Goethes merkwürdige Wörter: Kannegießern, düttig, schmeicheln oder dreist

Letzte Woche diskutierte ich mit einer Bekannten über des Wandel der deutschen Sprache. Sie ist keine Freundin des zunehmenden Gebrauchs von Wörtern, die aus der englischen Sprache kommen. Ich gebe zu, dass ich manchmal auch meine Schwierigkeiten habe, die Bedeutung zuzuordnen. ( z.B. Unhinged, yappen, Yassification, slayen- Auflösung am Ende des Textes).

Winkte mir das Schicksal zu, als ich einen Tag später zufällig in einem Bücherschrank dieses Buch fand?

Ungefähr 1000 Wörter werden aufgelistet, die Goethe in seinen Werken benutzt hat. Das Wort „merkwürdig“ im Titel ist dabei dreideutig, denn in diesem Buch kann man Wörter entdecken, die aus heutiger Sicht seltsam, da vergessen, sind oder es gibt Wörter, die man sich merken kann, überraschen diese doch dadurch, dass wir sie heute zwar noch benutzen, aber dies mit einer ganz anderen Bedeutung. Merkwürdig sind dann auch noch diese Wörter, die Goethe sich quasi ausgedacht hat und die wir heute noch anwenden.

Ich gebe Ihnen gerne ein paar Beispiele. Bei jedem Wort gibt es im Buch mindestens ein Textbeispiel aus seinen Werken oder Briefen.

Von Goethe ausgedachte Wörter:

Anmut, bedenklich, Behagen, betrübt, Diät, Fabrik, Hosenscheißer, Kapitalist, lallen, Vorsatz, schauderhaft, Schicht machen

Wörter, die heute eine andere Bedeutung haben:

„dreist“ war früher positiv besetzt und meinte mutig oder beherzt

“Durchschnitt“ = Durchquerung (Er machte einen Durchschnitt des Gartens)

“Elend“ = Fremde, Heimatlosigkeit. Zitat aus dem Theaterstück „Hermann und Dorothea“: Streifen nicht herrliche Männer von hoher Geburt nun im Elend?“

„Extremität“ = Notlage Zitat aus „Götz von Berlichingen“: „Achtest du meinen Mann so wenig, dass du in dieser Extremität seine Hilfe verschmähst?“

“feiern“ = Nichts tun, ausruhen

“kompromittieren“ = jemanden zum Schiedsrichter wählen

„Penetration“ = Scharfsinn, Einsicht

“schmeicheln“ = lindern, mildern

Untergegangene Wörter und Redewendungen:

abmüßigen- Mußezeit erübrigen — Für 2026 nahm er sich vor, mindestens drei Stunden am Tag für seine Lifebalance abzumüßigen.

Affabilität- Umgänglichkeit, Leutseligkeit — Die Affabilität des neuen Chefs entsprach nicht den Vorstellungen seiner Angestellten, er war ein Muffelkopp.

Blumist/in- Blumenliebhaber/in — Bei dem Speed-Dating erzählte sie ihm, dass sie eine Blumistin sei. Er kannte den Ausdruck nicht und war erst einmal impressed.

düttig- einfältig — Sie zeigte mir stolz ihre neue Duttfrisur und erzählte dann etwas düttig, dass die Hairstylistin gesagt hätte, dass die Duttfrisur sie zehn Jahre jünger mache.

kannegießern – ohne großen Sachverstand über Politik diskutieren

Lappsack – antriebsloser Mensch — Im November begegnet man öfter Lappsäcken, die nicht aus den Puschen kommen, weil die trübe Jahreszeit sie triggert.

Murmelchen – kleines Kind — Ein Gruppe von 25 Murmelchen kam ins Schwimmbad und die schwimmende Silvergeneration hatte den Eindruck, dass ein Sack Flöhe ins Schwimmbecken sprang.

propalieren – ausplaudern, unter die Leute bringen — Wenn er diese Neuigkeit auf Social Media propalieren würde, würden seine Followerzahl explodieren.

