Bilderbuchwochenende

Am Wochenende habe ich mir einen Stapel neuer Bilderbücher mit nach Hause genommen. Diese drei Titel gefielen mir besonders gut:

Das kleine Igelmädchen Tilly und ihre Oma sind ein unschlagbares Team. Von ihrer lieben Oma hat Tilly beispielsweise die beste Kuscheldecke der Welt geschenkt bekommen. Tilly liebt sie heiß und innig, doch dann geschieht ein Unglück und Tilly muss die Decke als Halstuch tragen. Bei der Gartenarbeit würde sie ihrer Oma gerne helfen, doch steht Tilly gerne auch mal im Weg und dann ist die Oma ein bisschen grummelig. Auch mit Tillys Launen hat es die Oma manchmal nicht leicht, aber am Ende des Tages ist alles wieder gut und wenn die liebe Oma noch eine Gutenachtgeschichte vorliest, schläft Tilly ganz schnell ein…und die Oma auch!

Die Zukunft muss nicht so schlimm werden, wie manche befürchten, denn es gibt heute schon atemberaubende Zukunftsvisionen, die zuversichtlich machen. Höchste Zeit also, ein Buch für Kinder herauszubringen. Sie sind die Betroffenen und gleichzeitig auch „Influencer“ in der heutigen Erwachsenenwelt.
In Format eines Wimmelbilderbuches werden verschiedene Themenbereiche unter die Lupe genommen. Ein Zuhause unter Wasser mit einer Küche, in der Gestankssensoren anzeigen, ob Lebensmittel noch gut sind und in der es eine Insektenfarm gibt für den täglichen Proteinsnack zwischendurch? Ein Zauberspiegel im Badezimmer, der Krankheiten erkennt oder Schneckenklebstoff anstatt Pflaster?
Wie werden die Schulen aussehen, der Urlaub am Strand oder ein Spaziergang in einem Park?


Auch als Erwachsene hatte ich Spaß an den farbenfrohen Illustrationen und Erklärtexten und staunte über zahlreiche Erfindungen, die uns heutzutage teilweise noch arg befremdlich sind. Aber wer hätte vor 30 Jahren gedacht, dass wir mit Minicomputern in der Hosentasche herumlaufen und Schüler streiken, damit Erwachsene sich mehr um Klimafragen kümmern?
Am Ende des Buches werden Vorschläge gemacht, was jedes Kind / Jugendlicher/ Erwachsene heute schon tun kann, um die Zukunft einzuläuten. Abgerundet wird das Buch schließlich von einem Glossar, in dem schwierige Wörter erklärt werden.

Wenn das jeder macht…dann…? 
Ja, was passiert, wenn jeder sein Zimmer nicht aufräumen würde, alle Menschen mit einem Miesepetergesicht herumlaufen oder alle sich gegenseitig anrempeln würden? Jeweils auf einer Doppelseite werden verschiedene Situationen zu einzelnen Themen gezeigt und man kann zusammen mit seinen Kindern wunderbar über die Szenen sprechen und auch viel lachen, denn die Bilder stecken voller witziger Ideen. 


Wenn das jeder macht, also z.B. auch öfter mal zuhören, ein Lob verteilen oder ein Stück seiner guten Laune abgeben, würde die Welt dann nicht ein Stück besser? Auch dazu gibt die Autorin Beispiele.

Jürgen Ploog- der Grandseigneur der deutschen Untergrundliteratur

Ich arbeitete Ende der 70er Jahre in der damals größten Buchhandlung Deutschlands, dem Stern Verlag in Düsseldorf. Die Bücher der berühmten amerikanischen Autoren der Beat Generation Jack Kerouac, Allen Ginsberg und William S. Burroughs fand man dort nur vereinzelt im Regal, denn zu dieser Zeit hatten diese Schriftsteller hauptsächlich Leser und Leserinnen, denen das „Establishment“ suspekt war und die den Wunsch nach Freiheit und Veränderung hatten. Noch weniger präsent waren deutsche Autoren, die ähnliche Gedanken in ihren Büchern verfolgten. Peter Paul Zahl, Jörg Fauser oder Rolf Dieter Brinkmann wurden vom Feuilleton manchmal besprochen, aber die Autoren aus Verlagen wie z.B. Rotbuch, März oder Maro ignorierte man gerne. Die Inhalte waren „nicht lesbar“ oder entsprachen nicht dem bürgerlichen Weltbild der 60er bis 80er Jahre. Die Autoren mussten um ihren Lebensunterhalt kämpfen. Es gab allerdings eine Ausnahme…

