Deutsch für alle

Ist Deutsch Ihre Muttersprache? Dann beglückwünschen Sie sich dazu, diese Sprache nicht wie der Autor Abbas Khider neu lernen zu müssen.

Er ist ein Flüchtling aus dem Irak und kommt nach mehreren Zwischenstationen im Jahr 2000 in Bayern an. Dort beginnt er umgehend, die deutsche Sprache zu lernen und hat schnell drei phonetische Todfeinde: Ä Ö Ü. Diese Buchstaben richtig auszusprechen- keine Chance! Aber auch grammatikalische Regeln lassen Khider immer wieder verzweifeln. Es gibt Regeln, die haben so viele Ausnahmen, dass man eigentlich nicht mehr von einer Regel sprechen kann. Andere Regeln leuchten ihm und seinen Mitschülern partout nicht ein und nach der Lektüre des Buches neige ich nun auch dazu, die deutsche Sprache teilweise als absurd zu bezeichnen.
Khider erzählt aber nicht nur von seinen Schwierigkeiten, sondern er bietet direkt Lösungsvorschläge an, wie man die deutsche Sprache vereinfachen könnte, so dass sie gute Aussichten hätte, die Weltsprache Nr. 1 zu werden. Diese Vorschläge haben mir nicht alle gefallen, aber genial fand ich die Einführung der arabischen Wörter „min“ und „ila“, sie reduzieren erheblich den Wust von deutschen Präpositionen.
Die deutsche Sprache- ein trockenes Thema? Mitnichten, denn Khider gelingt es, sehr humorvoll über Sprachunsinnigkeiten zu schreiben. Dazu erzählt er aus seinem Alltag als Flüchtling, Asylbewerber und schließlich als ausländischer Student und Autor. So liest man ganz nebenbei auch eine bewegende Lebensgeschichte und bekommt Einblick in den deutschen Behördenalltag, für den man sich als Deutsche/r nur schämen kann.
Abbas Khider ist inzwischen für seine Romane mit mehreren Literaturpreisen ausgezeichnet worden. Dass ein Nichtmuttersprachler dieses Buch schreiben konnte, dass beeindruckt mich sehr.

Vom Wellenbrecher zu den Hasenöhrchen

Ende letzter Woche wurde in den Medien das Wort des Jahres 2021 verkündet. Es heißt „Wellenbrecher“. Wer diese Meldung mit Interesse verfolgt hat, für den ist dieses Buch eine lohnende Lektüre:

Wir benutzen täglich unsere deutsche Sprache und nehmen sie als selbstverständlich hin. Aber es gibt viele Facetten im Deutschen und diese komprimiert in einem Buch nachzulesen, das fand ich sehr interessant.

Natürlich gibt es in dem Buch auch eine Liste der Wörter des Jahres (auch für Österreich und die Schweiz, hier entdeckt man überraschende Unterschiede) und eine Aufstellung der Unwörter des Jahres. Kleines Rätsel: In welchem Jahr war „Umweltauto“ das Wort des Jahres? (Das Wort des Jahres wird regelmäßig seit 1977 gewählt).
Es gibt noch andere Tabellen mit besonderen Wörtern, wie z.B. aus der Sprache der Seemänner, der Drucker oder aus dem Jargon der Gauner. Unter dem „Fontane-Code“ hat man 5oo der längsten Substantive aufgeführt, die der Autor für seine Romane einzigartig aus mehreren Wörtern zusammengesetzt hat, wie z.B. „Ausschmückungsgegenstand“ oder „Reinheitswiederherstellung“. Damit macht er unserem Literaturgott Goethe ganz schön Konkurrenz. Haben „Normaldeutsche“ einen aktiven Wortschatz von ca. 12000 bis 15000 Wörtern, soll Herr Goethe sich aus ca. 90000 Wörtern bedient haben. (Experten schätzen die Zahl der deutschen Wörter auf mindestens 300000). Aber Goethes Wortgewandtheit hat ihn nicht davor geschützt, dass andere Autoren seine Werke gnadenlos zerrissen haben. Auch das ist in diesem Buch nachzulesen.
Besonders gefallen mir auch Landkarten, auf denen man nachlesen kann, wie ein Gegenstand im deutschsprachigen Raum eine unterschiedliche Bezeichnung bekommen hat. Da sage ich nur: „Es leben die deutschen Dialekte!“
Über z.T. sehr lustigen Namen von Weinbergen, Orten oder Friseursalons (Glückssträhne, Vielhaarmonie), Zungenbrecher, Teekesselchen, paradoxe Wörter (Gefrierbrand, Miniriesenrad), ja sogar über Grabinschriften kann man sich in diesem Schmöker amüsieren. Und das i-Tüpfelchen: Die Gestaltung des Buches ist eine Augenweide:

Mein Beitrag gibt Ihnen nur einen kleinen Einblick in den Buchinhalt. Wie schön und abwechslungsreich die deutsche Sprache ist, hat mir das Buch noch einmal wunderbar vor Augen geführt. Dass ich das ernst meine, beweist meine zweite Buchanschaffung:

Noch mehr Wortschönheiten, doch dieses Mal detailliert erklärt, welchen Ursprung jedes Wort hat, wo und und wann es gesprochen wurde, welche anderen Wörter zu diesem Wort gehören:

Beide Bücher sind im „Verlag das kulturelle Gedächtnis erschienen“, der 2016 gegründet wurde und 2021 zum „Verlag des Jahres“ gewählt wurde. Mich beeindrucken die bisher erschienen Titel und die Verlagsphilosophie, hier nachzulesen:http://daskulturellegedaechtnis.de/teilhabe/

Ach ja, im Titel meines Beitrags kommt das Wort „Hasenöhrchen“ vor. Ich habe diesen Begriff im Wunderkammerbuch entdeckt. Auf dieser Seite finden Sie diverse Hasenöhrchen…Ich verrate Ihnen am Samstag, was es mit den Hasenöhrchen auf sich hat und wann „Umweltauto“ das „Wort des Jahres“ war.

Habe ein Zipperlein

Da ich gestern mein Ohrwurmleiden ansprach, passen die unten stehenden Verse heute gut dazu.
Vor einem Monat kündigte ich an, dass ich Ihnen in nächster Zeit ab und zu Wörter vorstellen möchte, denen ein Verschwinden aus der deutschen Sprache droht. Diese Ankündigung geriet bei mir ein bisschen in Vergessenheit, doch jetzt beginne ich damit. Hier das erste Wort: Zipperlein. Hört sich doch viel netter an als z.B. „Ich habs im Kreuz“. Zur Vertiefung noch ein kleiner Vers:

Das war nicht fein
das Zipperlein
oben an meinem linken Bein.
In meinem kalten Kämmerlein
entdeckte ich bei Kerzenschein
ein Fleckchen mit etwas gelbem Schleim.
So ging ich schnell zu Doktor Klein
und gab ihm meinen letzten Euroschein.
Doch leider war Herr Doktor Klein
schon bald am Ende mit dem Latein.
Wieder daheim
blieben mir nur Tränelein
und ich behandelte ganz allein
mit ein paar Flaschen weißem Wein
mein großes kleines Zipperlein.

Für Sprachophile- Platz 1 meiner Dezemberlektüre

Zum ersten Mal in meinem Leben habe ich mir vom Autor des Buches, das ich gerade lese, direkt weitere Bücher bestellt. Name des Autors: Walle Sayer.

Walle Sayer ist für mich ein Meister, in Gedichten oder Texten Alltagssituationen und Gefühle zu beschreiben. Sein außergewöhnliches Talent liegt in der Gabe, genau zu beobachten und dies mit z.T. neuen Wortschöpfungen prägnant zu beschreiben, wie z.B. Erinnerungsdeponie, Fettnäpfchenparcour oder Gefühlsimitat. Hier ein paar Texte:

Wörter finden- Die Auflösung

Aus den Buchstaben des Wortes “Fastenzeit” habe ich folgende Wörter bilden können:

Zen, Tante, Satz, Tatze, Sitz, Nase, fies
seit, sein, fein, Stein, ein, sie, nie, stanze, Eis, fiese, fiesen, Eisen, niese, Finte, feist, Seen, Seifen,
Seife, steif, Safe, satt, Tee, See, Fee, Feen, 
Nest, Ast, nett, fett, fit, sitzen, an, Ai, Stift, 
Zeit, Nest, fest, in, Test, testen, ist, eins, stiften 
fast, fasten, Tinte, Teint, Taste, tasten, tief, Tees

Welche habe ich übersehen?