2024- Das Jahr der Musik

2019 erschien im Diogenes Verlag zum ersten Mal ein Musikkalender in Buchformat unter dem Titel „Ein Jahr voller Wunder“. Für jeden Tag des Jahres wählte die Autorin einen Komponist oder Komponistin aus, erzählte kurz die Lebensgeschichte und stellte ein Stück vor.
Für 2024 gibt es erneut diesen Kalender:

Ich bekam vom Diogenes Verlag eine Leseprobe und diese machte mich neugierig. Der Schwerpunkt der 2024er Ausgabe liegt in der Präsentation von Komponistinnen. Hier ein Beispiel:

10. Januar 2024

Germaine Tailleferre (1892 – 1983)
Violinsonate Nr. 2

1: Allegro non troppo

Heute gibt es eine frische, anmutige Violinsonate von einer der coolsten Frauen in der Musik des 20.Jahrhunderts. Geboren als Marcelle Germaine Taillefesse, änderte sie ihren Namen in einem bewussten Akt der Rebellion gegen den Vater. Dieser untersagte ihr nämlich – wie es wohl die meisten bürgerlichen Väter von Töchtern jener Zeit getan hätten –ihrer großen Leidenschaft nachzugehen: der Musik. Sie ließ sich nicht beirren, nahm weiterhin Klavierunterricht bei ihrer aufgeklärten Mutter (Hut ab, MadameT.!) und ergatterte schließlich einen Platz am renommierten Pariser Konservatorium. Dort studierte sie zusammen mit vielen der interessantesten Musiktalente der damaligen Zeit, darunterFrancis Poulenc (7.Januar) und Maurice Ravel (5.April), der sie besonders zum Komponieren ermunterte.Tailleferre lebte lange und war sehr produktiv und komponierte alles, von Balletten für Sergei Djagilew, den bad boyder Tanzmoderne,bis hin zu Filmmusiken, die kühn afrikanische Themen aufgriffen, und Konzertwerke für ungewöhnliche Instrumente wie Saxofone. Als einziges weibliches Mitglied der avantgardistischen Pariser Gruppe Les Six war sie natürlich stark mit den vorherrschenden Vorurteilen gegenüber Komponistinnen konfrontiert, doch allem Vernehmen nach hat sie sich davon nicht in ihrem Schaffen beirren lassen. Ganz besonders liebe ich,dass sie anscheinend bis kurz vor ihrem Tod, mit Anfang neunzig, immer noch am Klavier saß und komponierte.
Ich habe für Sie einen Ausschnitte aus o.g. Werk ausgesucht:

2024-Auf zu einer musikalischen Entdeckungsreise!

Unbezahlte Werbung!

Von der Kunst, gute Gespräche zu führen

Der Untertitel dieses Buches sprach mich an und ich griff in der Stadtbücherei zu.

Am Anfang macht die niederländische Autorin eine Bestandsaufnahme, wie Gespräche in der heutigen Zeit zumeist ablaufen. Bei dieser Auflistung fühlte ich mich ertappt und fand es gut, dies einmal so deutlich vor Augen geführt zu bekommen:

  • Wir hören nicht richtig oder gar nicht zu. Stattdessen gucken wir auf das Handy oder überlegen, während der andere spricht, was wir gleich sagen wollen.
  • Wir lassen unser Gegenüber nicht ausreden und fallen ihm ins Wort, um selbst etwas anderes zu erzählen.
  • Wird von einem Problem berichtet, sind wir schnell mit Rat und Tat zur Stelle, anstatt mit weiteren Fragen auf den Kern des Problems zu kommen.
  • Gerne „kapern“ wir auch ein Gesprächsthema. Jemand erzählt beispielsweise von seinem Urlaubsort, dann legen wir direkt los und berichten, was wir dort erlebt haben. Die andere Person kann nicht zu Ende erzählen.
  • Jemand spricht von einer unschönen Erfahrung, das können wir dann oft noch toppen!

Warum ist das so? „Fragen zu stellen, ist nicht angenehm- über sich selbst zu reden schon“ ist die Antwort der Autorin.

Was aber ist ein wirklich gutes Gespräch?