Jürgen Ploog (1935 bis 2020) hatte schon in jungen Jahren beschlossen, sein Leben dem Schreiben zu widmen und herauszufinden, welche Welten sich mit der Sprache erschließen lassen. Im Gegensatz zu seinen Mitstreitern entschied er sich, eine Ausbildung zum Piloten zu machen und flog danach 33 Jahre für die Lufthansa. Das machte ihn finanziell unabhängig und ihm war es egal, ob seine Bücher sich verkauften. Bedingt durch seine Arbeit, war er oft in New York und wurde ein guter Freund von William S. Burroughs. Damit war er am „Puls“ der amerikanischen Beatbewegung und lernte bei Burroughs eine Cut-up Technik kennen. (Techniken, bei der ein bestehender Text zerschnitten und zufällig neu zusammengesetzt wird, um einen neuen Text zu erschaffen). Das neue Zusammensetzen der Wörter spült Unbekanntes aus dem eigenen Innenleben an die Oberfläche und dies wurde für Jürgen Ploog für viele Jahre der Weg, seine Texte zu schreiben.
Kämpften deutsche Untergrundautoren mit den grauen Alltagserlebnissen und dem deutschen Politikmief, konnte Jürgen Ploog durch seinen Beruf auf Beobachtungen zurückgreifen, die er weltweit machte. Auf einem Markt in Bangkok, in einer Bar in Tokio, im Supermarkt in Chicago… Sein Unterbewusstsein speicherte jeden Eindruck und er floss in seine Texte mit ein.
Dies alles machte ihn zu einer charismatischen Gestalt in der alternativen Literaturszene. Dass Ploog gutaussehend, immer freundlich und höflich, also quasi ein Gentleman war, unterstützte noch seinen Ruf als „Grandseigneur“.

In dem Buch erinnern sich Wegbegleiter an Jürgen Ploog, Tagebucheinträge und E-Mail Verkehr sind zu lesen, auch findet man einige Textauszüge aus seinen Büchern. Auf die legendäre Literaturzeitung „Gasolin 23“, deren Mitherausgeber Ploog 14 Jahre lang war, wird eingegangen, Foto- und Bildmaterial (Jürgen Ploog malte auch) ergänzen die Texte.

Ob ich Jürgen Ploog einmal begegnet bin? In den ersten Jahren meines Lebens als Buchhändlerin besuchte ich neben der Frankfurter Buchmesse auch einmal die Mainzer Minipressen Messe, die zur selben Zeit stattfand. Hier präsentierten sich damals über 100 Verlage, die den Mainstream nicht bedienten. Als junge Frau hätte ich ihm nicht viele Fragen stellen können, zu unterschiedlich waren die Lebenswelten. Heute wäre das anders. Bei den abgedruckten E-Mails sind auch einige dabei, die Ploog in den letzte Jahren seines Lebens geschrieben hat. In ihnen nimmt er Stellung zu unserer heutigen Welt und schreibt Kluges.

Diese Buchbesprechung ist einfach gestrickt und entspricht nicht dem geistigen Level des Buches oder anderen bereits erschienen Buchbesprechungen. Aber vielleicht habe ich sie neugierig gemacht auf diesen Autoren oder auf die Zeit, in der es noch Untergrundliteratur gab.

