Die blaue Stunde in einem Garten

Ein Fisch wartete am Eingang.

„Willkommen mein Herr, schön, dass Sie uns beehren! Genießen Sie unseren Garten zur blauen Stunde! Der Eintritt ist frei. Sie können Äpfel pflücken, Beeren sammeln, an jeder Blume riechen und sich an ihrem Duft ergötzen, fotografieren, telefonieren, sich überall ausruhen, nur eins dürfen Sie nicht: Setzen Sie sich nicht auf den Zeitstuhl! Tun Sie es trotz meiner Warnung, kann ich Ihnen nicht versprechen, dass Sie Ihre Lieben wiedersehen!“
Der Mann nickte ohne ein Wort zu sagen.
“Unser Personal steht Ihnen jederzeit zur Verfügung. Wenn Sie Fragen haben, scheuen Sie nicht, es anzusprechen.“

Hortus gehörte mit zum Personal. Er wedelte freundlich mit dem Schwanz, sagte aber nichts.

Ich wünsche Ihnen nun einen verzauberten Aufenthalt, genießen Sie die Stille und das Licht. Fangen Sie Ihren Rundgang am besten gegen den Uhrzeigersinn an und gehen Sie dort durch das Tor. Die erste Station wird der See sein. Sollten Sie das Gefühl einer Berührung haben, fürchten Sie sich nicht. Es sind die verspielten Seefeechen, die sich einen kleinen Spaß erlauben.
Bitte entschuldigen Sie, dass ich soviel rede, aber es verirrt sich sehr selten jemand in unseren Garten und ich kann mich nicht erinnern, wann das letzte Mal jemand zur blauen Stunde bei uns war.“

Der Mann bedankte sich bei dem Fisch und ging, wie empfohlen, durch das Tor.

Nach ein paar Schritten sah er diesen Stein, doch er konnte die Inschrift nicht entziffern.

Am See kam der Mann an einem Boot vorbei, auf dem ein Buch lag. Der Umschlag war verwittert, die Seiten wellig, doch es sah so aus, als hätte gerade noch jemand in dem Buch gelesen.

Neben dem Boot stand eine Bank, auf die er sich setzte. Über den See flogen ein paar Libellen, merkwürdig vibrierte die Luft.

Anscheinend waren auch viele Seefeechen unterwegs. Erst kitzelte etwas an der Wange des Mannes, dann spürte er eine leichte Berührung auf seiner rechten Hand. Er lächelte.

Nach einer Weile stand er auf und ging weiter. Niemand war gekommen, um das Buch zu holen. Links am Weg ragte das Zepter des Königs Majutan II in den Himmel, ein kleines Schild am Boden machte darauf aufmerksam.

Eine Steinmöwe näherte sich diensteifrig und erzählte dem Mann mit krächzender Stimme:

„Der Garten war früher ein Teil eines Parks, der zum Schloss von König Majutan II gehörte. Hierhin zog sich der König zurück, wenn er müde vom Regieren war. Er las, hörte den Vögeln beim Singen zu oder ließ sich von der Hofechse unterhalten. Dann geschah ein Unglück. Eines Tages kehrte der König aus dem Park nicht in sein Schloss zurück und man hat ihn nie wiedergesehen. Da König Majutan II keine Nachkommen hatte, verfielen Schloss und Park und nur wir erinnern uns noch an den König. Sein Zepter konnten wir noch retten und diesen Baldachin des Sommerhauses.“

„Wenn Sie weitergehen, werden Sie bei Guaya und Genio vorbeikommen. Guaya weint immer noch um den König, Genio ist ein harmloser Baumgeist und brabbelt den ganzen Tag vor sich hin, kümmern Sie sich nicht um die beiden.“

Der Mann setzte seinen Weg fort. Blumen, die er noch nie zuvor gesehen hatte, verströmten einen betörenden Duft.

Dann hörte er das leise Weinen. Es war herzzerreißend.

Guaya sah nicht auf, der Mann ging an ihr vorbei. Es fiel ihm schwer, sie nicht anzusprechen.

Genio brabbelte tatsächlich ohne Pause

Unterwegs pflückte der Mann einen Apfel und biss hinein. Hatte er jemals einen so süßen und saftigen Apfel gegessen?

Der Rundweg durch den Garten war länger als der Mann erwartet hatte. Er merkte, dass er müde wurde, vielleicht sollte er noch einmal eine kleine Pause machen, dort stand ja ein Stuhl. Er war etwas verrostet und sah wackelig aus, aber er wollte sich ja auch nur kurz ausruhen.