Elke Wiss, die sich als praktische Philosophin bezeichnet, gibt zuerst eine Anleitung, wie man mit einer Person ein Gespräch à là Sophokles führt. Sophokles war stets ein neugieriger Mensch, der bis zum Lebensende sein Wissen vergrößern wollte. So stellte er seinem Gegenüber Fragen und führte sich selbst und im besten Fall auch die andere Person am Ende des Gesprächs zu einer neuen Erkenntnis. Die Autorin beschreibt zur Veranschaulichung dieses Vorgangs einige Fälle aus ihrer eigenen Praxis als Therapeutin und Leiterin von diversen Workshops. Eine Lehrerin kommt zu ihr und will wissen, ob sie selbst zu Rassismus neigt oder ein Mann plagt sich mit der Frage, ob er seinen Freund belügen darf. Die Autorin befragt die Ratsuchenden ohne Empathie und ohne Scheu vor etwaigen Verletzungen von Gefühlen. Sie akzeptiert, dass sie durch ihre Fragen unsympathisch wirkt und eventuell das Ziel, ihrem Gegenüber zu helfen, nicht erreichen wird. Das ist in ihren Augen ein gutes Gespräch und so sollte man auch Gespräche im Freundes-und Bekanntenkreis führen.
Im zweiten Teil des Buches werden verschiedene Möglichkeiten behandelt, wie man u.a. allein durch die richtige Wortwahl gute Fragen stellen kann und wie aus einer reinen Fragestellung ein gutes Gespräch wird.

Elke Wiss hat das Credo, dass man mit sophoklischen Gesprächen die Welt ein bisschen verbessern kann und um diese Botschaft zu verbreiten, veröffentlichte sie ihr Buch.
Mir sind die Regeln für eine sophoklische Fragehaltung zu radikal. Aber das ist sicherlich eine Mentalitätsfrage. Neben der o.g. Auflistung habe ich im zweiten Buchteil einige Anregungen gefunden, um den Versuch zu starten, Gespräche zukünftig weniger oberflächlich verlaufen zu lassen.

Wann haben Sie das letzte Mal Ihre Nase gelobt?

Im ersten Kapitel dieses Buches

schreiben die Autoren ein Hohelied auf unsere Nase. In unserer Nase befinden sich 20 Millionen (!) Riechzellen, die sich ca. alle vier Wochen erneuern und Düfte wahrnehmen. Diese werden an 400 Riechrezeptoren weitergeleitet, die einen Duft analysieren. Diesen „Job“ macht unsere Nase ununterbrochen, selbst in der Nacht bei jedem Atemzug. Das ist wichtig, denn die Interpretation der Düfte kann für uns lebenswichtig sein, wie z.B. bei Rauch, Gas oder ätzenden Gerüchen. Bei Gestank versucht die Nase, das Riechen herunterzufahren, bei angenehmen oder leckeren Düften intensiviert sie ihre Arbeit. So kommen auch besondere Geschmackserlebnisse zustande, die Geschmacksknospen auf der Zunge könnten dies alleine gar nicht leisten. Was wären wir also ohne unsere Nase?
Nach dem ersten Kapitel war ich von dem Buch schon sehr angetan, aber es sollte sich noch steigern. So erfährt man, dass es nicht nur in der Nase, sondern auch in anderen Organen Riechrezeptoren gibt. Diese Erkenntnis hat die Wissenschaft noch nicht sehr lange und daraus ergeben sich große Forschungsmöglichkeiten. Die beiden Autoren arbeiten an der Bochumer Ruhr- Universität auf diesem Gebiet und geben mehrere Beispiele: Ein Gehirntumor verlangsamt das Wachstum, nachdem er mit bestimmten Düften konfrontiert wird. Bei Asthma hebt ein bestimmter Duft die Verengung der Bronchien auf. Im Darm und im Herz gibt es Riechrezeptoren für Fette. Riecht ein Organ zu viel Fett, löst dies Krankheiten aus. Ein Antiduft kann das stoppen.

Weitere Kapitel beschäftigen sich u.a. mit den Gebieten „Tiere und Düfte“ (kann ein Tier die Krankheit eines Menschen riechen und anzeigen?), Manipulation durch Düfte in der Wirtschaft (durch Düfte werden Käufer angeregt, mehr Geld auszugeben) oder Verbesserung der Hirnleistungen durch Düfte ( kann Gehirnjogging mit Düften die Entwicklung von Alzheimer oder Demenz beeinflussen?)

