Krav Maga für Frauen

Unter diesem Motto besuchte ich vorletztes Wochenende in Duisburg einen dreistündigen Volkshochschulkurs. In dem VHS Programmheft wurde versprochen, dass man Techniken zur Selbstverteidigung bei Angriffen erlernt, unabhängig welches Alter, wie viel Kraft und welches Fitnesslevel man hat. Das machte mich neugierig.
Krav Maga ist ein Selbstverteidigungssystem aus Israel, das die effektivsten Elemente aus verschiedenen Kampftechniken zusammenführt.
In der ersten Stunde vermittelte uns die Kursleiterin Freya Geßner theoretisches Wissen und ging dabei z.B. auf die rechtlichen Grundlagen bei einem Angriff ein oder auf visuelle Anzeichen, wann es zu einem Angriff kommen kann. Der praktische Teil begann mit Beobachtungsübungen ( elf Frauen nahmen an diesem Kurs teil, Alter ca. 18 bis Ende 60). Danach wurde uns gezeigt, welche Armbewegungen zur eigenen Befreiung führen, wenn man am Handgelenk festgehalten, von vorne und hinten gewürgt oder von vorne mit einem Messer angegriffen wird. Wie können Dinge, die man bei sich hat, wie z.B. Tasche,Regenschirm, Jacke oder Schal, zur Abwehr eingesetzt werden?
Wir übten die Techniken zu zweit, am Ende der drei Stunden wurde in der Gruppe plötzlicher Angriff mit Verteidigung praktiziert.
Die Zeit verging schnell, Frau Geßner sorgte für eine entspannte, aber auch konzentrierte Atmosphäre und die vielen Fragen, die aus der Gruppe kamen, beantwortete sie sehr kompetent. Dabei betonte sie mehrmals, dass man immer versuchen sollte, auf die Situation deeskalierend zu wirken und beispielsweise die angreifende Person anzusprechen. Wichtig ist auch die eigene Selbstwahrnehmung und der Ausstrahlung. Diese drei Stunden waren für mein Selbstbewusstsein eine große Bereicherung.
Da man keine schriftlichen Unterlagen zu dem Kurs bekam, lieh ich mir diese beiden Bücher in der Stadtbücherei aus, um das Thema zu vertiefen. Beide Bücher waren allerdings eine Enttäuschung.

Das rechte Buch befasst sich in der ersten Hälfte mit den psychologischen Voraussetzungen, wie eine Frau eine Angriff vermeiden kann. Mehrere Fallbeispiele werden dabei ausführlich beschrieben. Im zweiten kürzeren Teil werden dann einige Verteidigungsmöglichkeiten erklärt. 2 Fotos pro Verteidigungsmöglichkeit finde ich für blutige Anfängerinnen zu wenig, dementsprechend lang ist die nicht immer nachzuvollziehende Beschreibung, wie man sich wehren kann. Auf Hilfsmittel wie Tasche, Schal etc. wird nicht eingegangen. Was mich am meisten störte ist die Tatsache, dass die Autorin mehr Techniken zeigt, bei denen man als Frau in die Genitalien des Mannes treten soll und dann dabei auf einem Bein steht. Das widerspricht den Aussagen unserer Kursleiterin, die mehrmals betonte, dass es wichtig sei, immer sicher auf zwei Beinen zu stehen. Für sie war z.B. der Einsatz eines Ellenbogens eine gute Verteidigung.

In dem zweiten Buch gibt es ein Kapitel mit dem Titel „Frauen und Selbstverteidigung“. Sehr irritierend fand ich, dass als Grund für die Selbstverteidigung nur eine drohende Vergewaltigung angeführt wurde. Wie sieht es mit Diebstahl, Anmache, Rempelei aus?
Die Erklärungen zu den Techniken werden von Fotostrecken begleitet, das ist eindeutig besser als im ersten Buch. Aber die einfachen Verteidigungsmöglichkeiten, die wir im Kurs gelernt haben, fand ich hier leider auch nicht.

