Alt, aber nicht zu alt

Dieses Buch fand ich im Bücherschrank auf der Kaldenhauser Liebigstraße. Da ich dieses Jahr einen 0-Geburtstag vor mir habe, war der Titel für mich so etwas wie der Wink mit dem Zaunpfahl.

In dem Buch finden sich 15 Thesen für unsere heutige Gesellschaft, wobei die Mehrzahl der Aussagen sich auf das Älterwerden bezieht, es aber auch provokante Aussagen gibt, wie z.B. zur niedrigen Geburtenrate (Autoren sehen das als sehr positiv an), Verteilung der Bildungsausgaben ( es muss mehr für die Bildung der Alten getan werden) oder Terrorismus (zu hohe Geburtenraten in Entwicklungsstaaten fördern Gewalttaten dieser Art).

Zum Thema Altwerden:

Die jetzt älter werdenden Babyboomer stehen vor einer noch nie dagewesenen Situation. Früher bestand das Leben aus Kindheit und Jugend-Erwachsensein-Altsein, wobei das Altsein Zeit ließ, sich etwas um seine Briefmarkensammlung zu kümmern bis man starb. Heute, wo alle Menschen sehr viel älter werden, ist die Zeit von 60-80 Jahren ein neues Zwischenleben, das es mit sinnvollem Zeitverbringen zu füllen gilt. Dafür gibt es noch keine wirklich guten Rezepte und so sind die Erfahrungen dieser Generation für die Zukunft äußerst wichtig.

Ehrenämter auszufüllen ist gut und schön, aber die Autoren regen beispielsweise auch an, Möglichkeiten für bezahlte Arbeit zu schaffen, die altersentsprechend sind und gibt dafür mehrere Beispiele. Die Erfahrung und die Zeit der Älteren gepaart mit der Neugierde und dem Enthusiasmus der Jüngeren wären für die Zukunft der Gesellschaft so sehr gewinnbringend.

Wenn man sich in diesem „Zwischenleben“ befindet, sollte man nicht einem schnell lächerlich wirkenden Jugendwahn verfallen und abnehmendes Verlangen nach Sex nicht mit dem Verlust von Liebe gleichsetzen. Auch muss gut überlegt sein, ob Träume, die man seit langer Zeit hegte, jetzt wirklich noch erfüllt werden müssen, selbst, wenn das Bauchgefühl eigentlich etwas Anderes sagt. Ganz wichtig deshalb: Das Loslassen von alten Vorstellungen und auch von überflüssigem Besitz. Nur so kann man offen sein für viele neue Erfahrungen in dieser Lebensphase.

Ich bejahe nicht jede Aussage dieses Buches und doch könnte ich noch so viel mehr schreiben. Aber eigentlich wäre es besser, wenn Sie das Buch selber lesen. So gibt es auch noch bemerkenswerte Gedanken über Einsamkeit und Alleinsein, das Kranksein im Alter und auch über den Tod.

Und sei es auch nur im tiefsten Inneren, so hat jeder zeitweise Angst vor dem Alter und vor dem Sterben. Wie der Untertitel des Buches andeutet, muss diese Angst nicht sein, wenn man einige Wahrheiten und bisher eher noch unkonventionelle Ideen beherzt. 

Sollten Sie das Buch lesen wollen, stören Sie sich nicht daran, dass es von 2007 ist. Es hat sich seitdem nichts an der Situation der älteren Menschen geändert. Oder doch, eigentlich schon: Die heute 60-80jährigen sind noch jünger im Geiste geworden. Die Affinität zu neuen Technologien ist gewachsen und sie fangen an, sich mehr in politischen Fragen und für die Umwelt zu engagieren. Schließlich hatte diese Generation ihre Jugend in der „Der Jute statt Plastik“ – und „Atomkraft nein danke“-Zeit.

Morgen stelle ich Ihnen die Phrasendreschmaschine vor und verbinde dies mit einem Rätsel.