Auf 141 Seiten gelingt es den Autoren, dieses sehr komplexe Thema so zu erklären, dass man es ohne medizinische Vorbildung gut versteht. Ihr Enthusiasmus für Düfte ist so groß, dass sie ein eigenes Parfüm herausgebracht haben. Es heißt „Knowledge“ und ist im Einzelhandel erhältlich.
Mein Interesse an der Wirkung von Düften hat sich vergrößert und
seit vorgestern mache ich sogar ein Experiment. Laut einer Studie mit einer großen Gruppe von Studenten soll Rosenduft das Behalten von Gelerntem verbessern. Ich habe mir ein mit Rosenöl getränktes Taschentuch in mein französisches Vokabelheft gelegt… Sollte es nicht helfen, erfreue ich mich wenigstens an dem Duft!

Atlas der ungewöhnlichen Klänge

Dieses Buch war das erste, das ich mir als e-book in der Stadtbibliothek ausgeliehen habe. ( Es war einfacher als ich dachte. Es gibt die App „ON“, die viele Bibliotheken schon einsetzen. Nach drei Schritten konnte ich mir das e-book auf das IPad herunterladen).

Meine Idee war, dass man bei einem e-book bei jedem der 36 Kapitel am Ende einen Link findet, der zu einer Seite führt, auf der man sich die beschriebenen Klänge direkt anhören kann. Das war leider nicht so, aber auf YouTube wurde ich oft fündig.
Welche Arten von Klängen werden beschrieben? Einige Kapitel befassen sich mit der Archäoakustik, bei der Wissenschaftler versuchen, Töne aus der Vergangenheit, über die es keine Aufzeichnungen gibt, zu rekonstruieren. Ein Beispiel sind Töne in bewohnten Höhlen während der Steinzeit. Oder es handelt sich um Töne aus dem Weltall, die vor Jahrtausenden entstanden.
Andere Töne lassen sich nicht erklären, wie die der singenden Dünen oder der Säulen in einem indischen Tempel. Faszinierende Klangteppiche werden auch von Tiergruppen erzeugt. Auch hier gibt es Forschungsgebiete wie die Geophonie oder Biophonie.
Manchmal sehnen wir uns im heutigen lauten Alltag nach Stille und die beiden Autoren widmen sich deshalb auch tonlosen Plätzen. Aber sie weisen auch darauf hin, dass Töne verschwinden, wie beispielsweise der Ton des Nebelhorns, weil er in der Schifffahrt dank neuer Techniken nicht mehr gebraucht wird. Auch der Klimawandel wird dazu beitragen, dass es Töne nicht mehr geben wird, sei es, dass Eis schmilzt und dann nicht mehr knackt und pfeift oder Vögel aussterben, die nicht mehr singen.
Eine kleine Auswahl von Klang-Videos habe ich für Sie zusammengestellt. Neugierige Menschen lesen dieses Buch mit Vergnügen.

Die Faszination von Enigma (GB 11)

Zur Einstimmung auf unseren Besuch in Bletchley Park in der englischen Grafschaft Buckinghamshire las ich dieses Buch.

Bereits Cäsar überlegte sich eine Geheimschrift, um Briefe verschlüsselt an Cicero zu schreiben. Ein anderer Politiker, der sich mit diesem Thema befasste, war der dritte amerikanische Präsident Thomas Jefferson. Er entwickelte dieses Räderwerk zur Codierung von Texten.

Aus Spielfilmen kennen Sie vielleicht die Methode, eine geheime Botschaft mit Hilfe eines Codewortbuches zu entschlüsseln oder Sie haben schon einmal gesehen, wie Menschen, die auf der Straße leben, geheime Zeichen an Häuserwände malen. Das Bild, das ich Ihnen vorgestern vorstellte, zeigt einen Code, den Freimaurer in früheren Zeiten gerne benutzt haben. (Der Satz in dem Bild lautete übrigens: Das Geheimnis ist von einem klugen Menschen geloest worden).
Neben diesen alten Codes widmet sich das Buch auch Verschlüsselungen, mit denen wir täglich zu tun haben, wie beispielsweise bei der Kontonummer, Kreditkartennummer oder auf dem Personalausweis. Auch gibt es Tipps, wie man auf dem Computer eigene Geheimschriften entwickeln kann. Ein gutes Drittel des Buches ist allerdings für die Geschichte und Funktionserklärung der deutschen Verschlüsselungsmaschine Enigma reserviert. Und damit komme ich zu unserem Besuch von Bletchley Park.

