Eine ungewöhnliche Schreibwerkstatt

 

Dies ist ein ganz außergewöhnlicher autobiografischer Roman.

Ortheil

Hanns-Josef Ortheil erzählt von seiner Kindheit und Jugend. Bis zu seinem siebten Lebensjahr hat er kaum gesprochen, kennt nur wenige Wörter für die Welt, die ihn umgibt. Er spielt leidenschaftlich Klavier, kann sich damit ausdrücken und das akzeptieren die Eltern. Doch als er in die Schule kommt und die Schwierigkeiten anfangen, beschließen zuerst der Vater und später auch die Mutter, ihm Wörter, das Sprechen und schließlich auch das Schreiben auf unkonventionelle Weise bei zu bringen. Es stellt sich heraus, dass Ortheil sehr gut beobachten kann und dies, verbunden mit seinem Schreibtalent schließlich dazu führt, dass für den Jungen das Schreiben zur Passion wird. Er ist ein guter Schüler, macht sein Abitur und entscheidet sich dann, nach Rom zu gehen, um dort Musik zu studieren. Ende des Romans.

Warum nenne ich das Buch außergewöhnlich?

Es gewährt uns einen Blick in eine bürgerliche Familie zwischen den fünziger und siebziger Jahren. Sind die ersten Kapitel im Buch fast ausschließlich den Schreibübungen gewidmet, treten mit der wachsenen Selbständigkeit des jungen Ortheils familiäre Begebenheiten in den Vordergrund. Dabei spielen das liebevolle, aber so unterschiedliche Verhalten der beiden Elternteile eine große Rolle. Ja und dann ist da noch die Tatsache, dass dieses Buch für jeden, der gerne selber schreibt oder schreiben möchte, eine methodische Schreibwerkstatt darstellt, die viele Anregungen gibt, wie man seinen Stil verbessert oder über was man überhaupt schreiben kann. Ortheil hat diesen Roman geschrieben und dabei seinen riesigen Fundus an frühen Übungen erneut gesichtet und mit eingearbeitet.

Ortheil hat noch weitere Bücher über seine Kindheit geschrieben, bzw. sind zwei Erzählungen, die er während seiner Jugend geschrieben hat, ebenfalls veröffentlicht worden. Ich habe keins dieser Bücher vorab gelesen. Es wird manchmal empfohlen, ich fand es so besser, da ich völlig unvoreingenommen gelesen habe.

 

Restaurantbesuch zwischen zwei Deckeln

Sie sitzen im Restaurant mit Lebenspartnern oder Kunden und eine Stille macht sich breit, weil die Gespächsthemen ausgegangen sind? Dieses Buch wird Sie in Zukunft davor schützen, denn Sie werden mit Ihrem Wissen rund um das Thema „Restaurant“ kurzweilig unterhalten und brillieren.

Restaurantbuch

Seit dem 18.Jahrhundert gibt es Einrichtungen, die mit unserem heutigen Verständnis von einem Restaurant verglichen werden können. Der Autor erzählt im Stil eines Romans oder in Form eines Sachbuches von den verschiedenen „Komponenten“, die ein Restaurant ausmachen. Da sind erst einmal die Einrichtung und der Standort des Restaurants. Durch sie wurden und werden schon manche Etablissements zu Tempeln, zu denen man hinpilgert, um seinen Hunger zu stillen, aber noch wichtiger, um auch gesehen zu werden und „dabei gewesen zu sein“. Ja, die Gäste eines Restaurants…Sie bekommen natürlich ein besonderes Kapitel in diesem Buch. Auch diverse Restaurantkritiker haben ihren Auftritt, sei es George Orwell, Marcel Proust oder Wolfram Siebeck. Aber am wichtigsten sind natürlich die Menschen, die in einem Restaurant arbeiten: Die ausgebeuteten Küchenhilfen, die mächtigen Kellner oder die Köche, deren Kreativität zumeist bewundernswert ist, über deren Missgunst gegenüber anderen Köchen man aber auch manchmal den Kopf schütteln kann. (Nicht wahr, Herr Bocuse?) Weitere Themen: Der Einfluss von Restaurants in der Politik ( z.B. Rassentrennung in Südafrika), die Erfindung von Fast Food Ketten, die Recherchen von Günter Wallraff oder Frances Donovan, die bereits 1917 undercover recherchierte, um über Arbeitsbedingungen von Kellnerinnen zu schreiben oder auch Reflexionen über die Psychologie der Speisekarte.

