Für Eile fehlt mir die Zeit

Momentan höre ich beim Bügeln lieber Kurzgeschichten. Man hat die Bügelwäsche geschafft und ein, zwei Geschichten gehört, das ist doch befriedigend.

Einen Glücksgriff tat ich bei der Auswahl dieses Titels:

2012 erschien das Buch, in dem Horst Evers von seinem Alltag erzählt mit Freundin und Tochter, mit Onkel Herbert oder anderen lieben oder nervigen Mitmenschen. Auch berichtet er von Erlebnissen, die er mutterseelenallein überstehen muss. So ist er z. B. auf dem trostlosen Nordenhammer Weihnachtsmarkt der einzige Besucher und reißt damit für kurze Zeit die Schausteller aus ihrer Starre. Oder er bekommt eine neue Kaffeemaschine, die eine eigene Webseite hat, ihm Mails schreibt und ihm entgegen der Werbeversprechungen die Zeit raubt.
Wussten Sie, dass Niedersachsen im Herbst der Ballermann für Freunde einer gepflegten Depression ist? Und Schottland ist Evers Lieblingsland, denn dort gehörte er während eines Urlaubs trotz seines Übergewichts zum oberen Drittel gut aussehender Kerle, man will es nicht glauben. Auch der Theorie von Evers, dass Außerirdische auf der Erde extra Müll abladen, um uns Menschen zu erforschen, sollte man mit etwas Skepsis begegnen.
Ich musste beim Zuhören sehr oft herzlich lachen, was z.T. auch daran lag, dass die Vortragsweise von Evers mich ein bisschen an die Känguru Chroniken von Marc-Uwe Kling erinnerte und diese sind meine Hörbuchfavoriten, wenn ich mal schlechte Laune habe.

Eine der letzten Episoden hatte schließlich einen ganz besonderen aktuellen „Touch“: Ein Freund bekommt von seiner Mutter regelmäßig einmal pro Woche ein Essen nach Hause zugeschickt. In Tupperware versteht sich. Dieses Menu macht sich der Freund dann am Mittwochabend in seiner Küche warm und anschließend gibt es im Wohnzimmer ein gemeinsames Videokonferenzabendessen mit seiner Mutter- es ist wie früher! Ein anderer Freund will das als Geschäftsidee aufgreifen und wirkliche Mütter quasi vermieten, mit denen man dann online auch etwas Familienatmosphäre heraufbeschwören kann. Evers ist da schon skeptisch, was das Videoabendessen angeht…

Der Herzfaden erreichte mich nicht

Der Roman über die Geschichte der Augsburger Puppenkiste von ihren Anfängen bis zur Ausstrahlung der Jim Knopf Episoden in Fernsehen steht seit mehreren Wochen auf der Bestsellerliste, wurde wohl in fast allen Medien besprochen und dabei z.T. frenetisch gefeiert. Deshalb werde ich keine ausführliche Inhaltsangabe schreiben, sondern merke zum Hörbuch nur an:
Auf die heute spielende Rahmenhandlung hätte ich gerne verzichtet. (Ein pubertierendes Mädchen gerät nach einer Vorstellung auf den Dachboden des Augsburger Puppentheaters, wo sie auf diverse sprechende Marionetten trifft. Das Mädchen findet alles uncool und ist anfänglich nur genervt. Das ändert sich, als sie mit den Marionetten gegen den bösen Kasper kämpfen muss.) In diesem Romanteil gab es meiner Meinung nach Ungereimtheiten und er hätte auch besser lektoriert werden können. Was mich aber in der Hörbuchfassung am meisten störte, war die Stimme von „The Voice“ Christian Brückner ,dem Synchronsprecher in Deutschland. Ich bin von dieser salbungsvollen und z.T. auch weinerlichen Stimme schlichtweg übersättigt und hätte mir gewünscht, dass die jüngere Valery Tscheplanowa, die den anderen Teil des Romans sehr gut liest, auch die Geschichte des pubertierenden Mädchens mit Handy übernimmt, das wäre passender gewesen.
Der Hauptteil des Buches ist besser gelungen, besonders gefielen mir die Passagen, in dem es um das Marionettenspiel selbst geht. Auf Jim Knopf & Co zu treffen, machte mir Freude und das Hörbuch animierte mich, noch einmal tiefer in die Geschichte der Augsburger einzusteigen. Ich schreibe tiefer, weil die Zeit während des Nationalsozialismus zwar auch behandelt wird, mir dies aber recht oberflächlich erschien.
Zusammengefasst: Trotz einiger Ärgerlichkeiten hörte ich wegen des schönen Hörbuchthemas bis zum Ende zu.

