Die Burgfrauen von Berlin

Am 1. Mai 1987 kommt die Autorin als junges Mädchen aus Kiel nach Berlin, um für den NDR über eine Hunderasseshow zu berichten. Bei einem Kampf in Kreuzberg zwischen Hausbesetzern und Polizei gerät sie während ihres Aufenthalts fast unter die Räder, wird aber im letzten Moment von zwei Frauen gerettet, die sie in ihr besetztes Haus mitnehmen. Dort leben noch andere Frauen, alle selbstbewusst und unangepasst und das gefällt der Autorin so gut, dass sie in dem Haus bleibt und nicht wieder nach Kiel zurückkehrt.
Fast 40 Jahre sind vergangen. Susanne Matthiessen wohnt immer noch in dem Haus, das inzwischen „Die Burg“ heißt, komplett von den Frauen renoviert und gekauft wurde und in dem nur Frauen in ihren Wohnungen leben.
Matthiessen ist kurz vor ihrem 60sten Geburtstag gekündigt worden. Um den Wegfall Ihres Gehalts zu kompensieren, beschließt sie, ihre Wohnung zu vermieten und in ihren Keller zu ziehen. Da das Leben in Berlin immer teurer wird, die Wohnungsnot immer größer und der bürokratische Wahnsinn immer schlimmer, kommt diese Idee so gut an, dass andere Frauen ebenfalls ein Kellerleben beginnen. Eine Journalistin erfährt davon und schreibt eine Reportage, die hohe Wellen schlägt und schließlich Sahra Wagenknecht die Burg aufsuchen lässt, um die Frauen kennenzulernen und sich ihre Probleme anzuhören. Das sorgt für erhebliche Unruhe im Haus, zumal plötzlich auch Männer in dem Haus auftauchen, sei es als unverschämter Untermieter oder als übergriffiger alter Vater, für den die Tochter keinen Heimplatz findet. Zudem muss heimlich eine Leiche entsorgt werden, nicht leicht, wenn man eine Polizistin plus Spürhund als Nachbarin hat.
Susanne Matthiessen nimmt ihren runden Geburtstag zum Anlass, über ihr Leben und das der anderen Frauen nachzudenken. Als Verfasserin von Reden einer Regierungspartei war sie erfolgreich, jetzt wurde sie abserviert. Familie hat sie keine, die anderen Frauen sind ihre Lebensmenschen. Das Zusammensein ist oftmals chaotisch, aber das gehört einfach dazu. Was die Autorin frustriert ist die Tatsache, dass die feministischen Ideale und Ziele ihrer Gruppe sich trotz der langen Zeit nicht erfüllt haben, denn Frauen sind in vielen Bereichen immer noch nicht gleichberechtigt. Die älteste Bewohnerin der Burg sieht in Susanne eine Kämpferin. Sie hat noch 20 Jahre vor sich und soll das Haus leiten, soll nochmal mit den anderen Bewohnerinnen losziehen, um in Berlin das Leben der Frauen ein Stückchen besser zu machen. Und Susanne hat tatsächlich eine innovative Idee, wie sie und ihre Mitstreiterinnen wie in den alten Zeiten für die Rechte der Frauen sich einsetzen und auf Missstände aufmerksam machen können.

Ein turbulentes Buch mit zum Teil schwarzem Humor oder Augenzwinkern. Jedes Kapitel beginnt mit einem Spruch aus dem alten Poesiealbum von Susanne- ach, was sind diese alten Weisheiten doch aktuell! Ein Buch, das Spaß macht und beschwingt!

Sie können tatsächlich auch komponieren

Da heute der internationale Frauentag gefeiert wird, widme ich mich mal wieder dem Thema „Komponistinnen entdecken“.
Im ersten Video hören Sie Musik von Florence Price ( 1887 bis 1953). Sie schrieb ca. 300 Werke und war die erste Afroamerikanerin, die in den USA als Komponistin klassischer Musik bekannt wurde.