 

 

Manipulation aus Stein

Wenn man eine Kathedrale besucht, dann ist es offensichtlich, dass die Höhe des Gebäudes dazu beiträgt, dass man als Besucher der Kirche mehr oder minder erfurchtsvoll nach oben sieht und sich dabei ganz klein fühlt. Doch gibt es in unseren Städten noch weitere Gebäude, Plätze oder Straßen, die uns durch ihre Form, ihre Größe oder Länge oder auch durch ihre Baumaterialien manipulieren ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Dieses Buch öffnet uns die Augen:

Der Autor ist Neurowissenschaftler und Experimentalpsychologe und untersucht das Verhalten der Menschen in Städten und Räumen. Er schreibt über den heutigen Status Quo der Erkenntnisse auf diesem Gebiet und gibt dabei viele anschauliche Beispiele. (So habe ich beispielsweise gedacht: „Schade, dass diejenigen, die für die Umgestaltung des Duisburger Bahnhofplatzes zuständig waren, das Buch nicht vorher gelesen haben). Colin Ellard wirft auch einen Blick in die Zukunft, die schon angefangen hat, doch deren Konsequenzen ich mir erst nach der Lektüre richtig ausmalen konnte. Gemeint sind die virtuellen Realitäten. Es stecken sehr viele positive Möglichkeiten in dieser Technik, doch haben mich manche beschriebenen Auswirkungen fatal an den Film „Die Zeitmaschine“, gedreht nach dem Buch von Wells, erinnert. In ferner (???) Zukunft sind die Menschen dank Gehirnwäschen und Verunselbständigung nur noch Puppen, mit denen diejenigen, die das Sagen haben, alles machen können. Gruselig!

Um Ihnen einen Einblick in den Schreibstil zu geben, hier eine kurze Textpassage:

P.S. Oculus Rift ist eine Firma, die Brillen für virtuelle Realitäten herstellt.

Im Laufe des Jahres denke ich immer wieder:“Das ist das beste Buch, das du dieses Jahr gelesen hast! Besser wird es nicht!“ Aber dann kommt wieder ein Buch, das mich richtig begeistert. Wie dieses hier (oder das von gestern)…

Morgen wird auch gebaut, aber spontan im Garten.

 

Der Röntgenblick in Bauwerken

Die Ideen zu den Fragen meines Wochenendrätsels bekam ich aus diesem Buch.

Geschrieben ist es von einer indischen Ingenieurin, die momentan als eine der führenden Wissenschaftlerinnen in der Welt angesehen wird und schon mehrmals für Ihr Tun ausgezeichnet wurde.

Einer der ersten Gedanken, die ich bei diesem Buch hatte war: „Hättest Du doch so eine Physiklehrerin gehabt!“ Wir begleiten sie beim Lesen zu mehreren Gebäuden und Brücken, an deren Bau sie beteiligt war und sie erklärt mit ganz einfachen Zeichnungen, welche physikalischen Kräfte wie beim Bauen wirken. Aber es sind nicht nur diese Kräfte, die Ingenieure beachten müssen, sondern beispielsweise auch elementare wie  Wind, Regen oder Hitze. Fragen: Wie ist die Bodenbeschaffenheit, wo gebaut werden soll? Ist es ein Erdbebengebiet? Welche Luftverschmutzung herrscht an dem Ort? kommen dazu. Das ist die eine Seite. 

Die andere Seite: Wenn ein Ingenieur die Pläne des Architekten bekommt, muss er sich mit den gewünschten Baumaterialien beschäftigen. Ist der Entwurf so mit Glas, Stahl, Beton zu verwirklichen?  Die Autorin nimmt den Leser mit auf einen geschichtlichen Exkurs des Baumaterials. Wer brannte den ersten Ziegel? Wer erfand den Stahlbeton? Dabei wird das Buch zu einem Reiseführer, denn sie stellt Bauwerke vor, die für die Geschichte der Bauingenieurskunst von großer Bedeutung sind.

Am Ende des Buches gibt es noch Schmankerl. Da ist einmal die Geschichte von Emily Warren Roebling, die durch den Tod ihres Schwiegervaters und die Krankheit ihres Mannes in die Rolle einer Ingenieurin quasi hineinwuchs und die New Yorker Brooklyn Bridge zusende baute. Damit ist sie wohl überhaupt eine der ersten Ingenieurinnen.

In zweiten Schmankerl erzählt Roma Agrawal. wie ihr zukünftiger Ehemann, den sie zuerst gar nicht mochte, sie mit Geschichten über besondere Brücken bezierzte und lässt uns an den Geschichten teilhaben.