Rätzel – Der frühere Finanzminister Theo Waigel war ein Rätzel….Er hatte zusammengewachsene Augenbrauen!

vervitzen/turlupinieren – Ich hoffe, dass ich Sie mit diesen Wörtern und Beispielsätzen nicht zu sehr vervitzt oder turlupiniert habe! (vervitzen= verwirren, turlupinieren = foppen)

Auflösung:
Unhinged= völlig übertriebenes Verhalten
yappen= Übermäßig quatschen oder tratschen
Yassification= etwas übertrieben glamourös machen, loben, dramatisieren
slayen= etwas sehr gut machen

Es war einmal ein Haufen in einem schwedischen Wald…

Bevor ich zum Inhalt dieses Romans komme, möchte ich zuerst sein äußeres Erscheinungsbild loben. Das Buch (579 Seiten stark) ist drei Zentimeter kleiner als das übliche Romanformat. Jetzt wird es vielleicht etwas seltsam, aber nahm ich es in die Hand und schlug es auf, hatte ich intensiver das Gefühl, in eine Geschichte „einzutauchen“, ja fast in eine kleine Schatzkiste zu blicken. Dazu trug auch das sehr klare und etwas größere Schriftbild bei, so dass ich das Lesen als sehr angenehm empfand. Das Bild auf dem Deckblatt erinnert auf den ersten Blick an einen Ameisenhaufen, doch sind es wirklich Ameisen?

Zum Inhalt: Die 32 jährige Emelie ist Journalistin in Stockholm. In letzter Zeit empfindet sie das Leben als ein „Hindernislauf von Sinneseindrücken“, im dem sie sich redlich Mühe gibt, es allen recht zu machen und den Alltag zu überstehen. Doch ihr schwinden dazu immer häufiger die Kräfte und sie beschließt, im Wald zelten zu gehen, um Ruhe zu finden.
Die Ruhe währt nicht lange, denn sie entdeckt ein großes Haus, in dem anscheinend mehrere „Verrückte“ leben. Sie tanzen mitten am Tag durch den Wald, haben draußen Sex und sagen andauernd „Danke“. Emilie ist von den drei Männern und Frauen fasziniert und kehrt immer wieder zum Haus zurück, um die Bewohner heimlich zu beobachten. Auch versucht sie, die Rolle eines Jungen zu verstehen, der sich von der Gruppe etwas abseits hält.
Dann steht dieser Junge eines Tages plötzlich vor ihr. Er heißt Låke und benimmt sich sehr ungewohnt im Vergleich zu Jugendlichen aus der Stadt. Er stellt viele Fragen, ist völlig arglos, weiß nicht, was ein Handy ist, liebt Bücher und möchte immer Chipse essen. Låke geht nicht zur Schule, besucht Emelie jeden Tag und langsam erfährt sie etwas mehr über die Gruppe von Aussteigern, die mit dem „Leben da draußen“ nichts zu tun haben wollen.
Als Emelie beim Beobachten erwischt wird, lernt sie schließlich die ganze Gruppe kennen. Zuerst ist diese gegenüber der Frau von draußen sehr misstrauisch, doch Sara, die in der Gruppe anscheinend das Sagen hat, bringt Emelie Vertrauen entgegen und lädt sie zum Bleiben ein.
Die Gruppe nennt sich selbst „Der Haufen“, denn sie leben seit mehreren Jahren zusammen und kennen sich so gut, dass ihr Leben dem in einer Ameisenkolonie ähnelt. Sie leben autark, habe die Einkaufsfahrten ins nächste Dorf eingestellt. Jede Person kennt ihre Aufgaben, versteht den anderen, denkt für ihn mit. Die charismatische Sara ist die Königin, auf die alle hören. Sie haben keine Pläne oder Ziele und begegnen jeden Tag mit wacher Neugierde.
Emelie fühlt sich zuerst in der Gruppe sehr geborgen, doch dann kommt es zu einem schicksalshaften Abend, an dem viel getrunken wird. Enthemmt stellt Emelie Fragen und hält der Gruppe einen Spiegel vor mit Wahrheiten, die die Gruppenmitglieder bis dahin immer verdrängt haben. Der Frieden im „Haufen“ ist vorbei, wie geht es weiter? Dramatisch, hoffnungsvoll, melancholisch. Und Emelie? Sie ist froh, wieder in die Stadt zurückzukehren. Vielleicht nicht alleine.

Wer sind die erwachsenen Mitglieder dieser Gruppe? Sechs außergewöhnliche Lebensgeschichten werden ebenfalls erzählt und man bekommt mit diesem Roman außergewöhnliche Lesestunden geschenkt. Ein Dankeschön dafür an den Kommode Verlag aus der Schweiz!