„SETZEN SIE SICH NICHT HIN!“, warnte ihn die Hofechse.

„Entschuldigen Sie, ist mein Mann eventuell hier vorbeigekommen?“
Eine junge Frau sah den Fisch fragend an.
„ Wir verbringen hier in der Nähe unseren Urlaub und wohnen in dem kleinen roten Ferienhaus, vielleicht kennen Sie es ja. Mein Mann wollte sich ein bisschen die Füße vertreten und einen Spaziergang machen, aber ist immer noch nicht zurück. Jetzt ist es schon fast dunkel, ich mache mir Sorgen. Haben Sie ihn gesehen?“

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Dieser Garten gehörte zu unserem Ferienhaus in Ostfriesland. Jeden Tag, wenn ich in ihm umherlief, fiel mir eine andere Geschichte ein. Eine wollte ich wenigstens aufschreiben.

Leben und arbeiten in einem Auto-zu zweit

Der Autor Fredy Gareis ist freier Journalist und hat für eine Reportage drei Monate mit den Hobos in den USA gelebt. Seitdem geht ihm sein Wunsch nach mehr Unabhängigkeit nicht mehr aus dem Kopf. Auch seine Freundin Patrizia will aus Hamburg weg: Arbeiten, nur um die teure Miete zahlen zu können? Wie Gareis kann sie als Radioreporterin ebenfalls überall arbeiten und ist ungebunden. So geben beide ihre zwei Wohnungen im späten Frühjahr auf, verstauen das Wichtigste in zwölf Bananenkartons und stapeln diese in ihr 21 Jahre altes Auto „Aubergine“. Auf die Kartons kommt eine Matratze zum Schlafen, als Luxus kaufen Sie eine Kühltasche umd eine portable Toilette. Fertig.
Sie fahren quer durch Deutschland, mal um Familie und Freunde zu besuchen, um beruflichen Verpflichtungen nachzugehen oder einfach, um Deutschland besser kennenzulernen- wie z.B. den Duisburger Landschaftspark. Beim Reisen ist die Hauptaufgabe, jeden Tag einen Platz zu finden, wo sie übernachten können, möglichst sicher und in freier Natur. Sie lernen viele Leute kennen, außergewöhnliche Menschen, die entweder aus finanziellem Zwang oder aus Überzeugung nur noch im Auto leben. ( Es gibt in Deutschland die Bewegung, die zunehmend an Bedeutung gewinnt. Sie heißt „Vanlife“, bei Interesse einfach mal googeln).
Das Leben auf so engem Raum ist für beide manchmal nicht leicht und es kracht ab un zu ordentlich zwischen den beiden. Aber sie möchten ihre Ungebundenheit nicht mehr missen, denn bei ihren Besuchen bekommen sie immer wieder vorgeführt, wie der konventionelle Alltag aussieht: Oft vollgestopft mit Dingen, die man nicht braucht, kaum noch Platz für Spontanität. So entscheiden sie sich, im Herbst in die USA zu reisen und dort in einem Van zu überwintern.
Das Buch ist unterhaltend geschrieben. Wer schon einmal mit ähnlichen Gedanken gespielt hat, bekommt einige konkrete Tipps, wie das Leben im Auto besser gelingt. Aber Gareis beschönigt auch nicht. Er gibt zu, dass sie eine Unfreiheit gegen eine andere eingetauscht haben, denn dieses Leben bedeutet große Einschränkungen und auch häufiger Furcht vor Unbekanntem und Sorge vor Unvorhersehbarem.

Musik spielt im Leben der beiden eine wichtige Rolle. So gibt es am Ende des Buches eine Titelliste von Musikstücken, die die Reise begleiteten. Die Liste findet man auf Spotify unter

https://sptfy.com/9brV

Hier noch ein kleiner Film zu dem Buch:


David Bowie machte den Anfang

Vor ein paar Tagen las ich in einer Zeitung ein Zitat von David Bowie über das Altern. Der Satz gefiel mir sehr gut und ich wollte ihn ausschneiden. Doch das vergaß ich (altersgerecht) und warf die Zeitung weg. Dass die Zeitung nicht mehr da war, merkte ich gestern. Kurz geärgert, dann bin ich im Internet auf die Suche nach dem Satz gegangen und rief diverse Seiten mit Zitaten auf. Das Thema Alter kommt in den Sammlungen nicht zu kurz und ich fand noch ein paar andere Sätze, die mir gefielen. Hier sind sie:

Das Alter, das man haben möchte, verdirbt das Alter, das man hat.
(Paul von Heyse 1830-1914), deutscher Romanist, Novellist)

Das Alter ist kein Kerker, sondern ein Balkon, von dem man zugleich weiter und genauer sieht.
Marie Luise Kaschnitz 1901-1974, deutsche Schriftstellerin)

Alter ist eine herrliche Sache, wenn man nicht verlernt hat, was anfangen heisst.
(Martin Buber 1878-1965, österreichisch-jüdischer Religionsphilosoph)

Und zum Schluss der Satz von David Bowie:

Altern ist ein besonderer Prozess, bei dem du der Mensch wirst, der du immer schon hättest sein sollen. (Das Wort „wollen“ hätte ich auch gut gefunden).

Pffft, pffft-machen wir es den Franzosen nach!

Vor einer Woche schrieb ich über die Sendung „Karambolage“ und stellte Ihnen u.a. zwei kleine Filme vor, die in früheren Karambolage-Sendungen schon gezeigt wurden. Einer dieser beiden Filme beschäftigte sich mit dem „Brumisateur d‘eau“, einer kleinen Flasche mit Wasser, die wohl in jeder Handtasche einer Französin und in jedem Handschuhfach eines Franzosen zu finden ist. An heißen Sommertagen schwören unsere Nachbarn auf die Erfrischung durch das Besprühen des Gesichts mit Wasser.
In dem Film kam die Verwunderung zum Ausdruck, dass diese Methode der Abkühlung in Deutschland weitgehend unbekannt ist. Das wollte ich so nicht auf mir sitzen lassen und schnell war ein geeignetes Gerät gefunden, um mein Gesicht zu umnebeln: Der Wasserbestäuber für meine Zimmerpflanzen. So besprühte ich mich und der Kühleffekt war eindeutig zu spüren, noch besser war es, das Gesicht danach in den Wind eines Ventilators zu halten.

Ich schaffte mir drei von diesen kleinen Flaschen à 100ml an und deponierte sie in der Tasche, im Auto und ….in der Nähe meiner Katze. Sie erinnert mich jetzt mehrmals am Tag vehement an ihre Wasserportion auf dem Rücken.
Das Wasser meiner beiden Flaschen „veredelte“ ich noch mit ein paar Tropfen Lavendel-und Orangenöl….Urlaub!
Gut, wenn man mal über den Tellerrand guckt.

Wie sieht Ihr Verhältnis zur Zeit aus?

Mit diesem Buch habe ich mich seit einigen Monaten beschäftigt. Es fiel mir in die Hände, als das öffentliche und private Leben plötzlich stillstand und die Coronazeitrechnung begann.
Das Buch versucht in zehn Kapiteln auf 270 Seiten, den Begriff der Zeit allumfassend zu beschreiben und zu deuten. Der Untertitel des Buches „Was sie mit uns macht und was wir aus ihr machen“ gibt den wichtigsten Aspekt des Buches wieder, aber es gibt darüberhinaus auch Texte zum Thema „Weltraumzeit“, „Ewigkeit“ oder „Weltzeit“. Manche Textstellen lesen sich nicht ganz einfach und ich brauchte immer wieder Pausen, um über verschiedene Sätze nachzudenken.
Ich habe mehrere Anläufe genommen, eine Inhaltsangabe zu schreiben, doch dies überforderte mich. Da ich das Buch wichtig finde, stand ich vor der Wahl, einen Link zu einer fremden Inhaltsangabe zu setzen oder mir etwas anderes einfallen zu lassen. So biete ich ihnen jetzt einige, wirklich nur wenige, Textstellen an, die Ihnen einen ersten Eindruck vermitteln. Vielleicht wird dadurch Ihr Interesse an dem Buch geweckt, es würde mich freuen.

Das erste Kapitel beschäftigt sich mit der Langeweile. Da ist einmal die Langeweile, die der Mensch sich in seinem Inneren selbst erschafft, aber es gibt auch die Langeweile von außen:

Ein anderes Kapitel widmet sich der „Vergesellschaftung der Zeit“. Welches Verhältnis hatten die Menschen früher zum Begriff „Zeit“? Wie hat sich dieses Verhältnis in den letzten 100, 50, 20 und 10 Jahren verändert durch technologische Neuerungen und andere „moderne Anpassungen“ wie z.B. beim Umgang mit Geld. Was machen die Neuerungen aus den Menschen und ihrer Zeit?