Hier eine zweite Buchbesprechung: https://www.welt.de/kultur/article689eddd7cf5f0271ccd53954/Juergen-Ploog-Der-Pilot-der-die-Avantgarde-nach-Frankfurt-brachte.html

Eine Japanerin in Deutschland

Keiko ist eine lebensfrohe und reiselustige junge Frau, die in den 60er Jahren nach einer Europarundreise beschließt, von Japan nach Deutschland auszuwandern. Sie will nicht zwangsverheiratet werden, liebt die deutsche klassische Musik und ist von der Offenheit der Menschen beeindruckt.
Fleißig lernt sie die deutsche Sprache und bekommt schließlich die Chance, in Berlin in einem japanischen Restaurant zu arbeiten. Ihr Leben ist nicht einfach, doch als sie tatsächlich in einem Chor angenommen wird, ist ihr Glück ziemlich perfekt. Mit dem Chor sieht sie viel von der Welt und lernt auf einer Reise auch ihren zukünftigen Ehemann Karl kennen. Er heiratet Keiko gegen den Willen seiner Eltern, die sehr betucht sind und für die Keiko zu fremdartig, zu alt und nicht standesgemäß ist.
Aki und Kento sind die beiden Kinder des Paares, das nur ein paar Jahre glückliches zusammenlebt. Karl, schwer depressiv, verlässt die Familie und Keiko ist gezwungen, die beiden Kinder alleine aufzuziehen. Die Schwiegereltern unterstützen sie zwar finanziell, aber nur die beiden Enkel sind bei ihnen zuhause wirklich willkommen. Die lebenslustige Keiko vereinsamt, verliert ihre Kraft und Lebensfreude, während die Kinder groß werden. Ihr Sohn Kento unterstützt sie verlässlich, doch das Verhältnis zu ihrer Tochter Aki wird immer komplizierter. Die junge Aki ist rebellisch und kann Keikos aus ihrer Zeit in Japan stammenden Ansichten oftmals nicht nachvollziehen. Als Erwachsene leidet Aki an dem schwierigen Verhältnis zu ihrer Mutter. Sie liebt Keiko sehr, doch sie macht Aki auch aggressiv, besonders als Keiko im Alter dement wird und sich noch mehr zurückzieht. Da Keiko seit 50 Jahren nicht mehr in Japan war und der Kontakt zu der Familie in den letzten Jahren eingeschlafen ist, hat Aki schließlich die Idee, mit ihrer Mutter nach Japan zu reisen. In Japan lernt sie ihre Mutter auf verschiedene Weise neu kennen und verstehen.

In Momentaufnahmen wird diese besondere Familiengeschichte erzählt. Das Mutter-Tochter-Verhältnis steht zwar im Vordergrund, doch die Psychogramme der Nebenpersonen, die Beschreibung der kulturellen Unterschiede zwischen Japan und Deutschland und der ruhige Erzählton sind weitere Gründe, diesen Roman zu empfehlen.

Was ein unbändiger Wille erreichen kann

Arkadia Fink, auch Moll genannt, ist ein dreizehnjähriges Mädchen, deren Mutter vor einiger Zeit verschwunden ist. Während ihr Vater sehr darunter leidet und kaum noch als Schreiner arbeitet, hat Moll einen Plan, wie sie ihre Mutter zum Zurückkehren bewegen kann. Die Mutter ist Komponistin und hat ihre schöne Stimme ihrer Tochter vererbt. Moll setzt nun alles daran, Mitglied des berühmten Knabenchors in ihrer Nachbarschaft zu werden. Ein Mädchen in einem Knabenchor? Moll schafft das nicht Vorstellbare zusammen mit ihrer Lehrerin Eleonore, der Tochter des Chorleiters. Sie drillt Moll und das Mädchen lernt, dass es für einen Chor nicht reicht, nur eine schöne Stimme zu haben. Sie muss üben, üben, üben. Darüber hinaus erwartet man von Moll ein knabenähnliches Aussehen und absolute Unauffälligkeit. Bei einer Aufführung jedoch reißt Moll aus diesem Schema aus und singt fulminant die Arie der Königin der Nacht von Mozart. Das Publikum und der Chorleiter stehen Kopf und Moll darf mit nach Berlin zu einem Auftritt in der Philharmonie.