Kommt ein Pferd in die Bar

Der Autor David Grossman erzählt in seinem Roman vom letzten Auftritt des israelischen Stand-up Comedians Dovele Grinstein. Sehen Sie sich das Titelbild des Buches an, was denken Sie, was fühlen Sie?

Das Bild strahlt Trauer aus, der Mann wirkt einsam, Sie haben vielleicht Mitgefühl mit ihm? Wie passt das zu dem Auftritt eines Komikers?

Zu Beginn seiner Show ist Dovele der bekannte Possenreißer. Er pöbelt die Zuschauer an, erzählt gute und schlechte Witze, umgarnt sein Publikum, um es im nächsten Moment wieder zu schockieren. Die Stimmung schwankt manchmal gefährlich, doch Dovele hat die Gäste fest im Griff und zieht alle Register. Ihm ist es an diesem Abend besonders wichtig, dass er gut ist, denn unter den Zuschauern ist ein bekannter Richter, mit dem Dovele in seiner Kindheit kurze Zeit befreundet war. Die beiden haben sich seit Jahrzehnten nicht gesehen, doch Dovele hatte den Richter zuvor zuhause aufgesucht und gebeten, zu seiner Show zu kommen. Er soll Dovele beobachten und ihm danach sagen, was für ein Mensch auf der Bühne steht.
Der Richter willigt nach einigen Bedenken ein. Was er dann am Abend während der Vorstellung sieht und hört, findet er abstoßend. Er will gerade gehen, als Dovele beginnt, die Geschichte von seiner ersten Beerdigung zu erzählen. Es ist eine traurige und verzweifelte Geschichte. Nach und nach verlassen immer mehr Zuschauer, die einen lustigen Abend erwartet hatten, empört den Saal.
Dovele erzählt seine Geschichte bis zum Ende. Nur noch wenige Besucher hören ihm zu, u.a. auch der Richter. Dieser ist danach schockiert, denn die Geschichte betrifft auch ihn und sein Lebenskartenhaus gerät ins Schwanken.

Als ich dieses Buch gelesen habe, hatte ich den Eindruck, dass ich im Zuschauersaal sitze. Ich lachte über einen Witz, im nächsten Moment schüttelte ich über eine Geschmacklosigkeit den Kopf oder reagierte erschrocken, als Dovele sich selbst erbarmungslos ins Gesicht schlägt. Der Sog dieses Romans ist unglaublich.
Ich habe nicht zu lesen aufgehört, als Dovele die Geschichte seiner ersten Beerdigung erzählt. Es ist nebenbei auch die Geschichte seiner Eltern, die in jungen Jahren den Holocaust zwar überlebt haben, aber danach täglich um Normalität in ihrem Alltagsleben kämpfen müssen.

Ich kann mir kein besseres Titelbild vorstellen.

Selten, aber es kommt vor

In meinem Bücherleben habe ich schon viele Bücher gelesen, die ich toll fand und die teilweise immer noch wichtig für mich sind. Sehr selten kam es aber bisher vor, dass ich beim Lesen den Eindruck gewann, dass der Autor/die Autorin eines Buches eine Art Seelenverwandschaft mit mir hat. Nun habe ich einen dritten Autoren gefunden…

Meir Shalev schreibt nicht nur über seinen Wildgarten mit seinen Entdeckungen, Versuchen, Lieblingsblumen, Tierbekanntschaften, traurigen und lustigen Momenten, sondern er spannt immer wieder Bögen zu anderen Themen, wie beispielsweise zur hebräischen Sprache, der in Israel vertretenen Religionen oder zu der aktuellen politischen Lage. Er reflektiert Episoden in seinem Leben und nimmt sich dabei auch manchmal nicht ganz ernst. So ist dies nicht das einhundertachtundfünfzigste Gartentagebuch auf dem Büchermarkt, sondern es ist mehr. (Nicht zu vergessen die zauberhaften Illustrationen im Buch, die zu eine besonderen Stimmung beitragen).