Versuchen, die Welt zu verstehen…da kommt keine Langeweile auf.

Auge in Auge mit drei Haifischen

Plötzlich sah ich drei Haifischflossen,
sie kamen von rechts nach links angeschossen!
Mein Herz fing heftig an zu pochen,
nein, kein Zweifel, es waren Haie und keine Rochen.
Ganz langsam trat ich den Rückzug an,
mit den Augen immer an den Haien dran.
Ich wollte nicht ihr Abendessen werden
sie sollten mir mein Leben nicht verderben!
Bitte nicht als Gehacktes enden-
wo war die Chance, mein Schicksal zu wenden?
„Hallo Linda, träumst du gerade vor dich hin?“
Ich verstand zuerst nicht der Worte Sinn.
“Sollen wir dort drüben in das Museumscafé gehn,
nach dem Spaziergang wäre das doch ganz schön.“
Mein Mann lächelte mich an
und da wurde mir klar,
dass ich nicht,
oh es war so wunderbar,
in einem Meer um mein Leben schwamm,
sondern auf einer Wiese stand
und unter meinen Füßen war ganz viel Land…

In Porto, Januar 2017

Karambolage (Französischstunde Nr.26)

Wenn Sie die Sendung „Karambolage“ auf ARTE kennen, wenn Sie wie ich Fan dieser Sendung sind und dazu noch in Duisburg und Umgebung wohnen, dann interessiert Sie vielleicht folgende Veranstaltung der Duisburger VHS:

Für alle, die die Sendung „Karambolage“ nicht kennen, hier die Kurzdefinition aus Wikipedia:
Karambolage ist eine Fernsehsendung auf Arte, konzipiert von der französischen Filmemacherin Claire Doutriaux, in der wöchentlich deutsch-französische Eigenheiten und Kuriositäten auf künstlerische, humorvolle und experimentelle Art und Weise vorgestellt und erklärt werden. Seit September 2018 wird die Sendung in Deutschland sonntags um 18.55 Uhr auf Arte im Mehrkanalton (deutsch/französisch) ausgestrahlt, in Frankreich um 20.35 Uhr. Sie dauert ungefähr 11 Minuten. 

Für alle, die Karambolage kennen und der französischen Sprache zugeneigt sind, hier ein Hinweis: Es gibt über 300 der kurzen Erklärungsfilme auf YouTube auch in französischer Sprache. Sehr schön, um Französisch zu üben. Ein Beispiel, passend zu den heißen Tagen:

Für alle, die wissen wollen, woher ich das weiß, dass man sich diese Filme auf YouTube ansehen kann:

Ich habe im Newsletter von

darüber gelesen. Jedes Mal ist es eine Freude, den Newsletter von der deutsch-französischen Gesellschaft zu lesen. Die Artikel sind mal in deutscher, mal in französischer Sprache geschrieben und bieten Informationen für alle „Frankophile oder Frankophone.

Alors, nous nous voyons chez Madame Doutriaux?

Spaziergang früh morgens um 4.30 Uhr

Noch Stille bei den Vögeln,
ein paar Sterne blinken mich an.
In einer Siedlung legen die Bewegungsmelder
eine Extraschicht für mich ein.
Hinter einem hellen Fenster sitzt ein Mann
an einem Küchentisch
und starrt auf den Bildschirm seines Laptops.
Ihm scheint warm zu sein,
in meiner Augenhöhe hat er nichts an.
Eine Amsel meldet sich,
aber sie erhält noch keine Antwort.
Auf der Hauptstraße knattert eine Vespa vorbei
und hinterlässt ihren typischen Benzingeruch.
Ciao Napoli!
Auf dem Rückweg kommt mir eine Frau entgegen.
Meinen Morgengruß erwidert sie nicht,
aber ihr dreibeiniger Hund schaut mich herzig an.
Leere Busse haben es eilig und verzichten auf Geschwindigkeitsbegrenzungen.
Fast wieder zuhause, kreuzt ein Jogger meinen Weg.
Er telefoniert. Um 10 Uhr wird er sich mit Uwe im Konferenzraum treffen.
Der Tag hat begonnen.

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Was willst du denn in Braunschweig?