Die Amerikanerin Sarah Kirkland Snider ( geboren 1973) komponiert  Kammermusik, Chor- und Ballettstücke sowie sinfonische Orchesterwerke. Ihre Musik ist eine Mischung aus Indie-Rock und klassischer Musik und wird dem Genre „Neoklassik“ zugeordnet.

Die Amerikanerin Joanne Brackeen (geboren 1938) ist Autodidaktin und wurde Jazzpianistin, die mit ihren Kompositionen laut Wikipedia in den 80er Jahren wegweisend für die Entwicklung des Jazz war.

Für alle, die nicht so klavierbegeistert sind wie ich, habe ich abschließend noch Anna Meredith in die Auswahl mit aufgenommen. Die Britin wurde 1978 geboren, bekam schon mehrere Auszeichnungen für ihre innovativen elektronischen und akustischen Kompositionen, die u.a. auch in verschiedenen Filmen zu hören sind. Hier zwei Beispiele:

Stellen Sie laut und schnallen Sie sich an! Ich habe das Stück schon einmal live in der Elbphilharmonie gehört und dachte, dass jeden Moment die apokalyptischen Reiter auf der Bühne auftauchen. Taten sie nicht- noch einmal Glück gehabt…

Hier dürfen Sie gerne mitklatschen:

Eine Geschichte der Frauen in 100 Objekten

Angesichts der Tatsache, dass die Autorin Annabelle Hirsch deutsch-französische Wurzeln und u.a. in Paris Kunstgeschichte studiert hat, ist es nicht verwunderlich, dass von den 100 beschriebenen Objekten ca. die Hälfte aus Frankreich kommt. So liest man nicht nur eine Geschichte der Frauen, sondern erfährt auch viele überraschende Details über unser Nachbarland.
Dieses Buch (411 Seiten) hat mich in vieler Hinsicht begeistert. Jedes Objekt stellt die Autorin auf höchstens drei Seiten vor, so dass sich die Lektüre optimal für den kleinen Lesehunger von dem Einschlafen eignet.
Das Alter der Objekte reicht von 30000 Jahren vor Chr. bis zum Jahr 2017.
Wussten Sie, dass es seit zehn Jahren Indizien gibt, dass die urzeitlichen Gemälde in den französischen Höhlen, die von den Wissenschaftlern bis dahin wie selbstverständlich den Männern zugeschrieben wurden, auch von ihren Frauen stammen?
Kennen Sie die Geschichten vom „Le rouge Baiser“, dem „100-KM/H-Mantel“ des Pariser Modehauses Dornac oder des Messers der Mère Filloux, die den Ruhm Lyons als Haute Cuisine-Stadt auslöste? Ich habe oft gestaunt, durch welche Umstände die Rechte von Frauen vergrößert oder öfter beschnitten wurden, wenn es den Männern gerade passte. (In Hollywood gab es beispielsweise bis in die 30er Jahren mehr Regisseurinnen und Produzentinnen, doch dann entdeckten Männer, dass man mit Filmen Geld verdienen konnte und das Ende der mächtigen Frauen von Hollywood wurde eingeläutet.)

Lois Weber drehte bis 1940 138 Filme, also in einer Zeit, in der Frauen noch nicht wählen oder ein eigenes Bankkonto besitzen durften

Manche Kapitel haben mich empört. Schlimm das Foto von Robert Capra, das 1944 die dreiunszwanzigjährige Simone Touseau in Chartres zeigt, die glatzköpfig mit einem Baby auf dem Arm von Menschen beschimpft und auf der Straße gejagt wird. Die Autorin erzählt anhand des Fotos die Geschichte der „Épuration sauvage“, bei der Frauen, die mit den Deutschen kollaborierten, gebrandmarkt wurden.
Kennen Sie Brownie Wise, Liane Berkowitz, Majorie Hills oder Elisabeth Selbert? Dieser Name und viele andere, oft vergessene, Namen sind mir im Zusammenhang mit der Geschichte der Frauen zum ersten Mal begegnet. Da die Autorin in jedem Kapitel kurz und knackig schreibt, bleiben viele Möglichkeiten, sich nach Beendigung des Buches in eins der hundert Frauenthemen zu vertiefen.