P.S. Den Herzfaden braucht der Puppenspieler, um den Ausdruck einer Marionetten zu steuern.

Zu viel Ehrfurcht

Im Herbst 2014 erhielt Patrick Modiano den Nobelpreis für Literatur. Wie jedes Jahr nach der Vergabe des Preises stürzten sich zahlreiche Kunden meiner Buchhandlung auf die Bücher des aktuellen Preisträgers. Alledings hörte ich dann relativ schnell, dass seine Romane keine leichte Kost seien und manche Käufer lasen die Bücher nicht zuende. Ich hatte von Modiano noch nichts gelesen, die Aussagen der Kunden trugen nicht dazu bei, dies zu ändern.

Dieses Hörbuch nahm ich aus der Bücherei mit nach Hause- jetzt hast du Muße, dich mit Herrn Modiano auseinander zu setzen, dachte ich mir. Und war sehr überrascht. Der Roman umgarnt den Zuhörenden sofort und man wird hineingezogen in diese Geschichte: Der Schriftsteller Jean Daragne, Anfang 60, bekommt von einem jungen Mann namens Gilles einen Anfuf, dass dieser Daragnes Adressbuch wiedergefunden hätte. Sie treffen sich zur Übergabe. Der junge Mann ist in Begleitung von seiner Freundin Chantal, die einen fast ängstlichen Eindruck macht. Gilles hat auch eine merkwürdige Art an sich, so dass Daragne, als Gilles ihn fragt, was er zu dem Namen Guy Torstel in seinem Adressbuch zu sagen hat, sehr irritiert ist. Gilles erklärt, dass Torstel im Zusammenhang mit einem Verbrechen steht, über das er eine Reportage schreiben will. Daragnes kann zunächst mit dem Namen Torstel nichts anfangen, verspricht aber, nachzudenken und sich zu melden. Bevor er Gilles wieder anruft, meldet sich allerdings dessen Freundin Chantal und warnt Dardagne vor Gilles und dessen große Hartnäckigkeit. Dardagne, der sehr zurückgezogen lebt, schwankt zwischen Angst, Ablehnung aber auch Neugierde und trifft sich trotz Warnung erneut mit Gilles. Gilles bedränkt ihn weiter und gibt ihm als Beweis alte Polizeiakten, die Dardagne sich durchlesen soll. Dardagne will nicht, tut es dann aber doch und ganz, ganz langsam schleichen sich Erinnerungen in seinen Kopf, aber noch mehr Fragen kommen hoch.

Wenn man die Ehrfurcht vor dem Werk eines Nobelpreisträgers vergisst, kann man dieses Buch einfach als anspruchsvollen Krimi lesen, bzw. hören. Man kann dieses Buch aber auch so interpretieren:

https://de.wikipedia.org/wiki/Damit_du_dich_im_Viertel_nicht_verirrst

Mir haben die drei CDs spannende Stunden beschert, das Kopflastige habe ich dabei einfach mal ausgeblendet.

Ich mache eine Wochenendpause, am Montag erwarten Sie afrikanische Momente.

Was man von hier aus sehen kann

So lautet der Titel meines gerade beendeten Hörbuchs.