Was machen der Pinguin in Wien und die Taube in der Laube?

Zum Wochenanfang gibt es mal wieder eine kleine Auswahl an Limericks. Wie beim Haiku liebe ich die kurze Form des Gedichts und auf Spaziergängen in den letzten Wochen hatte ich da so ein paar tierische Ideen:

In einem Duisburger Schrebergarten
verirrte sich eine Taube
in eine sehr gemütliche Gartenlaube.
Auf dem Tisch pickte sie eine Keksschale leer-
sie mochte Spekulatius einfach zu sehr.
Danach machte sie sich aus dem Staube.

Im Casino von Aachen hatte ein Hase
beim Roulette eine lange Gewinnphase.
Doch dann verließ ihn sein Glück,
er verlor sein Hab und Gut Stück für Stück-
vorbei war die „Ich-bin reich-Blase“!

In Köln hatte ein Reh Lust auf Schnee
und trampte in die Alpen in einem PKW.
Doch in den Bergen war es ihm zu kalt und zu nass
und der Schnee machte ihm gar keinen Spaß.
Zurück in Köln vergaß es schnell den Schnee bei Kuchen und heißem Kaffee.

Auf einem Spielplatz in Wien
schaukelte einst ein Pinguin.
Die Anwohner staunten nicht schlecht,
mal was anderes als Amsel, Meise oder Specht.
Ätsch- so was habt ihr nicht in Berlin!

Henry, der Otter aus Ottawa,
badete gerne in einem Spa.
Das Wasser war warm,
die Otterdamen erlagen seinem Charme-
ach was war das Leben doch wunderbar!

Vielen Dank an KI für die Bilder!

Besser leben und besser sterben

Mit zunehmendem Alter macht sich die Autorin Milena Michiko Flašar Gedanken über ihre eigene und unser aller Vergänglichkeit. Wir geben uns unendlich viel Mühe, am Leben zu bleiben und doch sterben wir jeden Tag ein bisschen. Dummerweise gehört der Tod „nicht zu dem Erprobbaren. Wer ihn einmal erfahren hat, der hat mit der Generalprobe bereits das letzte, allerletzte Mal auf der Bühne gestanden.“
Dezember 2024: Auf einer Rundreise in Japan, wo sie einen Teil ihrer Kindheit verbracht hat, erhofft sie sich deshalb, Eck- und Anhaltspunkte zu finden, die ihr helfen, das Sterben zu lernen. Japaner haben aus verschiedenen Gründen eine andere Affinität zum Tod.
In Osaka wird ihr bewusst, dass es das „Carpe Diem!“ nicht ohne das „Memento mori!“ gibt, Lebenslust wohnt in direkter Nachbarschaft mit dem Tod. Für den Tod gibt es in der japanischen Sprache verschiedene ehrwürdige Wörter, die nuanciert aufzeigen, wie ein Mensch gewesen und gestorben ist. Bevor er sich auf die unbekannte Reise macht, entsendet der Sterbende mit einem Todesgedicht einen Abschiedsgruß an die Hinterbliebenden. Die Botschaft: Nichts bleibt, nichts währt, aber jeder Mensch, jedes Tier, jede Pflanze, alle tragen durch ihr Geborenwerden und dem Sterben dazu bei, dass die Idee des Lebens weiterbestehen kann.
In Kinosaki Onsen, einem Gebiet mit heißen Quellen, macht die Autorin sich Gedanken über Japan, das geprägt ist durch Naturgewalten wie Erdbeben, Taifune, Tsunamis. Die Menschen sind gezwungen, sich mit dem Tod auseinanderzusetzen, um im Notfall zu überleben. Wären wir nicht auch gelassener, wenn wir gezwungen wären, „diese Schule“ zu durchlaufen?
Auf der Reise besucht Flašar ihre alte Tante. Beide verbringen eine gute Zeit miteinander, doch ist der Autorin bewusst, dass jeder Moment einzigartig und nicht wiederholbar ist. Eine sanfte Schwermut, ein „ Mono no aware“, stellt sich ein, in der die Freude und die Trauer über die Vergänglichkeit des Moments nebeneinander stehen.
Lernt man zu akzeptieren, dass „alles fließt“, wird das Leben leichter. Nicht mehr eine perfekte Welt ohne altersbedingte Abnutzung manifestieren wollen, sondern die stetige eigene Veränderung, zu der auch der Tod gehört, bejahen und dabei sich eigene Fehler und Unsicherheiten verzeihen.
Kyoto und Tokio sind weitere Orte, an denen die Autorin lernt, dass sich ihre Beschäftigung mit dem Tod dazu beiträgt, dass dieser seinen Schecken verliert.
Und noch eine Erkenntnis nimmt die Autorin mit:

Ich könnte mit dieser schönen Textstelle enden, doch das Buch nimmt noch eine andere Wendung. Kurz vor ihrem Rückflug nach Österreich wird die Autorin aus ihrer „Japan-Blase“ herausgerissen, denn in den Nachrichten erfährt sie, dass in ihrem Heimatland unmittelbar die Gefahr einer rechtsradikalen Regierungsbeteiligung besteht. Plötzlich geht es in ihrem Buch um den Tod von „Konzepten und Ideen“ und sie ist völlig verunsichert. Doch dann dringen ganz langsam Gedanken zu ihr durch, die sie in Japan gesammelt hat. Sie lassen sie ruhiger werden und zukünftig wird sie diese Gedanken weiter hegen und pflegen.

„Cabo“, „No Thanks!“, „Hula Hoo“- Festtage = Spieletage?

Heute möchte ich Ihnen drei Kartenspiele vorstellen, die ich zusammen mit meiner Familie schon zigfach gespielt habe. Abgesehen von dem großen Unterhaltungswert haben alle drei den Vorteil, dass sie nur wenig Aufbewahrplatz benötigen, also auch auf Reise mitgenommen werden können.
Meine Beschreibungen sind jeweils nur ein Appetitanreger, die genauen Erklärungen finden Sie unter den angegebenen Links.

Die Spielkarten haben Werte zwischen 1 und 13 Punkten. Der abgebildete Tintenfisch ist der Joker und hat die Punktezahl 7. Den Durchgang gewinnt die Person, die alle Karten ablegen konnte oder die den letzten Spielzug macht, nachdem sie alle anderen Teilnehmer schachmatt gesetzt hat. Die Punktzahl auf den abgelegten Karten werden ihr gutgeschrieben. Wer zuerst 77 Punkte erreicht hat, gewinnt das Spiel.
Jeder startet mit 10 Karten: 5 Karten liegen offen vor den Spielern, 5 Karten bleiben auf der Hand. Der Startspieler legt eine seiner Karten aus und fordert „höher“, „tiefer“ oder „doppel“. Der Folgespieler muss von seinen Karten nun, je nach Ansage, eine Karte mit höherem, niedrigeren oder gleichen Wert auf den Stapel legen. Beispiel: Gefordert ist „Tiefer“, ein Spieler wählt eine 2. Aus taktischen Gründen sagt er nun auch „tiefer“, denn die Wahrscheinlichkeit, dass die nachfolgende Person eine 1 oder einen Joker hat ist gering und die Chancen stehen gut, dass dieser Mitspieler aufgeben muss.

Dieses Kartenspiel kann man auch mit 2 Personen spielen, denn es gibt sogenannte „Chaosregeln“ und da wird es dann auch zu zweit sehr spannend.

https://www.brettspielblog.ch/spielkritik/hula-hoo-spielkritik/

Wer ruft zuerst „Cabo!“, weil er meint, dass er die Karten mit der niedrigsten Punktzahl hat?
Um zu gewinnen, muss man den Spielverlauf gut beobachten und ein gutes Kurzzeitgedächtnis schadet nichts. Jeder Spieler bekommt vier Karten, die er auf die Hand nimmt und vier Karten, die er verdeckt vor sich hinlegt. Zwei dieser Karten darf er sich ansehen, muss sie aber wieder verdeckt zurücklegen. Er, aber auch die Gegenspieler müssen sich diese beiden Karten merken. Nun beginnt das eigentliche Spiel, denn man kann Karten tauschen, behalten oder bluffen, um mehr Karten mit niedrigen Werte zu bekommen. Drei Arten von Sonderkarten können die ausgedachte Taktik noch einmal ordentlich durcheinander wirbeln.
Hier eine ausführlichere Beschreibung:

https://brettundpad.de/2021/07/30/cabo/

Das dritte Kartenspiel ist schon fast ein Klassiker:

In dem Karton befinden sich 55 Spielsteine und 55 Spielkarten (mit Werten 1 bis 40 und 22 Sonderkarten). Auch hier ist das Ziel, möglichst wenig Minuspunkte zu bekommen.
46 Spielkarten werden verdeckt als Stapel in die Mitte gelegt, 9 zur Seite. Jeder bekommt 11 Spielsteine. Das Spiel beginnt, in dem die erste Person vom Stapel eine Karte zieht. Sie kann diese Karte behalten oder sie sagt „No thanks“ bei einer Karte mit hoher Punktzahl und opfert einen Spielstein. Behält sie die Karte, legt sie sie offen vor sich hin. Danach nimmt der nächste Spieler eine Karte. Das Taktieren beginnt, denn mit jeder nicht genommenen Karte wächst die Zahl der Spielsteine in der Mitte. In der Endabrechnung gelten diese Pluspunkte, so dass es u.U. günstiger ist, eine höhere Punktekarte zu akzeptieren und dafür die Spielsteine einzusammeln.
Man kann dieses Kartenspiel in der Grundform (nur mit Zahlenkarten) oder man nimmt die Sonderkarten dazu. Diese führen zu diversen überraschenden Wendungen im Spielverlauf und machen es noch spannender.

Wer mehr wissen möchte:
https://www.brettspielblog.ch/spielkritik/no-thanks-spielkritik/


Mr. Saitos reisendes Kino

Als Einstimmung auf diesen Roman hier erst einmal den Tango von Carlos Gardel „Por Una Cabeza“

Buenos Aires, 1910: Fabiolas Mutter ist bei der Geburt gestorben und ihr Vater legt den Säugling in einem Karton auf die Stufe eines Klosters, er kann sich nicht um seine Tochter kümmern. Die Nonnen nehmen Fabiola auf, merken aber irgendwann, dass Fabiola anderes im Kopf hat als Gottesfurcht und Gebete. Schon als kleines Mädchen liebt sie Schuhe über alles, je ausgefallener, desto besser und schon bald fängt sie an, Tango zu tanzen. Die Nonnen verschaffen ihr eine Anstellung im bekanntesten Schuhladen der Stadt, auf den Tanzflächen wird die wunderschöne Fabiola zur Königin des Tangos. Mit 17 Jahren bekommt sie ihre Tochter Carmelita, kurz Lita genannt. Sie liebt ihre Tochter sehr, doch die Tanzfläche zieht sie magisch an. Litas Vater ist unbekannt und so wird das kleine Mädchen auch von den Nonnen erzogen. Lita fühlt sich in den nächste Jahren öfter einsam und ihre Haltung zu ihrer Mutter ist deshalb zwiespältig.
1938: In Buenos Aires herrschen politische Unruhen, Fabiola, die ihr Herz auf der Zunge trägt, muss mit Lita fliehen und beide landen in Kanada auf der Insel Upper Puffin Island. Viel Natur, nur einen „Allroundladen“, rauhe Fischer, tiefgläubige Ehefrauen. Während Lita schnell ihre Freundin Oonda findet und damit auch in eine richtige Familie aufgenommen wird, ist Fabiola für manche in ihrer extravaganten Erscheinung eine Hexe, die man bekämpfen muss. Fabiola will die Insel schnellstens wieder verlassen, doch zusammen mit dem Inseldoktor weiß Lita das zu verhindern. Dann taucht der Japaner Mister Saito zum ersten Mal auf. Er fährt von Insel zu Insel und zeigt einmal pro Jahr Filme und Wochenschauen. So kommt „ die große Welt“ in das kleine Dorf. Die ersten Jahre ohne großen Einfluss auf die Insel, doch dann läuft eines Tages ein kleiner wilder Mann mit Schnurrbart durch das Bild. Der Zweite Weltkrieg hat begonnen und das unbedarfte Leben in Neufundland endet. Schließlich wird
Mr. Saito zum guten Schicksalsgott für Lita und Oonda. Sie treten in seine Fußstapfen und bewahren nach dem Krieg sein Erbe. Und Fabiola findet endlich ihren Frieden auf der Insel.

