Habe ein Zipperlein

Da ich gestern mein Ohrwurmleiden ansprach, passen die unten stehenden Verse heute gut dazu.
Vor einem Monat kündigte ich an, dass ich Ihnen in nächster Zeit ab und zu Wörter vorstellen möchte, denen ein Verschwinden aus der deutschen Sprache droht. Diese Ankündigung geriet bei mir ein bisschen in Vergessenheit, doch jetzt beginne ich damit. Hier das erste Wort: Zipperlein. Hört sich doch viel netter an als z.B. „Ich habs im Kreuz“. Zur Vertiefung noch ein kleiner Vers:

Das war nicht fein
das Zipperlein
oben an meinem linken Bein.
In meinem kalten Kämmerlein
entdeckte ich bei Kerzenschein
ein Fleckchen mit etwas gelbem Schleim.
So ging ich schnell zu Doktor Klein
und gab ihm meinen letzten Euroschein.
Doch leider war Herr Doktor Klein
schon bald am Ende mit dem Latein.
Wieder daheim
blieben mir nur Tränelein
und ich behandelte ganz allein
mit ein paar Flaschen weißem Wein
mein großes kleines Zipperlein.

Sie summt und brummt

Seit Freitag „leide“ ich an einem Ohrwurm. Ich pfeife, singe dididi, didida, summe mit oder brumme vor mich hin, egal wo ich bin. Kein spektakuläres Lied, aber eine gute Mischung aus Melancholie und verhaltenem Optimismus. Aber vielleicht sehen Sie das ja auch auch anders?

Es gibt noch viele andere Interpretationen des Liedes. Diese Variation ist mit Text und gefällt mir auch gut:

Das Regenmobil-literarisch

Paul ist ein recht erfolgreicher Lyrikautor und sein Verleger wartet auf neue Gedichte. Doch Paul hat eine Schreibblokade. Wegen des nur noch freundschaftlichen Verhältnisses zu seiner Ex-Freundin Rosalyn, die inzwischen mit einem neuen Mann zusammenlebt, wegen der Politik Obamas, über die er sich aufregt und wohl auch wegen seines bevorstehenden fünfundfünfzigsten Geburtstages. Um dem Älterwerden etwas entgegenzusetzen, fängt er an, Neues auszuprobieren. Seine kleine neue Leidenschaft ist das Zigarrenrauchen, seine große neue Leidenschaft das Komponieren von knalligen Dancesongs. Früher hat er Fagott gespielt und aus dieser Zeit ist Debussy sein unangefochtener Lieblingskomponist, doch jetzt kauft er sich eine Gitarre, ein Programm, um Musik am PC zu mischen und ein Mikrophon. Er übt täglich mehrere Stunden und hört viel Musik, um von seinen bevorzugten Musikgruppen und Einzelsängern zu lernen. Als Dichter versucht er natürlich auch, passende Texte zu seinen Kompositionen zu finden und da sind seine Alltagsbeobachtungen eine wahre Fundgrube.
Langsam entwickeln sich seine Musikstücke, die Sinnkrise geht ihrem Ende zu. Er hört mit dem Zigarrerauchen wieder auf, er wird ein Buch über das Komponieren schreiben und er wird Rosalyn ein Lied vorspielen…

Den Autor Nicholson Baker stellte ich Ihnen bereits bei meinen Streichhölzer-Bücherbesprechungen vor. Auch in diesem Roman sind die Anmerkungen zu unscheinbaren Alltagsbegebenheiten „das Salz in der Suppe“. Aber jetzt wird noch zusätzlich eine Musikplaylist mit angeboten und wer den Roman liest sollte es sich nicht entgehen lassen, sich direkt die Lieder im Internet anzuhören.

Bewertung: Ich sage nur so viel: Das dritte Buch von Herrn Baker liegt bereits auf meinem Nachttisch…

Das Farbtagebuch

Probieren geht über studieren-genau! Und deshalb ist jetzt eine gute Zeit, entweder mal etwas Neues auszuprobieren, ein altes Hobby neu zu beleben, sich mal kleine Verrücktheiten zu leisten oder es einfach mal der Katze unten nachzumachen.

Bei mir fing das Ausprobieren damit an, dass mein Mann unsere Holzbank neu angestrichen hat.