Es spielt in einem kleinen Dorf im Westerwald. Immer wenn die Dorfbewohnerin Selma (Stellen Sie sich Rudi Carrell vor, dann wissen Sie, wie Selma aussieht) einen Traum mit einem Okapi hat, stirbt jemand und am Anfang des Romans hat sie gerade erneut von diesem Tier geträumt. Die Dorfbewohner sind wieder beunruhigt und es drängt sie, Unerledigtes anzupacken, wie z.B. den Optiker, der Selma endlich seine Liebe zu ihr gestehen will oder Louises Mutter, die sich von ihrem Mann trennen möchte. Auch Louise, die zweite Hauptperson in dieser Geschichte, Enkelin von Selma und Schülerin, hat etwas Angst. Doch es passiert nichts, bis eines Tages…

Louise ist inzwischen 30 Jahre. Sie ist Buchhändlerin und verliebt in Frederik, einem buddhistischen Mönch in Japan. Seit dem tragischen Unfall vor zwanzig Jahren hat sich nicht viel in dem Dorf geändert. Nur ihr Vater ist hinaus in die Welt, alle anderen leben weiter in diesem Westerwälder Mikrokosmos.

Der Sprecherin dieses Hörbuchs, Sandra Hüller, gelingt ist hervorragend, die leisen Stimmungen und Gedanken der Dorfbewohner in dieser „unaufgeregten“ Geschichte wiederzugeben. Beim Zuhören wurde ich immer wieder von der empathischen Beobachtungsgabe und der bildhaften Sprache der Autorin verblüfft. Ein Hörgenuss für alle, die nicht immer Action brauchen.

Pause am morgigen Tag, dann geht es mit einem Rätsel hinein ins Wochenende.

Hollywood 1921/2018

hHeute möchte ich Ihnen mal wieder ein Hörbuch vorstellen.

Nach dem ersten Weltkrieg geht Hardy Engel nach Hollywood, um dort sein Glück als Schauspieler zu versuchen. Er bekommt nur ein paar kleine Rollen, so dass er gezwungen ist, einen Nebenjob anzunehmen: Er soll die verschwundene Schauspielerin Virginia Rappe wiederfinden. Ein deutscher Freund von ihm, der bei einer Filmgesellschaft Schauspieler betreut, bittet ihn fast gleichzeitig, gegen gutes Geld eine Lieferung Kokain nach San Francisco zu bringen, wo der bekannte Komiker Arbuckle wilde Partys veranstaltet. Engel verbindet beide Aufträge und hat dabei Glück, da er dort auch Virginia findet. Ihr geht es auf der Party erst gar nicht gut und im Laufe der Nacht stirbt sie. Arbuckle wird beschuldigt, sie vergewaltigt und getötet zu haben. Er beteuert seine Unschuld und „Onkel Karl“ , der Chef der Universal Studios, beauftragt Engel, die Wahrheit herauszufinden. Es handelt sich um einen ungeheuren Skandal, der den Ruf Hollywoods dauerhaft beschädigen würde und um dies zu vertuschen, schrecken verschiedene Beteiligte sogar vor einem Mord nicht zurück. Auch auf Engel wird ein Attentat verübt, doch er überlebt und versucht bis zuletzt, Arbuckle vor dem Gefängnis zu bewahren.

Manche Passagen des 15 Stunden langen Hörbuches erinnern an Zeitungsberichte zu #Metoo im Jahr 2018. Doch es ist das Jahr 1921. Deutsche trifft man in Hollywood viele an und die großen Filmstudios wie Universal, Paramount oder Goldwyn Picture gibt es erst einige Jahre. So bietet der Krimi für Filmfreunde interessante Einblicke kombiniert mit einer spannenden Handlung, die auf wahren Begebenheiten beruht. Nur manchmal droht die Spannung im undurchschaubaren Morast des Skandals unterzugehen. Der Sprecher Uve Teschner schafft es aber, Zuhörer bei der Stange zu halten, dank seiner Fähigkeit,  mit sehr unterschiedlichen, z. T. „coolen“ Stimmen zu sprechen.

Es war einmal der Mensch…

Vor ein paar Tagen hörte ich von Roger Willemsen dieses Buch, eine Rede, die er kurz vor seinem Tod gehalten hat.