Moll ist sich sicher, dass ihre Mutter sie in Berlin sehen wird, schließlich hat sie ihrer Tochter zwischendurch immer wieder Kompositionen zugeschickt und verfolgt Molls Leben. Doch dann kehren ganz langsam Molls Erinnerungen zurück und am Ende ist die Mitgliedschaft im Knabenchor nur noch eine Episode in Molls Leben.

Dieses Buch hat gute Chancen, im Herbst als das Lieblingsbuch der unabhängigen Buchhandlungen gewählt zu werden und einen Preis zu gewinnen. Es ist ein Hohelied auf die Musik und fasziniert durch die rotzfrechen Szenen, in denen sich Moll durchsetzt und bewegt in den traurigen Momenten, die Moll und ihr Vater durchleben.

Im Stau und bei der Tour de France

Aktuelle Anlässe bewegen mich dazu, Ihnen zwei Buchtipps zu geben. Die Schulferien beginnen bald, Staus auf den Straßen sind vorprogrammiert. Da habe ich Lesestoff für Sie:

Ich habe den Krimi als Beifahrerin teilweise in einem Stau gelesen. Das brachte eine authentische Lesestimmung zugunsten des Buches.
Auf einer Autobahn Richtung London kommt der Verkehr zum Erliegen. Eine Bombe ist in der Nähe detoniert. Unter den leidtragenden Autofahrern befindet sich auch Billy Kidd, eine Polizistin, die gerade aus dem Urlaub kommt und auf dem Weg nach Hause ist. Sie ahnt nicht, was in den nächsten Stunden auf sie zukommt: Ganz in ihrer Nähe wird ein Mann in einem Auto tot aufgefunden, ermordet mit einer Fahrradspeiche. Da die Autobahn an beiden Seiten auf einer langen Strecke durch hohe Wände eingegrenzt ist, muss die Person, die die Tat begangen hat, noch anwesend sein. Billy, die sofort den Tatort absperrt und alleine mit Ermittlungen beginnt, befragt die Autofahrer und niemand hat jemanden weglaufen sehen.
Unter den Insassen der Fahrzeuge befinden sich einige Personen, die in besonderen Situationen stecken und verdächtig sind. Billy trägt die Puzzlesteine zusammen und kommt einem mörderischen Komplott auf die Spur.
Leichte Krimiunterhaltung mit Autobahnambiente.

So kann man sich auch fortbewegen… Die Tour de France hat am Samstag begonnen und passend dazu erschien letzte Woche dieses Buch:

Rick Zabel ist der Sohn des bekannten Radprofis Erik Zabel. Wie sein Vater hat er ebenfalls eine Radprofikarriere gemacht und er erzählt in diesem Buch von seinem Werdegang bis zum Ende seiner Profilaufbahn.

Als Tour de France Fan las ich dieses Buch mit großem Interesse. Von den Stars der Radmanege erfährt man schon häufiger etwas in den üblichen Medien, aber die Lektüre über den Lebensweg eines Fahrers der „zweiten Reihe“ lässt mich jetzt anstehende Radrennen mit etwas anderen Augen sehen. Ich erfuhr u.a. viele Details, wie die Radrennindustrie funktioniert.
Der Erzählstil von Rick Zabel ist offen und ehrlich. Das macht ihn sympathisch und man glaubt ihm die Schilderungen seiner Höhen und Tiefen. Er hat nie den übergroßen Ehrgeiz seines Vaters gehabt, war damit zufrieden, an der Tour de France mehrmals teilzunehmen und in seiner Blütezeit als Edelhelfer für einen Star zu fahren. Zabel trainierte fast immer pflichtbewusst („Fun-Fact“: Zwischen 30000 und 40000 km / Jahr erreichen Radprofis auf ihren Trainingsfahrten), doch er feierte auch mal gerne, kümmerte sich mehr um Frau und Kinder als sein Vater es tat oder versuchte schon früh, sich neue Standbeine für das Leben nach dem Profisport aufzubauen.
Mit 30 Jahren beendete er 2024 seine Profilaufbahn, um nicht den Spaß am Radfahren zu verlieren. Wie zu lesen ist, hat er einige Projekte für seinen neuen beruflichen Lebensabschnitt, mögen sie ihm ein gutes Leben bescheren!

