Besser als eine Droge

Bei diesem Buch von Hanns-Josef Ortheil

würde ich Ihnen am liebsten über jedes einzelne Kapitel berichten!
Eine Möglichkeit, sein Leben zu entschleunigen, ist das Innehalten und dem Aufschreiben von Beobachtungen oder Gedanken in einem Notizbuch.


Das hört sich erst einmal ziemlich einfach an. Sie setzen sich beispielsweise in ein Café oder auf eine Bank und notieren, was Sie sehen. Aber gucken Sie wirklich genau hin? Das ist eine Kunst und dieses Buch zeigt 19 mögliche Herangehensweisen, wie man zu einem Fundus an interessanten Notizen kommt.
Ortheil stellt dazu Aufzeichnungen, Beobachtungshefte oder Notizbücher von berühmten, aber auch von unbekannteren Autoren vor. Ob Elias Cannetti, Peter Handke oder Georg Christoph Lichtenberg, jeder hat eine andere Herangehensweise, die Welt zu betrachten. Meine drei Favoriten:

Notieren als Fotografieren:
Peter Wehrli stieg vor ca. 40 Jahren in Zürich in den Zug, um nach Beirut zu fahren. Auf dem Weg realisierte er, dass er seinen Fotoapparat vergessen hatte. Er begann, „literarische Fotos“ zu formulieren und beschrieb in äußerst knappen Worten ein Motiv, das er sonst fotografiert hätte. (Sein Buch „Katalog von Allem stelle ich Ihnen später noch gesondert vor).

Notieren als Drehbuch:
Der japanische Schriftsteller Akutagawa Ryūnosuke sah Menschen bei ihren Alltagsverrichungen zu und hielt seine Beobachtungen in Form von Drehbuchanweisungen fest.

Notieren am frühen Morgen:
Paul Valéry und Elke Erb standen jeden Morgen früh auf und fingen direkt mit dem Schreiben an. Elke Erb schrieb, was ihr spontan in den Sinn kam. Dabei kamen ganz erstaunliche Gedanken zu Tage und die Schriftstellerin erfuhr viel über sich. Hanns-Josef Ortheil schreibt zu dieser Methode:

Welche Notizen Sie auch festhalten, Sie können Sie als schöne Erinnerungen an eine entspannte Zeit verwahren, sie als ihre persönliche Schatzkiste von besonderen Beobachtungen ansehen oder Sie benutzen Ihr Notizbuch tatsächlich, um eine Geschichte oder sogar einen Roman zu schreiben.
Notizen schreiben interessiert sie nicht? Lesen Sie das Buch trotzdem, denn mit dem Erlernen des genauen Hinsehens und Entdeckens wird Ihr Leben reicher.

Demonstrieren ist gut, reicht aber nicht

Vor ein paar Tagen fand unter dem Motto „Leseschnack-Über ein Thema sprechen“ diese Veranstaltung in der Duisburger Buchhandlung Scheuermann statt.

Was können Du und ich für unsere Demokratie tun?“

Über den „DemokratieKreis Duisburg“ sind wir auf dieses Buch aufmerksam geworden. Es hat uns so überzeugt, dass wir dazu mit Ihnen ins Gespräch und Handeln kommen möchten. Geplant sind dazu insgesamt drei Termine.
Den Anfang machen wir mit Regeln 1 – 3:

  1. Liebe Deine Stadt
  2. Mache dir die Welt zum Dorf
  3. Bleibe gelassen im Umgang mit Demokratie-Verächtern

Zwei der wichtigsten Aussagen in dem Buch sind für mich:
Demokratie kann mühsam sein, da die Anforderungen, ihren Erhalt zu sichern, sich stetig wandeln. Je schwieriger die Anforderungen sind, desto mehr muss ich selbst etwas tun, wenn ich weiterhin in einer Demokratie leben möchte. Diese Aussage fiel bei mir auf besonders fruchtbaren Boden, da ich vor zwei Wochen das Stasimuseum in Berlin besucht habe (Bericht folgt am Freitag). Hier wird jedem Besucher auf eindingliche Weise veranschaulicht, wie es sein kann, in einer Parteidiktatur mit einem kruden Weltbild zu leben.