Das Buch ist in einem lockeren Ton geschrieben. Die Begeisterung der Autorin für die Ingenieurskunst ist ansteckend, so ansteckend, dass ich folgenden Zeitungsartikel, der vor einigen Tagen erschien, schon viel interessierter las:

Wieder ein Buch, das dazu beiträgt, die Selbstverständlichkeit, mit der man vieles einfach hinnimmt, etwas zu minimieren.

Nein, ich habe die Antworten auf meine Rätselfragen nicht vergessen! Vielleicht lesen Sie sich die  Fragen jetzt noch einmal durch, nachdem Sie wissen, welches Thema das Buch hatte? Dann sind die Antworten eigentlich klar.

Das Pendel im Wolkenkratzer Taipei 101 dient dazu, bei Erdbeben den Tower zu stabilisieren.

Elfenschornsteine stehen in der Türkei, genauer gesagt in Kappadokien und sind bizarre Felsformationen aus Vulkangestein.

Die Rindenspinne schafft es, 25 Meter lange Spinnetze über Flüsse zu spinnen. (War aus einer dieser besonderen Brückengeschichten). Die Rinde in ihrem Namen weist auf ihr Aussehen hin.

Nachdem ich Ihnen heute ein Buch vorgestellt habe, dass das Bauen erklärt, bespreche ich morgen ein zweites Buch, in dem es darum geht, wie Gebäude auf uns wirken und was sie mit unserer Psyche anstellen können.

 

 

 

 

 

 

Ich hätte mich jetzt gerne mit ihm unterhalten

Der Schriftsteller Dieter Wellershoff ist im Juni dieses Jahres gestorben. Als ich von seinem Tod las, kamen bei mir Erinnerungen zurück an seine Lesung in meiner „kleinen“ Bücherinsel Anfang der achtziger Jahre. 

Herr Wellershoff war damals freundlich, ruhig, fast distinguiert und hatte für mich die Aura eines großen Gelehrten. Das schüchterte mich als Mittezwanzigjährige ein und ich habe nicht viele persönliche Worte mit ihm gewechselt. Wie sehr bedauere ich dies jetzt! Anläßlich seines Todes erschienen diverse Nachrufe und es wurden Teile von alten Interviews und Auszüge aus Büchern veröffentlicht. Einiges habe ich gelesen und manche Sätze sprachen mich sehr an. Hier ein Beispiel:

Das Leben bekommt sogar durch den Tod seinen Wert. Das Leben ist das, was wir erzählen müssen, auch weil es uns genommen wird, oder in das wir hineinkommen, weil wir es uns zu eigen machen und es dadurch zu einer eigenen Sache machen, also ein Gewinn an Erfahrung.

Trost wegen der verlorenen Chance einer Unterhaltung spendete mir sein Buch „Was die Bilder erzählen: Ein Rundgang durch mein imaginäres Museum“

Wellershoff war zeitlebens ein großer Kunstliebhaber und hat mit 87 Jahren für dieses Buch 230 Bilder von knapp 80 Künstlern ausgewählt, die für ihn etwas Besonderes darstellen. 
Man begegnet nur wenigen sehr berühmten Bildern wie z.B. „Der Schrei“ von E. Munch oder „Guernica“ von Picasso. Vielmehr lädt er zum Betrachten von Gemälden ein, die entweder von unbekannteren Künstlern stammen oder aber in der Schaffensmenge angesagter Maler den Durchbruch an Bekanntheit in der großen Öffentlichkeit bisher nicht schafften, obwohl sie es verdient hätten. Je länger man in dem Buch zuerst die Bilder betrachtet, desto mehr achtet man auf Einzelheiten, macht sich seine eigenen Gedanken und ist dann gespannt, was Wellershoff zu den Bildern schreibt. Und da sind sie dann wieder, diese tollen Sätze von ihm, die man unterstreichen möchte.

Adolph Menzel, Ilja Repin, Neo Rauch und Mark Rothko- vier Künstler, zu ihnen fand ich bisher entweder keinen Zugang (Rauch und Rothko) oder wusste ihr meisterliches Können nicht richtig zu würdigen. Der Blick auf ein kleines neues Universum wurde für mich freigelegt und dafür bin ich Herrn Wellershoff sehr dankbar.