Die berühmte Enigma Verschlüsselungsmaschine

Sir Hugh Sinclair, Chef des Geheimdienstes MI6, kaufte 1938 auf eigene Rechnung das Gelände von Bletchley Park, weil er davon überzeugt war, dass ein Krieg bevorstand und in diesem die Entschlüsselung von geheimen Botschaften des Feindes von großer Bedeutung sein würde. Bletchley Park lag geografisch optimal: Nicht weit von London, nahe an einem Bahnhof mit guter Bahnverbindung und den beiden Universitäten Cambridge und Oxford. Besonders der letzte Punkt war wichtig, denn Sinclair warb voraussehend Wissenschaftler, Mathematiker, Literaturprofessoren und auch Schachmeister an, deren Kenntnisse bei der Entschlüsselung wichtig werden könnten.

Das Herrenhaus von Bletchley Park. Rechts unten: Das Büro von Alan Turing

In der ersten Zeit reichten die Räume des Herrenhauses für die Zahl der Mitarbeiter aus. Die Politiker waren skeptisch gegenüber den Vorhersagen von Sinclair und gaben ihm kein Geld. Das änderte sich, als Winston Churchill an die Macht kam und Sinclair jede Unterstützung zusagte. So arbeiteten in der Hochzeit schließlich 7000 Frauen und 2000 Männer in drei Schichten in Bletchley Park, um die Enigma-Botschaften der Deutschen zu entschlüsseln. Auf dem 28 Hektar großen Gelände wurden 23 Hütten und mehrere Häuserblöcke errichtet, in denen rund um die Uhr gearbeitet wurde.
Der wohl berühmteste Mitarbeiter war der Mathematiker Alan Turing. Ein charismatischer Mensch, der sehr großen Anteil daran hatte, dass am Ende die verschlüsselten Botschaften der Deutschen innerhalb von 12 Minuten bekannt waren, ohne dass die Deutschen es wussten.

Teilansicht der „Turing Bomb“, mit der die Enigma entschlüsselt wurde.

Botschaften, die die Ostfront betrafen, wurden von den Engländern an Stalin weitergeleitet und man schickte von Bletchley Park aus gezielt falsche Informationen an die Deutschen, was u.a. zur Folge hatte, dass die Alliierten in der Normandie siegreich waren.

Alle Mitarbeiter mussten bei Einstellung eine Verschwiegenheitserklärung unterzeichnen. Das hatte zur Folge, dass England erst 1974 von den Vorgängen in Bletchley Park erfuhr. 1990 wollte man die Hütten abreißen, doch wurde glücklicherweise 1991 ein Trust gebildet, der sich seitdem für die Erhaltung einsetzt und 1992 begann, das Gelände einschließlich der Gebäude für die Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Wir verbrachten mehrere Stunden in Bletchley Park und nahmen u.a. an einer Führung teil. Als die einzigen beiden Deutschen mitten in einer Gruppe von ca. 20 Engländern empfand ich dies zuerst als schwierig. Aber dann hatte ich den Eindruck, dass unser ernsthaftes Interesse honoriert wurde und unsere Fragen wurden wertneutral beantwortet. Diese Geschichtsstunden möchte ich nicht missen.

Es gibt diverse Bücher und Filme über Bletchley Park und die Enigma. Die Verfilmung des Buches „Enigma“ von Robert Harris mit Dougray Scott und Kate Winslet und der Film „The Imitation Game“, in dem Benedict Cumberbatch Alan Turing spielt, haben mit besonders gut gefallen.

Dieser Beitrag beendet meine Beitragsreihe über unsere Reise in Großbritannien. Na ja fast, am nächsten Freitag kommt noch ein kleiner Nachschlag mit einigen allgemeinen Tipps und ein paar Fotos von schottischen Highlights. Außerdem bespreche ich in zwei Wochen noch ein Buch, das in das Gepäck von jedem Schottlandreisenden gehört.

Auf versunkenen Wegen mit der Tour de France

Dieses Buch habe ich in der letzten Woche gelesen. Es beschreibt eine Wanderung durch Frankreich. Die passenden Fotos zu dem Buch bekam ich teilweise durch das Gucken der Tour de France im Fernsehen, da sich die Wegstrecken zeitweise kreuzten.