Die zweite Aussage: Man darf nicht auf den bundesweiten großen Wurf warten, der die AfD und andere rechtspopulistische Bewegungen ins Leere laufen lässt, sondern nur viele kleine Schritte vor Ort können das schaffen. Demonstrationen sind ein gutes Statement, aber damit ist es nicht getan. Das Wichtigste ist, mit Rechtspopulisten ruhig zu sprechen und klug zu argumentieren. Man muss sich also erst einmal mit den Gedanken und Aussagen der AfD befassen, bevor man sich auf Gespräche einlässt.
Doch wie und wo damit anfangen?

Vielleicht ist meine Herangehensweise für Sie hilfreich, wenn Sie auch etwas tun möchten, aber nicht wissen, wie Sie beginnen sollen.
– Ich sammle überregionale und regionale Zeitungsartikel zu aktuellen Aussagen und Aktivitäten der AfD.
– Inzwischen habe ich mehrmals die Internetseite der Duisburger AfD und die eines Duisburger AfD-Mitglieds besucht. Manchmal fällt es mir nicht leicht, einige Aussagen auszuhalten.
-Als Gegengewicht lese ich dann Beiträge der Internetseiten von „Demokratie leben“ 0der „Demokratiekreis Duisburg“. Hier findet man neben Informationsmaterial auch diverse Angebote, sich in einer Gruppe zu engagieren.
-Ich habe dieses zweite Buch gelesen, das sehr hilfreich ist, wenn es darum geht, wie man sich bei einem Gespräch mit einem Rechtspopulisten verhalten soll und wie man typische Gesprächstaktiken durchschaut. Beispielsweise stellen sich Rechtspopulisten gerne als Opfer dar oder pochen auf Meinungsfreiheit, wenn sie menschenverachtende Aussagen treffen.

Die ersten Schritte sind getan. Inzwischen finde ich es sehr befriedigend, jeden Tag ein bisschen mehr zu wissen und Ideen zum Widerstand gegen die AfD zu entwickeln, die sich in meinen Alltag integrieren lassen.



Abschied von den Boomern

Heute erscheint im Buchhandel dieses Buch:

Ich gehöre zu der B-Generation (damit sind die Jahrgänge 1955-1970 gemeint), die sich aus dem Arbeitsleben verabschiedet und nun das Rentnerdasein mehr oder minder genießt. So war ich natürlich sehr gespannt, als ich das Leseexemplar vom Verlag vor ein paar Tagen aufschlug.

Beim Lesen der ersten Kapitel verspürte ich bereits eine gewisse Ernüchterung. Die für die Boomer prägenden Ereignisse spielen sich bei dem Autor Heinz Bude oft in einem gewissen „Bildungsmilieu“ ab. (z.B. Hausbesetzungen, RAF, wichtige Filme). Das Denken von Boomerarbeitern/ „kleinen  Angestellten“ ist für mich unterrepräsentiert. Ebenso fehlt mir das Thema Musik, meiner Meinung spielte sie für unsere Generation eine besondere Rolle.

Oder habe ich nicht alles im Buch verstanden? Das ist durchaus möglich, denn der Text war für mich teilweise nicht leicht zugänglich. Heinz Bude ist Soziologe und er benutzt gerne Fachausdrücke, deren genaue Definitionen ich hätte nachschlagen müssen. So blitzte nur manchmal eine neue Erkenntnis für mein Leben und Denken auf, wenn es bei Bude um überfüllte Klassenzimmer, Aids, Tschernobyl, Internet oder Klima geht.

Der Autor beschreibt die unterschiedliche Entwicklung von Boomern im Osten und Westen Deutschlands, das fand ich erhellend. Auch das Ende des Buches, in dem er die jetzige Situation der Boomer darstellt, die mit der Pflege und dem Tod der Eltern konfrontiert werden und sich mit dem Rest ihres eigenen Lebens und ihrem Tod auseinandersetzen müssen, gehört zu den guten Textpassagen.

Heinz Bude wurde 1954 geboren, gerne würde ich ein zweites Buch lesen, in dem jemand, der jünger ist, einen Blick auf unsere Generation wirft. Gibt es Auswirkungen auf die Arbeitswelt, wenn die Weltanschauung der Boomer dort verschwindet? Auf diese Frage habe ich bei dem Autor keine befriedigende Antwort gefunden.
Resümee: Mein Urteil über das Buch ist zwiespältig, aber ich werde es noch einmal lesen.