540 Seiten beste Unterhaltung! Diese lebendige Geschichte wird in „sieben Wellen“ erzählt und jede Welle bringt eine neue Entwicklung. Schleicht sich am Romananfang beim Lesen Tangomusik in den Kopf, riecht man später das Meer, hört den Papageientauchern zu und sitzt zusammen mit der Dorfgemeinschaft in der Vorstellung von Mr. Saito. Am Ende freut man sich mit den drei Frauen, dass sie ein gutes Leben gefunden haben und klappt zufrieden das Buch zu.

Händeloper in Duisburg

Am Sonntag besuchte ich die Premiere der Oper „Guilo Cesare in Egitto“ von Friedrich Händel im Duisburger Stadttheater. Diese Oper wurde zum ersten Mal 1724 aufgeführt und wurde seitdem in Deutschland und in viele anderen Staaten zigfach gezeigt.

Ich hatte zuvor das Libretto gelesen, um mich ganz auf die Musik konzentrieren zu können, da die Oper für ihre schönen Arien bekannt ist.
Der Vorhang ging auf und es präsentierte sich ein Bühnenbild aus Stahlkonstruktionen mit Blümchen, an einem Rohr hing das Schild „Nil“, wohl, damit auch wirklich alle verstanden, dass man sich in Ägypten befand. Mich erinnerte die Szenerie an ein Ferienresort mit Tennisplatz, Golfanlage oder Bar. In dieser Umgebung erklang nun barocke Musik und das passte für mich nicht zusammen.

Screenshot

Die Oper wurde von der jungen Michaela Dicu inszeniert und sie hatte die Idee, dass Cäsar dieses Mal von einer Frau dargestellt werden sollte, Cleopatra hingegen war ein Mann mit einer Sopranstimme. Der böse Bruder Cleopatras, Tolomeo, war omnisexuell und war permanent bereit, jede Person zu vernaschen, der ihm zu nahe kam.
Ich versuchte, mich auf dieses Experiment einzulassen und merkte, wie schwer es mir mit meinen eigenen Gedankenmustern fiel, da alle Protagonisten durch ihre Bewegungen, Handlungen, Gesänge und Kostüme immer wieder widersprüchliche Signale aussandten. Irgendwann gab ich auf, mir ein klares Bild von den einzelnen Rollen machen zu wollen und sah „nur noch“ Menschen, die wunderbar sangen,
Was ich mir gewünscht hätte, wäre eine z.T. bessere schauspielerische Leistung. Der Cornelia konnte ich ihre Trauer über ihren verstorbenen Mann nicht abnehmen und auch Curios Liebe zu ihr hätte etwas klarer dargestellt werden können. Da freute ich mich dann, wenn Maximiliano Danta als Sesto oder Tobias Hechler als Tolomeo auftraten, die nicht nur mit Herzblut sangen, sondern ihre Rollen auch spielten.

Diese Operninszenierung hat mich von allen bisher besuchten Opern am meisten herausgefordert und das sehe rechne ich ihr positiv an. Die musikalischen Darbietungen waren ein Genuss. Nichtsdestotrotz bin ich eine Anhängerin der Idee, dass alte Lieder (oder Theaterstücke) Botschaften über die Zeit hinweg in die Zukunft tragen- warum muss man diese Botschaften verändern?

Wer sich einen kurzen Trailer zu dieser Aufführung ansehen möchte: https://youtu.be/i7Vs-Do7o1M?si=j3KpcAo5x5hY7Op_


Mal selber Radio machen?

Seit 1987 ist im Landesmediengesetz von NRW festgeschrieben, dass Bürger das Recht haben, einen eigene Sendung im Radio auszustrahlen. In Duisburg gibt es seitdem mehrere Vereine, Gruppen und Privatpersonen, die von diesem Recht Gebrauch machen. Der Sender „Radio DU“ ist verpflichtet, dem Bürgerfunk Sendezeit zur Verfügung zu stellen. So läuft beispielsweise

Das Logo der Sendung

mindestens 1x pro Monat dienstags zwischen 20 und 21 Uhr. Verpasst man eine Sendung, kann man diese ein paar Tage später dann auch als Podcast hören:

https://www.nrwision.de/mediathek/suche?query=unser+duisburg

Ich durfte in den letzten Wochen zweimal an einer Redaktionssitzung von „Unser Duisburg“ teilnehmen und bekam ein bisschen mit, wie eine Sendung, die aus Interviews, Kommentaren und Musik besteht, zusammengeschnitten wird. „Welche Interviews sind wochenaktuell, welche haben eher allgemeinen Informationscharakter und können auf die nächste Sendung verschoben werden? Gibt es Wunschkandidaten für ein Interview?“, waren nur einige Fragen, die diskutiert wurden.
Ganz stolz bin ich, dass morgen Abend, am 2.12., auch ein Interview von mir gesendet wird. Ich habe Anja Harder über ihre Kronkorkensammelaktion interviewt, bei der die gesammelten Kronkorken verkauft werden und der Betrag dem Verein „Herzenswärme Duisburg e.V.“ gespendet wird. Dieser Verein kümmert sich um obdachlose Menschen.

