beschreibt, wie auf der Straße ein Beerdigungszug den eiligen Fahrer eines Amazon-Prime Autos zur Entschleunigung zwingt, so ist das wie ein feiner Pinselstrich. Zudem versorgt er seine Leser en passant mit vielen Informationen über Abenberg und Umgebung und ja, er hat es geschafft, dass ich im Internet mehr über dieses Städtchen lesen wollte. Das Klöppelmuseum hatte es mir beispielsweise angetan, die Burg oder die Kneipe, die nur noch am Donnerstag geöffnet hat. Die Abschnitte, in denen er über seine Gespräche schreibt, zeigen besonders deutlich, dass das „alte“ Leben mit traditioneller Gemeinschaft nur schwer aufrecht zu erhalten ist.
Das Buch von Martin Oswald schärft das genaue Hinsehen in Orten und Dörfern, die nur auf den ersten Blick nichts sagend sind.

Mit dem Buch von Linda Rachel Sabiers tauchen wir so richtig in Berlin ein, denn in den Momentaufnahmen, die vielfach nicht länger als auf einer Seite beschrieben sind, wird oft herrlich berlinert. Ob alte Leute, Kinder, Hundebesitzer, Cafébetreiber oder Ehepaare, die Autorin beobachtet mit menschenfreundlichem Auge und ihre kurzen Schilderungen zeigen oft, wie viel Gutes in uns Menschen steckt. Weitere Texte beinhalten kurze Gespräche, die die Autorin mit ihrer 96 jährigen Großmutter am Telefon führt. Zu ihr hat sie ein sehr inniges Verhältnis und die Großmutter mit ihrer Abgeklärtheit und ihrem Witz sieht die Welt mit besonderen Augen.

Wenn Sie Bedarf an kleinen positiven Auszeiten haben, sind diese beiden Bücher genau richtig!

Ein Zimmer für sich allein

Braucht eine Frau, die schreiben möchte, ein Zimmer für sich allein? Die norwegische Autorin Kristin Valla, Anfang vierzig, hat mehrere Jahre keinen Roman veröffentlicht, während sie für ihre Familie da war und als Redakteurin gearbeitet hat. Ihre Unzufriedenheit über diesen Mangel wächst inzwischen täglich und belastet das Familienleben. Sie versucht deshalb, in Oslo Freiräume für sich zu schaffen, um erneut mit dem Schreiben anzufangen. Es funktioniert nicht, der Abstand zu ihrer Familie mit allen Alltagssorgen ist nicht groß genug. Deshalb entscheidet sich Kristin, alleine nach Südfrankreich zu fahren. Schon bald setzt sich bei ihr die Idee fest, dort ein kleines Haus zu kaufen, es wäre ein Haus ganz für sie allein. In Roquebrun in der Region Okzitanien wird sie fündig.

Ihr Mann weiß, wie wichtig dieses Haus für seine Frau ist und akzeptiert ihre zukünftigen längeren Auszeiten in Frankreich. Seine einzige Bedingung: Er hat nichts mit dem Haus zu tun, sie muss sich um alles alleine kümmern.

Kristin hat nur wenig Geld und das Haus, das sie sich leisten kann, ist dementsprechend in keinem guten Zustand. Es ist voller Schimmel, hat ein undichtes Dach, Fenster und Türen sind verzogen, das Badezimmer ist eine noch größere Zumutung, an die elektrischen Leitungen möchte sie gar nicht denken. So wird das Tränenvergießen in den ersten Jahren zu ihrem ständigen Begleiter. Üppige Renovierungsarbeiten lassen sie immer wieder an ihrer Kaufentscheidung zweifeln, zumal sie kaum Französisch spricht und auch in dieser Beziehung immer auf die Hilfe von anderen Bewohnern angewiesen ist. Und doch….Es gibt viele schöne Momente in den Haus, in dem sie merkt, dass sie hier unverstellt leben kann. Sie fühlt sich vielen Schriftstellerinnen nahe, die während ihres Lebens in einer ähnlichen Situation waren. Von diesen Autorinnen, in deren Karrieren Häuser oder eigene Räume eine besondere Rolle gespielt haben, lesen wir ebenfalls in dem Buch. Virgina Woolf, die mit ihrem Buch „Ein Zimmer für sich allein“ ein wegweisendes Buch über Frauen und Literatur geschrieben hat, ist für Kristin eine Heldin. Alice Walker, Patricia Highsmith, Selma Lagerlöf, die im 15. Jahrhundert lebende Christine de Pizan, Tania Blixen sind nur einige der vorgestellten Schriftstellerinnen, die während des Schreibens Häuser renovierten oder deren Dichtkunst nach dem Einzug in ein eigenes Haus deutlich zunahm.
Kristin schreibt in ihrem Haus nur selten, jedoch kehrt sie immer wieder mit einem freien Kopf nach Oslo zurück. Schließlich findet sie dort auch einen Platz zum Schreiben und das Haus in Frankreich wird nach fünf Jahren ein Haus für die ganze Familie.
Ich mag dieses Buch sehr. Frauen, die in irgendeiner Weise kreativ sein wollen, brauchen Freiräume. Um diese müssen sie oftmals kämpfen oder haben ein schlechtes Gewissen gegenüber dem Partner/ der Familie, wenn sie diese Freiräume haben und beanspruchen. Das war im 15. Jahrhundert so und ist auch heute noch ein Thema.