Er blickt darin aus der Zukunft auf unser heutiges Dasein. Wie auch in seinen anderen Büchern gibt es in diesem Text eine Reihe von Sätzen, die man sich immer wieder zu Gemüte führen sollte. Das Fazit der Rede: Alle, die mit der Zeit gehen wollen, und das sind wohl die meisten von uns, lassen zu, dass man sie Schritt für Schritt intellektuell entmündigt. Zwar spüren viele da irgendwo in einer Ecke des Gehirns ein gewisses Unbehagen, aber wir kapitulieren, denn wir fühlen uns machtlos. Der Mensch, wie wir ihn heute noch kennen, verschwindet, er mutiert zu einer Hülle.

Kennt jemand den Film “Die Zeitmaschine” von H.G.Wells (Das Buch, nachdem der Film gedreht wurde, ist von 1895). In diesem Film sieht man solche “Hüllen” und ich dachte schon vor dem Hören dieses Textes öfter an verschiedene Szenen aus dem Film.

Kennt jemand das Lied “Virtual Insanity” von Jamiroquai? Es ist aus dem Jahr 1996.. 

 

 

 

 

 

 

Ein gutes Krimihörbuch

  •  Über 12 Stunden Krimi-Hörfreude bietet dieser Titel. Das Buch wird von drei Herren gesprochen und mich erinnerten einige Passagen, im sehr positiven Sinne, an die Augsburger Puppenkiste, bzw. an die alte Fernsehserie “Königlich Bayerisches Amtsgericht”. Worum geht es? München 1914: Die politische Stimmung ist sehr gereizt, denn die Auswirkungen des Mordes in Sarajevo weiß am Anfang des Krimis niemand sicher einzuschätzen. Darüber hinaus machen “die Roten” den etablierten Politikern und dem Militär das Leben schwer und diese tun alles dafür, den Roten keine Angriffsflächen zu bieten. So hat es Kommissar Reitmeyer dann auch bei seinen Ermittlungen nicht leicht. Fünf Männer werden ermordet, es gibt Hinweise zu einem homoerotischen Kreis innerhalb des Militärs und hochangesehenen Mitgliedern der Gesellschaft. Dazu gehört u.a. auch die Familie von Karoline, der heimlich Angebeteten von Reitmeyer, was seine Arbeit weiter verkompliziert. Doch in seinem Team gibt es glücklicherweise nicht nur Mittelmaßpolizisten, sondern auch den Radler, einen Praktikanten, der sich sehr gut in modernsten Untersuchungsmethoden auskennt. Zwar bereitet er dem Kommissar auch viel Ärger, aber letztendlich sind beide das Dreamteam und Reitmeyer kommt einer ungeheuerlichen Verschwörung auf die Spur.
  • Das Hörbuch war sehr spannend und vom geschichtlichen Hintergrund auch interessant. Die drei Sprecher lasen sehr lebendig vor, man konnte den Eindruck bekommen, selbst in der Amtsstube zu sitzen und so ließ sich der ein oder andere Schmunzler nicht vermeiden. Siehe oben.

Es lebe Baba Dunja!

image Was würde ich darum geben, in  25 Jahren eine so starke Persönlichkeit wie Baba Dunja  zu sein…Sie ist über 80, als sie nach Tschernobyl in ihr Häuschen mit Garten zurückkehrt und sich um alle Warnungen nicht schert. Ihr und mit ihr noch einigen anderen Rückkehrern geht es dort gut, es wird gelacht, gestritten, geliebt, ach ja, und ein Mord geschieht auch, eben alles wie im “richtigen Leben”. Baba Dunja beklagt sich nie, hat ein großes Gerechtigkeitsgefühl und ein noch größeres Herz. Wie man heute so schön sagt: Sie ist einfach nur cool. Christine Westermann liebt dieses Buch, aber ob sie auch das Hörbuch genossen hat? Dann hätte sie bei ihrer Besprechung bestimmt noch mehr gelobt und gejubelt. Gesprochen wird es von Sophie Rois, die in diesem Jahr für dieses Hörbuch mit dem Deutschen Hörbuchpreis ausgezeichnet wurde. Höre ich bestimmt bald noch einmal.