In den nächsten Wochen stehen Nikolaus- und/ oder Weihnachtsfeiern in den Firmen an und auch in der Familie werden bestimmt die ein oder andere Flasche zu Weihnachten oder Silvester geöffnet. Möchten Sie nicht beim Sammeln mitmachen?

Sammeln Sie in Rumeln-Kaldenhausen, können Sie Ihre Kronkorken gerne in die Darwinstr. 58 bringen- einfach auf die bunte Bank vor dem Haus legen.

Hier die Liste der Stellen, die in Duisburg Stadtmitte Kronkorken annehmen:

Wohnen Sie nicht in Duisburg, gibt es sicherlich auch bei Ihnen in der Nähe eine Stelle, die für einen guten Zweck sammelt.

Was machst du aus deinem kostbaren Leben?

Dieses Buch ist wie eine Aspirintablette bei Kopfschmerzen. Man ist froh, dass es in der Nähe ist und sofort hilft, wenn es nötig ist.

Die amerikanische Lyrikerin Mary Oliver ( 1935-2019) lebte in Neu England und später in Florida und reiste nur sehr wenig. Ihre Inspirationen für ihre zwanzig Gedichtbände fand sie manchmal in Alltagssituationen, aber hauptsächlich bei Aufenthalten in der Natur.
Dieses Buch ist eine Gedichtauswahl aus allen Bänden, die die Autorin zwei Jahre vor ihrem Tod selbst zusammenstellte. Liest man die Texte, hat man das lebendige Gefühl, durch einen Wald zu gehen, auf einer Parkbank zu sitzen, am Meer zu stehen oder eine Aussicht zu genießen. Die Gedichte zu lesen tut sooo gut! Gerade jetzt im Winter bringen sie uns Erinnerungen an schöne Sommertage zurück, machen Vorfreude auf die nächste helle Jahreszeit und lassen uns alles um uns herum vergessen. Sie animieren uns, genau hinzusehen und auf die nächsten Beobachtungen neugierig zu sein. Dabei ist Mary Oliver nicht unkritisch und einige Gedichte sind eine dringende Mahnung, sich Gedanken um den Umgang mit der Natur zu machen.
Mary Olivier ist keine Sprachakrobatin, sie schreibt klar und eindeutig. Das macht ihre Gedichte für jeden gut lesbar, selbst wenn man normalerweise keine große Lyrikzuneigung hat. Es gibt kurze und längere Gedichte, dazwischen sind auch kurze Prosatexte gestreut. Genau richtig, um zwischendurch sich ein bisschen „Olivermedizin“ zu gönnen.
Mary Oliver drückt eine tiefe Dankbarkeit aus, ein Teil der Natur sein zu dürfen. Dabei ist ihr durchaus klar, dass sich die Natur kein Deut darum kümmert, ob und wie der Mensch sie wahrnimmt. Sie hat ihre eigenen Gesetze und ihre eigene Macht.

Das Leben in der Natur hat Mary Oliver gelehrt, Vergangenes ruhen zu lassen und sich nicht zu viele Gedanken um die Zukunft zu machen. Sie ist eine überzeugte Botschafterin, im Jetzt zu leben und das Beste aus jedem Tag zu machen.

Doris Dörrie hat ein sehr persönliches Vorwort zu diesem Buch geschrieben. Im Nachwort von Jürgen Brôcan erfahren wir mehr über Mary Oliver und ihr Werk wird interpretiert.
Mit Wissen dieser Texte kann man das Buch noch einmal lesen, entdeckt Neues, bewertet die Erfahrungen im ersten Lesedurchgang.
Oder man macht sich gar keine Gedanken über das Wie und Warum und liest Mary Olivers Gedichte, wenn man sich mal wieder etwas Gutes tun möchte.