Vom Wegwerfen und dem Tod

Ich hatte in der Vergangenheit schon zwei größere Anwandlungen, Dinge wegzuwerfen und das war danach jedes Mal ein tolles Gefühl. In den letzten Monaten wollte ich mich gerne mal wieder trennen, aber konnte mich nicht so recht überwinden. Also las ich erst einmal ein Buch, um mir einen geistigen „Überbau“ zu geben.


In diesem Reclamheft beschreibt die Autorin, wie sie nach dem Tod der Eltern deren Haus ausräumen muss. Viele Dinge behält sie und packt sie erst einmal in Kisten. Nach einer Zeit der Trauer will sie die Kartons „angehen“, doch sie schafft es nicht und schreibt stattdessen dieses Buch.
Zuerst die gute Nachricht: Es gibt zu der berühmten Konmari-Methode des Wegwerfens inzwischen eine Gegenbewegung, sie heißt „Cluttercore“ und befürwortet laut „Brigitte“ eine gewisse Unordnung, da sie Kreativität fördert. Musste ich das Buch überhaupt noch weiterlesen? Doch, es sollte in meinem Leben leerer werden.
Wie beeinflussen uns Dinge, die wir zuhause aufheben, horten oder dekorieren? Sie schenken uns schöne Erinnerungen, bringen kurzzeitig Frustverminderung, können uns ermahnen, drücken unsere Persönlichkeit aus und sind der Beweis, dass wir noch zu den Lebenden gehören. Deshalb fällt es uns oftmals so schwer, uns mit den toten Dingen unserer verstorbenen Eltern zu beschäftigen. Beim Ansehen und Aussortieren werden wir auch an den eigenen Tod erinnert und dagegen wehren wir uns.
In unserer heutigen Welt, in dem wir angehalten sind, möglichst wenig wegzuwerfen und lieber zu recyceln, kann das Wegwerfen zum Problem werden. Wie froh sind wir, wenn wir Sachen gemeinnützigen Anlaufstellen bringen können und damit das schlechte Gewissen, etwas wegzuwerfen, weitergeben. Die gute Tat ist eigentlich etwas Scheinheiliges. Diese Stellen platzen aus allen Nähten und nein, vieles kann man nicht mehr gebrauchen, die Zeit des Gegenstandes ist abgelaufen. Weg damit!
Die These der Autorin und da orientiert sie sich u.a. an dem Philosophen Michel de Montaigne: Wenn wir bewusst ein Ding wegwerfen, lernen wir auch ein bisschen, von der Welt Abschied zu nehmen. Der Tod verliert nach und nach seinen Schrecken, da wir uns an den Abschied und unser Verschwinden langsam gewöhnen.
Darüber musste ich erst einmal grübeln, kann diesem Gedanken aber etwas abgewinnen. Allerdings benutze ich bei einigen Dingen einen Krückstock, der mir das Wegwerfen erleichtert. Es ist dieses Heft:

Hier notiere ich vor dem Wegwerfen Dinge wie Souvenirnippes, Bücher, Kleidung, Schmuck, Fotos, u.v.m. und mein Gedächtnis hat dann immer mal wieder eine schöne Lektüre.

Die Herrenausstatterin

Katja Weinberg weiß alles über Zahnärzte. Unter vielen hat sie schon gelitten und auch bei dem neuen sind ihre Bedenken wieder groß. Doch Jakob ist anders, so anderes, dass Katja und er einige Zeit später heiraten. Die Reden auf der Hochzeitsfeier deuten darauf hin, dass beide eigentlich überhaupt nicht zueinander passen, zu unterschiedlich sind ihre Erwartungen an das Leben. Doch es scheint zu funktionieren und beide überlegen, Eltern zu werden. Aber dann bekommt Katja ein Augenleiden und kann nicht mehr scharf sehen. Jakob kümmert sich anfangs rührend um sie, doch dann verschwimmen für Katja auch die Konturen ihrer Liebe und es endet damit, dass Jakob sie wegen Alina verlässt. Er will herausfinden, ob Alina nur ein Symptom ist oder etwas Ernsteres. Katja ist erschüttert, muss sich aber zuerst um ihre kranken Augen kümmern. Als sie gerade eine Operation überstanden hat, bekommt sie die Nachricht, dass Jakob einen schweren Unfall hatte. Sie besucht ihn im Krankenhaus, wo sie ihn kurz spricht, bevor er stirbt.
Katjas Leben ist nun endgültig ein Trümmerhaufen. Sie lässt sich gehen, da hilft auch der alte Herr Dr. Blank nicht viel, der sich ein bisschen um sie kümmert. Erst als Armin, ein Feuerwehrmann, auftaucht, weil er fälschlicherweise die Meldung bekam, dass es bei ihr zuhause brennt, werden Katjas dunkelgrauen Tage etwas unterbrochen. Armin merkt, dass Katja Hilfe braucht und besucht sie immer häufiger. Dass Katja oft mit einem unsichtbaren Herrn Blank spricht, nimmt er dabei in Kauf. Die beiden jungen Leute kommen sich zwar näher, aber Katja vermutet, dass Armin kein Feuerwehrmann, sondern nur ein Dieb ist. Als sie von Armin schwanger ist, muss Herr Blank alle seine Überredungskünste anwenden, dass sie das Kind behält. Katja vertraut Blank wie ein Kind seinem Vater und beide „ steigen voll in das Thema Schwangerschaft ein“. Allerdings sind Blanks Tage gezählt, denn immer häufiger weist sein Erscheinungsbild Löcher auf. Erst im Knie, dann im Arm. Katja überklebt sie mit Pflaster, doch wie lange wird das noch funktionieren?