Der Mittagsschlaf unter Anklage in Tasmunien

Der Mittagsschlaf hat es nicht leicht, denn er steht in Tasmunien vor Gericht. Ihm wird zur Last gelegt, dass er die Bürger Tasmuniens von der Arbeit abhält und damit das Land auf verschiedene Weise gefährdet. Beispielsweise verdient durch den Mittagsschlaf die arbeitende Bevölkerung weniger und zahlt deshalb auch weniger Steuern an den Staat. Die Schüler und Studenten werden vom Lernen abgehalten und wachsen nur ungenügend zu der neuen Denkergeneration heran. Ganz zu schweigen von den Soldaten, die die Grenzen Tasmuniens bewachen sollen- der Feind hat ein leichtes Spiel!
Dank einer List und psychologischem Geschick schafft es der Mittagsschlaf jedoch, dass der Richter ihm eine Verteidigungsrede gewährt und diese Rede hat es in sich.

Woher kommt das Wort „Mittagsschlaf“? Damit beginnt der Mittagsschlaf seine Rede. Er führt Länder an, in der ein Schläfchen zwischendurch als das Natürlichste der Welt angesehen wird. Danach zieht er alle Register auf kultureller Ebene und führt Philosophen, Maler, Komponisten und Schriftsteller auf, die alle in ihren Werken den Mittagsschlaf als etwas Wunderbares huldigen. Natürlich fehlen auch nicht medizinische Argumente, seien es die körperlichen oder die psychischen, die die Wohltätigkeit eines Mittagsschlafes belegen. Ist es nicht schön, mitten am Tag für eine kurze Zeit, allen Unbill zu vergessen und mit einem wohligen Gefühl zu versinken? Ja und dient der Mittagsschlaf nicht auch dazu, Frieden zu stiften? Würden alle dem Tagesschlaf frönen, gäbe es dann noch Krieg?

Am Ende des Buches gibt es ein Urteil, das aber überraschend ist, denn unter den Zuschauern hat sich jemand versteckt und… mehr verrate ich nicht.

Das schmale Buch ( 123 Seiten) ist liebevoll mit Abbildungen von Kunstwerken ausgestattet, die den Mittagsschlaf zum Thema haben. Die Wortwahl des Mittagsschlafes ist wohlbedacht und etwas altertümlich, was aber gut passt, denn beim Lesen kann es passieren, dass die Augen zufallen…Aber nur kurz, denn das Humorvolle dieses Buches macht Lesende schnell wieder wach.

In Korea heißt das Zauberwort „Selbstfürsorge“ (Ssukgat 1)

Dieses Buch las ich in meinem Urlaub und fand es sehr inspirierend:

Warum essen wir Europäer? Weil wir Hunger haben und/oder weil wir genießen möchten. Dass Lebensmittel uns gesund machen können, daran denken wir wohl erst an dritter Stelle: Vielleicht bei einer Erkältung, wenn es Hühnerbrühe gibt.
In Korea hat Ernährung einen ganz anderen Status. Schon ein Kleinkind bekommt das Wissen vermittelt, dass Essen Medizin ist, aber nicht hauptsächlich, um den Körper zu heilen, sondern um Krankheiten und Gebrechlichkeit zu verhindern. Das Zauberwort in Korea heißt „Selbstfürsorge“= Man isst, um Körper und Geist etwas Gutes zu tun und fühlt dabei eine große Befriedigung. Diese Kernaussage des Buches wird von der Autorin mit vielen Informationen und Rezepten unterfüttert.
Michelle Jungmin Bang ist Amerikanerin mit koreanischen Wurzeln und hat nach einem Zusammenbruch damit begonnen, sich mit dem Ernährungswissen ihrer koreanischen Vorfahren zu beschäftigen. Schritt für Schritt hat sie zuerst ihre eigene Ernährung und dann auch die ihrer Familie mit deren Zustimmung umgestellt. Neben ihren familiären Aufgaben und ihrer Arbeit schuf sie sich weitere Zeiträume, um sich mehr in der Natur aufzuhalten, sich körperschonend sportlich zu betätigen und einfach mal nichts zu tun. Jetzt geht es ihr sehr gut.
Ihre Beschreibungen fand ich manchmal ein bisschen zu „heile Welt“, doch ihre Ideen, wie man diese Selbstfürsorge umsetzen kann, wogen das bei Weitem auf.
So beschreibt sie beispielsweise, wie sie dazu übergegangen ist, morgens ihrem Mann und den beiden Kindern ein Tablett mit verschiedenen gesunden Saucen und Gewürzen hinzustellen und ihnen dazu frisch aufgeschnittenes Obst oder Gemüse zum Dippen anzubieten. Dazu gibt es Reis und/oder eine Kraftbrühe.
Jeder kann nach Geschmack und Laune essen und es macht nicht viel Arbeit.
Ich esse nicht genügend Obst und Gemüse, vielleicht könnte das auch ein Weg für mich sein, mich gesünder und abwechslungsreicher zu ernähren?
In dem Buch sind einige Zutaten aufgelistet, die man nicht in den hiesigen üblichen Supermärkten gibt. Aber in Duisburg hat gerade ein koreanischer Lebensmittelladen eröffnet, den werde ich in Kürze besuchen.
Der hiesige Bio-Supermarkt ist auch auch schon ganz gut bestückt mit japanischen und koreanischen Lebensmitteln und als Einstieg kaufte ich mir „Furikake“ = Sesam-Algenstreusel und einen Nori-Snack.

Foto: Heller und schwarzer Sesam, gemischt mit Seealgen, schmeckt etwas salzig. Zu den Radieschen passte das prima, auch über Ananasstücke gestreut, fand ich es lecker. Der Verzehr von Algen ist in der koreanischen Ernährungsphilosophie besonders wichtig.
Fotocollage: Die hauchfein gepressten Algen sind ein bisschen mit Meersalz und Sonnenblumenöl verfeinert. Kann man den Duft des Meeres essen? Ja!

Mal sehen, wohin mich „Ssukgat“ noch führt.


P.S. Ssugkat ist eine Pflanze, die in der koreanischen Küche gerne verwendet wird. In Deutschland nennt man sie auch „Kronenwucherblume“.

Nordirland Nr. 1-Carrickfergus

Bevor ich mit meinen Reiseberichten beginne, möchte ich zwei Dinge vorab erwähnen. Wenn Sie mit einer Reise nach Nordirland oder Südwales liebäugeln und sehr an Ihrer Internetverbindung hängen, sollten Sie sich seelisch darauf vorbereiten, dass Sie oft keine oder eine nur sehr instabile Verbindung haben. Ich habe irgendwann akzeptiert, dass ich nicht mal eben gucken konnte, wann ein Museum geöffnet ist oder bis wann eine Fähre übersetzt. Man muss es nehmen wie es ist.
Wir sind mit unserem Caddy auf die beiden Insel gefahren. Ein Festlandauto mit der Fahrerseite links bedeutet, dass man als Mitfahrer aktiv mitfahren muss, denn als Fahrer sieht man öfter nicht den Gegenverkehr. Da heißt es dann: Frei, frei, frei, stop- Auto! Besonders auf solchen Straßen:

Und solche Straßen sind wir viel gefahren, um Landschaften zu bewundern, die nicht mit Bussen zugestellt waren. Das heißt dann aber auch, dass Sie nicht zu penibel sein dürfen, wenn es um Ihr Auto geht. Sie können an Büschen, Böschungen oder kleinen Mauern vorbei schrammen, abgesehen mal von den Autos, die Ihnen auf solchen Straßen entgegenkommen. Die meisten Fahrer waren sehr vorsichtig und nur wenige hatten es eilig oder waren selbst blind.