Buchbinden- mein neues Hobby?

Am vorletzten Sonntag durfte ich zusammen mit meiner Kollegin an einem eintägigen Workshop zum Thema Buchbinden teilnehmen. Ich hatte mir immer mal wieder ein Buch zu diesem Thema ausgeliehen bzw. gekauft, um es selbst einmal zu versuchen, doch war es dazu nie gekommen. Man braucht relativ viele Werkzeuge und mir blieben die dort beschriebenen Falt-,Knick-,Näh,-und Klebetechniken ein Buch mit sieben Siegeln.
Bei unserer Lehrerin, meiner Freundin Ilse Heines, konnten wir uns quasi an den gedeckten Werkzeugtisch setzen, alles Wichtige lag bereit!

Als Einstieg zeigte sie uns, wie man selbst kleine und große Hefte fabriziert. Das ging recht schnell, die Nähtechnik war leicht nachzuvollziehen und wir waren beide nach einer Stunde schon sehr stolz auf unsere Werke!

Aber dann: Ein Buch von Anfang bis zum Ende selbst binden- ich habe mir vorher nicht vorgestellt, wie viele Arbeitsschritte dazu nötig sind und werde zukünftig auf jedem Kunsthandwerkermarkt vor Buchunikaten mit Ehrfurcht stehen bleiben.

Folgende Fotocollage zeigt nur ein paar Arbeitsschritte, ich hoffe, dass sie ein bisschen die Atmosphäre unseres kreativen Sonntags wiedergibt.

Wem diese Collage nicht reicht, hier geht es zu einer sehr guten 45 minütigen Sendung über das Buchbinden:

Ich habe schnell gemerkt, dass das Buchbinden mit geklebtem Buchdeckel bei mir keine Zukunft hat. Man muss äußerst präzise arbeiten und ich bin da doch eine Spur zu großzügig. Aber ich biss mich durch und war und bin immer noch von meinem Minibuch entzückt.

Auch meine Kollegin beendete den Sonntag hochzufrieden mit diesen drei Eigenproduktionen.

Noch einmal nahm ich einen Tag später mehrere Buchbindebücher zur Hand und ich weiß nicht, wie viele Lichter mir jetzt aufgingen.

Zig Ideen wurden in meinem Kopf geboren, aber ich gehöre eindeutig zur „Nähfraktion“. Deshalb freue ich mich jetzt schon auf einen zweiten Sonntag Ende April, an dem wir in die Geheimnisse der „koptischen Bindung“ und anderen Nähmöglichkeiten eingeführt werden.
Im Sommer draußen Aquarellbilder malen, stempeln oder Collagen kleben, im Winter aus diesen Bildern Bücher machen- hört sich das nicht nach einem guten Plan an?

Klimaschutz in Ihrer Stadt

Dieses Buch erschien 2017 und nimmt als Ausgangspunkt das Pariser Klimaabkommen von 2015. 