Morgen geht es mit der Rouissillon-Reise weiter und wir fahren durch die Weinberge.

 

 

Ich schwelgte aus gutem Grund

In den letzten Wochen habe ich immer wieder ein Kapitel in diesem Bildband gelesen, bzw. in den Fotos geschwelgt.

Dreißig amerikanische Frauen und Männer, die sich für ihre kreativen Stunden ein eigenes Refugium geschaffen haben, öffneten ihre Türen. Ihre Ateliers werden in dem Buch beschrieben, die Künstler geben bereitwillig Auskunft, was für sie dieser Ort bedeutet. 

Die Ateliers unterscheiden sich teilweise sehr. Manchmal sind sie nur ein paar Quadratmeter groß, dann hat ein Künstler 6000 qm zur Verfügung. Auch kommt es darauf an, was der Einzelne künstlerisch macht. Ist es z.B. Schmuck entwerfen, Skulpturen erschaffen, Beschäftigung mit Airbrush oder mit alten Papieren und Fundstücken für ausgefallene Collagen und Assemblagen. Strukturiertes Sammeln gepaart mit kreativem Chaos und besonderen persönlichen Erinnerungsstücken, so kann man das Erscheinungsbild fast aller Studios beschreiben. Interessant fand ich, dass mehrere Künstler erzählten, dass das immer wieder  Neu-Arrangieren von Gegenständen für sie sehr wichtig sei, da das einen kreativen Schub gäbe.

Die Gemeinsamkeiten der Ateliers: Es wird fast überall inspirierende Musik gehört. Das Atelier ist für die einen fast wie ein Kokon, in dem sie angeschirmt sind von den Unbillen des Alltags. Auch bezeichnet eine Künstlerin ihr Studio als Erinnerungsmuschel. Dieser Raum tut allen gut, Körper und Seele entspannen. Eine andere Frau sagt, das es ein Raum ist, in dem nur Gutes entsteht, für sie selbst und ein Kunstwerk, das die Welt ein bisschen schöner und/oder freundlicher macht.

Der Titel dieses Blogbeitrags gibt einen Hinweis auf ein persönliches Anliegen. Im Februar schrieb ich, dass ich mir im Keller unseres Hauses eine kleine Werkstatt eingerichtet hätte. Ich habe dort auch einige Zeit verbracht, doch war letztendlich die stets kühle Temperatur nicht zuträglich und mir fehlte auch das Tageslicht. Nun hat sich eine neue Situation gegeben und ich kann „ans Licht ziehen“. Ein Raum in der ersten Etage mit Blick auf unseren Garten wird nun mein „Atelier“ (Oder ist es doch eher ein Studio, ein Hobbyraum oder eine Werkstattt)? Bis es ganz fertig eingerichtet ist, wird es noch dauern, aber ein paar Einblicke biete ich Ihnen morgen. Beim Fotografieren des Raumes habe ich gemerkt, dass ich einige Anregungen aus dem Buch übernommen, aber teilweise auch andere Bedürfnisse habe, verglichen mit den Künstlern der Buches. Für mich ist es keine Muschel, ich brauche Platz zum Durchatmen…

Unschlagbare Bücher-Kombination

Gehören Sie auch zu den Parallellesern, d.h. lesen Sie mehrere Bücher gleichzeitig? Ich habe meistens zwei bis drei gleichzeitig „laufen“. So kam es dann zu folgender Kombination:

Ich fing mit dem Krimi an dann kam das Baum-Sachbuch kam dazu. Toll!

Zum Krimi:

Anja studiert Forstwirtschaft und muss ein Praktikum absolvieren. Sie wird in Weiden zum Waldkatieren eingesetzt. Ein folgenschwerer Zugall, denn diese Gegend kennt Anja aus ihrer Kindheit. Zusammen mit ihren Eltern verbrachte sie hier zweimal die Ferien auf einem Bauernhof. Der zweite Urlaub endete in einer Katastrophe, denn ihr Vater kehrte von einem Waldspaziergang nicht mehr zurück. Seine Leiche wurde nie gefunden, ob damals ein Mord geschah, konnte nicht ermittelt werden. Jetzt ist Anja wieder da und die Familienmitglieder des Bauernhofes reagieren sehr unterschiedlich. So extrem unterschiedlich, dass ein Familienmitglied nach dem zweiten Zusammentreffen mit Anja im Wald zuerst seine Mutter und sich dann selbst ermordet. Die Dorfbewohner sind schockiert und geben indirekt Anja die Schuld an der Tragödie. Anja versucht derweil zu arbeiten und Ungereimtheiten in dem Waldstück, in dem ihr Vater verschwunden ist, aufzuklären. Eine Reihe alter Männer und der zuständige Polizeibeamte versuchen sie daran zu hindern, denn sie befürchten, dass Anja neben der Leiche noch etwas ganz anderes finden wird. Doch Anja lässt sich nicht stoppen, denn langsam kommen auch Erinnerungen aus ihrer Kindheit wieder.