Seine Liebe zur und Demut vor der Natur, seine Neugierde, seine feinen Antennen, auch in kleinsten Dingen etwas Besonderes zu sehen und zu beobachten, machen mir Herrn Shalev sehr sympathisch. Und das alles bietet er in einem Schreibstil, bei dem immer wieder feiner Humor und auch Ironie aufblitzt.

Meir Shalev hat bereits diverse hochgelobte Romane, Kinder- und Sachbücher geschrieben. Ich bekenne, ich habe bisher noch kein anderes Buch von ihm gelesen, werde das jetzt aber nachholen und freue mich darauf “wie Bolle”.

Chaim Be´er: Bebelplatz

Bebelplatz

Der Autor erzählt von zwei Reisen nach Berlin. Beim ersten Mal nimmt er eine Einladung vom sehr reichen, sehr undurchsichtigen Immobilienmakler Sussmann an, weil er beim Verfassen seines Romans eine Schreibblokade hat und sich durch die Reise neue Anregungen für seine eigene Geschichte erhofft. Sein Roman handelt von einem Mann, der eine allumfassende Bibliothek für jüdische Literatur einrichten will, um jüdisches Wissen und jüdische Literatur vor dem Aussterben zu bewahren. Sussmann hat Be´ er  als bekannten Autor aus Israel eingeladen, weil er zu Ehren seiner verstorbenen Tochter Miri jährlich eine Konferenz einberuft, auf der Wissenschaftler und jüdische Gelehrte über ein Thema aus der jüdischen Religion, Geschichte oder Mysrik diskutieren. So trifft Be´ er in Berlin dann auch auf den alten Antiquar Salomon Rappoport, der seltene oder als verschollen geltende Bücher jüdischer Autoren auftreibt, auf Professor Bilker-Bolker, der ebenfalls eine ganz besondere Beziehung zu Büchern hat und auf Veronika, die deutsche Sekretärin von Sussmann. Die vier Tage in Berlin enden für den Autor aber nicht so, wie er es sich vorgestellt hat und frustriert fliegt er nach Tel Aviv zurück. Erst nach 1 1/2 Jahren kehrt er noch einmal nach Berlin zurück und bekommt Klarheit darüber, was dieses erste Treffen für ihn und die andern Beteidigten wirklich bedeutete. Und er fängt diesen Roman, den ich Ihnen heute vorstelle, zu schreiben an.

In den Berliner Bebelplatz ist ein Mahnmal zur Bücherverbrennung eingelassen. Dieses Mahnmal, die Wannseekonferenz und die Vertreibung der Juden aus Galizien, Juden im Nationalsozialismus, sind Themen dieses Romans. Aber auch um Fragen wie: Macht eine Erinnerungsbibliothek Sinn, wenn es den Staat Israel nicht mehr gibt? (Und davon gehen die Gelehrten teilweise aus.) Alte jüdische Geschichten, welchen Wert haben sie für junge Menschen in Israel? Und wie soll ein Autor schreiben, der der alten jüdischen Sprache verbunden ist, wenn es immer weniger Menschen gibt, die die Anspielung auf alte Quellen verstehen?

Ein Roman, der meinen Kopf noch lange beschäftigen wird, denn nun möchte ich noch mehr über jüdische Geschichte und jüdische Literatur wissen. Besonders hervorheben möchte ich dabei auch noch das Nachwort, in dem den Lesern von den Schwierigkeiten berichtet wird, dieses Buch aus dem Hebräischen ins Deutsche zu übersetzen. Auch hier bekommt man noch einmal einen tiefen Eindruck von der alten jüdischen Sprache.

