Bitte ein Quäntchen mehr Iris Apfel für mich

Iris Apfel wurde am 29.8.2021 100 Jahre alt. Mit 97 gab sie dieses Buch heraus:

Wer ist Iris Apfel? Sie ist eine waschechte New Yorkerin, die schon in jungen Jahren durch ihre stilvolle Kleidung auffiel. Geld hatte sie nicht viel, aber sie liebte es (und liebt es noch) auf Flohmärkten und Secondhand Läden zu stöbern und Entdeckungen zu machen. Ihr Motto, das sie von ihrer geliebten Mutter übernahm: Einige Basiskleidungsstücke und dazu die perfekten Accessoires machen einen immer chic. Iris Apfel war laut eigener Aussage nie eine Schönheit und musste auf andere Weise auf sich aufmerksam machen. Neben ihrer Kleidung schaffte sie das durch ihren Humor und ihre Begeisterung für Stoffe, die sie von ihrer Großmutter geerbt hat. Zusammen mit ihrem Ehemann Carl eröffnete sie einen Stoffladen und beide wurden damit sehr erfolgreich. So erfolgreich, dass sie während der Amtszeit von neun amerikanischen Präsidenten den Auftrag bekamen, das Weiße Haus neu auszustaffieren.
Die New Yorker High Society ohne Iris Apfel war nicht vorstellbar und so kam 2005 ein Museum auf die Idee, eine Ausstellung mit Apfels Kleidungsstücken und Accessoires zu organisieren. Iris Apfel war damals 84 und wurde dank diese Ausstellung zur weltbekannten Stilikone mit eigener Kosmetiklinie, eigenem Schmuckdesign und weiteren Produkten.
Warum hätte ich gerne ein bisschen mehr Iris Apfel in meinem Alltag?
Iris Apfel erzählt nicht nur über ihr Leben, sondern auch über ihre Lebensphilosophie. Bis Carl mit knapp 101 Jahren starb, waren Iris und er 66 Jahre glücklich verheiratet, der Humor und die Akzeptanz von Freiräumen für den anderen waren wohl die beiden Hauptgründe dafür. Iris Apfel war und ist immer neugierig, probiert Neues aus, denn es könnte ja spaßig werden. Bis zu diesem Punkt kann ich alles unterschreiben.
Was ihre Kleidung angeht, macht ihr das Ankleiden auch viel Spaß, sie kombiniert mutig und es war ihr schon immer schnurzpiepegal, was andere über sie dachten. Hier wünschte ich mir, dass mir das Auswählen der täglichen Garderobe mehr Vergnügen bereiten würde und ich etwas mutiger und farbenfroher wäre. Aber vielleicht kommt das ja noch und irgendwann bin ich mal die Iris Apfel von Rumeln-Kaldenhausen…

Wer mehr von Iris Apfel sehen möchte: https://www.ecosia.org/images?q=iris%20apfel

Paris als roter Faden-Nr.2

Vor ein paar Wochen erschien dieses Buch:

Als Hobbyfotografin und Verehrerin vom französischen Fotografen Henri Cartier-Bresson(=HBC) war das Buch ein Lesemuss für mich, denn die Werbung versprach, dass die wiedergegebenen Interviews bisher gar nicht oder kaum veröffentlicht wurden.

Das Buch war eine Enttäuschung, denn Zweidrittel der Interviews kannte ich bereits aus anderen Büchern. Außerdem hatte ich mir vorher nicht bewusst gemacht, dass sich in Interviews Fragen natürlich immer wiederholen. So wurde die Lektüre zum Ende hin immer langweiliger. Bezug zu Paris? Es gibt seit 2003 in Paris die „Fondation Henri Cartier-Bresson,die als Museum und Archiv für das fotografische und malerische Werk Cartier-Bressons fungiert.

Wenn Sie sich über Cartier-Bresson informieren möchten, empfehle ich Ihnen diese beiden Titel:

Links ein Werk über HCBs Philosophie des Fotografierens, rechts ein kleiner Bildband mit kurzer Biografie und kurzen Interviews.

Ein Buch, das die Enttäuschung mehr als ausglich, war dieses:

Ich weiß nicht, ob HCB und Francoise Gilot sich gekannt haben, aber ich vermute, dass sie sich gut verstanden hätten. Beide halten nichts von Photo- bzw. Kunstschulen, ihre beider Kunst kommt aus ihrem tiefsten Inneren. HBC lehnte das Schneiden eines Fotos vehement ab, Gilot machte einen gemalten Strich niemals rückgängig. Das zu den Gemeinsamkeiten der beiden.

Auch dieses Buch basiert auf mehreren Interviews, die der Autor Malte Herwig mit der Künstlerin über einen längeren Zeitraum geführt hat. Ihre Vitalität mit 90 Jahren ist ein immer wiederkehrendes Thema und die Fotos von ihr in Paris und New York belegen dies.
Francoise Gilot war nicht der Wunschjunge ihrer Eltern, wurde aber trotzdem wie ein Junge erzogen. So sind die Härte gegen sich selbst, ihr großes Bedürfnis nach Selbständigkeit und das Verstecken ihrer Gefühle und Gedanken sicherlich teilweise damit zu erklären. Wie sie sagt, sprechen ihre Bilder zu der Außenwelt, das muss genügen.
Ihr Leben mit Picasso und ihr Entschluss, ihn zu verlassen, sind eher ein Randthema dieses Buches. Dazu befragt, war sie sich der Risiken, mit Picasso zusammenzuziehen und Kinder zu bekommen, durchaus bewusst. „Wenn du wirklich leben willst, musst du etwas Dramatisches riskieren, sonst lohnt sich das Leben nicht. Wenn du etwas riskierst, erlebst du auch schlimme Dinge, aber du lernst vor allem eine Menge und lebst und verstehst immer mehr. Vor allem wirst du nicht langweilig. Das ist das Allerschlimmste: langweilig werden.“

Wer selbst malt oder zeichnet kann in diesem Buch Einsichten gewinnen, wie sich das eigene Kunstwerk entwickelt. Herwig kann nicht zeichnen und bittet Gilot, ihm Tipps zu geben. Anfangs widerstrebend lässt sich Gilot schließlich darauf ein. Diese Ausführungen zum künstlerischen Schaffen sind besonders lesenswert.

Sie interessieren sich für Kunst? Dann habe ich zum Schluss noch einen Filmtipp für Sie (spielt in Paris): „Das letzte Porträt“, ein Film über 18 Tage im Leben des des Künstlers Alberto Giacometti.

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Final_Portrait

Kein Tag ohne Musik

Gestern stellte ich Ihnen das linke Buch vor, heute folgt das rechte. Schuld daran in das linke.

In dem Buch über Martha Argerich wird u.a. erzählt, dass sie kurz vor dem ersten Konzert zusammen mit Leonard Bernstein als Dirigent spontan beschloss, nicht aufzutreten. Eine Ersatzbesetzung fürs Klavier war nicht so schnell zu bekommen, also entschloss sich „Lenny“, selbst das Klavier zu bespielen und mit den Augen sein Orchester zu dirigieren. Das beeindruckte mich so sehr, dass ich beschloss, mich einmal wieder mit der Person Bernstein zu befassen. (In der Vergangenheit habe ich mir schon einige seiner Veranstaltungen, in denen er Musik Kindern erklärt und zwei kurze Interviews auf YouTube angesehen und bin seitdem „Fan“).

Ich wählte dieses Buch von 1990 aus, weil es das letzte ausführliche Interview vor seinem Tod wiedergibt. Jonathan Cott und Bernstein verstehen sich auf Anhieb gut und das Interview dauert über 6 Stunden bis nachts um drei.

Die Themen sind sehr vielfältig. Das ewige Lernen ist z.B. eine Herzensangelegenheit von Bernstein und damit u.a. verbunden das Heranführen von Kindern an klassische Musik. Bei der U-Musik ist er sehr kritisch, denn die meisten Lieder sind auf schnelle Befriedigung des Musikbedarfs aus und lassen bei Langzeitkonsum den Zuhörer verblöden.

Neben der Musik kommen die Religion und die Politik noch zur Sprache, dazwischen erzählt Bernstein immer wieder kleine Anekdoten von Begebenheiten mit anderen Prominenten oder bei seinen eigenen Musikprojekten.

Leonard Bernstein ist voller Unrast. Er will jeden Tag auskosten, d.h. jeden Tag in irgendeiner Form sich mit Musik beschäftigen und Neues lernen. Er ist sehr klug und hat ein phänomenales Gedächtnis, beim Lesen des Interviews nahm meine Bewunderung für diesem Mann noch einmal zu.

Zum Schluss komme ich noch einmal auf das Dirigieren mit den Augen zurück: Hier ist der Beweis:

Frauengalerie

Es gibt Frauen im vorgeschrittenen Alter, die ich sehr bewundere und die „Vorbildpotential“ haben. Schon in meiner Buchhandlung hatte ich eine Pinnwand mit einigen Fotos von ihnen. Jetzt habe ich in meinem Studio auch ein paar Bilder aufgestellt und gucke sie mir immer wieder gerne an.

Wer meinen Blog schon länger liest, kennt bereits die Dame ganz links. Erinnern Sie sich noch? Sie heißt Rowena Cade und hat ihr Leben dem Minack Theatre an der Küste von Cornwall gewidmet. Das Theater hat seinen Ursprung in ihrem Garten und wurde dann immer weiter in die Klippenwand gehauen.

Die drei Damen zusammen auf dem Foto sind Bäuerinnen auf den äußeren Hebriden, ihnen macht man nichts vor!

Die englischen Queen darf nicht fehlen Ihr Pflichtbewusstsein und ihr staubtrockener Humor amuse me a lot.

Unangefochten auf Platz 1 steht die Dame, die auf dem Bild neben der Queen abgebildet ist. Es ist Ilse Broszeit.

Das Foto rechts außen ist eins der ersten Fotos, die ich in schwarzweiss aufgenommen habe. Vor fast 40 Jahren analog. Es ist in Paris, und die alte Dame strahlte so viel Glück und Zufriedenheit beim Füttern der Tauben aus, dass ich sie damals schon beneidet habe.

Ja und dann ist da noch das kleine Foto mit Iris Apfel, geboren am 29.8.1921. Von neun US-Präsidenten bekam sie Aufträge, das Weiße Haus neu zu gestalten und die Räume den persönlichen Vorlieben anzupassen. Sie reiste viel und begann schon früh, in den einzelnen Ländern traditionelle Frauenkleider zu kaufen und dann auf High-Society-Partys selbst zu tragen. Iris Apfel wurde zur Stilikone und ziert heute Modejournale, hat seit 2016 eine eigene Schmuckkollektion und ist in den Sozialen Medien ein Star. Mit 97 Jahren…Ich glaube, dass sie meinen Blog-Slogan  auch unterschreiben würde. 

Das sind meine Frauen VIPs für die nächsten Jahre. Für Neuzugänge bin ich immer offen, es ist noch Platz an der Wand.

Dazu noch zwei Ergänzungen:

Es gibt inzwischen immer mehr ältere Menschen, die wie Iris Apfel Spaß an Farbe und an ungewöhnlicher Mode haben und dies auch in der Öffentlichkeit zeigen. Auf folgender Internetseite kann man sie bewundern:

https://www.advanced.style/

Und dann noch ein kleiner Buchtipp: Eine Sammlung von Kurzgeschichten, in denen es aber nicht nur im alte Frauen geht. Aber die Hauptgeschichte passt haargenau zu diesem Beitrag.

Für mich ist jetzt Wochenende. Am Montag stelle ich eine Verbindung zwischen der „Raumpatroille“ und „Babylon Berlin“ her.

 

 

 

Wieviele Knoten machen Sie an einem Tag?

Vielleicht einen ins Taschentuch, zwei in die Schnürsenkel, in das Geschenkband eines Päckchens? Sagen wir mal großzügig fünf Knoten am Tag.

Ich habe einen Artikel über einen Künstler gelesen, der unter der Woche vier, an den Wochenenden zwei Stunden pro Tag nur Knoten in naturfarbenen Seidenzwirn macht. Und das seit 16 Jahren. Verrückt? Er beginnt mit einem 1000 m Faden, der durch die Knoten immer kürzer wird und er endet, wenn er keinen Knoten mehr in den Faden machen kann. Aus dem Zwirn ist eine Skulptur entstanden, die er „Seidenstück“ nennt. Für ein Kunstwerk braucht er ca. 1500 Stunden.

Ich habe das mal mit einem 1 m langen Geschenkband und einem 1 m langen Draht ausprobiert. Herausgekommen sind diese beiden Miniskulpturen für leere Streichholzkästchen:

Der Künstler heißt Jens Risch. Er ist verheiratet und hat einen Sohn. Risch wirkt sehr zufrieden und auch abgeklärt, denn er schafft es inzwischen, bei seiner Arbeit oft nicht mehr zu denken. Es ist inzwischen Meditation, unterbrochen von Beobachtungen der Wolken, der Vögel, der Bäume. (Er sitzt am Küchentisch mit Blick nach draußen). Verrückt? Ich bewundere seine tägliche Hingabe und seine Konsequenz, seit 16 Jahren seiner Überzeugung zu folgen.

Wenn Sie sehen möchten, wie die Kunstwerke von Risch aussehen und miterleben möchten, wie er arbeitet, hier geht es zu seiner Homepage:

http://www.jensrisch.de/mobile/

Morgen habe ich mal wieder ein paar Momente gesammelt, dieses Mal zum Thema Essen und Trinken. Dazu gibt es noch eine Buchbesprechung.

 

 

Es schließt sich der Kreis

Vor einiger Zeit schrieb ich darüber, welches Buch ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde, es sind die Essays von Montaigne. Jetzt las ich ein Buch, in dem es um die unglaubliche Geschichte des Buches geht, das Montaigne wohl am meisten verehrt hat. Es geht um den Titel „ Des Res Naturum“ von Lukrez.

Hauptperson dieses Buches ist Poggio Bracciolini. Er ist Notar und erster Sekretär vom Papst, doch seine Loyalität zur katholischen Kirche hält sich in Grenzen. Als Humanist lehnt er die Verderbtheit vieler Mönche und anderer kirchlichen Respektpersonen ab. Da seine Position als hochangesehener Adeliger und begnadeter Schreiber unangreifbar ist, kann er es sich erlauben, kritische Schriften zur Kirche herauszugeben. Erst als der Papst abgesetzt wird, muss  er sich eine andere Beschäftigung suchen. Als Humanist schon immer Büchern verbunden, besonders den alten aus der Antike, wird er zum Büchersammler und Bücherjäger. Er besucht Klöster in verschiedenen Ländern, um dort nach antiken Schriften zu suchen, sie abzuschreiben und nach Italien zu bringen, wo die Zahl der Anhänger des Humanismus stetig wächst. 1417 ist es dann soweit: Poggio findet, vermutlich in einem Kloster in Fulda,  die wohl noch einzig erhaltene Schrift des Philosophen Lukrez. „Des Res Naturum“ bietet viel „Zündstoff“. Hier eine ganz kurze Zusamnenfassung aus Wikipedia: Lukrez war überzeugt, dass die Seele sterblich sei (wofür er 28 „Beweise“ vorbrachte) und dass es den Göttern nicht möglich sei, sich in das Leben der Menschen einzumischen. Seine Philosophie sollte dem Menschen Gemütsruhe und Gelassenheit geben und ihm die Furcht vor dem Tode und den Göttern nehmen. Lukrez nimmt, im Gegensatz zu Epikur, Anteil an den gesellschaftlichen Ereignissen seiner Zeit, verurteilt den sittlichen Verfall des Adels, klagt den Krieg und seine Schrecken an. Außerdem geht Lukrez davon aus, dass alles aus Atomen besteht -Lukrez lebte ca. 99-55 v.Chr. … Die Verbreitung des Buches lässt sich trotz immer wieder ausgesprochenen Druckverboten nicht aufhalten und damit wird das Gedankengut von Lukrez richtungsweisend für die Ideen der Renaissance.

Ein tolles Buch zum Mehrmalslesen. Nach Ende der Lektüre wollte ich mehr wissen und lieh mir in der Bücherei dieses Buch aus.

Die Briefe sind keine leichte Kost, aber Aphorismen und kurze Sätze sind sehr „erhellend“.

Da ist ich wissen wollte, wie es mit der Renaissance weiterging, war dies  der zweiter Folgetitel:

Was passierte 1517 auf der Welt? Luther war in diesem Jahr noch ein deutsches Thema, aber was geschah 1517 z.B. in Italien, Rußland, China oder Mexiko? 

Ich habe vor einiger Zeit schon das Buch „1913“ besprochen, was ja sehr flüssig und kurzweilig geschrieben war. Dies kann ich von diesem Buch nicht behaupten. Es ist mühseliger zu lesen, da sehr viele Begebenheiten in einem trockenen Schreibstil präsentiert werden. Ob die Beschreibungen der historischen Ereignisse alle richtig sind, kann ich mangels Fachwissen nicht beurteilen. Beeindruckt hat mich das Buch aber sehr, denn was in diesem Jahr geschah, das beeinflusst z.T. heute noch unser Leben. (Und damit sind nicht nur die lutherischen Thesen gemeint). Was mein Hauptinteresse anging, über das Fortschreiten des Humanismus und der Renaissance zu lesen, so bekam ich viele neue Erkenntnisse. Zuviel neues Wissen auf einen Schlag – und noch ein Buch, das ich in einiger Zeit noch einmal lesen werde.

Ich habe wegen Montaigne als Überschrift „Es schließt sich der Kreis“ gewählt, aber diese Buchbesprechungen sind auch der Einstieg für meine „Italientage“, die morgen beginnen. Letzte Woche war ich dort und habe viel „Renaissance“ gesehen und natürlich auch wieder Erstaunliches.

 

 

 

 

Verrückt oder bewundernswert (Lyonwoche Nr. 7)

Heute möchte ich Ihnen vom Postboten Cheval erzählen. Es ist keine Weihnachtsgeschichte, aber eine, die trotzdem ein bisschen zu Herzen gehen kann. Cheval hat in 33 Jahren seinen Traum verwirklicht und diesen Traum kann man von Lyon aus besuchen. Erst einmal ein paar Bilder:

Cheval hatte schon einige Schicksalsschläge erlitten, als er mit 43 Jahren anfing, in seinem Gemüsegarten diesen Palast eigenhändig zu bauen. Dazu brauchte er 33 Jahre, also ca. 10000 Tage, bzw 93000 Stunden. Um alle Briefe auszutragen, lief er jeden Tag über 40 km und sammelte dabei Steine auf und entwickelte in seinem Kopf  die Baupläne. 

Der Palastschmuck behandelt verschiedene Themen, wie z.B. das Paradies, die Weltreligionen oder Verehrung von Cäsar, Archimedes oder Vercingetorix. Die Baustile erinnern an arabische Moscheen, hinduistische Tempel oder mittelalterliche Schlösser. 

1904 beendete er sein Werk. Er wurde in den Jahren oft für verrückt erklärt oder zumindest als Spinner tituliert. Sein Palast wurde als Kitsch bezeichnet und doch zog er immer mehr junge Künstler an. Cheval hatte sich nie an irgendwelche künstlerischen Regeln gehalten und das bewunderten z.B. Picasso, Max Ernst oder Niki de Saint Phalle, nur um einige Künstler zu nennen.

Ich gehöre zu Chevals Bewunderinnen. Nicht wegen des Palastes an sich, sondern wegen der Tatsache, dass er 33 Jahre lang, bei Wind und Wetter, seiner Idee konsequent gefolgt ist ohne sich um das Gespött und der versuchten Einflussnahme seiner Mitmenschen zu scheren.