Ein ausgefallener Krimi, in dem die Beschaffenheit des Waldes Anja auf die richtige Spur bringt.

Kein Wunder also, dass ich parallel dazu das Baumbuch mir zu Gemüte führte. Es stand 2015/2016 monatelang auf der Bestsellerliste, deshalb möchte ich es nicht groß zu besprechen. Sehr interessant zu lesen, sehr viele Informationen, die ich beim ersten Lesen allerdings leider kaum behalten konnte. So lieh ich mir in der Bücherei noch denselben Titel als Bildband aus, weil ich mir durch die Fotos noch ein besserer Verständnis versprach.

Die Fotos sind wunderschön und verbreiten traumhafte Waldatmosphäre. Zum Verständnis tragen sie nicht so sehr bei.

Morgen soll es ja kühler werden, da ist der Kopf bestimmt für drei Rätsel frei, oder?

Auf Wiedersehen Kohlebergbau- hallo Papier!

Als „Papierfrau“ war das Lesen dieses Buches für mich obligatorisch.

Das Titelbild ist doch wunderschön, oder? Man versinkt in die Welt der japanischen Papierkunst, ist quasi im Papierparadies. Konsequenterweise beginnt das Buch auch mit der Geschichte der Papierherstellung im alten China, wo der Autor Höhlen besucht, in denen man Papier gefunden hat, das aus der Zeit 2000 Jahre v.Chr. stammt und damit wohl der älteste Papierfund der Welt ist. Der Leser reist kurz nach Ägypten und dann nach Japan, wo es noch einige wenige Menschen gibt, die die traditionelle Herstellung von Papier beherrschen und in Japan damit zum „Lebendigen Kulturschatz“ ernannt wurden. (Altes Handwerk als Kulturschatz zu ehren und zu schützen-welch großartige Idee!) Diesen Teil machen aber nur die ersten 50 Seiten aus. Papier im arabischen und europäischen Mittelalter sind die Themen der nächsten Kapitel. Auch dies ist sehr kurzweilig zu lesen. Wir lernen beispielsweise, dass Enzyklopädien keine Erfindungen der Neuzeit sind, sondern es im 12.Jahrhundert im arabischen Raum bereits diverse umfangreiche Lexika gab. Auf der anderen Seite wurde Papier zu der damaligen Zeit auch als Teufelswerk angesehen.

Angekommen in der Neuzeit, wird das Buch dann noch abwechslungsreicher und teilweise richtig spannend. Wie wurde z.B. Zigarettenpapier erfunden? Ein wunderbares Beispiel zum Thema Bürokratie im 18. Jahrhundert gibt der Autor, indem er die französische Verordnung zu den verschiedenen Papiersorten abdruckt. Und dann sind da noch die Ausblicke in die Zukunft des Papiers. „Die Zechen der Zukunft werden die Zonen gr0ßer Konsumentenansammlungen sein“ ist ein Zitat aus dem Buch. Welche Möglichkeiten der Papierherstellung und Papierverwendung heute erforscht werden, das ist mutmachende Science Fiction im besten Sinne.

***** für dieser Buch!

Zwischen Bewunderung, Staunen und Ablehnung

Lisa ist Ende vierzig, als sie zu erblinden beginnt. Sie sucht diverse Ärzte auf und erst nach vielen Monaten wird festgestellt, dass sie an Vaskulitis leidet, einer unheilbaren Krankheit, die sie nicht nur blind macht, die auch ihr Herz und ihre Nieren angreift und sie später ihr Gehör verlieren lässt.