Der französische Autor, Jahrgang 1972, hatte einen schweren Unfall, bei dem neben diversen Knochen,Wirbel auch sein Schädel gebrochen und sein Gesicht entstellt wurden. Anstatt nach langem Krankenhausaufenthalt in die Reha zu gehen beschließt er, nunmehr auf einem Ohr taub, humpelnd und noch schwach, sich auf eine Wanderschaft durch Frankreich zu begeben. Der Start ist in Tende in der Provence, danach geht es quer durchs Land über das Massif Central durch die Loireregion bis nach Omonville-la-Rouge in der Normandie, wo sein Weg endet. Sein Vorsatz: Nur auf alten Wegen wandern, auf denen er vielleicht noch ein wenig vom alten Frankreich wiederfindet. So übernachtet er meistens draußen, macht um Städte einen großen Bogen, versucht in Dörfern mit Menschen ins Gespräch zu kommen. Beim Laufen weiten sich seine Sinne, er nimmt Details in der Natur und am Himmel war, die er bilderreich beschreibt. Dazu kommen kritische Überlegungen zu der Entwicklung von Frankreichs Landwirtschaft seit der Ära von Georges Pompidou.
Tesson ist 76 Tage unterwegs. Während der Wanderschaft verbessert sich sein Zustand wesentlich und das nicht nur physisch, sondern auch psychisch. Er hatte viel Zeit, über sein bisheriges Leben nachzudenken, die Stille und die Abgeschiedenheit sind beste Voraussetzungen dafür.
Ich hatte mir das Buch in der Bibliothek ausgeliehen in der Annahme, konkrete Tipps für eine Rundreise durch Frankreich zu bekommen. Das war ein Fehler.
Die Schwerpunkte des Buches liegen in der Beschreibung seiner Befindlichkeiten, der Naturbeobachtungen und in seinen Gedanken zur Entwicklung der französischen Landschaft. Durch den letzten Punkt habe ich neue Einsichten zu Frankreich gewonnen und bei der nächsten Frankreichtour, egal wohin sie führt, hat sich mein Blickwinkel auf das Land etwas verändert.

Unterwasserfaszination (GB 8)

In meinem Reiseführer über Schottland las ich, dass man an den Küsten des Festlandes und der Inseln eine Vielzahl von verschiedenen Algenarten entdecken kann. Algen? Bisher waren Algen für mich eher negativ besetzt, dachte ich an die „Verstrickungen“ meiner Beine mit Algen beim Schwimmen, an müffelige Strandspaziergänge oder auch an die Algenpest. Ich hatte Algen auch schon gegessen, war aber von der Konsistenz nicht so begeistert. Mein Bauchgefühl sagte mir jetzt, dass ich mich da mal ein bisschen kundig machen sollte und ich lieh mir dieses Buch in der Bibliothek aus.

Die Begeisterung der Autorin für Algen steckte mich direkt an. Sie lebte zeitweise auf der Isle of Mull und entdeckte viele seltene Algenarten. Diese beschreibt sie ausführlich, aber sie geht auch darauf ein, welche Rolle Algen für die Inselbewohner in früheren Zeiten spielte und gibt Beispiele, wo Algen in der Kunst oder auch in der Literatur ein Thema sind.
Der Titel ist in der Reihe „Naturkunden“ aus dem Matthes&Seitz Verlag erschienen, was bedeutet, dass wunderschöne Illustrationen das Geschriebene unterstützen. Ich war so begeistert von dem Buch, dass ich es mir kaufte und mit in den Urlaub nahm. Somit konnte ich einige Algenarten bestimmen und bin fasziniert von den vielfältigen Erscheinungsformen.

Keine bezahlte Werbung.

Nachtrag vom 11.7.23: Selbst in die Sendung „Brisant“ haben es Algen jetzt geschafft. Begeistert wird davon berichtet, in welchen Bereichen Algen und Seegras Gutes tun können. https://www.mdr.de/brisant/ratgeber/klima-algen-seegras-102.html

Paris in der Sommerhitze

Damit mein Blog nicht zu schottlandlastig wird, gibt es heute und am Montag eine Unterbrechung. Mittwoch geht es dann mit der Schottlandreise weiter.

