Unterwegs mit Hobos

Wikipedea schreibt:

Ein Hobo ist ein nordamerikanischerWanderarbeiter. Hobos sind meist heimatlos und nutzen Güterzüge, um durchs Land zu reisen und sich hier und dort mit kleineren Tätigkeiten etwas zu verdienen.

Die Blütezeit der Hobos war das späte 19. und das frühe 20. Jahrhundert. In wirtschaftlichen Krisenzeiten, nach Kriegen und besonders zur Zeit der Großen Depression nahm ihre Zahl stark zu. In Britt (Iowa) gibt es den einzigen Hobo-Friedhof und ein Hobo-Museum

2017 fährt Fredy Gareis nach Britt (Ihn kennen Sie schon von der Buchbesprechung „Vier Räder, Küche, Bad“ von vor zwei Wochen-siehe auch unten), um sich mit Hobos anzufreunden. Einmal im Jahr gibt es in der Stadt ein großes Hobotreffen und die Chancen, einen Hobo zu finden, der ihn bei einer Eisenbahnfahrt mitnimmt, sind hier am besten. Gareis will über das Leben der Hobos in den heutigen USA schreiben. Nach dreieinhalb Monaten hat er sehr viele Eindrücke gesammelt und es entsteht dieses Buch:


Zuerst ist es Tuck, der sich Gareis annimmt und mit ihm „auf Fahrt“ geht. In besseren Händen kann der Autor nicht sein, denn Tuck ist ein berühmter Hoboveteran, der eigentlich schon sesshaft geworden ist, aber für das deutsche Greenhorn noch einmal „einen Ritt macht“. Er verrät ihm Grundwissen und erste Tricks. Was muss ein Hobo unbedingt in seinem Rucksack haben, wie erkennt man, ob sich ein Zug für eine Fahrt eignet, um mit ihm „Strecke zu machen“? In welchen Wagons ist es am komfortabelsten? Wo wartet man am besten (im „Dschungel“) auf den Zug und entgeht den Bahnhofssicherheitsleuten und der örtlichen Polizei? Hobos kommen durch viele kleine Städte mit nur einer Hautstraße und dort passen Hobos für Polizisten nicht ins Straßenbild.
Während die beiden unterwegs sind, erzählt Tuck viele Geschichten über andere Hobos. Man liest von Legenden und in der Mitte des Buches werden einige in einem Fototeil vorgestellt. (Und es gibt dort auch Fotos vom Autor, wie er sich immer mehr zu einem Hobo verwandelt).

Shoestring, Mitte vierzig und Kriegsveteran, ist der zweite Mentor von Fredy Gareis. Auf dem Ritt der beiden erfährt man mehr über die Schattenseiten des Hobolebens und der heutigen USA. Shoestrings leidet oft unter Schmerzen, hat deswegen Alkohol- und Drogenprobleme, saß auch schon im Gefängnis. Er bekommt eine kleine staatliche Unterstützung, die aber nicht zum Leben reicht und ist darauf angewiesen, dass Leute ihm Geld geben, wenn er mit seinem Veteranenschild vor Supermärkten oder an Tankstellen steht. Er wird von Vorbeigehenden beschimpft, dass er nicht arbeitet, immer seltener findet er Unterstützung. Die USA sind inzwischen ein Land, in dem die Intoleranz in der Bevölkerung steigt und immer mehr Menschen, quer durch alle Schichten, sich zudröhnen, weil sie den Alltag nicht mehr ertragen. In dem Buch erzählt Gareis beispielhaft von „Der Insel“, einem Ort, zu dem drogenabhängige Menschen kommen, um dann in Müll und Fäkalien vor sich hinzuvegetieren. Kaum zu glauben, wenn man es liest.

Das Buch hat mein Bild von Hobos, das bisher durch eine alte Fernsehdokumentation geprägt war, doch sehr verändert. Dem unwiderstehlichen Duft der Freiheit steht mehr denn je der tägliche Überlebenskampf gegenüber, den diese Männer und ein paar wenige Frauen führen. Irritiert war ich darüber, wie sehr facebook & Co bei Hobos eine Rolle spielen. Sie möchten Shoestring einmal kennenlernen? Es gibt momentan 318 Videos über und von ihm auf YouTube.

https://www.youtube.com/user/TheHoboShoestring

Passt meiner Meinung nicht dazu, wenn man als Hobo von sich behauptet, um alles, was in der Gesellschaft üblich ist, einen großen Bogen zu machen. Ist dann das Hobosein nicht nur noch eine Rolle, die gespielt wird?