Die Autorin bekommt eine tiefe Depression, verkriecht sich. Verschlimmert wird die Situation, als ihr Mann Al erst einen Herzanfall hat und dann zwei Schlaganfälle, durch die er teilweise sein Kurzzeitgedächtnis und die Kontrolle über seine Sprache verliert. Nun ist sie gezwungen, ihrem Mann zu helfen, was aber kaum möglich ist. Glücklicherweise verbessert sich Als Gesundheitszustand, worauf Lisa sich erneut fallen lässt. Die Ehe hängt an einem seidenen Faden, als Al Lisa ihren Schulmalkasten hinstellt. Sie soll endlich etwas tun, sie soll malen! Lisa hat sich nie für Kunst interessiert, doch sie nimmt die Herausforderung an und will genauso gute Bilder malen wie sehende Künstler.

Jahre vergehen. Lisa besucht Kurse, sie verkauft ihre Bilder auf Kunstmärkten, Galerien und im Internet. Ihr Bekanntheitsgrad nimmt kontinuierlich zu, Zeitungsreporter interviewen sie, sie wird zu Vorträgen an Universitäten eingeladen. Im Radio ist sie eine gefragte Gesprächspartnerin. Doch geht auch alles zu lasten Ihrer Gesundheit und plötzlich hört sie zu malen auf. Eine neue Idee reift in ihr heran: Sie beide eröffnen eine Frühstückspension. Wenn auch anfänglich mit großen Schwierigkeiten wird auch das ein Erfolg und Lisa beginnt darüberhinaus  wieder an zu malen. Damit endet im Jahr 2004 das Buch.

Lisa ist, wie sie selber im Laufe des Buches einsieht, am Anfang eine äußerst unsympathische Frau. Der Schock, blind zu sein, trägt dazu bei, was verständlich ist, doch ihr ungeheurer Ehrgeiz, es allen zu zeigen und genauso leistungsfähig zu sein, wie eine sehende Person, macht sie unangenehm. Sie ist empört, wenn man sie nicht wie eine Sehende behandelt und ihr helfen möchte, sie ist aber auch empört, wenn man ihr als Blinde nicht hilft, wenn sie doch Hilfe braucht.

Lisa kämpft, dafür bewundere ich sie. Lisa malt stimmungsvolle Landschaften oder Alltagsszenen. Darüber staune ich. Wofür ich kein Verständnis habe ist die Tatsache, dass sie Raubbau an ihrer Gesundheit betreibt, nur um es sich und anderen zu beweisen. Es liegt vielleicht an ihrer Kindheit, in der sie ihren Eltern, die sie nicht liebten, immer zeigen wollte, wie gut und wie selbständig ist. Aber trotzdem…

Ich habe versucht, im Internet mehr über die Autorin zu erfahren. Es war nicht viel: 2005 verkauften sie und ihr Mann alles und wanderten nach Südamerika aus. Aus gesundheitlichen Gründen und um dem Fokus der Öffentlichkeit zu entfliehen. Sie kehrten seitdem nur wenige Male in die USA zurück. In diesem Jahr feiert Lisa ihren 70sten Geburtstag. Das wars.

Wenn Sie sich ein paar Bilder von Lisa Fittipaldi ansehen möchten:

https://bit.ly/2snyu4I

Ab morgen berichte ich wie schon angekündigt über ein paar Tage an der Ostsee.

 

Nichts Neues unter der Sonne

Welche Ziele hatten Larry Page und Sergey Brin, als sie Google erfanden? Könnte man es so formulieren?

Ich denke schon, nur stammt dieser Text nicht von den beiden, sondern von den Gebrüdern Fielding und er erschien 1751…

Sie nannten sich Adressbüro, Universal Register-Office, Fragamt oder Berichthäuser und etablierten sich ab 1586 in den Hauptstädten Paris, London, Berlin oder Wien. (In der Habsburger Monarchie und bei den Preußen wurden auch kleinere Städte interessant, so wurde auch Duisburg 1727  zum Knotenpunkt eines Adressbüro-Netzes).

Die Idee dazu hatte ein Herr aus der Familie de Montaigne. Nein, es war nicht „mein VIP“ Michel, sondern sein Vater Pierre Eyquem. Aber Michel de Montaigne berichtet 1580 in einem Essay über die Idee seines Vaters und so kam es 1586 zur ersten Gründung eines Adressbüros  durch einen Franzosen.