Als Unterkunft in Nordirland hatten wir eine Ferienwohnung in Carrickfergus gemietet, knapp 20 km von Belfast entfernt. Von hier aus machten wir verschiedene Fahrten ins Land und nach Belfast.

Vielleicht ist Ihnen dieser Name schon einmal begegnet? Es gibt ein bekanntes Lied, das viele Musiker in ihr Repertoire aufgenommen haben.

Bekannt ist die Stadt auch durch die normannische Burg aus dem 12. Jahrhundert. Diese gilt als eine der best erhaltenen Burgen Großbritanniens und wir statteten ihr einen Besuch ab.

Fotocollage oben links: Festtafel, dann König und Königin, unten rechts: Eine Ritterin der 21. Jahrhunderts als Ausdruck des nordirischen Feminismus.

In der Burg werden Szenen aus dem normannischen Alltagsleben dargestellt. Dabei werden einige Puppen eingesetzt. Zu zeigen, wie König John auf der Toilette sitzt und seine Frau Affreca schmachtend in die Ferne sieht, ist für mich ein Indiz für den speziellen englischen Humor.
Die Innenstadt von Carrickfergus ( oder auch nur Carrick genannt) ist eher trist, ein kleines Museum versucht, mit Kultur die Stadt etwas zu beleben.

Bei der Suche nach Urlaubslektüre entdeckte ich durch Zufall einen Krimi, der 1981 in Carrick spielt, also in einer Zeit, in der die Kämpfe in Nordirland noch tobten und in Belfast und anderen Städten der Ausnahmezustand herrscht. Bombenattentate, Hungerstreiks, Ausgangssperren, das war damals der Alltag.

Der junge Polizist Sean Duffy geht nach Beendigung seiner Ausbildung nach Carrick, weil er hofft, dass diese Stelle als Sprungbrett in die nahe Hauptstadt Belfast dient. Seine Entscheidung wiegt im Laufe der Geschichte immer schwerer, denn er ist Katholik und Carrick ist fast rein protestantisch. Zu seinen Kollegen und Nachbarn hat er zumeist ein gutes Verhältnis, doch bei den Ermittlungen in zwei Mordfällen kommt er Geheimnissen mächtiger Männern aus beiden politischen Lagern gefährlich nah und man versucht, ihn zu töten.
Dieser Krimi war spannend zu lesen und ich bekam eine erste Ahnung, was vor dem Friedensabkommen vor 27 Jahren in Nordirland im Detail passiert ist. Das Thema Nordirlandkonflikt wird uns permanent auf unserer Reise begleiten.

Von JJ über Klaus Nomi nach Manchester

Bereit für ein paar Gedankensprünge?

Am Wochenende gewann JJ für Österreich den European Song Contest mit seinem Lied „Wasted Love“. Der junge Mann stellte sein Können als Countertenor unter Beweis und alle waren und sind noch aus dem Häuschen.

Als ich das Lied hörte, dachte ich sofort an Klaus Nomi, der ebenfalls mit seiner Countertenorstimme eine gewisse Berühmtheit erlangte. Allerdings bereits Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre. Für die damalige Zeit war er wie ein Wesen vom anderen Stern, wie aus seiner Biografie hervorgeht.

Geboren im Allgäu, lebte er während seiner Kindheit und Jugend zusammen mit seiner Mutter im Ruhrgebiet. Er zeichnete und sang gerne und wollte Opernsänger werden. Allerdings unterstützen seine Lehrer ihn nicht bei seinem Wunsch, sich als Countertenor zu spezialisieren und er brach deshalb die Ausbildung ab. Mit Aushilfsjobs und ersten kurzen Auftritten verdiente er sich seinen Lebensunterhalt, dann ging er nach Berlin. Dort entdeckte ihn David Bowie, der ihn für die Einspielung eines Songs als Backroundsänger engagierte. Nomis Hoffnung auf eine weitere Zusammenarbeit zerschlugen sich und er beschloss, nach New York weiterzuziehen. Auch hier kämpfte er sich durch, sang Operntitel und Rocklieder und wurde schließlich in den New Yorker Clubs Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre mit seiner außergewöhnlichen Stimme berühmt. Er bewegte sich im Dunstkreis von Keith Haring oder Andy Warhol und war unterwegs in der Schwulenszene New Yorks. In Japan wurde er eine Berühmtheit und auch in Europa hatte er mehrere Auftritte, so in Deutschland bei Thomas Gottschalk. Bei ihm sang er dieses Lied.

Kurze Zeit später starb Klaus Nomi an Aids und war damit einer der ersten prominenten Aidsopfer Anfang der 80er Jahre.

Die Möglichkeit, in der Öffentlichkeit schwul zu sein, war damals in New York nur an wenigen Plätzen möglich. Dies beschreibt Olivia Laing in ihrem Buch „Die Stadt der Einsamkeit“ ausführlich. (Siehe unten Link zur Besprechung). Es waren u.a Plätze am Hafen, alte Piers und Häuser, in deren Winkel sich Männer trafen. Diese Beschreibungen hatte ich noch im Kopf, als ich jetzt in Manchester war und das Northern Quarter durchstreifte.
In Manchester gibt es weiter südlicher ein spezielles Gay Village, aber im Norden ist die LSBTQ Szene präsent.
Sieht man es mit dem Architekturblick, entdeckt man viele Backsteinschönheiten:


Diese Backsteingebäude verschwinden aber immer mehr und werden von Wolkenkratzern verdrängt, wie man oben auf zwei Fotos gut erkennen kann.

Denn es sieht im Northern Quarter auch so aus:

Wie gut, endlich keine Schmuddelecken mehr? Vor 40 Jahren wurden in New York mit dem Abriss der alten Vierten die Menschen vertrieben und in Manchester passiert Ähnliches. Was geht außer dem Lebensort noch verloren, wenn solche Straßenzüge verschwinden? Das zeige ich in meinem nächsten Beitrag.



Zur „Krummen Brücke“

“Krumme Brücke“ oder auch liebevoll „Brüggli“ heißt eine Gaststätte, deren Wirt Rousseau Tagebuch schreibt. Er erzählt von seinem Alltag, seiner Sammlung von Klosprüchen, seinen Kolleginnen und Kollegen, den Gästen und philosophiert gerne. So lesen wir beispielsweise von der plötzlich verschwundenen Köchin Jackie. Nun muss Rousseau selbst ran. Er versucht gar nicht, Jackies Gerichte zu kopieren, sondern probiert Neues aus. Die Polizei wird eingeschaltet, Jackie bleibt verschwunden.
Dann sind da noch die beiden Geschichtslehrer, die zum Schachspielen kommen und sich mit den Schachfiguren auch andere Spiele ausdenken. Lukas, ehemaliger Journalist, ist ein Stammgast, dessen Passion es ist, über den Verbleib von Gasp , einer berühmten Skifahrerin, die vor einigen Jahren verunglückt ist, zu spekulieren. Natürlich gibt es auch einen Stinkstiefel, Heiner, dem es nicht gut geht, wenn er nicht meckert.

Beim Lesen taucht man in diesen Mikrokosmos ein, freut sich und leidet mit bei den großen und kleinen Geschichten des Brüggli-Teams und der Gäste.

Ich habe das Buch gerne gelesen und bekam dann durch Zufall noch visuelle Unterstützung, als wir in Duisburg Bissingheim die Gaststätte Seitenhorst besuchten.

Fotocollage mit Bildern von der Einrichtung der Gaststätte

Die Gaststätte Seitenhorst ist für ihre Schnitzel berühmt. Man muss sich vorher allerdings telefonisch anmelden und auch direkt die Bestellung durchgeben, da der Chef und gleichzeitig Koch 85 Jahre alt ist und sich seine Zeit und Kraft einteilen muss. Kommt man mit der Kellnerin Christiane ins Gespräch, erlebt man ein Bissingheimer Urgestein.