Vorgestern erzählte ich Ihnen von der Autostadt in Wolfsburg. Auf dem Weg dorthin machten wir eine etwas längere Pause in Braunschweig. Eine gute Entscheidung!
Braunschweig ist das fünfte Mitglied meiner Sammlung „Verkannte Städte“ (bisher: Mannheim,Wuppertal,Kassel,Frankfurt).
Unser Spaziergang führte uns durch die drei „Altstadtinseln“. Hier ein paar Eindrücke:

Es wurden einige historische Gebäude im Krieg zerstört, diese wurden teilweise originalgetreu wieder aufgebaut. So z. B die Burg Dankwarderode auf dem linken Bild. Davor der Braunschweiger Löwe.
Nicht nur hier gibt es schöne Restaurants, Kneipen und kleine feine Geschäfte.

Apropos Geschäfte: Hier hat Braunschweig etwas Besonderes zu bieten:

Ein Einkaufszentrum mit Schlossfassade. Das Schloss wurde ebenfalls im Krieg zerstört. Das Land hatte für den Wiederaufbau kein Geld, aber ein Investor sprang ein mit der Bedingung, die Nutzung der Innenräume zu bestimmen. Auf dem Schlossdach steht übrigens die größte Quadriga Europas.

Zurück zur Kultur:

Wir kamen an vielen Kirchen vorbei, so auch am Dom in der Stadtmitte. Die drei Gotteshäuser, die wir uns ansahen, waren alle evangelisch, daher eher schlicht, aber sie beeindruckten durch einzelne Kunstwerke.
Oben rechts: Das Rizzi-Haus, ein weiteres Wahrzeichen von Braunschweig. Es gibt schöne Parks und einen botanischen Garten. Die Oker fließt durch Braunschweig und bietet weitere Möglichkeiten, die Natur zu genießen.
Natürlich gibt es in Braunschweig auch ältere Viertel, die nicht „blinken“. Aber hier findet man andere Fotomotive.

Unser Spaziergang war nur der Vorgeschmack auf ein ganzes Wochenende in Braunschweig, denn die Museen sind eine weitere Attraktion, für die man Zeit mitbringen muss. Das Herzog Anton Ulrich-Museum ist eins der ältesten Kunstmuseen Europas mit ca. 4000 Ausstellungsstücken und wurde vor einigen Jahren grandios restauriert. Naturkunde, Stadtgeschichte und Fotografie sind Themen weiterer Museen.

Und wenn Ihnen Braunschweig nicht genug bietet? Wolfenbüttel ist nicht weit, ein Abstecher lohnt sich ebendfalls.

Sind wir alle halbe Elois?

Diese beiden Schilder stehen am Eingang eines Parks- wo bin ich? Bei Beginn des Besuchs dachte ich mir noch nicht viel bei der Frage, am Ende hatten die Worte eine besondere Bedeutung für mich bekommen.
Wortspiele sind in diesem Park allgegenwärtig und irgendwann wirken sie nicht mehr pfiffig

Am Wochenende lernte ich die Autostadt von Wolfsburg kennen. „Autostadt“ nennt sich der VW-Vergnügungspark, in dem man u.a. ein neues Auto abholen kann. Das Abholen kostet 400 Euro, darin enthalten sind bis zu sechs Eintrittskarten für Abholer+Freunde u. Verwandten, Gutscheine für VW-Souvenirs und VW-Zubehör im Wert von 40 Euro und ein Essensgutschein für 30 Euro.
In einer großen Halle melden sich Abholer an und geben das mitgebrachte Autokennzeichen ab. Die begleitenden Personen können sich in der Zeit z.B. die Zukunft des Autos ansehen.

Die Zukunft bei VW: das lenkradloses Auto „ID Vizzion“, das nur durch eine Art virtueller Brille und mündliche Befehle gesteuert wird. 2030 soll es wohl auf den Markt kommen.

Oder man lässt sich von einer Serviceperson, von denen es in der Halle sehr viele gibt, erzählen, wie toll Wolfsburg ist, wie toll VW ist. Manchmal versteht man allerdings die Erklärungen nicht, da eine dröhnende Männerstimme Coronahinweise gibt oder „Special Events“ ankündigt.

Hat man seinen Zeitslot für die Abholung des Autos bekommen, kann das Vergnügen beginnen! Dieses besteht hauptsächlich darin, sich in mehreren Gebäuden alte Autos oder momentan aktuelle Autotypen der verschiedenen VW-Marken (z.B. Audi, Seat, Skoda) anzusehen. (Hinweis: Das berühmte Automuseum von Wolfsburg findet man nicht auf diesem Gelände, also seien sie nicht enttäuscht).