Farbige Auszeit

Im letzten Mai besprach ich drei Bücher von Hermann Hesse. Er fand zur Aquarellmalerei, als er schon älter war und die Lektüre der Bücher faszinierte mich nachhaltig. So besuchte ich im November bei Frau Gabriele Petrick einen sechststündigen Minikurs „Aquarellmalerei für Anfänger“ in der Duisburger Volkshochschule. Die Teilnehmer bekamen zuerst einen Überblick über Materialien (Farben, Pinsel, Papiere, Lehrbücher für die Aquarellmalerei). Als zweiten Schritt mussten wir einen Itten-Farbkreis malen, um ein Gefühl davon zu bekommen, wie man mit wenigen Grundfarben andere Farben mischen kann. Der dritte Teil bestand aus dem Abmalen einer Vorlage, die eine Landschaft darstellte und dem Malen von Weihnachtsplätzchen. Zum Schluss durften wir uns ein eigenes Motiv aussuchen. Mir machte das Malen viel Vergnügen, denn ich genoss die beruhigende, fast meditative Wirkung. Frau Petrick gab Hilfestellungen, wenn man sie darum bat, ansonsten war ihr ermutigendes Credo: „Hauptsache, es gefällt Ihnen und es macht Ihnen Spaß!“. Das fand ich für mich trotz meines minimalem Zeichen- und Maltalents motivierend und ich machte zuhause weiter.

Vier Bücher lieh ich mir in der Duisburger Bibliothek aus:

Oben links: In diesem Buch wird zuerst theoretisches Wissen vermittelt, dann beschreibt der Autor das Entstehen mehrerer seiner Blumen- , Landschafts- und Städtebilder und gibt wertvolle Tipps. Seine Bilder zeichnen sich durch intensive Farben aus und viel künstlerischer Freiheit.

Ganz konventionell abgemalt

Links unten: Das nächste Buch macht mir viel Spaß, denn es erklärt in. verschiedenen Schritten, wie man ein Motiv aquarelliert. Sie sehen schon einige Motive auf dem Buchumschlag, besonders gefallen mir auch Donats, Lamas oder oder Anemonen.

Oben rechts: Dieses Buch fand ich spannend, weil ich beim Durchblättern direkt an meine Stempel denken musste, als ich die Lithografien sah. Das Buch beschreibt, wie man eine Lithografie herstellt und wie Aquarellfarbe den Druck verschönern kann.

Das Buch rechts unten ist mein Favorit. Die 100 Ideen beziehen sich z.B. auf Farbmischungen, Motivsuche, Bildaufbau und die Kombination Aquarell und Computerbearbeitung. Da habe ich noch viel zu tun…😉

Hoffnungsvoll ins neue Jahr

Willkommen im Jahr 2024! Als ersten Beitrag möchte ich Ihnen dieses Lied vorstellen oder ist es eher eine musikalische Buchbesprechung?

Dies ist das Buch zu dem Video:

Und hier geht es zu einer Leseprobe:
https://www.penguin.de/leseprobe/Vom-Mythos-des-Normalen/leseprobe_9783466347988.pdf#page4

Die passende Antwort finden

Vorletzte Woche besuchte ich in der Duisburger Volkshochschule einen Vortrag zum Thema Schlagfertigkeit. Herr Jürgen Strauß, beruflich u.a. als Mitarbeitercoach tätig, leitete den Kurs.
Der erste Teil des Vortrags widmete sich äußeren Faktoren, die wichtig sind, um einem unangenehmen Gegenüber Paroli zu bieten. Brust raus, gerade Haltung, feste Stimme und Augenkontakt sind schon die halbe Miete, um sich Respekt zu verschaffen. Beim Augenkontakt verriet er uns den Trick, seinem Gegenüber nicht direkt in die Augen zu sehen, sondern die eigenen Augen auf die Nasenwurzel zwischen den anderen Augen zu richten. So kann man länger jemanden intensiv ansehen, was für die zweite Person unangenehm ist. Sie wird höchstwahrscheinlich wegsehen und das ist der erste „Sieg“.


Die meisten von uns denken beim Thema Schlagfertigkeit meistens an verpasste Möglichkeiten, eine geistreiche Antwort auf eine Provokation zu geben, oft fällt einem eine gute Antwort erst fünf Minuten später ein. Dass die Antwort geistreich sein muss, ist ein allgemeiner Denkfehler und diesen Fehler versuchte Herr Strauß uns im zweiten Teil seines Vortrags abzugewöhnen.

