An einem sonnigen Nachmittag bummelte ich an einem Stück der Berliner Mauer entlang. Ich versuchte die Graffitis auf der Mauer zu entschlüsseln, meistens ohne Erfolg. Mein Grübeln wurde unterbrochen, als auf halber Strecke ein Plakat über die Mauer lugte. Auf dem Plakat war der Kopf einer jungen Frau zu sehen, davor standen die Worte „Ganz ehrlich.“ „Ganz ehrlich“- was wollte man mir mitteilen? Und warum ganz ehrlich? War man früher halb, mehroderweniger oder nur ein bisschen ehrlich gewesen und wollte jetzt endlich mal ganz in die Vollen mit der Wahrheit gehen? Dieser Vermutung widersprach der Gesichtsausdruck der jungen Frau. Kein Blickkontakt mit mir, ihre Augen sahen mit leichtem Spott in eine nahe Ferne. War das Ehrlichsein doch schwieriger als gedacht? Ihr Mund hatte den Monalisastil, ihre rechte Hand stützte das Gesicht leicht ab, eine etwas verunglückte Denkerpose, die das Ganzehrlichgesäusel nicht glaubhafter machte.
Ehrlichkeitsgeplänkel, Ehrlichkeitslitanei, Ehrlichkeitspokerface, Ehrlichkeitskuriosum, Ehrlichkeitsorakel- ich dachte mich in Rage bis zum heutigen Tage.
(Bitte lesen Sie Tage in diesem Fall wie Rage, also mit weichem j, damit es sich reimt-vielen Dank.)
Letzte Woche stellte ich Ihnen ein aktuelles kleines Geburtstagsgedicht vor. Dafür bekam ich viel Zuspruch. Das hat mich sehr gefreut und motiviert, vielleicht noch einen zweiten Geburtstagsvers zu schmieden. Hier ist er:
Hast du Geburtstag in diesen Zeiten, muss ich dir eine besondere Freude bereiten! Ab sofort kannst du mit mir skypen oder mich auf Instagram liken.
Lass uns auf Skype auf dich einen Gläschen Sekt trinken und uns einander liebevoll zuwinken. Danach singe ich dir ein Geburtstagsständchen ganz famos und dann bist du mich auch fast schon wieder los. Wünsche dir nur noch das Allerbeste zu deinem, hoffentlich gesunden, Wiegenfeste!
Morgen stelle ich Ihnen drei Bücher vor, die meinen momentanen Schreibfaible ausgelöst haben.
Der unten stehende Beitrag zur Veränderung der Sprache in der momentanen Situation erschien gestern in der WAZ. Ich habe dazu erstens eine Ergänzung und zweitens eine Idee.
Die Ergänzung: Sollten Sie in nächster Zeit einen passenden Geburtstagsreim suchen, stelle ich Ihnen diesen gern zur Verfügung. Er ist an einem Reim von G.E.Lessing angelehnt.
Weg, weg mit Reimen und den Schwänken wollen jetzt nur noch doll an dich denken! Wir gratulieren dir ganz lieb und schnell wünschen dir viel Gesundheit, Glück und für solche Zeiten ein ganz dickes Fell!
Die Idee: Ich lese gerade dieses Buch mit viel Vergnügen.
Es gibt so schöne Wörter in der deutschen Sprache, die immer seltener benutzt werden. Das ist wirklich schade und ich möchte Ihnen deshalb in den nächsten Wochen einige dieser Wörter vorstellen und sie ermutigen, etwas gegen das Aussterben der Wörter zu tun. Einverstanden? Oder ist das für Sie nur Firlefanz?
Der Zeitungsartikel: Berlin „Bleib gesund“ oder „Bleiben Sie atmungsaktiv“: Mit der Coronavirus-Pandemie haben sich Abschiedsfloskeln in der Alltagssprache innerhalb weniger Tage rasant verändert. Für Forscher sind viele solcher Reaktionen hilfreich – als Ventil in schwierigeren Zeiten. Wenn etwas bedrohlich erscheine wie die Pandemie, versuchten Menschen, sich zu entlasten, sagt Peter Schlobinski, Vorstandschef der Gesellschaft für deutsche Sprache. „Die Sprache ist dabei ein wichtiges Mittel.“ Er beobachtet Veränderungen bis hin zu E-Mail-Wechseln. Auch dort stehe nun oft „Bleiben Sie gesund!“, sagt der Germanist. „Das sind typische Reaktionen auf eine besondere Situation. Diese Floskeln sind schon vorhanden, aber sie werden bei diesem Anlass nun besonders häufig gebraucht.“ Kreative Situationsbewältigung.Der Virus? Das Virus!
Selbst die Fachsprache bleibe gerade nicht vor Änderungen verschont. In ihr heiße es „das Virus“, betont Schlobinski. Umgangssprachlich sei es aber „der Virus“. „Ich habe den Eindruck, dass wir nun immer häufiger diese maskuline Form hören. Sogar Chefärzte sagen das jetzt.“ Vielleicht werde „das Virus“ nun sprachlich kaltgestellt.