Wir entschieden uns für die alten Autos.

Viele Gebäude in diesem Park haben einen futuristischen Touch. Die Grünflächen passen gut dazu, man kann lustwandeln, sich hinsetzen und träumerischer Gitarrenmusik lauschen

Oben links ein „Dufttunnel“ mit über 100 Blumentöpfen, die mit Vanilleblumen bepflanzt sind, rechts daneben Sitzflächen.(Frappante Ähnlichkeit mit der Duisburger „The Curve“, nur in Wolfsburg zu Ende gebaut).
Viel Glas mit vielen Spiegelungen und alles staubfrei

Oder man staunt über futuristische Gimmicks .

Die Nummernschilder werden von A nach B transportiert


Wenn man als Familie ein Elektroauto hat, können ab sofort Kinder nach der Schule 2 Stunden pro Tag für das Aufladen des Familienautos sorgen

Es gibt diverse Einkehrmöglichkeiten. Alles perfekt organisiert, im Selbstbedienungsrestaurant bekommt man einen Pieper, der sich meldet, wenn das Essen fertig ist und man es abholen kann.

Und dann schlägt die Stunde der Wahrheit. Auf einer klickenden Tafel, ähnlich der, die in Flughäfen die Flüge anzeigt, wird der Name des neuen Autobesitzers aufgerufen, damit er sich zu „Gate A„ begibt. Das Auto verlässt den Turm

und wird in das VW-Gebäude gebracht. Hier werden dann Autokäufer und Auto vereint und nach kurzer Einführung von einem VW-Mitarbeiter fährt man aus dem Gebäude, macht eine

und ist fertig.

Was hat nun die Überschrift mit diesem Besuch zu tun?
Es gibt einen Film, dessen Vorlage das Buch „ Die Zeitmaschine“ von H.G.Wells ist. Am Ende des Buches ist der Held mit seiner Zeitmaschine in der Zukunft gelandet. Anscheinend ist es ein Paradies. Friedvolle und freundliche Menschen, die Elois, wandeln umher, der Held ist beeindruckt und verliebt sich in eine Eloi. Sie erklärt ihm die Welt, alles Hässliche ist Vergangenheit, alles ist perfekt. Doch dann ertönt eines Tages ein Sirene und alle Elois gehen wie in Trance zu einem Eingang und verschwinden dort auf Nimmerwiedersehen. Was passiert? Das verrate ich Ihnen nicht, falls Sie sich den Film einmal ansehen möchten.

Schon in der Eingangshalle beschlich mich ein unbehagliches Gefühl. In dem riesigen Gebäude kam ich mir wie ein kleiner Bauer auf einem Schachbrett vor, dazu die anonyme Beschallung und die z.T. puppenhafte Freundlichkeit des Servicepersonals (noch sind es keine Roboter), es war manipulativ und dumpf. Einen kleinen Trost bekam ich nur kurz, als ich entdeckte, wie unprofessionell das Auto der Zukunft (siehe oben), den nötigen Strom bekam: Mit Hilfe einer schmuddeligen und ungesicherte Dreifachsteckdose.

Mein ungutes Gefühl wurde dann zum Unwohlsein, als wir an diesem Gebäude vorbeikamen.

Wenn Sie den Film kennen, werden Sie sich an den Eingang, in dem die Elois verschwinden, erinnern. Sollten Sie den Film irgendwann einmal sehen, wird Ihnen mein heutiger Beitrag wieder einfallen.

Die Überschrift zu diesem Beitrag hätte auch „Brot und Spiele im 21. Jahrhundert“ heißen können. Statt Gladiatoren wie im alten Rom haben wir jetzt das Autoabholevent, aber sonst…Das dumme Volk muss bei Laune gehalten werden. Verstehen Sie, warum ich die Schilder jetzt anders interpretiere?

Hier der Werbefilm von VW für die “Erlebnisabholung Classic“.

https://www.autostadt.de/fahrzeug-abholen/video

Bilden Sie sich selbst eine Meinung, ob sie 400 Euro ausgeben möchten.

Übermorgen habe ich einen Tipp für Sie, wo Sie in der Nähe von Wolfsburg ein abwechslungsreiches Wochenende verbringen können.