Er verteilte an die Kursteilnehmer ein Blatt mit ca. 50 gängigen unverschämten Sätzen und ein Blatt mit 15 Antwortmöglichkeiten. In Zweiergruppen trainierten wir, auf einen provozierenden Satz schnell eine passende Antwort zu finden. Schnell deswegen, da man nach einer Beleidigung selbst erst einmal eine Schrecksekunde erlebt, die einen lähmt. Dann muss man, ohne groß überlegen zu müssen, eine passende Erwiderung parat haben.
Es funktionierte! Ein paar Beispiele, wie man seinem Gegenüber den Wind aus den Segeln nimmt:

„Sie sehen immer so schmuddelig aus!“ – „Ich passe mich nur der Umgebung an!“

„ Ihr Kollege ist viel gebildeter!“ – „ Bitte definieren Sie, was Sie unter Bildung verstehen!“

„Na, wieder die Nacht durchgemacht? Du hast ganz schöne Augenringe!“ – „Leidest du darunter?“

„Man weiß ja, dass Frauen ab 30 abbauen.“ – „Ich mag Ihre Witze!“ oder „Ist Ihr Denkapparat ausgeschaltet?“

Dieses Training machte Spaß und wir lachten viel. Am Ende der 1 1/2 Stunden hatten die meisten von uns fünf individuelle Abwehrtechniken gefunden, die sie sich gut merken konnten und die der eigenen Mentalität entsprachen. Mehr braucht man nicht, um ca. 80 % aller dummen Sprüche zu begegnen.

Aus der Bücherei hatte ich mir nach dem Kurs noch zwei Bücher ausgeliehen, um den Vortrag lesend noch einmal Revue passieren zu lassen.

Der Inhalt des linken Buches kommt dem Vortrag recht nahe, allerdings beschreibt es fast nur Szenen aus dem Berufsleben. Das rechte Buch beginnt mit einem Übungsteil, in dem schnelles und kreatives Denken trainiert wird. Anschließend werden 100 Situationen im Privat-und Berufsleben geschildert. Bei jeder Szene bietet die Autorin mehrere Reaktionsmöglichkeiten. Die verschiedenen Varianten fand ich lesenswert, jedoch waren es mir zu viele Möglichkeiten.

Einen Kurs zu besuchen, halte ich für die bessere Methode, denn das verbale Üben mit anderen Personen hat einen deutlichen Vorteil gegenüber dem Lesen im stillen Kämmerlein.

Der Teufelskreis der Einsamkeit

Als wir Anfang des Monats in Luxemburg waren, sah ich abends überall Menschen, die etwas Verlorenes ausstrahlten. Vielleicht lag es daran, dass ich gerade dieses Buch las und meine Antennen für Einsamkeit besonders sensibel waren:

Die Autorin gibt ihr Leben in England vollständig auf, um zu ihrem neuen Freund nach New York zu ziehen. Eine fatale Entscheidung, denn ihr Freund serviert sie sehr schnell ab. Sie beschließt, in New York zu bleiben, findet eine Arbeit und wechselt in den nächsten Jahren mehrmals die trostlosen Unterkünfte. Was Olivia Laing völlig unterschätzt hat ist die Wucht, mit der das Einsamkeitsgefühl sie trifft. Sie kennt niemanden in New York und versucht auf langen Spaziergängen, das Gefühl in den Griff zu bekommen. Doch beim Anblick von Pärchen und Familien breitet sich die Einsamkeit immer mehr in ihr aus und bestimmt ihr Denken und Handeln. Sie zieht sich zurück, hat Angst davor, in der Öffentlichkeit als Einsame entlarvt zu werden.
Glücklicherweise hat sie als studierte Kulturwissenschaftlerin Zugang zur Kunst und sie entdeckt schließlich für sich Künstler, deren Leben und Werke ihrer Meinung nach auch von großer Einsamkeit geprägt sind. Parallel zu ihrer eigenen Geschichte erzählt sie deshalb auch von Edward Hopper, Andy Warhol, David Wojnarowicz und anderen Künstlern, die für sie verschiedene Facetten der Vereinsamung repräsentieren. So geht es beispielsweise um das Abhandenkommen von Sprache bei Warhol oder bei Wojnarowicz um die grenzenlose Suche nach Sex und Intimität in den heruntergekommenen Piers und Kinos am Trafalgar Square in den 70er Jahren.
Einsamkeit „passiert“ nicht nur bei Verlust einer geliebten Person, sondern auch, wenn Menschen durch die Gesellschaft ausgegrenzt oder stigmatisiert werden. Der Umgang mit Aidskranken in den 80er Jahren ist für Olivia Laing ein Paradebeispiel.
Die Einsamkeit der Menschen in Zeiten des Internets mit dem Wunsch nach endloser Aufmerksamkeit und Anerkennung ist ein weiteres Thema in diesem Buch. Auch hier gibt die Autorin wieder ihre eigenen Erfahrungen preis und berichtet über die Aktivitäten des Internetgurus Josh Harris.
Die Analysen der Autorin, was Einsamkeit ist und wie tiefgreifend sich Einsamkeit bei Menschen auf Körper und Psyche auswirkt, haben mich sehr beeindruckt. Ihre eigene Geschichte mit Texten über die amerikanische Künstlerszene zu kombinieren, ist überraschend und nachvollziehbar.
Olivia Laing findet etwas Trost in der Tatsache, dass sie in ihrer Verlorenheit nicht alleine ist, sondern immer mehr Menschen von Einsamkeit heimgesucht werden. Auch scheint es so, dass einsame Menschen eine erweiterte Wahrnehmung des Alltagslebens haben, daraus zieht sie selbst eine positive Kraft.
Nach Laings Meinung ist das offene Bekennen zur eigenen Einsamkeit fast immer noch ein Tabu in der Gesellschaft. Diese fürchtet sich vor dem Gefühl und verdrängt es gerne. Die wohl gemeinten Ratschläge Nichtbetroffener (einem Verein beitreten, ein Ehrenamt übernehmen, sich einen Hund anschaffen) helfen gegen das Alleinsein, sind für die Einsamkeit aber nur ein Pflaster. Deshalb wünscht sich die Autorin mehr Orte, in dem einsame Menschen sich ohne Scham treffen und sich gegenseitig unterstützen können, um aus dem Teufelskreis der Einsamkeit zu entkommen.

Wir sind wandelnde Pfützen

Heute habe ich für Sie einen Buchtipp passend zum nassen Herbstwetter.

„Unser Körper besteht zu 80 % aus Wasser. Wir sind also aufrecht stehende Pfützen.“ besagt ein Kalenderspruch, den ich in diesem Buch gefunden habe:

Auf 136 Seiten beleuchten die beiden Autorinnen (Journalistin und Geografin) das Thema Pfützen. Dank zahlreicher Fotos und launig geschriebenen Texten werden uns die Augen geöffnet, an welchen besonderen Miniseen wir zumeist als Erwachsene gedankenlos vorbei gehen oder über die wir uns sogar ärgern. Als Kind war das anders, plitschplatsch in eine Pfütze gesprungen, war das nicht herrlich?

Die einen ärgern sich darüber, beim Spazierengehen Umwege machen zu müssen, die anderen freuen sich, dass die Pfützen den Himmel auf die Erde holen


Drösele ich mal auf, wo die Pfütze eine Rolle spielt: Picasso, Gerhard Richter und andere Künstler verewigten Pfützen in ihren Bildern, in der Literatur gibt es z.B. Passagen bei Albert Camus oder Günter Grass, wo die Pfütze beschrieben wird. In der Fotografie war und ist die Pfütze ein beliebtes Motiv, angeführt von dem Bild „Der Sprung“ von Henri Cartier-Bresson. Zu jeder Jahreszeit bieten die Minigewässer Hingucker:

Blätterschiffchen im Herbst

In unseren grauen Städten bringen Pfützen Farbe und Abwechslung und wenn es windig ist, noch flüchtige Bewegungen.


Das sind „Wohlfühlargumente“, die für die Pfütze sprechen, doch es gibt noch wichtigere Gründe, Pfützen zukünftig mehr wertzuschätzen.
Pfützen sind lebenswichtige Plätze für Flora und Fauna. Pflanzen wachsen in Pfützen oder benötigen das feuchte Mikroklima des Wassers.(Z.B. seltene Orchideen in freier Natur).