Am letzten Wochenende hatte ich die Möglichkeit, nach Paris mitzufahren. Mein Mann und sein Freund wollten am Samstag die Luftfahrtmesse besuchen und sich die Flugschau ansehen, ich hatte den Plan, in das Völkerkundemuseum „Musée du quai Branly Jaques Chirac“ zu gehen. Doch bei mir kam alles anders und ich schreibe diesen kleinen Bericht für alle, deren sommerlicher Parisaufenthalt vielleicht auch zu heiß ist.
Die Preise für ein Hotelzimmer in Paris sind in den letzten zwei Jahren explodiert. Wir waren nicht bereit, für ein Zimmer 200 Euro/Nacht auszugeben und so schlug es uns dieses Mal in eine Gegend, in der wir bisher noch nie waren und zwar an den Rand des Parc de Vincennes im Südosten von Paris. (Motel One Hotel 125 Euro/Nacht). Am späten Freitag kamen wir an und es war sehr warm und schwül. Wir fuhren mit der Metro zum Canal St. Martin, in der Hoffnung, dass es am Wasser etwas frischer sei. Na ja…Aber die Stimmung war dort gut, viele Menschen machten dort ein Spontanpicknick (darunter auch hörbar diverse deutsche Touristen) und wir fanden in einem kleinen Restaurant drei Plätzchen vor einem Ventilator. Obwohl es inzwischen fast 23 Uhr war, wurde es kaum kühler und die Sonne verabschiedete sich mit dem Versprechen, dass es am nächsten Tag wieder mollig warm wird.

An der Porte Dorée

Am Samstag hatte ich keine Lust, ca. 45 Minuten in der stickigen Metro zum Museum zu fahren. So ging ich einfach Richtung Bercy los. Bercy wird auf Wikipedia wie folgt beschrieben:

Bercy hat sich durch eine Anfang der 1980er-Jahre eingeleitete, umfassende Stadtteilsanierung gewandelt. An Stelle des ehemaligen Weingroßmarktes entstand der im Osten vom neuen Ministerium für Wirtschaft, Finanzen und Arbeit (oftmals kurz Bercy genannt) begrenzte Parc de Bercy mit der Mehrzwecksporthalle Palais Omnisports de Paris-Bercy, in der auch Rockkonzerte stattfinden. Im nördlichen Teil des Parks beherbergt das ehemalige American Center von Frank Gehry heute die Cinémathèque Française, das ihr angeschlossene Museum und eine themenbezogene Forscherbibliothek. Eine der östlich davon erhalten gebliebenen Weinhallen hat das Musée des arts forains (Museum für Jahrmarktswesen) aufgenommen. In der original mit Bahngleisen erhaltenen Gasse Cour de St-Emilion befinden sich als touristischer Anziehungspunkt noch einige restaurierte Weinlager mit Geschäften und Restaurants.

Auf dem Weg nach Bercy war mein erster Stopp bei der katholischen Église Saint-Ésprit, die 1935 der Gemeinde übergeben wurde.

Die Kirche ist eine Konstruktion aus Stahl, Beton und roten Backsteinen. Die Wände sind von vielen Künstlern gestaltet worden, jedoch konnte ich diese Bilder teilweise kaum erkennen, weil die Kirche düster war.

In Bercy gibt es das „Bercy Village“, ein kleines Einkaufszentrum mit Dorfcharakter. Hier läuft man an ca. 30 kleinen Läden vorbei mit Marken aus dem höheren Preissegment.

Es wurde immer wärmer und ich war froh, den Parc du Bercy erreicht zu haben.

Viele Bänke, Wiesen und Mauern laden zum Sitzen und Liegen ein. Einfach nur ins Grüne gucken, Leute beobachten, ein Nickerchen halten oder…

Unten: Der Park wurde von mehreren Gruppen und Einzelpersonen, denen es nicht zu heiß war, quasi als Sportgerät benutzt. Es wurde auf Mauern balanciert, Bänke wurden für Gymnastikübung benutzt, auch auf Treppen kann man sich fit halten, wie dieser Herr eindrucksvoll beweist:

Der Park liegt direkt an der Seine und über die Fußgängerbrücke „Passarelle Simon- de Beauvoir“ kommt man an das andere Ufer, wo ein Schwimmbad und einige Restaurants warten. (Alle erst ab 13 Uhr geöffnet, nichts für ein Morgenkaffee!). Ach ja, und die berühmte Bibliothèque François-Mitterand steht dort. Dass diese mich nicht weiter interessierte, daran sehen Sie, wie heiß es war.

Ich ging wieder zurück zum Parc. Dabei fielen mir mehrere Schattenmuster auf und ich bekam mein Fotothema für diesen Tag: Pariser Schatten!

Nun hatte meine Spürnase für Fotomotive etwas zu tun und ich vergaß die Hitze. Besonders angetan war ich von diesem Licht/Schatten Motiv unter einer Brücke.