Mode-Protest-Naturschutz: Vivienne Westwood

 

Die englische Modedesignerin Vivienne Westwood hat mich schon seit ihrem Auftrauchen in den 80er Jahren fasziniert und deshalb las ich sehr motiviert ihre Biografie. Natürlich blickt man bei der Lektüre hinter die Kulissen der Modeindustrie, aber Westwood ist eine so vielschichtige Persönlichkeit, dass das Buch sehr viel mehr bietet. Die Modeschöpferin engagierte sich schon früh bei politischen oder soziale Missständen und entwarf “Protestmode”. Sie wurde damit zuerst Ikone der Punkbewegung, später Vorbild bei der Rückbesinnung auf handwerkliche Traditionen in England, und heute setzt sie sich erfolgreich für den Klimaschutz ein. „Nebenbei“ ist sie aber auch Mutter zweier Söhne und Großmutter und lebte mit verschiedenen Männern zusammen, die ihren Weg sehr beeinflussten. So erzählt das Buch, in der Westwood übrigens auch oft selbst zu Wort kommt, das Leben einer unglaublich starken Frau.

Welches Buch würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?

Heute mal ein kleines Rätsel: Lesen Sie folgende Zitate und raten Sie, wenn Sie die Aussagen nicht kennen, in welchem Jahrhundert die Person gelebt hat, von dem diese Worte stammen:

1. Die Frauen haben nicht Unrecht, wenn sie sich den Vorschriften nicht fügen wollen, welche in der Welt eingeführt sind: weil die Männer sie verfasst haben, ohne die Frauen zu fragen.

2. Nicht weil es Sokrates gesagt hat, sondern weil es in Wahrheit meine Sinnesart ist, vielleicht nicht ganz ohne Schwärmerei, achte ich alle Menschen für meine Mitbürger und umarme einen Polen so innig wie einen Franzosen, indem ich dieses Nationalband dem großen und allgemeinen Bande der Menschheit nachsetze. Ich halte gar nicht meinen Himmel für den blauesten. Die Natur hat uns frei und ungebunden auf die Welt gesetzt: wir kerkern uns ein in ein kleines Stück Land.

3. Es gibt eine gewisse Achtung und eine allgemeine Pflicht der Menschlichkeit, die uns verbindet nicht nur mit den Tieren, die Leben und Empfindung haben, sondern sogar mit Bäumen und Pflanzen. Dem Menschen sind wir Gerechtigkeit schuldig, Milde und Wohlwollen aber den anderen Geschöpfen, gegen die man milde und wohlwollend sein kann.

4. Wenn ich mit meiner Katze spiele, bin ich nie ganz sicher, ob nicht ich ihr Zeitvertreib bin.

Und zum Schluss mein derzeitiger Favorit:
5. Das deutlichste Anzeichen von Weisheit ist
anhaltend gute Laune.

Es folgt eine Beschreibung der Person von einem Historiker:

“Er spielte seine Rolle, wie sie ihm in böser Zeit zugefallen war, als Franzose, Katholik, Bürger und Bürgermeister von Bordeaux, pflichtgemäß und ohne Leidenschaft und bewahrte sich damit die innere Freiheit, … zu bleiben. Die schönste Frucht ist die absolute Offenheit gegenüber anderem und anderen. Dieser Skeptiker gegenüber jedem Dogma ist aufgeschlossen für die ganze unendliche Vielfalt der geistigen Möglichkeiten, Lebensformen und Lebenswahrheiten anderer Menschen, und er begegnet mit Achtung auch jenen, die ihm selbst verschlossen sind.”

Und haben Sie geraten, wer es sein könnte?

Die berühmte Frage, welches Buch man mit auf eine einsame Insel mitnehmen würde, kann ich klar beantworten: Es sind die Essays von Michel de Montaigne. Die Sätze vom Anfang dieses Textes sind von ihm und er hat im 16. (!!!) Jahrhundert gelebt, in einer Zeit der Inquisition, in einer Zeit, in der humanistische Bildung nicht bekannt war und das Zeitalter der Aufklärung noch in ferner Zukunft lag.

Dieser Literat und Philosoph ist einer meiner VIPs und mit ihm beginne ich eine neue Kategorie. Sie wird nicht viele Einträge haben, aber Menschen vorzustellen, die für mich etwas Besonderes sind, ist mir wichtig.

 

Wer mehr über Michel de Montaigne wissen möchte:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Michel_de_Montaigne