Wir hatten sieben Farben für jeweils dreizehn Felder bei der Lehne und der Sitzfläche, wie die Farben verteilen? Sie glauben gar nicht, wie schwer dies war bis unser beider Bauchgefühl uns sagte, dass die Kombination gut sei. Schon jetzt freuen wir uns auf einen Besuch im Dezember beim Meister der Farbkombinationen: Im Gemeentemuseum in Den Haag werden viele Bilder von Piet Mondrian gezeigt.

Einfach nur ein paar Kästchen? Mondrian hat oft monatelang an einem Bild gearbeitet. Das können wir uns jetzt ein bisschen besser vorstellen.

Das Beschäftigen mit Farben machte mir viel Spaß und ich beschloss, diesen Spaß auszudehnen. Seitdem habe ich ein Farbtagebuch und male jeden Tag ein kleines Bild. Ich plane nichts im voraus, sondern lasse mich zuerst bei den Farben und Formen treiben, bis dann plötzlich ein Gedanke auftaucht und ich das Bild in einer Richtung beende. Das ist sehr entspannend und stimmungsaufhellend und ich freue mich, dass ich bisher anscheinend wenig Veranlassung sah, dunkle Farben zu benutzen.

Das Farbtagebuch aus einer besonderen Zeit- als Erinnerung, Mahnung und Ermutigung.

Ganz ehrlich

An einem sonnigen Nachmittag
bummelte ich an einem Stück der Berliner Mauer entlang.
Ich versuchte die Graffitis auf der Mauer zu entschlüsseln,
meistens ohne Erfolg.
Mein Grübeln wurde unterbrochen,
als auf halber Strecke ein Plakat über die Mauer lugte.
Auf dem Plakat war der Kopf einer jungen Frau zu sehen,
davor standen die Worte „Ganz ehrlich.“
„Ganz ehrlich“- was wollte man mir mitteilen?
Und warum ganz ehrlich?
War man früher halb, mehroderweniger oder nur ein bisschen ehrlich gewesen
und wollte jetzt endlich mal ganz in die Vollen mit der Wahrheit gehen?
Dieser Vermutung widersprach der Gesichtsausdruck der jungen Frau.
Kein Blickkontakt mit mir, 
ihre Augen sahen mit leichtem Spott in eine nahe Ferne.
War das Ehrlichsein doch schwieriger als gedacht?
Ihr Mund hatte den Monalisastil,
ihre rechte Hand stützte das Gesicht leicht ab, 
eine etwas verunglückte Denkerpose,
die das Ganzehrlichgesäusel nicht glaubhafter machte.

Ehrlichkeitsgeplänkel, Ehrlichkeitslitanei, Ehrlichkeitspokerface, Ehrlichkeitskuriosum, Ehrlichkeitsorakel- 
ich dachte mich in Rage bis zum heutigen Tage.

(Bitte lesen Sie Tage in diesem Fall wie Rage, also mit weichem j, damit es sich reimt-vielen Dank.)

Der Akazienkavalier

„Von Menschen und Gärten“ ist der Untertitel dieses Buches und ich fing bereits im Januar an, es zu lesen, weil ich mich in den Gärten andere Menschen „umsehen“ wollte. Das ging ziemlich schief, denn in den meisten Kapiteln ist entweder nur eine Pflanze das Thema (z.B. ein Ficus in einer Küche oder der Seidelbast als Pflanze der Bettler) oder es geht um einen Garten, dieser dient aber eher nur als Schauplatz für Begegnungen mit Menschen.

Ich war deshalb von diesem Buch enttäuscht und legte es wieder weg. Jetzt, wo ich meinen eigenen blühenden Garten habe, gab ich dem Buch aber eine zweite Chance. Die Autorin erzählt von Begegnungen mit Menschen in mehreren Ländern Europas, deren Leben zeitweise oder ganz vom Leben im Garten oder mit einer Pflanze geprägt wurde. Beeindruckend das Kapitel, in dem sie von einem Treffen mit einer blinden Gärtnerin erzählt. Zu Herzen gehend ist die Familiengeschichte von vier Schwestern, die sich regelmäßig unter einem alten Birnbaum treffen. Der Autorin Colette wird eine Geschichte gewidmet, wie sie im zweiten Weltkrieg aus ihrer Wohnung den Garten des Palais Royal sieht und den Alltag unter der deutschen Besatzung beschreibt. Ja und dann ist da noch der bekannte deutsche Schauspieler Walter Sittler, der auf einer Fensterbank einen Wüstengarten pflegt oder ein Wolkengarten über dem Memelland, den man entdecken kann.