Ich wusste nichts über den Inhalt des Buches, als ich in der Bücherei das Buch bestellte. Der Titel „Die Herrenausstatterin“ klang interessant und ich stellte mir einen Roman vor, der vielleicht ein bisschen an verschiedene Szenen von Loriot erinnert. Als ich dann den Klappentext las, merkte ich, wie falsch ich lag und war skeptisch. Es gibt zwar in dem Roman eine Herrenausstatterin, sie ist die treulose Witwe von Herrn Blank, aber sie taucht erst am Ende des Romans auf.
Die Autorin erzählt eine außergewöhnliche Dreiecksgeschichte mit viel Leichtigkeit und einem feinen Witz. Manche Gedankengänge von Katja und die Lebensweisheiten des Herrn Dr. Blank sind im positiven Sinne speziell. Wer ohne Karneval in den nächsten Tagen lächeln möchte, könnte es mit diesem Buch versuchen.

Mysterium mit Libellen

MAUSOLEUM

Bild 234 von 365

Ab Juli bis September besuchen uns seit vielen Jahren große grüne Libellen (Große Königslibelle?) in unserem Garten. Immer wieder kommt es vor, dass sie sich auf ein Seerosenblatt in unserem kleinen Teich setzen und von dort nicht mehr wegfliegen. Sie sterben. Ich habe bisher noch keine Gründe gefunden, warum es sich jährlich wiederholt und warum sie sterben. Traurige Momente im Sommer.

Gedanken zu Nick Cave

Den vor kurzem erschienenen Konzertfilm „This Much I Know To Be True“ des Musikers Nick Cave sahen wir uns vorgestern im Kino an. In einem verlassenen Gebäude werden Stücke von den neuen CDs „Ghosteen“ mit seiner Gruppe Bad Seeds und „Carnage“ mit seinem Musikerfreund Warren Ellis gespielt. Meine Gedanken: Die Musik ist teilweise sehr ätherisch und bombastisch, nicht unbedingt typisch für Nick Cave. Der Einfluss der Experimentierfreudigkeit von Warren Ellis ist nicht zu überhören. Gefiel mir nicht uneingeschränkt.
Aber Nick Cave zeigt am Anfang des Films auch die ersten Ergebnisse seiner neuen Leidenschaft. Er töpfert und der Sänger präsentierte mehrere Keramiken, die sich mit dem Leben und Sterben des Teufels befassen. Seine Gedanken zum Teufel sind bemerkenswert. Daneben gibt Cave mehrere kurze Interviews. Der Film entstand Frühjahr 2021 und er meint, ein glücklicheres Leben zu führen, verglichen mit der Zeit als junger und mittelalter Mann. (Cave ist Jahrgang 1957). Sein Leben erscheint ihm sinnvoller und auf seiner Webseite „The Red Hand Files“, beantwortet er nunmehr seit geraumer Zeit sehr persönlich die Fragen von z.T. sehr verzweifelten Menschen.
Als ich den Film sah, freute ich mich. Da war ein Mensch, der für mich immer mit Wut, Dunkelheit, Verzweiflung und dem stetigem Ringen mit Gott umgeben war und der jetzt wohl einen Weg gefunden hatte, das Leben etwas leichter anzunehmen.
Gestern hörte ich mir die beiden CDs im Internet an. Die Musik hatte dabei eine ganz andere Wirkung auf mich als im Film. Das Bombastische war verschwunden, die Stimme Nick Caves stand wieder im Vordergrund, seine neue Lebensfreude schimmert immer wieder durch. Gut so!
Und dann lese ich gestern Nachmittag, dass am Montag sein ältester Sohn gestorben ist, der zweite Sohn nach 2015, als ein Sohn von einer Klippe gestürzt und tödlich verunglückt ist.

Ein Lied von der neuen CD „Carnage“: