Xerox

Eine junge Frau arbeitet in Amsterdam in einem Büro. Freundschaften mit ihren Kollegen zu schließen fällt ihr schwer, zu unterschiedlich sind die Lebenswelten. Auch arbeitet sie den ganzen Tag alleine in einem Raum, in dem der Drucker das dominierende Gerät ist. Mit ihm unterhält sie sich und erinnert sich an ihre Kindheit. Sie wohnte weitab vom malerischen Touristenamsterdam in einer Siedlung, in denen das Leben nicht leicht war. Besonders erinnert sie sich an einen Brand, man weiß aber am Anfang noch nicht, welche Verbindung sie zu diesem Ereignis hat.
Ihre Selbstgespräche, zusammen mit mehreren stressbedingten Zusammenbrüchen, führen dazu, dass ihr Chef sie zur Regenerierung freistellt. Eine ziemliche Katastrophe, denn sie vermisst ihren Drucker schmerzlich.
So geht es auch dem Drucker, der sich im weiteren Verlauf der Geschichte zu Wort meldet. Durch einen Fehler bei seinem Zusammenbau kann er denken, Menschen verstehen und deren Gedanken lesen. So erfährt man von ihm u.a. auch weitere Details zu dem Brand.
Das Büro der jungen Frau wird von einem Kollegen übernommen. Er rangiert den Drucker aus und stellt ihn an den Straßenrand. Kurze Zeit später steht fest, dass es der Firma finanziell schlecht geht und Mitarbeiter entlassen werden. Die junge Frau kehrt noch einmal in die Firma zurück, um ihre Entlassungspapiere entgegenzunehmen und sieht dabei, dass der Drucker verschwunden ist. Aber es wird noch einmal ein Wiedersehen geben…

Las ich das Buch abends im Bett, musste ich manche Passagen zweimal lesen, die Gedankengänge der Icherzählerin waren für mich etwas wirr. Las ich das Buch morgens frisch ausgeschlafen, überzeugten mich der Ideenreichtum und die „Vibrations“ des Romans und die Freude über einige brillante Sätze.

Lichterfelder Spaziergang (Berlin Nr. 4)

Als wir im Januar in Berlin waren, hatten wir an einem kalten Sonntagmorgen bis zu einem Termin noch zwei Stunden Zeit. Die Museen waren noch nicht geöffnet, so entschieden wir uns für einen Besuch der Villenkolonie in Lichterfelde. Über die App Hearonymus luden wir uns eine 1 1/2 stündige Führung herunter. Johann A.W. Carstenn hatte die Idee, in dem Dorf Lichterfelde günstig Land zu kaufen, um danach betuchten Bürgern aus Berlinmitte eine Villa im Grünen anzubieten. Die Idee hatte er aus London mitgebracht, wo sie sehr erfolgreich war. 1866 baute er die erste Straße der Kolonie noch mitten in Getreidefeldern. In Berlin lief das Geschäft aber aus verschiedenen Gründen nur schleppend an, hinzu kam der Börsenkrach von 1873. Schließlich verspekulierte sich Carstenn bei dem Bau einer Kadettenschule in Lichterfelde und wäre fast pleite gegangen. Da einige prominente Berliner aber inzwischen Villen in der „Sommerfrische“ besaßen, zogen andere nach und jeder Neuankömmling wollte mit seiner Villa die der anderen übertrumpfen. So gibt es während des Spaziergangs Türmchen über Türmchen zu bewundern, burgenartige Häuser mit Wassergräben oder Villen im italienischen Renaissancestil.

Unten links die Villa von Otto Lilienthal. Wenn Sie rechts genau hinschauen, erkennen Sie eine Zugbrücke über einem Graben.

Beim Flanieren konnte man darüberhinaus viele schöne Details entdecken:

Der Sonntag war für das Fotografieren günstig, denn es waren kaum Leute und Autos unterwegs.
Welche berühmten Köpfe hatten hier auf engem Raum zusammengelebt! Nach dem Spaziergang kaufte ich mir dieses Buch, um noch mehr über Lichterfelde zu erfahren.

Im ersten Teil des Buches wird auf die Entstehung und die Geschichte der Siedlung eingegangen und man erfährt auch etwas über die besondere Architektur. Hier erfuhr weitere interessante Details wie beispielsweise, die Tatsache, dass in Lichterfelde weltweit die erste Straßenbahn fuhr und dass Lichterfelder während des Naziregimes aktiv Widerstand geleistet haben.
Exemplarisch für an die 200 berühmten Lichterfelder (eine Auflistung mit Kurzbeschreibungen befindet sich am Ende des Buches) werden sechzehn Lebensläufe im Buch erzählt, darunter z.B. die Leben von Elly Heuss-Knapp, Sebastian Haffner, Karl Liebknecht oder Hans Rosenthal. Lichterfelde- ein wirklich beeindruckendes „Pflaster“!

Besser als eine Droge

Bei diesem Buch von Hanns-Josef Ortheil

würde ich Ihnen am liebsten über jedes einzelne Kapitel berichten!
Eine Möglichkeit, sein Leben zu entschleunigen, ist das Innehalten und dem Aufschreiben von Beobachtungen oder Gedanken in einem Notizbuch.


Das hört sich erst einmal ziemlich einfach an. Sie setzen sich beispielsweise in ein Café oder auf eine Bank und notieren, was Sie sehen. Aber gucken Sie wirklich genau hin? Das ist eine Kunst und dieses Buch zeigt 19 mögliche Herangehensweisen, wie man zu einem Fundus an interessanten Notizen kommt.
Ortheil stellt dazu Aufzeichnungen, Beobachtungshefte oder Notizbücher von berühmten, aber auch von unbekannteren Autoren vor. Ob Elias Cannetti, Peter Handke oder Georg Christoph Lichtenberg, jeder hat eine andere Herangehensweise, die Welt zu betrachten. Meine drei Favoriten:

Notieren als Fotografieren:
Peter Wehrli stieg vor ca. 40 Jahren in Zürich in den Zug, um nach Beirut zu fahren. Auf dem Weg realisierte er, dass er seinen Fotoapparat vergessen hatte. Er begann, „literarische Fotos“ zu formulieren und beschrieb in äußerst knappen Worten ein Motiv, das er sonst fotografiert hätte. (Sein Buch „Katalog von Allem stelle ich Ihnen später noch gesondert vor).

Notieren als Drehbuch:
Der japanische Schriftsteller Akutagawa Ryūnosuke sah Menschen bei ihren Alltagsverrichungen zu und hielt seine Beobachtungen in Form von Drehbuchanweisungen fest.

Notieren am frühen Morgen:
Paul Valéry und Elke Erb standen jeden Morgen früh auf und fingen direkt mit dem Schreiben an. Elke Erb schrieb, was ihr spontan in den Sinn kam. Dabei kamen ganz erstaunliche Gedanken zu Tage und die Schriftstellerin erfuhr viel über sich. Hanns-Josef Ortheil schreibt zu dieser Methode:

Welche Notizen Sie auch festhalten, Sie können Sie als schöne Erinnerungen an eine entspannte Zeit verwahren, sie als ihre persönliche Schatzkiste von besonderen Beobachtungen ansehen oder Sie benutzen Ihr Notizbuch tatsächlich, um eine Geschichte oder sogar einen Roman zu schreiben.
Notizen schreiben interessiert sie nicht? Lesen Sie das Buch trotzdem, denn mit dem Erlernen des genauen Hinsehens und Entdeckens wird Ihr Leben reicher.

Alternative Karnevalsmusik

Sollten Sie mal eine Abwechslung zu den Karnevalsliedern im Radio brauchen, hier ein Stück der finnischen Komponistin Helvi Leiviskä (1902 bis 1982).
Sie hat Musik studiert, war aber hauptberuflich Bibliothekarin und komponierte jahrelang in ihrer Freizeit. Sie war die erste bedeutende finnische Komponistin, die sich in einer Männerwelt durchsetzten musste und eine 2024 erschienene CD mit ihrem Orchesterwerk Platte zeigt laut Fachleuten, dass Leiviskä die bedeutendste europäische Komponistin neben den Boulanger-Schwestern und Sofia Gubaidulina war.

Pflichtprogramm für Wessis (Berlin Nr. 3)

Waren Sie schon einmal im Berliner Stasimuseum? Der Besuch dieses Museums wirkt bei mir bis heute nach, ich verstehe Einiges besser, was heute teilweise im Osten des Landes passiert. Aber der Reihe nach.

Das Stasimuseum liegt im Bezirk Lichtenfeld und befindet sich im Haus 1 auf dem ehemaligen Gelände der Zentrale des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) der DDR. Das Haus entstand in den Jahren 1960/61 als Dienstsitz Erich Mielkes, der von 1957 bis zum Ende der DDR Minister für Staatssicherheit war.

Das ist der ganze Gebäudekomplex des Ministeriums für Staatssicherheit, in der Mitte liegt das besagte Haus Nr. 1.

Ich habe früher die DDR mehrmals besucht und auf dem Weg durch den Komplex zu Haus Nr. 1 erinnerte ich mich seit langer Zeit wieder an die bedrückte Stimmung, die ich damals oft empfand.

Der gutgelaunte Herr, der uns die Tickets verkaufte (8 Euro), vertrieb für kurze Zeit dieses Gefühl, doch bald kam es wieder.
Auf drei Etagen wird die Geschichte und das Vorgehen des Ministeriums dokumentiert. Das Anschauungsmaterial ist so umfangreich, dass ich Ihnen nur einige wenige Eindrücke weitergeben kann.

Dies war das Büro von Erich Mielke, hier fing der Überwachungsstaat an und hier endete er.

In dem Museum wird u.a. gezeigt, wer andere ausspioniert hat, wie das gemacht wurde und welche Konsequenzen es für die betroffene Person hatte. Das Schreckliche daran: In den letzten Jahren der DDR waren so viele Menschen für die Stasi tätig, dass man kaum noch jemandem trauen konnte. Das Ausspionieren zog sich durch alle Bevölkerungsschichten. So arbeitete Tatjana Besson von der Punkband „Die Firma“ beispielsweise unter dem Decknamen „Kim“ für die Stasi. Das Ministerium setzte oft Druckmittel ein oder nutzte persönliche Notlagen aus, um Bürger zur Mitarbeit zu zwingen. Allerdings gab es auch Menschen, die sich freiwillig meldeten, um in den Genuss von Vorteilen zu kommen, sei es z.B. am Arbeitsplatz, bei der Wahl des Urlaubsortes oder bei dem Kauf eines Trabis.

Der Phantasie, wie man jemanden ausspionieren konnte, waren kaum Grenzen gesetzt.

Oben links eine Auswahl von Wanzen, rechts daneben eine Knopfkamera. Diese wurde per Luftdruck in der Jackentasche ausgelöst. (Siehe links unten, an der rechten Jackeasche der kleine Blasebalg). Unter der Jacke liegt noch eine präparierte Fotogeldbörse. Rechts unten: Eine Spiongieskanne und darunter eine „hilfreiche“ Krawatte.

Alle Beobachtungen wurden anfänglich auf Karteikarten dokumentiert, später auf elektronischem Wege.

Auch die Bestrafungen für nicht staatskonformes Verhalten gestalteten Mielke und seine Gefolgsmänner abwechslungsreich. Drohungen, Mobbing am Arbeitsplatz, fingierte Rufschädigung unter Freunden, erzwungener Wohnungs- und/oder Arbeitswechsel, Ausgangssperre, Bedrohung von Familienangehörigen, Gefängnis bis Ausweisung aus der DDR standen in dem Katalog mit mehreren hundert Bestrafungsvarianten.

Nach dem Museumsbesuch fragte ich mich, wie meine Denke und mein Weltverständnis wären, wenn ich über Jahre hinweg in so einem Staat gelebt hätte. Misstrauen, Angst, keine Zuversicht auf Besserung wären wohl Teile meiner Persönlichkeit. Und diese Teile hätte ich wohl auch an meine Kinder weitergegeben. Kinder, die heute teilweise einem politischen Denken folgen, das man nicht nachvollziehen kann und das unsere Demokratie gefährdet.

Demonstrieren ist gut, reicht aber nicht

Vor ein paar Tagen fand unter dem Motto „Leseschnack-Über ein Thema sprechen“ diese Veranstaltung in der Duisburger Buchhandlung Scheuermann statt.

Was können Du und ich für unsere Demokratie tun?“

Über den „DemokratieKreis Duisburg“ sind wir auf dieses Buch aufmerksam geworden. Es hat uns so überzeugt, dass wir dazu mit Ihnen ins Gespräch und Handeln kommen möchten. Geplant sind dazu insgesamt drei Termine.
Den Anfang machen wir mit Regeln 1 – 3:

  1. Liebe Deine Stadt
  2. Mache dir die Welt zum Dorf
  3. Bleibe gelassen im Umgang mit Demokratie-Verächtern

Zwei der wichtigsten Aussagen in dem Buch sind für mich:
Demokratie kann mühsam sein, da die Anforderungen, ihren Erhalt zu sichern, sich stetig wandeln. Je schwieriger die Anforderungen sind, desto mehr muss ich selbst etwas tun, wenn ich weiterhin in einer Demokratie leben möchte. Diese Aussage fiel bei mir auf besonders fruchtbaren Boden, da ich vor zwei Wochen das Stasimuseum in Berlin besucht habe (Bericht folgt am Freitag). Hier wird jedem Besucher auf eindingliche Weise veranschaulicht, wie es sein kann, in einer Parteidiktatur mit einem kruden Weltbild zu leben.

Die zweite Aussage: Man darf nicht auf den bundesweiten großen Wurf warten, der die AfD und andere rechtspopulistische Bewegungen ins Leere laufen lässt, sondern nur viele kleine Schritte vor Ort können das schaffen. Demonstrationen sind ein gutes Statement, aber damit ist es nicht getan. Das Wichtigste ist, mit Rechtspopulisten ruhig zu sprechen und klug zu argumentieren. Man muss sich also erst einmal mit den Gedanken und Aussagen der AfD befassen, bevor man sich auf Gespräche einlässt.
Doch wie und wo damit anfangen?

Vielleicht ist meine Herangehensweise für Sie hilfreich, wenn Sie auch etwas tun möchten, aber nicht wissen, wie Sie beginnen sollen.
– Ich sammle überregionale und regionale Zeitungsartikel zu aktuellen Aussagen und Aktivitäten der AfD.
– Inzwischen habe ich mehrmals die Internetseite der Duisburger AfD und die eines Duisburger AfD-Mitglieds besucht. Manchmal fällt es mir nicht leicht, einige Aussagen auszuhalten.
-Als Gegengewicht lese ich dann Beiträge der Internetseiten von „Demokratie leben“ 0der „Demokratiekreis Duisburg“. Hier findet man neben Informationsmaterial auch diverse Angebote, sich in einer Gruppe zu engagieren.
-Ich habe dieses zweite Buch gelesen, das sehr hilfreich ist, wenn es darum geht, wie man sich bei einem Gespräch mit einem Rechtspopulisten verhalten soll und wie man typische Gesprächstaktiken durchschaut. Beispielsweise stellen sich Rechtspopulisten gerne als Opfer dar oder pochen auf Meinungsfreiheit, wenn sie menschenverachtende Aussagen treffen.

Die ersten Schritte sind getan. Inzwischen finde ich es sehr befriedigend, jeden Tag ein bisschen mehr zu wissen und Ideen zum Widerstand gegen die AfD zu entwickeln, die sich in meinen Alltag integrieren lassen.



Der deutsche Louvre? (Berlin Nr.2)

Vor einiger Zeit wurde in einer Fernsehsendung darauf aufmerksam gemacht, dass Deutschland nicht das Kunstmuseum hätte, wie beispielsweise Frankreich mit dem Louvre oder Spanien mit dem Prado. Der Sprecher meinte, dass dies z.T. auch eine Frage der Wahrnehmung und Werbung sei, denn es existiert ein Museum, das mit den beiden o.g. durchaus mithalten kann.
Gemeint ist die Gemäldegalerie in Berlin. Sie befindet sich etwas zurückgesetzt zwischen der Philharmonie und der neuen Nationalgalerie. Wir wollten die Aussage überprüfen und besuchten sie an einem Samstagnachmittag.


In über 40 Räumen wird Kunst aus dem 13. bis 18. Jahrhundert gezeigt. Bilder mit religiösen Motiven, sowie Kirchenskulpturen und Teile von Altären bilden einen Schwerpunkt der Sammlung. Landschaftsmotive, Alltagsszenen und Porträts von allen großen Meistern wie beispielsweise Rembrandt, Tizian, Vermeer, Turner, Rubens oder Caravaggio kommen hinzu. Bei der hohen Anzahl von großartigen Werken traf ich bei der Besichtigung eine Auswahl und widmete mich besonders den Porträts. Mich blickten Menschen intensiv an, die vor mehreren Jahrhunderten gelebt haben. Wie sah ihr Leben aus? Waren es gute Menschen oder Bösewichte? Was machte sie glücklich, was ängstlich? Zu jedem Bild gab es nur eine kurze Beschreibung, so dass ich meiner Phantasie meistens freien Lauf lassen konnte.

Auch bei Frauenporträts machte ich dieses „Spiel“, hier allerdings tauchten in meinem Kopf schneller Parallelen zu Gesichtern von heute lebenden Frauen auf. An wen erinnern Sie diese Frauen? (Am Ende des Beitrags verrate ich Ihnen meine Gedanken.)


Spaß hatte ich auch daran, verschiedene Bilder in eine Beziehung zu setzen. Hier ein Beispiel:

Früher waren es Engelchen, dann wurden es Bengelchen.
(Das Bild unten heißt „Der Vertrag“) und schließlich…
…mutierten sie zu feinen reichen Herren mit weißem Kragen (anstatt mit weißer Weste).

Die Gemäldegalerie war für einen Samstagnachmittag eher spärlich besucht. Das hat sie nicht verdient! Es ist ein Museum, das etwas in die Jahre gekommen ist und das eine Auffrischung der Wände, der Hängung der Bilder und auch der Nebenmuseen ( zu dem Gebäudekomplex gehören auch noch das Kunstgewerbemuseum und das Kupfersichkabinett) sicherlich vertragen kann. Ob sie dann zu einem deuschen Louvre werden könnte, vermag ich nicht zu beurteilen, aber die Auswahl von Kunstwerken ist wirklich sehr beeindruckend.

Meine Gedanken zu den Frauenporträts:
Links oben: eine weinende Mutter, die die Nachricht bekommen hat, dass ihr Sohn im Krieg gefallen ist.
Rechts oben: Eine junge Klimaaktivistin, die genug hat vom Zuwenigtun der Politiker
Links unten: Eine Pubertierende, die noch meint, einen permanenten Ponyhof von ihren Eltern verlangen zu können
Rechts unten: Eine Drahtzieherin der oberen Einhundert

Abschied von den Boomern

Ich gehöre zu der B-Generation (damit sind die Jahrgänge 1955-1970 gemeint), die sich aus dem Arbeitsleben verabschiedet und nun das Rentnerdasein mehr oder minder genießt. So war ich natürlich sehr gespannt, als ich das Leseexemplar vom Verlag vor ein paar Tagen aufschlug.

Beim Lesen der ersten Kapitel verspürte ich bereits eine gewisse Ernüchterung. Die für die Boomer prägenden Ereignisse spielen sich bei dem Autor Heinz Bude oft in einem gewissen „Bildungsmilieu“ ab. (z.B. Hausbesetzungen, RAF, wichtige Filme). Das Denken von Boomerarbeitern/ „kleinen  Angestellten“ ist für mich unterrepräsentiert. Ebenso fehlt mir das Thema Musik, meiner Meinung spielte sie für unsere Generation eine besondere Rolle.

Oder habe ich nicht alles im Buch verstanden? Das ist durchaus möglich, denn der Text war für mich teilweise nicht leicht zugänglich. Heinz Bude ist Soziologe und er benutzt gerne Fachausdrücke, deren genaue Definitionen ich hätte nachschlagen müssen. So blitzte nur manchmal eine neue Erkenntnis für mein Leben und Denken auf, wenn es bei Bude um überfüllte Klassenzimmer, Aids, Tschernobyl, Internet oder Klima geht.

Der Autor beschreibt die unterschiedliche Entwicklung von Boomern im Osten und Westen Deutschlands, das fand ich erhellend. Auch das Ende des Buches, in dem er die jetzige Situation der Boomer darstellt, die mit der Pflege und dem Tod der Eltern konfrontiert werden und sich mit dem Rest ihres eigenen Lebens und ihrem Tod auseinandersetzen müssen, gehört zu den guten Textpassagen.

Heinz Bude wurde 1954 geboren, gerne würde ich ein zweites Buch lesen, in dem jemand, der jünger ist, einen Blick auf unsere Generation wirft. Gibt es Auswirkungen auf die Arbeitswelt, wenn die Weltanschauung der Boomer dort verschwindet? Auf diese Frage habe ich bei dem Autor keine befriedigende Antwort gefunden.
Resümee: Mein Urteil über das Buch ist zwiespältig, aber ich werde es noch einmal lesen.

Ein langes Wochenende in Berlin (Nr. 1)

Am Dienstag habe ich Sie mit dieser Collage hoffentlich ein bisschen neugierig auf Berlin gemacht? Es folgen noch ausführlichere Berichte, doch hier schon einmal vorab kurze Erklärungen:

Rechts oben sehen Sie einen kleinen Straßenabschnitt der Villenkolonie Lichterfelder. Hier wohnten viele berühmte Menschen und versuchten, sich mit der Architektur ihrer Villen zu übertrumpfen.
Die Auflösung zu der Frage nach dem Herrn links sieht so aus:

Das Bild hängt in der Berliner Gemäldegalerie, in die wir letzten Samstag gingen.
Zu dem Bild unten links gehört diese Erklärung:

Wir besuchten im Osten Berlins das Stasimuseum, eins der wenigen größeren Museen, die an einem Montag geöffnet haben. Da das Wetter sehr schlecht war, blieben wir in der Gegend und gingen auf diesen Markt, zu dem auch das Blumenbild unten rechts gehört.

Das Dong Xuan Center ist seit 2005 offiziell ein asiatischer Großhandelsmarkt (der größte Deutschlands) und liegt auf einem ehemaligen Fabrikgelände in Lichtenberg. In ca. 20 großen Hallen gibt es vor allem zahlreiche Geschäfte für Kleidung, technisches Zubehör, Spielzeug, Wohnungseinrichtung, Lebensmittel, Nagelstudios, Friseure und Restaurants.

Inzwischen darf hier jeder einkaufen. Besonders beliebt sind Friseure, bei denen man für 8 Euro einen Haarschnitt bekommt und die Restaurants, die auch von der vietnamesischen Gemeinde gerne frequentiert werden.

Wir gingen durch einige Hallen und es war ein bisschen wie in einem exotischen Urlaub, gepaart mit dem Erahnen von Grauzonen, die es wohl auf den meisten Großhandelsmärkten gibt.

Ein zweiter Tipp: Wir besuchten an einem Abend das „Scheinbar Varieté“ in Schöneberg. Auf engem Raum gibt es eine kleine Bar und ca. 60 Zuschauer haben Platz, um auf der Bühne unbekannte Gesangs- oder Comedytalente zu entdecken.

Wir wählten einen „Secret“-Abend aus. Man weiß nicht, wer kommt, ein bekannter Künstler möchte vor einem kleinem Publikum sein neues Bühnenprogramm ausprobieren. Bei uns war es charming Timon Krause, ein Mentalist, dessen neue Tournee im Herbst beginnt. Zwei Stunden sehr, sehr großes Staunen- „Wie hat es das gemacht?“, diese Frage beschäftigt uns immer noch und wir kauften uns gestern Tickets für die Krefelder Vorstellung im November.

Am nächsten Donnerstag geht es mit Berlin weiter, am Montag bespreche ich ein Buch, das an diesem Tag erscheint.