Leben und arbeiten in einem Auto-zu zweit

Der Autor Fredy Gareis ist freier Journalist und hat für eine Reportage drei Monate mit den Hobos in den USA gelebt. Seitdem geht ihm sein Wunsch nach mehr Unabhängigkeit nicht mehr aus dem Kopf. Auch seine Freundin Patrizia will aus Hamburg weg: Arbeiten, nur um die teure Miete zahlen zu können? Wie Gareis kann sie als Radioreporterin ebenfalls überall arbeiten und ist ungebunden. So geben beide ihre zwei Wohnungen im späten Frühjahr auf, verstauen das Wichtigste in zwölf Bananenkartons und stapeln diese in ihr 21 Jahre altes Auto „Aubergine“. Auf die Kartons kommt eine Matratze zum Schlafen, als Luxus kaufen Sie eine Kühltasche umd eine portable Toilette. Fertig.
Sie fahren quer durch Deutschland, mal um Familie und Freunde zu besuchen, um beruflichen Verpflichtungen nachzugehen oder einfach, um Deutschland besser kennenzulernen- wie z.B. den Duisburger Landschaftspark. Beim Reisen ist die Hauptaufgabe, jeden Tag einen Platz zu finden, wo sie übernachten können, möglichst sicher und in freier Natur. Sie lernen viele Leute kennen, außergewöhnliche Menschen, die entweder aus finanziellem Zwang oder aus Überzeugung nur noch im Auto leben. ( Es gibt in Deutschland die Bewegung, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Sie heißt „Vanlife“, bei Interesse einfach mal googeln).
Das Leben auf so engem Raum ist für beide manchmal nicht leicht und es kracht ab un zu ordentlich zwischen den beiden. Aber sie möchten ihre Ungebundenheit nicht mehr missen, denn bei ihren Besuchen bekommen sie immer wieder vorgeführt, wie der konventionelle Alltag aussieht: Oft vollgestopft mit Dingen, die man nicht braucht, kaum noch Platz für Spontanität. So entscheiden sie sich, im Herbst in die USA zu reisen und dort in einem Van zu überwintern.
Das Buch ist unterhaltend geschrieben. Wer schon einmal mit ähnlichen Gedanken gespielt hat, bekommt einige konkrete Tipps, wie das Leben im Auto besser gelingt. Aber Gareis beschönigt auch nicht. Er gibt zu, dass sie eine Unfreiheit gegen eine andere eingetauscht haben, denn dieses Leben bedeutet große Einschränkungen und auch häufiger Furcht vor Unbekanntem und Sorge vor Unvorhersehbarem.

Musik spielt im Leben der beiden eine wichtige Rolle. So gibt es am Ende des Buches eine Titelliste von Musikstücken, die die Reise begleiteten. Die Liste findet man auf Spotify unter

https://sptfy.com/9brV

Hier noch ein kleiner Film zu dem Buch:


Sich unterordnen, um frei zu sein

Dieses Buch von Robert Walser kaufte ich mir vor Jahren. Ich weiß nicht mehr, ob es mir jemand persönlich empfohlen hat oder ob ich eine Besprechung gelesen habe. Damals verschwand es erst einmal im Buchregal, jetzt war seine Zeit gekommen.

Im Klappentext steht, das Jakob von Gunten Diener werden möchte, weil er „in der Erniedrigung die Freiheit sucht“. Diesen Gedanken fand ich ungewöhnlich und meine Neugierde auf das Buch stieg.

Jakob von Gunten kommt aus wohlhabendem Haus. Während sein älterer Bruder Johann ganz den Erwartungen der Eltern entspricht und in der Gesellschaft etwas darstellt (das Buch erschien 1908 und Berlin ist Ort der Geschichte), läuft Jakob von Zuhause weg. Er ist ein Freigeist, dessen hohe Intelligenz schnell erkennt, dass in der besseren Gesellschaft alles nur Fassade ist und die Menschen reglementiert leben. Jakob beschließt, eine Schule zu besuchen, die junge Männer zu Dienern ausbildet. Auf den ersten Blick scheint dieser Beruf eher eine Bestrafung für einen Mann zu sein, der seine Freiheit über alles liebt. Aber gerade durch das konsequente Untergeben wird nach Ansicht Jakobs eine unbegrenzte geistige Freiheit ermöglicht.

Die Schule ist ein merkwürdiger Ort. Das Geschwisterpaar Benjamenta leitet sie, andere Lehrer sind nicht da oder schlafen permanent. Die Ausbildung besteht hauptsächlich aus dem Auswendiglernen einer Broschüre und das Pauken von Benimmregeln. Jakob ist allen anderen Schülern weit überlegen und wickelt den strengen Direktor um den kleinen Finger. Dann stirbt dessen Schwester und die Schule wird kurz danach aufgelöst. Alle Schüler werden durch den Direktor als Diener weitervermittelt, nur Jakob lässt er nicht gehen. Er hat inzwischen erkannt, dass er auf die Gesellschaft von Jakob nicht mehr verzichten will und beide planen, gemeinsam Abenteuer zu bestehen.

Nachdem ich das Buch beendet hatte, beschäftigte mich dieser Gedanke,“Unterwerfung, um Freiheit zu erlangen“ noch länger. Man könnte ja noch einen Schritt weitergehen und sagen, dass ich mich untergebe, macht mich nicht nur frei, sondern ich tue dazu noch etwas Gutes. Mein Herr benutzt mich als Fußabtreter, weil er sich schlecht fühlt oder ein psychisches Defizit hat. Nach der Erniedrigung meiner Person geht es ihm besser, wozu ich beigetragen habe. Also ist das Fußabtretersein ein gute Tat…

Nach diesen abschweifenden Überlegungen interessierten mich Besprechungen von anderen Lesern. Da bereits 1908 erschienen, äußerten sich beispielsweise schon Hermann Hesse zu dem Roman, in dem er lobend die Sprache erwähnte, bekannte Literaturkritiker vergleichen das Werk beispielsweise mit Romanen von Franz Kafka, deuten das Buch als Parodie auf den deutschen Bildungsroman oder es ist für sie eine „Märchenfabel“.

Wer nimmt die Herausforderung an und findet seine eigene Interpretation?

Alt, aber nicht zu alt

Dieses Buch fand ich im Bücherschrank auf der Kaldenhauser Liebigstraße. Da ich dieses Jahr einen 0-Geburtstag vor mir habe, war der Titel für mich so etwas wie der Wink mit dem Zaunpfahl.

In dem Buch finden sich 15 Thesen für unsere heutige Gesellschaft, wobei die Mehrzahl der Aussagen sich auf das Älterwerden bezieht, es aber auch provokante Aussagen gibt, wie z.B. zur niedrigen Geburtenrate (Autoren sehen das als sehr positiv an), Verteilung der Bildungsausgaben ( es muss mehr für die Bildung der Alten getan werden) oder Terrorismus (zu hohe Geburtenraten in Entwicklungsstaaten fördern Gewalttaten dieser Art).

Zum Thema Altwerden:

Die jetzt älter werdenden Babyboomer stehen vor einer noch nie dagewesenen Situation. Früher bestand das Leben aus Kindheit und Jugend-Erwachsensein-Altsein, wobei das Altsein Zeit ließ, sich etwas um seine Briefmarkensammlung zu kümmern bis man starb. Heute, wo alle Menschen sehr viel älter werden, ist die Zeit von 60-80 Jahren ein neues Zwischenleben, das es mit sinnvollem Zeitverbringen zu füllen gilt. Dafür gibt es noch keine wirklich guten Rezepte und so sind die Erfahrungen dieser Generation für die Zukunft äußerst wichtig.

Ehrenämter auszufüllen ist gut und schön, aber die Autoren regen beispielsweise auch an, Möglichkeiten für bezahlte Arbeit zu schaffen, die altersentsprechend sind und gibt dafür mehrere Beispiele. Die Erfahrung und die Zeit der Älteren gepaart mit der Neugierde und dem Enthusiasmus der Jüngeren wären für die Zukunft der Gesellschaft so sehr gewinnbringend.

Wenn man sich in diesem „Zwischenleben“ befindet, sollte man nicht einem schnell lächerlich wirkenden Jugendwahn verfallen und abnehmendes Verlangen nach Sex nicht mit dem Verlust von Liebe gleichsetzen. Auch muss gut überlegt sein, ob Träume, die man seit langer Zeit hegte, jetzt wirklich noch erfüllt werden müssen, selbst, wenn das Bauchgefühl eigentlich etwas Anderes sagt. Ganz wichtig deshalb: Das Loslassen von alten Vorstellungen und auch von überflüssigem Besitz. Nur so kann man offen sein für viele neue Erfahrungen in dieser Lebensphase.

Ich bejahe nicht jede Aussage dieses Buches und doch könnte ich noch so viel mehr schreiben. Aber eigentlich wäre es besser, wenn Sie das Buch selber lesen. So gibt es auch noch bemerkenswerte Gedanken über Einsamkeit und Alleinsein, das Kranksein im Alter und auch über den Tod.