Als mich gegen Mittag meine Füße wieder zum Hotel zurückleiteten, entdeckte ich einen etwas versteckten Treppenaufgang mit einem „Treppenwächter“.

So etwas zieht mich immer magisch an und plötzlich stand ich oberhalb der Straße auf einer alten Bahntrasse.

Man hatte von oben einen guten Blick auf die Straßenschluchten und auf schöne Dachgärten.

Ich ging erfreut in die Richtung des Hotels, dummerweise gab es aber keine Treppe, die ich wieder herabsteigen konnte. Dann gabelte sich der Weg und ich wählte den Weg mit Schatten. Schlechte Wahl, keine Treppen nach unten, dafür plötzlich öffentliche Gemüsegärten, ein Teich, dann nach gefühlten 10 km ( es waren nur 1500 m) der kleine Park „Petite Ceinture“. ( Hier muss Google Map nacharbeiten, denn das sah auf der Karte anders aus). Dort fand ich eine Treppe zu einer Straße und irgendwann erreichte ich das Hotel mit einem kühlen Zimmer. Dor ruhte ich mich erst einmal aus und begann mit diesem Buch:

Die französische Autorin lebte von 1947 bis 2017 und war als Schauspielerin und Schriftstellerin bekannt. Von 1967 bis 1979 war sie mit dem bekannten Regisseur Jean-Luc Godard verheiratet. Das Buch beginnt, als beide eine neue Wohnung gegenüber der Pariser Kirche Saint-Séverin beziehen, ganz in der Nähe des Boulevard Saint Michel. Einige Monate später fangen in Paris die Unruhen an und das Paar wohnt mitten im Zentrum der 68er Revolution, die von Paris aus ganz Frankreich erfasst und das öffentliche Leben stilllegt und selbst Lebensmittel knapp werden lässt.
Anne, 21 Jahre alt, hat in dieser Zeit oft Angst um ihren Mann, ihren Bruder und ihren Freunden während der brutalen Straßenkämpfe. Parallel dazu wird sie als Schauspielerin immer gefragter, denn mehrere andere bekannte Regisseure wollen mit ihr zusammen Filme drehen. Die endlosen politischen Diskussionen findet sie zunehmend ermüdend, sie fährt lieber Rollschuhe auf den leeren Straßen, als es kein Benzin mehr gibt.
Auf ihren Mann, der 17 Jahre älter ist, hat diese Zeit völlig andere Auswirkungen. Er hat plötzlich neue, für Anne undurchsichtige, Freunde, die anscheindend im Zentrum der Revolution stehen. Er stellt seine eigene Filmkunst in Frage, will nie wieder einen Film drehen und auch das Zusammenleben mit Anne bekommt immer mehr Risse. Damit endet das Buch.
Ich hatte mir von diesem Titel etwas mehr Hintergrundinformaionen zu der 68er Revolution versprochen, doch es ist eher ein sehr privater und subjektiver Einblick in das Leben der beiden Berühmtheiten im Jahr 1968.

Nach der Pause beschloss ich, in den „Palais de la Porte Dorée“ zu gehen, der neben dem Hotel liegt. Was ich mir dort ansah, zeige ich Ihnen am Montag.

Keine bezahlte Werbung!

P.S: Noch eine Anmerkung zu der Luftfahrtmesse. Die Aussellungen im Museum und in weiteren Hallen ( alte Flugzeuge und Flugzeugtechnik) fand mein Mann interessant.

von der ca. fünfstündigen Flugschau war er sehr beeindruckt.

Jarvis Cocker räumt auf

Der Sänger Jarvis Cocker (Jahrgang 1963) der britischen Musikgruppe „Pulp“ beschließt, den übervollen Dachboden seines Elternhauses auszumisten. Was er auf dem Dachboden findet, nennt Cocker „Selbstausgrabung“, denn Erinnerungen an seine Musikerkarriere und die Ära von Margret Thatcher werden freigelegt.
Jarvis Cocker hat über diese Dachbodenfunde ein Buch geschrieben:

Schon mit Anfang der Pubertät weiß Cocker, dass er eine Band gründen und berühmt werden will und erstellt ganz professionell einen „Masterplan“. Dazu gehören die einzelnen Schritte wie beispielsweise einen besonderen Kleidungsstil ( nicht zu punkig, aber auch nicht zu brav) entwerfen, Bandmitglieder finden, Songs schreiben (am besten ein Mix aus Punk und Barry White), Bühnen-, Radio-,und Fernsehauftritte organisieren, die Gründung eines eigenen Labels, um unabhängig von den kapitalistischen Großlabels zu werden. Ja, Jarvis ist ein Linker, der in Sheffield lebt, in der Stadt, die von den Maßnahmen Margret Thatchers in den 80er Jahren am schlimmsten betroffen ist.
Der Masterplan erfüllt sich Schritt für Schritt, aber alles ist sehr mühsam und dauert lange, es gibt immer wieder Rückschläge und nach der Schule muss Cocker von Arbeitslosenhilfe leben. Er gibt seinen Traum nicht auf, bis er kurz vor einem sehr wichtigen Konzert aus einem Fenster fällt und schwer verletzt wird. Mehrere Monate verbringt er in Krankenhäusern und es wird ihm klar, dass er aus Sheffield raus muss und sich dem tatsächlichen Leben stellen muss. Er beginnt 1988 ein Kunst & Design Studium in London und hier endet das Buch. Was dann in den 90er Jahren mit Pulp geschah, das ist eine andere Geschichte.


Leider habe ich es nicht geschafft, in meiner Buchbesprechung den Witz und die Selbstironie von Jarvis Cocker mit einzubauen. So möchte ich jetzt explizit darauf hinweisen. Cockers Zeitreise mit seinen Gedanken zu Popmusik und dem Erwachsenwerden sind sehr vergnüglich zu lesen. Und ich muss noch ein Video zeigen, in dem ich in dem Buch blättere. Die Dachbodenfunde werden nämlich dokumentiert und dazu gibt es noch Erinnerungsfotos und Popkunst.

Und es gibt auch noch eine Playlist zum Buch https://ffm.to/goodpopbadpop
Welche Lieder haben Jarvis Cocker geprägt, welche waren die ersten Songs von Pulp? Über 3 Sunden Musik zum Entdecken.

Die Weisheiten des Herrn Krabbenhöft

In diesem Video lernen Sie kurz den Autor dieses Buches kennen:

In 14 Kapiteln schreibt Krabbenhöft über sein Leben und was es ihn gelehrt hat. Er heiratete jung, das Paar bekam eine Tochter. Dann entdeckte er die Liebe zu einem Mann, die Ehe wird geschieden, die Tochter entscheidet sich, bei ihrem Vater zu bleiben. In den 80er Jahren ist er in Berlin Mitbegründer des Vereins „Schwule Väter“. Durch verschiedene Zeitungsartikel, z.B. in „Viva“ oder dem „Spiegel“ wird er immer bekannter, in den 90er bekommen er, seine Ex-Frau und seine Tochter eine Einladung zu der Talkshow „Bios Bahnhof“. Dieser Auftritt macht ihn deutschlandweit berühmt und in den folgenden Jahren tritt er noch häufiger im Fernsehen auf. In Berlin wird er zur „Marke“ dank seiner Liebe zum Tanzen in Clubs.
Dieses außergewöhnliche Leben wird immer wieder begleitet von tiefen Abstürzen und Depressionen. Sein Engagement für die Rechte Homosexueller lassen ihn als einen starken Mann erscheinen, doch er ist voller Selbstzweifel. In einer depressiven Phase zieht er sich für zwei Jahre in ein kleines Häuschen an einem See zurück und lebt wie ein Einsiedler. In diesen Monaten findet er nach und nach heraus, was für ihn und sein restliches Leben wichtig ist und genießt von da an jeden Tag.
“Sei du selbst“ ist seine Kernbotschaft, aber er gibt noch viele weitere Einsichten weiter, wie beispielsweise die Tatsache, dass man die Schuld nicht immer bei anderen suchen sollte. Veränderungen hat man selbst in der Hand, wenn man es wirklich will! Was er auch herausgefunden hat: Wenn Kopf und Körper Pausen und Stille brauchen, sollte man sich diese zugestehen und auf die üblichen Leistungserwartungen der anderen an die eigene Person pfeifen.

Krabbenhöfts Weisheiten werden auch in zig anderen Büchern zum Thema „Durchblick im Leben“ empfohlen. Doch in seinem, im Plauderton geschriebenen, Buch liest sich dies, kombiniert mit seiner Lebensgeschichte, nicht abgedroschen, es ist authentisch. Es eignet sich deshalb gut, sein eigenes Wissen um die wichtigsten Lebensregeln noch einmal aufzufrischen, bzw. zu verfestigen.