Zum ersten Mal beim Klavier-Festival Ruhr mit dabei

Im Rahmen des Klavier-Festivals Ruhr tritt am 15.3. Daniel Barenboim in der Wuppertaler Stadthalle auf. Ich wollte mich mit diesem Buch ein bisschen auf den Menschen Barenboim vorbereiten.

Um es vorweg zu sagen: Ich habe in diesem Buch nicht alles verstanden. Im ersten Teil geht Barenboim auf sein Verständnis von Musik und Musikinterpretation ein. Hier vertritt er eine sehr strikte Meinung und ich wünschte mir beim Lesen, dass er mit der Autorin dieses Buches mal ein Streitgespräch führt. 

Das Buch bespreche ich demnächst noch ausführlich

Der mittlere Teil des Buches ist seinen politischen Ansichten gewidmet. Dieser Teil hat mich sehr stark beeindruckt. Er erinnert u.a. an Willy Brandt und dessen Fähigkeiten, die man heute bei Politikern so schmerzlich vermisst. Barenboim ist ein Streiter für Toleranz. Er ist der Enkel jüdisch-russischer Großeltern und hat die ersten Jahre seines Lebens in Argentinien gelebt. Barenboim erzählt von seinen ersten Berührungen mit der Musik, die gleichzeitig stattfanden mit dem “Erlernen” der Greueltaten des Holocaust. Das heutige Auftreten Israels stellt er kritisch in Frage und fordert ein Entgegenkommen gegenüber den Palästinensern.

Im dritten Teil sind einige Interviews abgedruckt, die er in der katholischen Universität Mailand gegeben hat. Hier geht es wieder um Musik, besonders um Opern und deren Aufführungen und um Verdi und dessen Stellung in der Musikwelt. Zu diesem Teil konnte ich mir keine komplette Meinung bilden, da mir Musikwissen fehlte. 

Eigentlich trenne ich mich nach dem Lesen von den meisten Büchern, aber nicht von diesem! Ich werde es abschnittsweise immer mal wieder lesen, sei es, um mal wieder über Musik nachzudenken oder Hoffnung zu schöpfen, wenn die Toleranz im Alltag mal wieder mit Füßen getreten wird.

Spannende Zeitreise in die Fünfziger

Bühlerhöhe

Bundeskanzler Adenauer macht seit Jahren im Schwarzwald im Hotel Bühlerhöhe Urlaub. Auch 1952 soll es wieder so sein, doch besteht in diesem Jahr eine besonders große Gefahr, dass ein Anschlag auf ihn verübt wird. Er setzt sich dafür ein, dass Deutschland Ausgleichszahlungen an Israel zahlen soll, und das ist für deutsche und israelische Extremisten inakzeptabel. So hat Adenauer deutsche Bewacher, aber auch Rosa Silbermann vom Mossad. Allerdings ist Rosa mit der Aufgabe anfänglich überfordert, denn ihr zugeteilter Partner Ari taucht zuerst nicht auf und die Hausdame vom Hotel, Sophie Reisacher, wird zu ihrer Gegenspielerin. Sophie merkt, dass mit Rosa etwas nicht stimmt und sie glaubt darüber hinaus, dass Rosa ihr den Mann ausspannen will, den sie sich für eine bessere Zukunft ausgeguckt hat. Doch Rosa wächst mit ihren Aufgaben, dann taucht Ari auch endlich auf und es scheint, dass der Bundeskanzler nicht in Gefahr gerät. Es scheint….

Der geschichtliche Hintergrund dieses Romans ist sehr interessant, man bekommt mit, wie sehr alte Naziseilschaften damals noch in Deutschland verankert waren und beim Lesen spürt man regelrecht die Miefigkeit der damaligen Zeit. Und dann ist da noch das außergewöhnliche Duell zwischen Rosa und Sophie.

Ein “runder” Gesellschaftsroman, der spannend zu lesen ist.

Brigitte Glaser “Bühlerhöhe” List Verlag 20 Euro.