Oder Quarantäne: Für Germanisten ist das die seltene Wiederbelebung eines fast ausgestorbenen Wortes. Doch wer wusste bisher, was exponentielles Wachstum ist? „Ein Fachbegriff aus der Mathematik, der sich jetzt viral verbreitet“, sagt Schlobinski. „Nach der Corona-Krise weiß vielleicht jeder Zweite, was damit gemeint ist.“ Und: Virus, Corona, Homeoffice – alles schon jetzt heiße Kandidaten für den Titel „Wort des Jahres“. dpa
Wenn Sie schon auf Galgenhumormodus umgeschaltet haben und mit guter Laune und Optimismus nichts mehr anfangen können, hier ein Extrabeitrag für Sie:
In unserer Sprache finden bereits die ersten Veränderungen statt. Wer heute z.B. Klinken putzt, hat jetzt sicherlich ein besseres Ansehen…
Mein Mann und ich waren am gestrigen Morgen im T-Slot. ( „Copyright“ auf das Wort Linda Broszeit). Wir waren just in dem Moment in einem Supermarkt, als eine Toilettenpapierlieferung (meine Rechtschreibprüfung zeigt an, dass sie dieses Wort nicht kennt!) eingeräumt wurde. In Windeseile war das Regal leergeräumt, zumeist von Legasthenikern (es gab einen Hinweis auf knallrotem Papier, nur zwei Packungen mitzunehmen). Die Kassiererinnen machten frustrierte Mine zum bösen Spiel.
Und dieses Fundstück machte ich gestern früh in einem 1-Euro-Laden.
Entweder besitzt die Person, die diesen Laden managt, kein Fingerspitzengefühl oder sie ist eine Verkäuferin am Puls der Zeit und hat den Sensenmann bewusst für ihr Corona-Party-Klientel platziert.
War Ihnen das jetzt doch zu düster?
Gerechterweise muss ich sagen, dass es in diesem Laden auch stimmungsaufhellende Kisten gab.
Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mir vom Autor des Buches, das ich gerade lese, direkt weitere Bücher bestellt. Name des Autors: Walle Sayer.
Walle Sayer ist für mich ein Meister, in Gedichten oder Texten Alltagssituationen und Gefühle zu beschreiben. Sein außergewöhnliches Talent liegt in der Gabe, genau zu beobachten und dies mit z.T. neuen Wortschöpfungen prägnant zu beschreiben, wie z.B. Erinnerungsdeponie, Fettnäpfchenparcour oder Gefühlsimitat. Hier ein paar Texte:
Dies sind vier von achtunddreißig Ratschlägen, die der Anwalt Björn Diemel von seinem Coach bekommt, nachzulesen in diesem Buch:
Der beruflich stark beanspruchte Anwalt geht zu einem Coach, weil seine Frau sich sonst scheiden lässt. Diemel verinnerlicht die Sprüche so sehr, dass er seine Ehe rettet, er sich beruflich aber auch einiger Widrigkeiten entledigt und zum Mörder und Chef zweier Banden wird. Völlig stressfrei und ganz den Regeln der Achtsamkeit folgend.
Ich möchte Sie natürlich nicht ermutigen, 2020 einen ähnlichen Weg wie Björn Diemel einzuschlagen, aber diese 38 Regeln der Achtsamkeit, die die einzelnen Kapitel des Krimis einleiten, sind nicht ohne und eignen sich durchaus für gute Vorsätze im neuen Jahr.
Der Krimi hat mich als Hörbuch bestens unterhalten, denn es wird vom Schauspieler Matthias Matschke gelesen. Wie seine Rollen im Fernsehen und Theater sehr unterschiedlich sind, so ist auch seine Stimme sehr facettenreich. Herrlich, wie er Unterweltbosse oder Hipster-Väter in einem Kindergarten reden lässt. Und natürlich seine samtweiche Stimme beim Vorlesen der Achtsamkeitsregeln nicht zu vergessen.
Wünsche Ihnen ein gesundes und achtsamkeitgesteigertes 2020!
Für den Denker und für alle erfindsamen Geister ist Langeweile jene unangenehme „Windstille“ der Seele, welche der glücklichen Fahrt und den lustigen Winden vorangeht.
Er gefiel mir sehr gut – sollte ich mein Motto „Bloß keine Langeweile!“ vielleicht noch einmal überdenken? Ich fand das Zitat in einer Spruchsammlung eines Herrn, bei dem ich so einen Satz nie vermutet hätte. Auch folgende Sätze überraschten mich bei ihm:
Das beste Mittel, jeden Tag gut zu beginnen ist, beim Erwachen daran zu denken, ob man nicht wenigstens einem Menschen an diesem Tage eine Freude machen könne.
Die Hoffnung ist der Regenbogen über den herabstürzenden Bach des Lebens.
In der Natur fühlen wir uns so wohl, weil sie kein Urteil über uns hat.
Die größten Ereignisse, das sind nicht unsere lautesten, sondern unsere stillsten Stunden.
Obwohl: Wenn ich bedenke, dass dieser Satz „ Man muss noch Chaos in sich haben, um einen tanzenden Stern gebären zu können.„ schon auf T-Shirts gedruckt wurde, dann habe ich Herrn… vielleicht in eine falsche Schublade gesteckt und muss mich mal wieder mit ihm beschäftigen. Haben Sie erraten, wer es ist? Ein weiterer bekannter Satz lautet: Was mich nicht umbringt, macht mich stärker.
Falls Sie noch ein bisschen Gehirnjogging machen möchten, hier die Buchstaben seines Vor-und Nachnamens:
IHFDRECRI ZESIHCNTE
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