Die Aufgaben der Büros waren sehr vielfältig wie z.B. die Registrierung von zu verkaufenden Immobilien und freien Arbeitskräften- am Anfang  zwei Schwerpunkte dieser Einrichtungen. Die Büros wurden zusätzlich zu Detektivbüros, Meldeämter für Touristen oder Mitfahrzentralen. Man bot dort Waren an und unter Leibnitz übernahm das Büro kulturelle Aufgaben,  ein Lesesaal wurde eingerichtet oder man traf sich zum Diskutieren. Besonders pfiffige Ideen, um die Kundenfrequenz im Büro zu erhöhen, hatte das Fragamt in Bratislava. Hier konnte man Sachen zum Einfärben abgeben, erste Versuche der Geldvermittlung wurden gestartet und oder wer Flaschenleergut unbeschädigt zurückbrachte, bekam „auch den 5ten Groschen wieder zurück“. (Das war 1782!)

Der Erfolg dieser Büros hielt allerdings oft nicht lange an. Schon damals gab es „Probleme mit dem Datenschutz“ beim Registrieren der Leute, die die Dienstleistungen eines Büros in Anspruch nehmen wollten. Die Einzelhändler beschwerten sich über das große Warenangebot, das in den Räumen der Büros gezeigt wurde und dass man sort direkt einkaufen konnte. Schließlich kamen die Büros auch immer wieder in Verdacht, politisch konträr zur Monarchie oder zur bestehenden Regierung zu agieren. Hatten die Büros am Anfang durch Plakate auf ihr Angebot aufmerksam gemacht, gab es schon bald Informationsblätter mit Anzeigen, daraus wurden schließlich Zeitungen, in denen zu den Anzeigen auch Artikel veröffentlicht wurden. Und dann war da noch das Problem der Bezahlung: Die Bevölkerung fanden die Büros sehr nützlich, doch für die Dienste zahlen wollten die Leute nicht. So mussten Büroeigentümer auch oft wegen mangelndem Geldes wieder schließen.

Kommt Ihnen das alles bekannt vor? Deshalb entschied ich mich auch für diesen Blogtitel. Das Buch bietet noch eine Reihe weiterer erstaunlicher Tatsachen rund um die Themen Medien und Kommunikation. Allerdings gab es auf den 175 Seiten auch viele Wiederholungen, welche Dienstleistungsangebote es in welcher Stadt gab. Das hätte man etwas straffer schreiben können, so blätterte ich manchmal etwas genervt ein paar Seiten weiter.

Nächster Blogeintrag kommt übermorgen am 14.6., passend zur Eröffnung der Fußball WM. 

 

 

Fangen Sie bei diesem Buch von hinten an

Dieses Buch hatte ich mir letztes Jahr zum Geburtstag gewünscht und freute mich sehr darauf, es zu lesen. Nach den ersten drei Kapitel ermattete die Freude, nach sechs Kapiteln begann ich ein neues Buch. Ich ärgerte mich darüber, denn es ging eher beiläufig um die Häuser, sondern vielmehr um ihre Bewohner mit ihren Klatsch- und Tratschgeschichten oder außergewöhnlichen Lebensentwürfen. Können auch interessant sein, aber ich wollte doch mehr über außergewöhnliche Häuser erfahren. Ich schmollte. 

Jetzt bekam das Buch mit anderen eine zweite Chance, denn ich nahm im Urlaub nur Bücher mit, die ich aus verschiedenen Gründen nicht zusende gelesen habe.

Warum auch immer, ich fing dieses Mal das Buch von hinten an. Vielleicht, weil das letzte Kapitel sich dem Thema Ferienhaus annahm. Und ich war begeistert! Vorletztes Kapitel dito ( wegen Bergbau vor Jahren aufgegebenes Dorf, in dem nun Flüchtlinge lebten) vorvorletztes Kapitel auch sehr interessant. Wie unterscheiden sich die Firmenbauten von Facebook, Google und Apple und was sagt dies über die Firmen aus.

Ich las dieses Mal das Buch ganz aus. Es gibt schwächere Kapitel, aber aus Ablehnung wurde Anerkennung. Merkwürdige Leseerfahrung.