Ich arbeitete Ende der 70er Jahre in der damals größten Buchhandlung Deutschlands, dem Stern Verlag in Düsseldorf. Die Bücher der berühmten amerikanischen Autoren der Beat Generation Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs fand man dort nur vereinzelt im Regal, denn zu dieser Zeit hatten diese Schriftsteller hauptsächlich Leser und Leserinnen, denen das „Establishment“ suspekt war und die den Wunsch nach Freiheit und Veränderung hatten. Noch weniger präsent waren deutsche Autoren, die ähnliche Gedanken in ihren Büchern verfolgten. Peter Paul Zahl, Jörg Fauser oder Rolf Dieter Brinkmann wurden vom Feuilleton manchmal besprochen, aber die Autoren aus Verlagen wie z.B. Rotbuch, März oder Maro ignorierte man gerne. Die Inhalte waren „nicht lesbar“ oder entsprachen nicht dem bürgerlichen Weltbild der 60er bis 80er Jahre. Die Autoren mussten um ihren Lebensunterhalt kämpfen. Es gab allerdings eine Ausnahme…

Jürgen Ploog (1935 bis 2020) hatte schon in jungen Jahren beschlossen, sein Leben dem Schreiben zu widmen und herauszufinden, welche Welten sich mit der Sprache erschließen lassen. Im Gegensatz zu seinen Mitstreitern entschied er sich, eine Ausbildung zum Piloten zu machen und flog danach 33 Jahre für die Lufthansa. Das machte ihn finanziell unabhängig und ihm war es egal, ob seine Bücher sich verkauften. Bedingt durch seine Arbeit, war er oft in New York und wurde ein guter Freund von William S. Burroughs. Damit war er am „Puls“ der amerikanischen Beatbewegung und lernte bei Burroughs eine Cut-up Technik kennen. (Techniken, bei der ein bestehender Text zerschnitten und zufällig neu zusammengesetzt wird, um einen neuen Text zu erschaffen). Das neue Zusammensetzen der Wörter spült Unbekanntes aus dem eigenen Innenleben an die Oberfläche und dies wurde für Jürgen Ploog für viele Jahre der Weg, seine Texte zu schreiben.
Kämpften deutsche Untergrundautoren mit den grauen Alltagserlebnissen und dem deutschen Politikmief, konnte Jürgen Ploog durch seinen Beruf auf Beobachtungen zurückgreifen, die er weltweit machte. Auf einem Markt in Bangkok, in einer Bar in Tokio, im Supermarkt in Chicago… Sein Unterbewusstsein speicherte jeden Eindruck und er floss in seine Texte mit ein.
Dies alles machte ihn zu einer charismatischen Gestalt in der alternativen Literaturszene. Dass Ploog gutaussehend, immer freundlich und höflich, also quasi ein Gentleman war, unterstützte noch seinen Ruf als „Grandseigneur“.
In dem Buch erinnern sich Wegbegleiter an Jürgen Ploog, Tagebucheinträge und E-Mail Verkehr sind zu lesen, auch findet man einige Textauszüge aus seinen Büchern. Auf die legendäre Literaturzeitung „Gasolin 23“, deren Mitherausgeber Ploog 14 Jahre lang war, wird eingegangen, Foto- und Bildmaterial (Jürgen Ploog malte auch) ergänzen die Texte.
Ob ich Jürgen Ploog einmal begegnet bin? In den ersten Jahren meines Lebens als Buchhändlerin besuchte ich neben der Frankfurter Buchmesse auch einmal die Mainzer Minipressen Messe, die zur selben Zeit stattfand. Hier präsentierten sich damals über 100 Verlage, die den Mainstream nicht bedienten. Als junge Frau hätte ich ihm nicht viele Fragen stellen können, zu unterschiedlich waren die Lebenswelten. Heute wäre das anders. Bei den abgedruckten E-Mails sind auch einige dabei, die Ploog in den letzte Jahren seines Lebens geschrieben hat. In ihnen nimmt er Stellung zu unserer heutigen Welt und schreibt Kluges.
Diese Buchbesprechung ist einfach gestrickt und entspricht nicht dem geistigen Level des Buches oder anderen bereits erschienen Buchbesprechungen. Aber vielleicht habe ich sie neugierig gemacht auf diesen Autoren oder auf die Zeit, in der es noch Untergrundliteratur gab.
Hier eine zweite Buchbesprechung: https://www.welt.de/kultur/article689eddd7cf5f0271ccd53954/Juergen-Ploog-Der-Pilot-der-die-Avantgarde-nach-Frankfurt-brachte.html



