 

 

 

 

 

Abrechnung eines Gutmenschen mit sich selbst

Weltverbesserer

Der Autor Klaus Unger ist ein Gutmensch und er hat das dringende Bedürfnis, wenigstens ein bisschen die Welt zu verbessern. Doch blöd ist, dass Gutmenschen in letzter Zeit nicht so beliebt sind, denn sie können ganz schön mit ihrem Missionseifer nerven und ob ihre Aktionen alle so wirklich Sinn machen, ist auch fraglich. So nimmt sich Unger selbstkritisch mit einer Portion Sarkasmus unter die Lupe und hält damit den Lesern mehr oder minder einen Spiegel vors Gesicht. Seine Aktivitäten sind vielfältig: Er unterschreibt z.B. Internetpetitionen, egal, wie unsinnig die Aufrufe sind, verfasst einen Blog über Probleme in Afrika, hat für sein gutes Gewissen mit einem Obdachlosen eine Geschäftsbeziehung aufgebaut, ist beim Crowdfunding dabei und gibt sein Bestes, gerecht und nicht rassistisch, bzw. politisch korrekt zu sein. Das ist alles sehr anstrengend und am Ende des Buches bittet Unger, dass ein anderer den Staffelstab des Helfens übernimmt, er kann und will einfach nicht mehr und die anderen großen Weltverbesserer (Gandhi, Rudolf Steiner, Jesus von Nazareth, um einige zu nennen) gehen ihm inzwischen auch auf den Geist.

Warum, fragt sich Unger, gibt es in Deutschland anscheinend besonders viele Weltverbesserer, die immer etwas Sinnvolles machen müssen oder sich permanent schämen, nicht geholfen zu haben? Wir können uns bei Herrn Luther bedanken, der mit seinen protestantischen „Leitlinien“ das Fundament zu dieser Lebenseinstellung gelegt hat. 

Dieses Buch zu Weihnachten verschenken? Auf jeden Fall wunderbar als Wink mit dem Zaunpfahl geeignet.

 

Kein großer Unterschied zum 15. Jahrhundert

Hier sehen Sie ein Gemälde aus dem 15. Jahrhundert

 

Bücherstapel

Dieses Bild zeigt mein Bücherregal am Bett. Abgesehen davon, dass in meinem Regal mehr Bücher liegen, ist die „Ordnung“ eine ähnliche. Meine Buchsammlung besteht aus Büchern, die ich in den letzten 2 Jahren nicht zuende gelesen habe, obwohl ich dies gern getan hätte. Aber der Druck, immer gerade erschienene Bücher zumindest anzulesen, war zu groß und so kam es zu dieser Sammlung. Aber in den nächsten Monaten werde ich den Berg abbauen.

Das geheime Leben in Museen

In dieser Jahreszeit gehen Sie vielleicht öfter ins Museum? Dann sollten Sie diesen Roman lesen:

MuseumHartmut Lange: Im Museum Diogenes Verlag 9,90€

Der Autor nimmt den Leser mit in das Deutsche Historische Museum in Berlin. Schon im ersten Kapitel geschieht Merkwürdiges: Eine Angestellte verschwindet spurlos, hinterlässt aber in einer Ausstellungsvitrine ihren Pullover. Und auch die folgenden Geschichten ziehen den Leser in ihren Bann: Besucher finden nicht mehr aus dem Museum heraus, Verstorbene tauchen auf und geistern durch die Räume. Lange schreibt und Michael Ende und Franz Kafka schauen manchmal über die Schulter. Doch es geht auch um die Fragen, ob über 8000 Museumsexponate es überhaupt schaffen, die Erinnerung an Menschen aus fernen Epochen aufrecht zu erhalten. Oder was können Ausstellungsstücke für das Schicksal eines Besuchers bedeuten?

Die Lektüre des Buches bereichert jeden Museumsbesuch!

Was ich euch nicht erzählte

…ist der Titel eines Buches, das ich letztlich bei der DuisBuch vorgestellt habe.