Ich mag die achtzehn Geschichten dieses Buches inzwischen sehr. Es sind z.T. ergreifende Schicksale, von denen die Autorin erzählt, aber auch ihre Gabe, Details und Stimmungen zu beschreiben, hat mir gut gefallen.

Wenn man es mit dem Dankeschön ernst meint

In den letzten Tagen gingen per Anzeige, Leserbriefe oder Radiospots viele Dankeschöns hinaus in die Welt an alle, die momentan dafür sorgen, dass unser Alltagsleben nicht völlig zusammenbricht. Dazu gehören auch diejenigen, die in den Supermärkten arbeiten. In einem Supermarkt ist mir vorgestern Folgendes passiert:

Morgens hatte ich beim Aufräumen in einem alten Verbandskasten aus meiner Buchhandlung fünf Mundschutzmasken gefunden. Ich bin absolut kein Fan dieser Masken, besonders nicht zur jetzigen Heuschnupfenzeit, wenn die Nase als Sauerstofflieferant fast immer ausfällt. Aber ich zog eine an, als ich einkaufen ging, weil ich auch mal sehen wollte, wie andere Menschen reagieren. Im Supermarkt war ich die einzige mit Maske und wurde, so hatte ich zumindest den Eindruck, manchmal etwas besorgt angesehen. Mehrere Verkäuferinnen räumten Ware ein. Eigentlich sind diese Damen immer gut oder wenigstens neutral gelaunt, aber jetzt schien es mir, dass sie alle bedrückt waren. Bis mich eine Verkäuferin anlächelte und sich dafür bedankte, dass ich eine Maske trage…Ich lächelte nur zurück, viel zu irritiert, etwas zu sagen.

Wieder zuhause, musste ich noch an die Verkäuferin denken. Wie würde ich mich selber fühlen, wenn ich täglich der Möglichkeit mich anzustecken, hundertfach ausgeliefert wäre? Wäre ich nicht auch dankbar, wenn eine fremde Person von sich aus etwas dafür tut, mich nicht anzustecken?

Ich werde ab sofort immer eine Maske tragen, denn dann ist die Dankbarkeit- siehe oben-kein Lippenbekenntnis mehr.

Aber ich habe mir noch eine zweite Frage gestellt: Warum tun wir uns so schwer, eine Maske zu tragen? Wir bezeichnen uns als vernünftige Menschen, aber die meisten von uns ignorieren hierbei alle sehr guten Argumente, die für das Tragen sprechen. Liegt es vielleicht daran, dass die Maske für uns ein Anzeichen, ein Symbol ist, dass etwas ganz und gar nicht in unserem Alltag stimmt und wir wollen diese Tatsache verdrängen, in dem wir die Maske nicht tragen? Ist dieses Verdrängen für uns wichtiger als unsere Gesundheit? In anderen Staaten wie Japan oder Thailand hat man zu den Masken ein anderes Verhältnis, hier ist es gesellschaftlich völlig ok, wenn man seine eigene Gesundheit und die von anderen schützen will. Also warum nicht bei uns?

Morgen entschleunige ich die Blog, am Samstag geht es mit dem Rätsel weiter.

P.S. Ich bekam gerade ein etwas unwirsches Mail, in dem sich der Absender beschwerte, dass er ja eine Maske tragen würde, wenn es denn eine zu kaufen gäbe.

Es ist besser, sich einen Schal umzubinden, als gar nichts zu tun, so die Aussage eines Arztes in einer gestrigen Radiosendung.

Was in eine Streichholzschachtel passt

Angeregt von den Büchern, die ich gestern besprach, habe ich ein neues Bastelprojekt gestartet. Unter dem Motto „Steichholzschachtel ABC“ versuche ich, für jeden Buchstaben eine passende Füllung für eine Schachtel zu finden. Hier meine ersten sechs Buchstaben:

Will be continued.