Dem Handeln der Kommunen in Sachen Klimaschutz fällt eine entscheidende Rolle zu, wenn Deutschland bis 2030 seine gesteckten Klimaziele erreichen will.
14 Themen werden dazu von verschiedenen Autoren aus mehreren Umweltinstitute aufgegriffen. Ein Themenschwerpunkt ist die Verbesserung der Kommunikation zwischen Stadt und Einwohner, um die Zustimmung von Klimaschutzmaßnahmen und Suffizienzpolitik (Erläuterung siehe unten) in der Bevölkerung zu erhöhen. Es werden Projekte einzelner Städte vorgestellt, die unmittelbar nach dem Abkommen an den Start gingen. Zu den aktiven Städten mit bereits messbaren Erfolgen gehören beispielsweise Bottrop, Essen, Heidelberg, Schweinfurt oder Rostock. In vielen Städten liegt der Fokus bei der Kommunikation zur Bevölkerung noch auf der Darstellung technischer und finanzieller Komponenten. Politiker, die „weiche“ Vorteile kommunizieren, wie z.B. eine Verbesserung der Aufenthaltsqualität in der Stadt der Zukunft und darüber hinaus die Bevölkerung aktiv und transparent in Planungen zum Klimaschutz mit einbinden, erreichen bei den Einwohnern eher eine Akzeptanz der politischen Entscheidungen zum Klimaschutz.

Bemerkenswert sind die Abschnitte, in denen es darum geht, wie man Jugendliche und Bevölkerungsschichten, deren Alltagsleben von finanziellen Nöten geprägt ist, für ein Engagement zum Klimaschutz begeistern kann.

Zwei Kapitel zur urbanen Energiewende stellen das Mieterstrommodell, sowie die Idee des Energiespar-Contractings vor, Kapitel zur Bodenentsiegelung und Gebäudebepflanzung sind zwei weitere Eckpfeiler im Maßnahmenkatalog zum Klimaschutz.

Besonders interessant fand ich die Ausführungen, wie sich die Hierarchien innerhalb einer Stadtverwaltung ändern müssen, um diese Mammutaufgabe zu bewältigen. Für kleinliches Konkurrenzdenken oder Animositäten gegenüber der Person, die für das  Klimaschutzmanagement eingesetzt wird, darf kein Platz mehr sein, gefragt ist gemeinsames und abgestimmtes Handeln.

Seit Erscheinen des Buches sind acht Jahre vergangen. Es eignet sich deshalb hervorragend dazu, eine Zwischenbilanz zu ziehen. Was wurde in meiner Stadt bisher erreicht, was auf den Weg gebracht oder welche Umsetzungen warten auf den Start? Gibt es in diesem Buch Ideen, auf die meine Stadt bisher vielleicht noch nicht gekommen ist?

Und was sage ich bei diesem Thema zu meiner Heimatstadt Duisburg? In Duisburg hat man leider erst mit einiger Verspätung angefangen, die Klimaziele zu erarbeiten und umzusetzen. Die Kommunikation der Stadt empfinde ich als schlecht. Drei Beispiele: Wissen Sie, liebe Duisburger, was „KLIAS“ bedeutet oder was die Duisburger „Klima-Roadmap“ ist? Ein weiteres Beispiel zur Kommunikation: https://www.duisburg.de/microsites/klimaschutz/klimaschutzideenportal/index.php

Abgesehen davon, dass ein Teil der Seite schon mehrere Monate lang nicht richtig funktioniert, habe ich nirgendwo ein Feedback gefunden, wie die Ämter mit den Klimaschutzideen aus den Reihen der Bevölkerung umgehen.

Eine Kernaussage des Buches ist, dass, wenn der Wille zum Klimaschutz bei Politikern ernsthaft vorhanden ist, die verfügbaren Finanzen dann auch für diese Zukunftssicherung eingesetzt werden müssen. Viel Geld ausgeben für teure Prestigeobjekte, deren zukünftige Erfolge kaum zuverlässig kalkulierbar sind, ist in der heutigen Zeit unverantwortlich.
Ich wünsche mir für das Buch viele Leser und Leserinnen in der Stadtverwaltung und würde mich freuen, wenn private Personen das Buch als Grundlage für öffentliche Diskussionen hinzuziehen.

Zum Schluss ein Zeitungsartikel aus der RP vom Samstag, der zeigt, wie aktuell das Buch noch ist:

Screenshot

Begriffserläuterung:

Suffizienzpolitik ist ein Ansatz, der darauf abzielt, den Ressourcenverbrauch und die Umweltbelastung zu reduzieren, indem die Bedürfnisse der Menschen auf eine nachhaltige Weise gedeckt werden. Der Fokus liegt weniger auf Wachstum und mehr auf der Reduzierung des Konsums sowie der Förderung von Lebensstilen, die weniger Ressourcen verbrauchen.