Nicht erzählte

Die Geschichte spielt in einer amerikanischen Kleinstadt. Hier leben James und Marilyn mit ihren drei Kindern. Alles deutet darauf hin, dass es sich um eine Bilderbuchfamilie handelt, doch dann wird Lydia, die fünfzehnjährige Tochter, plötzlich vermisst. Die Familie ist wie gelähmt. Die Eltern dachten, dass Lydia viele Freundinnen hätte, aber es stellt sich bei den Ermittlungen heraus, dass ihre Tochter Einzelgängerin war und anscheinend ein Leben geführt hat, das sie für ihre Eltern immer mehr zu einer Fremden werden lässt. Die Geschwister Nath und Hannah erkannten schon früh Anzeichen, dass etwas mit Lydia nicht stimmt, aber sie haben es ihren Eltern nicht erzählt, um ihre Schwester nicht zu verraten.

Lydia wird tot aufgefunden. War es Mord, Selbstmord oder ein Unglücksfall? In Rückblicken wird die Geschichte der beiden Eltern erzählt, denn schon in ihrer Vergangenheit liegt der Beginn dieses Familienunglücks.

Ich habe das Buch in 1 1/2 Tagen gelesen. Es ist sehr vielschichtig und spannend, diese Mischung findet man nicht häufig.

Mary aus Camden Town

…ist eine Obdachlose, die in einem Van lebt und Hauptfigur in dem Film „Die Lady in dem Van“. Diesen Film empfehle ich, weil ich von ihm überrascht wurde.

Einer meiner Lieblingsautoren ist Alan Bennett, der u.a. das Buch „Die souveräne Leserin“ geschrieben hat. (Wer es noch nicht kennt: Die Queen missachtet die höfische Etikette, um in Ruhe lesen zu können- ein herrliches Buch!).

 

Diesem Autor ist die Geschichte, die in dem Film erzählt wird, tatsächlich passiert. In seiner Garagenauffahrt stand 15 (!) Jahre lang der Van von Mary Shepard, einer alten Frau, die nicht gerade eine „charming Lady“ war = undankbar, ungehobelt, egozentrisch und oft sehr müffelnd. Bennetts Motive, diese Frau gewähren zu lassen, sind vielschichtig. Wird sie irgendwann die Hauptfigur eines neuen Theaterstücks von ihm?

Ich möchte nicht viel mehr zum Inhalt verraten, nur eine Huldigung an die schauspielerische Leisung von Maggie Smith muss ich noch los werden.

Hier der Trailer zum Film:

 

 

 

 

Eine Uhr, die die Ewigkeit misst

Cox oder der Lauf der Zeit

Der berühmte Uhrmacher Alister Cox nimmt eine Einladung des chinesischen Kaisers an, um für diesen ausgefallene Uhren zu bauen. Cox hofft, durch die Reise über den Tod seiner kleinen Tochter Abigail hinweg zu kommen und dass seine Frau Faye, die seit dem Tod nicht mehr spricht und ihn ignoriert, durch die Trennung wieder ins alte Leben zurück findet.

Cox und seinen Mitstreiter werden in China alle Wünsche erfüllt und jedes noch so ungewöhnliche Material für den Bau von Uhren beschafft. Die erste Uhr soll das Zeitgefühl eines Kindes messen, die zweite die eines zum Tode Verurteilten. Beide Aufgaben werden perfekt umgesetzt, doch dann befiehlt der Kaiser, eine Uhr zu konstruieren, die die Ewigkeit messen soll. Auch dies schaffen die Uhrmacher, denn sie haben sich in England schon lange zuvor mit dem Bau eines Perpetum mobile beschäftigt. Cox wird sich allerdings dann einer tödlichen Gefahr bewusst, die die Übergabe der Uhr an den Kaiser für die Engländer bedeuten würde. Was wäre, wenn der allmächtige Kaiser von China, der auch der Herr der Zeit und der Ewigkeit ist, diese Uhr plötzlich als Angriff auf seine Macht sieht und die Uhrmacher damit zu Feinden würden? Cox muss einen Weg finden, das Leben von ihm und seinen Mitstreitern zu retten.

Wenn man beim Lesen genügend Phantasie aufbringen kann, sich all die wunderbaren Dinge und Landschaften vorzustellen, die Ransmayr in seinem Roman beschreibt, dann ist das Buch ein opulenter Lesegenuss. Wem die Phantasie allerdings fehlt, der kann sich mit diversen philosophische Betrachtungen beschäftigen, doch fände ich dann den Roman und seine Geschichte etwas blutleer und dürftig.

Training zur Erweiterung der Frusttoleranz

Ich hatte so richtig Lust, im Urlaub mal wieder schöne Krimis zu lesen und nahm zwei mit, deren Inhaltsangaben vielversprechend klangen.

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Der erste, „Infarkt“, hatte die Zutaten Kunstraub, Mossad, Fußball, Medizinforschung. Klasse, besonders geeignet für Männer, dachte ich nach den ersten Seiten, denn Fussball war das Hauptthema. (Ich hatte das Buch wegen der Zutat Kunstraub mitgenommen, war aber ein Seitenthema). Ich las weiter, nicht uninteressant, wie es hinter den Kulissen eines Fussballvereins so zugeht. Doch mit jeder Seite wurde meine Abneigung gegen die beiden Ermittler größer: Eine Kardiologin, die Ermittlungen anstellte, weil sie alles immer genau wissen muss. Das ist nicht schlecht, aber sie zickte auch viel herum und war nicht sehr sympathisch. Ihren „Assistenten“, ebenfalls Mediziner, hätte ich gerne öfter geschüttelt. Familienvater mit sechs Kindern, reichlich überfordert und sehr unentschlossen. Die Geschichte hätte ein guter Männerkrimi werden können, aber wenn mir Sara Zuckermann schon auf den Wecker geht, werden männliche Leser höchstwahrscheinlich noch genervter sein. Schade!

Die „Prinzessin von Aboro“ heißt Elisabetta Zorzi, kommt aus Italien und führt in Wien ein Nobelrestaurant. Sie ist Anfang dreißig, klein, beschützenswert und eine perfekte Schönheit („Dank“ ihres ersten Mannes). Männerherzen fliegen ihr zu und auch Frauen wären mit ihr gerne befreundet. Zorzi, wie man sie liebevoll nennt, hat allerdings ein Problem: Sie wählt die falschen Männer aus, mit denen sie ihr Leben verbringen möchte. Und so bleibt ihr nichts anderes übrig, als sie zu ermorden. Beim vierten Mann kommt man ihr auf die Spur, und sie wird verurteilt. So weit, so gut. Ich bin bei der Hälfte des Buches. Die zweite Hälfte beschreibt Zorzis Zeit im Gefängnis, wie sie und ein Psychologe sich ineinander verlieben. Zorzi gelingt die Flucht aus dem Gefängnis, doch widererwartend taucht sie bei ihrem Liebhaber auch nach Monaten nicht auf. Schluss der Geschichte…Dieser Krimi war für mich wie ein Luftballon: Während der ersten Hälfte noch prall gefüllt, doch dann hat jemand mit der Nadel in den Luftballon gestochen und zum Schluss blieb ein Häuflein Gummi übrig. So etwas nennt man Training zur Erweiterung der Frusttoleranz…

Die Geschichte einer Fotografin

 

 

Einjahraufdemland
Rebecca Winter, gerade sechzig geworden und geschieden, ist eine amerikanische Fotografin auf dem absteigenden Ast. Vor 20 Jahren wurde sie durch eine Fotoserie mit Küchenbildern sehr berühmt, doch seitdem war keins ihrer anderen Bilder vergleichbar spektakulär. So quälen Rebecca nun arge Geldsorgen und sie beschließt deshalb, ihre teure New Yorker Wohnung zu vermieten und selbst in ein günstigeres Landcottage zu ziehen. „Ein Jahr auf dem Land“ beginnt und damit ein völlig neuer Lebensabschnitt. Die Menschen dort sind so anders als sie, und Rebecca muss lernen, mit ihren Mitmenschen und dem einfachen Leben in der Natur zurecht zu kommen. Sie findet aber auch neue Inspirationen für Fotomotive und tatsächlich auch eine neue Liebe. Nach einem Jahr kehrt sie nach New York zurück, doch ob sie bleiben wird?
Ein gut geschriebener Frauenroman, der schön unterhält, aber auch zum Nachdenken anregt.