Annabelle Hirsch bietet in ihrem Buch Fakten aber auch Denkmodelle an, in denen sie die Geschichte der Frau neu interpretiert. Bei manchen dieser Überlegungen verfällt sie allerdings in ein schwarz-weißes Denkschema, das sie sonst den Männern vorwirft. Das ist schade.

P.S. Meine Heldin ist übrigens Elisabeth Selbert.

Man spricht immer von den „Vätern des Grundgesetzes“, aber „nur“ 61 von den 65 Mitgliedern des Gremiums waren Männer. Zu den vier Frauen der Gruppe gehörte Elisabeth Selbert. Gegen große Widerstände aller anderen Mitglieder setzte sie durch, dass der Satz:“Männer und Frauen sind gleichberechtigt.“ in das Grundgesetz mit aufgenommen wurde.

2024- Das Jahr der Musik

2019 erschien im Diogenes Verlag zum ersten Mal ein Musikkalender in Buchformat unter dem Titel „Ein Jahr voller Wunder“. Für jeden Tag des Jahres wählte die Autorin einen Komponist oder Komponistin aus, erzählte kurz die Lebensgeschichte und stellte ein Stück vor.
Für 2024 gibt es erneut diesen Kalender:

Ich bekam vom Diogenes Verlag eine Leseprobe und diese machte mich neugierig. Der Schwerpunkt der 2024er Ausgabe liegt in der Präsentation von Komponistinnen. Hier ein Beispiel:

10. Januar 2024

Germaine Tailleferre (1892 – 1983)
Violinsonate Nr. 2

1: Allegro non troppo

Heute gibt es eine frische, anmutige Violinsonate von einer der coolsten Frauen in der Musik des 20.Jahrhunderts. Geboren als Marcelle Germaine Taillefesse, änderte sie ihren Namen in einem bewussten Akt der Rebellion gegen den Vater. Dieser untersagte ihr nämlich – wie es wohl die meisten bürgerlichen Väter von Töchtern jener Zeit getan hätten –ihrer großen Leidenschaft nachzugehen: der Musik. Sie ließ sich nicht beirren, nahm weiterhin Klavierunterricht bei ihrer aufgeklärten Mutter (Hut ab, MadameT.!) und ergatterte schließlich einen Platz am renommierten Pariser Konservatorium. Dort studierte sie zusammen mit vielen der interessantesten Musiktalente der damaligen Zeit, darunterFrancis Poulenc (7.Januar) und Maurice Ravel (5.April), der sie besonders zum Komponieren ermunterte.Tailleferre lebte lange und war sehr produktiv und komponierte alles, von Balletten für Sergei Djagilew, den bad boyder Tanzmoderne,bis hin zu Filmmusiken, die kühn afrikanische Themen aufgriffen, und Konzertwerke für ungewöhnliche Instrumente wie Saxofone. Als einziges weibliches Mitglied der avantgardistischen Pariser Gruppe Les Six war sie natürlich stark mit den vorherrschenden Vorurteilen gegenüber Komponistinnen konfrontiert, doch allem Vernehmen nach hat sie sich davon nicht in ihrem Schaffen beirren lassen. Ganz besonders liebe ich,dass sie anscheinend bis kurz vor ihrem Tod, mit Anfang neunzig, immer noch am Klavier saß und komponierte.
Ich habe für Sie einen Ausschnitte aus o.g. Werk ausgesucht:

2024-Auf zu einer musikalischen Entdeckungsreise!