Und sei es auch nur im tiefsten Inneren, so hat jeder zeitweise Angst vor dem Alter und vor dem Sterben. Wie der Untertitel des Buches andeutet, muss diese Angst nicht sein, wenn man einige Wahrheiten und bisher eher noch unkonventionelle Ideen beherzt. 

Sollten Sie das Buch lesen wollen, stören Sie sich nicht daran, dass es von 2007 ist. Es hat sich seitdem nichts an der Situation der älteren Menschen geändert. Oder doch, eigentlich schon: Die heute 60-80jährigen sind noch jünger im Geiste geworden. Die Affinität zu neuen Technologien ist gewachsen und sie fangen an, sich mehr in politischen Fragen und für die Umwelt zu engagieren. Schließlich hatte diese Generation ihre Jugend in der „Der Jute statt Plastik“ – und „Atomkraft nein danke“-Zeit.

Morgen stelle ich Ihnen die Phrasendreschmaschine vor und verbinde dies mit einem Rätsel.

 

 

Bitte das Buch von hinten anfangen

 Dieses Buch fand ich in einem meiner “Später mal lesen”- Kartons und entdeckte damit einen kleinen Schatz. Sehr konservativ fing ich vorne zu lesen an, in der Erwartung, dass das Buch eine Art “Best of” deutscher Lyrikerinnen war. Falsch gedacht! Nachdem mir nur drei Autorennamen überhaupt etwas sagten und ich die ersten Gedichte z.T. auch recht bieder fand, blätterte ich glücklicherweise bis nach hinten durch, wo man Kurzbiografien der Autorinnen aufgelistet hat und ein Nachwort über diese Gedichtsammlung aufklärt. Die Autorinnen wurden zwischen 1880 und 1920 geboren, also in einer Zeit, wo Traditionelles von Modernem abgelöst wurde. ( Man denke z.B. in der Kunst an Expressionismus). So erklären sich bei den Gedichten die sehr unterschiedlichen Stile und Themen ( z.B. Alltagsbewältigung, Naturbeschreibungen, Erotik, Beziehungen zwischen Mann und Frau) und das macht das Büchlein besonders. Viele der 29 Autorinnen waren zu ihren Lebenszeiten sehr bekannt und ihre Romane und Lyrikbände hatten mehrere Auflagen. Heute kennt man ihre Werke kaum noch, zu Unrecht. Hier ein paar Gedichte als Beispiele:

  

Wer erinnert sich noch an George Moustaki?-Französischstunde Nr. 8

Lieder anhören und versuchen, den Text zu verstehen. Ist oft schon schwierig, aber mit der Zeit wird auch das einfacher und kleine und dann größere Erfolgserlebnisse stellen sich ein. Nur nie aufgeben!

Hier ein Beispiel. Erst einmal zuhören und versuchen, einen Sinn zu finden. Unter dem Video gibt es dann aber auch die deutsche Übersetzung.

MA LIBERTÉ SONGTEXT ÜBERSETZUNG

Meine Freiheit
Meine Freiheit, lange habe ich dich aufbewahrt. wie eine seltene Perle

Meine Freiheit, du bist diejenige die mir dabei half, den Anker zu lichten,
um irgendwohin zu gehen, bis zum Ende
der Wege des Glücks, um träumend zu pflücken
eine Windrose aus einem Mondstrahl

Meine Freiheit, deinem Willen war meine Seele unterworfen

Meine Freiheit, ich hatte dir alles gegeben, mein letztes Hemd
Und wie sehr ich leiden musste, um zu erfüllen
alle deine Forderungen. Ich habe mein Land verlassen,
meine Freunde verloren, um dein Vertrauen zu gewinnen

Meine Freiheit, du hast alle meine Gewohnheiten entwaffnen können

Meine Freiheit, du ließ mich alles mögen, sogar die Einsamkeit
Du ließ mich lächeln, wenn ich erblickte das Ende
eines schönen Abenteurs, du hast mich geschützt,
wenn ich mich versteckte, um meine Wunden zu pflegen

Meine Freiheit,
jedoch habe ich dich verlassen
in einer Nacht im Dezember
Ich habe die entfernten Wege verlassen,
die wir zusammen einschlugen,
als ohne aufzupassen, mit gebundenen Händen,
habe ich mir das gefallen lassen, und ich habe dich verraten
wegen eines Liebesgefängnisses
und seiner schönen Kerkermeisterin.