Große wie kleine Tiere brauchen Pfützen als Trinkplatz. Trocknen Pfützen nicht nach wenigen Tagen wieder aus, siedeln sich Kleinstlebewesen an, Molche und Frösche nehmen die Pfütze als Laichgewässer.


Wie oben schon angedeutet, sorgen Pfützen für ein feuchtes und damit auch kühlendes Mikroklima. So könnten sie auch für uns Menschen ein Mittel sein, nach Starkregenfällen in heißen Sommern die Umgebungstemperatur zu senken. Warum sich im Garten nicht eine „Privatpfütze“ anlegen?

Mir ist echt „pfützig“! Dieses Wort gab es schon mal im Frühneuhochdeutschen und starb dann um 1500 aus. Schön wäre es, wenn es in die deutsche Sprache wieder zurückkehren würde, denn es bedeutete in früheren Zeiten: „Eine als nützlich erachtete Sache mit Spaß und Eifer vorantreiben“.

Wieder in eine Denkfalle getappt?

Was ist richtig, was ist falsch? Was ist das Beste, was ist das Schlechteste? Soll ich oder soll ich nicht? Kann ich oder kann ich nicht?
Wir müssen jeden Tag Entscheidungen treffen und versuchen, durch Nachdenken ein gutes Ergebnis zu erreichen. Doch leider tappen wir alle immer wieder in Denkfallen, die uns den Alltag erschweren.
In acht Kapiteln erklärt uns die Autorin dieses Buches, welche Arten von Denkfallen es gibt, erläutert diese mit vielen Beispielen und zeigt Möglichkeiten auf, wie man u.U. richtiges Denken erlernen kann. (Das geht leider nicht immer, dazu gleich noch mehr).

Fangen wir mit drei Beispielen von leicht erkennbaren Denkfallen an:
Sie sehen in einer Glasbläserei, wie eine Person durch das Blasen in ein Rohr eine Vase ausformt. Das sieht ja einfach aus, das kann ich auch!

Falsch gedacht. Dazu gehören viel Übung und Wissen, das kann man nicht aus dem Lamäng = eine Illusion dank Selbstüberschätzung.
Denkfalle Nr. 2: Sie müssen etwas vorführen oder vortragen. Bei der Vorbereitung gehen sie es aber nur im Kopf durch und meinen dann, es schon zu können. Zwischen Theorie im Kopf und Praxis im Tun liegt ein großer Unterschied!
Denkfehler Nr. 3: Wir stellen nur solche Fragen, die unsere vorgefasste Meinung bestätigen. Ein Beispiel: Ein Junge kommt mit einem zerrissenen T-Shirt nach Hause. Die Mutter fragt sofort:“Hast du dich wieder mit jemandem geprügelt?“ Das kam in der Vergangenheit schon zweimal vor. Dass der Junge mit dem Shirt an einem Zaun oder einer Tür hängen geblieben oder das Shirt wegen Altersschwäche einfach gerissen ist, kommt für die Mutter nicht in Frage. Zu versuchen, andere Möglichkeiten in Betracht zu ziehen, könnte ein Weg sein, zukünftig Situationen richtig einzuschätzen.

Schwer wird es, Denkfallen zu umgehen, wenn unser Gehirn auf urzeitliche Erfahrungen zurückgreift. Bei unseren Vorfahren führte der Verlust von Nahrung zum Tod. Verlust war also ein großer Angstzustand, der bis heute unser alltägliches Handeln bestimmt. Was wir einmal besitzen, wollen wir nur ungern wieder abgeben. Schauen wir doch mal in den Kleiderschrank:


Da wäre weiterhin die Vorliebe für Bequemlichkeit. Gilt eine Ursache für einen Zustand als passend, warum dann noch groß nach anderen Ursachen suchen? Selbst wenn wir meinen, dass wir unvoreingenommen urteilen, ist unsere Meinung tendenziös, da unser Gehirn auf viele Erfahrungen zurückgreift, die wir brauchen, um uns in der Welt zurechtzufinden. Das geschieht unbewusst, ist aber leider so.

Die Autorin ist Professorin für Psychologie an der Yale University. Sie ist hoch dekoriert und beschäftigt sich seit Jahrzehnten mit Denkmustern. Ihr Buch, aus dem ich Ihnen nur einige wenige Denkfehler vorgestellt habe, las ich in kleinen Häppchen, um über das Gelesene in Ruhe nachzudenken. Wie sie unser Denken aufdröselt, fand ich zumeist schlüssig. Zukünftig alle möglichen Denkfallen zu umgehen, ist ein für mich aussichtsloses Unterfangen, aber das stetige Bewusstsein, dass das eigene Denken falsch oder beeinflusst sein könnte, kann ein guter Anfang sein.
Der Autorin hofft, dass ihr Buch dazu beiträgt, dass besseres Denken das eigene Leben erleichtert und den Umgang mit anderen Menschen fairer macht, weil man unvoreingenommener ist. Ich hoffe mit ihr!

Eine Geschichte der Frauen in 100 Objekten

Angesichts der Tatsache, dass die Autorin Annabelle Hirsch deutsch-französische Wurzeln und u.a. in Paris Kunstgeschichte studiert hat, ist es nicht verwunderlich, dass von den 100 beschriebenen Objekten ca. die Hälfte aus Frankreich kommt. So liest man nicht nur eine Geschichte der Frauen, sondern erfährt auch viele überraschende Details über unser Nachbarland.
Dieses Buch (411 Seiten) hat mich in vieler Hinsicht begeistert. Jedes Objekt stellt die Autorin auf höchstens drei Seiten vor, so dass sich die Lektüre optimal für den kleinen Lesehunger von dem Einschlafen eignet.
Das Alter der Objekte reicht von 30000 Jahren vor Chr. bis zum Jahr 2017.
Wussten Sie, dass es seit zehn Jahren Indizien gibt, dass die urzeitlichen Gemälde in den französischen Höhlen, die von den Wissenschaftlern bis dahin wie selbstverständlich den Männern zugeschrieben wurden, auch von ihren Frauen stammen?
Kennen Sie die Geschichten vom „Le rouge Baiser“, dem „100-KM/H-Mantel“ des Pariser Modehauses Dornac oder des Messers der Mère Filloux, die den Ruhm Lyons als Haute Cuisine-Stadt auslöste? Ich habe oft gestaunt, durch welche Umstände die Rechte von Frauen vergrößert oder öfter beschnitten wurden, wenn es den Männern gerade passte. (In Hollywood gab es beispielsweise bis in die 30er Jahren mehr Regisseurinnen und Produzentinnen, doch dann entdeckten Männer, dass man mit Filmen Geld verdienen konnte und das Ende der mächtigen Frauen von Hollywood wurde eingeläutet.)

Lois Weber drehte bis 1940 138 Filme, also in einer Zeit, in der Frauen noch nicht wählen oder ein eigenes Bankkonto besitzen durften

Manche Kapitel haben mich empört. Schlimm das Foto von Robert Capra, das 1944 die dreiunszwanzigjährige Simone Touseau in Chartres zeigt, die glatzköpfig mit einem Baby auf dem Arm von Menschen beschimpft und auf der Straße gejagt wird. Die Autorin erzählt anhand des Fotos die Geschichte der „Épuration sauvage“, bei der Frauen, die mit den Deutschen kollaborierten, gebrandmarkt wurden.
Kennen Sie Brownie Wise, Liane Berkowitz, Majorie Hills oder Elisabeth Selbert? Dieser Name und viele andere, oft vergessene, Namen sind mir im Zusammenhang mit der Geschichte der Frauen zum ersten Mal begegnet. Da die Autorin in jedem Kapitel kurz und knackig schreibt, bleiben viele Möglichkeiten, sich nach Beendigung des Buches in eins der hundert Frauenthemen zu vertiefen.

Annabelle Hirsch bietet in ihrem Buch Fakten aber auch Denkmodelle an, in denen sie die Geschichte der Frau neu interpretiert. Bei manchen dieser Überlegungen verfällt sie allerdings in ein schwarz-weißes Denkschema, das sie sonst den Männern vorwirft. Das ist schade.

P.S. Meine Heldin ist übrigens Elisabeth Selbert.

Man spricht immer von den „Vätern des Grundgesetzes“, aber „nur“ 61 von den 65 Mitgliedern des Gremiums waren Männer. Zu den vier Frauen der Gruppe gehörte Elisabeth Selbert. Gegen große Widerstände aller anderen Mitglieder setzte sie durch, dass der Satz:“Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ in das Grundgesetz mit aufgenommen wurde.