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Krav Maga für Frauen

Unter diesem Motto besuchte ich vorletztes Wochenende in Duisburg einen dreistündigen Volkshochschulkurs. In dem VHS Programmheft wurde versprochen, dass man Techniken zur Selbstverteidigung bei Angriffen erlernt, unabhängig welches Alter, wie viel Kraft und welches Fitnesslevel man hat. Das machte mich neugierig.
Krav Maga ist ein Selbstverteidigungssystem aus Israel, das die effektivsten Elemente aus verschiedenen Kampftechniken zusammenführt.
In der ersten Stunde vermittelte uns die Kursleiterin Freya Geßner theoretisches Wissen und ging dabei z.B. auf die rechtlichen Grundlagen bei einem Angriff ein oder auf visuelle Anzeichen, wann es zu einem Angriff kommen kann. Der praktische Teil begann mit Beobachtungsübungen ( elf Frauen nahmen an diesem Kurs teil, Alter ca. 18 bis Ende 60). Danach wurde uns gezeigt, welche Armbewegungen zur eigenen Befreiung führen, wenn man am Handgelenk festgehalten, von vorne und hinten gewürgt oder von vorne mit einem Messer angegriffen wird. Wie können Dinge, die man bei sich hat, wie z.B. Tasche,Regenschirm, Jacke oder Schal, zur Abwehr eingesetzt werden?
Wir übten die Techniken zu zweit, am Ende der drei Stunden wurde in der Gruppe plötzlicher Angriff mit Verteidigung praktiziert.
Die Zeit verging schnell, Frau Geßner sorgte für eine entspannte, aber auch konzentrierte Atmosphäre und die vielen Fragen, die aus der Gruppe kamen, beantwortete sie sehr kompetent. Dabei betonte sie mehrmals, dass man immer versuchen sollte, auf die Situation deeskalierend zu wirken und beispielsweise die angreifende Person anzusprechen. Wichtig ist auch die eigene Selbstwahrnehmung und der Ausstrahlung. Diese drei Stunden waren für mein Selbstbewusstsein eine große Bereicherung.
Da man keine schriftlichen Unterlagen zu dem Kurs bekam, lieh ich mir diese beiden Bücher in der Stadtbücherei aus, um das Thema zu vertiefen. Beide Bücher waren allerdings eine Enttäuschung.

Das rechte Buch befasst sich in der ersten Hälfte mit den psychologischen Voraussetzungen, wie eine Frau eine Angriff vermeiden kann. Mehrere Fallbeispiele werden dabei ausführlich beschrieben. Im zweiten kürzeren Teil werden dann einige Verteidigungsmöglichkeiten erklärt. 2 Fotos pro Verteidigungsmöglichkeit finde ich für blutige Anfängerinnen zu wenig, dementsprechend lang ist die nicht immer nachzuvollziehende Beschreibung, wie man sich wehren kann. Auf Hilfsmittel wie Tasche, Schal etc. wird nicht eingegangen. Was mich am meisten störte ist die Tatsache, dass die Autorin mehr Techniken zeigt, bei denen man als Frau in die Genitalien des Mannes treten soll und dann dabei auf einem Bein steht. Das widerspricht den Aussagen unserer Kursleiterin, die mehrmals betonte, dass es wichtig sei, immer sicher auf zwei Beinen zu stehen. Für sie war z.B. der Einsatz eines Ellenbogens eine gute Verteidigung.

In dem zweiten Buch gibt es ein Kapitel mit dem Titel „Frauen und Selbstverteidigung“. Sehr irritierend fand ich, dass als Grund für die Selbstverteidigung nur eine drohende Vergewaltigung angeführt wurde. Wie sieht es mit Diebstahl, Anmache, Rempelei aus?
Die Erklärungen zu den Techniken werden von Fotostrecken begleitet, das ist eindeutig besser als im ersten Buch. Aber die einfachen Verteidigungsmöglichkeiten, die wir im Kurs gelernt haben, fand ich hier leider auch nicht.