Xerox

Eine junge Frau arbeitet in Amsterdam in einem Büro. Freundschaften mit ihren Kollegen zu schließen fällt ihr schwer, zu unterschiedlich sind die Lebenswelten. Auch arbeitet sie den ganzen Tag alleine in einem Raum, in dem der Drucker das dominierende Gerät ist. Mit ihm unterhält sie sich und erinnert sich an ihre Kindheit. Sie wohnte weitab vom malerischen Touristenamsterdam in einer Siedlung, in denen das Leben nicht leicht war. Besonders erinnert sie sich an einen Brand, man weiß aber am Anfang noch nicht, welche Verbindung sie zu diesem Ereignis hat.
Ihre Selbstgespräche, zusammen mit mehreren stressbedingten Zusammenbrüchen, führen dazu, dass ihr Chef sie zur Regenerierung freistellt. Eine ziemliche Katastrophe, denn sie vermisst ihren Drucker schmerzlich.
So geht es auch dem Drucker, der sich im weiteren Verlauf der Geschichte zu Wort meldet. Durch einen Fehler bei seinem Zusammenbau kann er denken, Menschen verstehen und deren Gedanken lesen. So erfährt man von ihm u.a. auch weitere Details zu dem Brand.
Das Büro der jungen Frau wird von einem Kollegen übernommen. Er rangiert den Drucker aus und stellt ihn an den Straßenrand. Kurze Zeit später steht fest, dass es der Firma finanziell schlecht geht und Mitarbeiter entlassen werden. Die junge Frau kehrt noch einmal in die Firma zurück, um ihre Entlassungspapiere entgegenzunehmen und sieht dabei, dass der Drucker verschwunden ist. Aber es wird noch einmal ein Wiedersehen geben…

Las ich das Buch abends im Bett, musste ich manche Passagen zweimal lesen, die Gedankengänge der Icherzählerin waren für mich etwas wirr. Las ich das Buch morgens frisch ausgeschlafen, überzeugten mich der Ideenreichtum und die „Vibrations“ des Romans und die Freude über einige brillante Sätze.

Der Teufelskreis der Einsamkeit

Als wir Anfang des Monats in Luxemburg waren, sah ich abends überall Menschen, die etwas Verlorenes ausstrahlten. Vielleicht lag es daran, dass ich gerade dieses Buch las und meine Antennen für Einsamkeit besonders sensibel waren:

Die Autorin gibt ihr Leben in England vollständig auf, um zu ihrem neuen Freund nach New York zu ziehen. Eine fatale Entscheidung, denn ihr Freund serviert sie sehr schnell ab. Sie beschließt, in New York zu bleiben, findet eine Arbeit und wechselt in den nächsten Jahren mehrmals die trostlosen Unterkünfte. Was Olivia Laing völlig unterschätzt hat ist die Wucht, mit der das Einsamkeitsgefühl sie trifft. Sie kennt niemanden in New York und versucht auf langen Spaziergängen, das Gefühl in den Griff zu bekommen. Doch beim Anblick von Pärchen und Familien breitet sich die Einsamkeit immer mehr in ihr aus und bestimmt ihr Denken und Handeln. Sie zieht sich zurück, hat Angst davor, in der Öffentlichkeit als Einsame entlarvt zu werden.
Glücklicherweise hat sie als studierte Kulturwissenschaftlerin Zugang zur Kunst und sie entdeckt schließlich für sich Künstler, deren Leben und Werke ihrer Meinung nach auch von großer Einsamkeit geprägt sind. Parallel zu ihrer eigenen Geschichte erzählt sie deshalb auch von Edward Hopper, Andy Warhol, David Wojnarowicz und anderen Künstlern, die für sie verschiedene Facetten der Vereinsamung repräsentieren. So geht es beispielsweise um das Abhandenkommen von Sprache bei Warhol oder bei Wojnarowicz um die grenzenlose Suche nach Sex und Intimität in den heruntergekommenen Piers und Kinos am Trafalgar Square in den 70er Jahren.
Einsamkeit „passiert“ nicht nur bei Verlust einer geliebten Person, sondern auch, wenn Menschen durch die Gesellschaft ausgegrenzt oder stigmatisiert werden. Der Umgang mit Aidskranken in den 80er Jahren ist für Olivia Laing ein Paradebeispiel.
Die Einsamkeit der Menschen in Zeiten des Internets mit dem Wunsch nach endloser Aufmerksamkeit und Anerkennung ist ein weiteres Thema in diesem Buch. Auch hier gibt die Autorin wieder ihre eigenen Erfahrungen preis und berichtet über die Aktivitäten des Internetgurus Josh Harris.
Die Analysen der Autorin, was Einsamkeit ist und wie tiefgreifend sich Einsamkeit bei Menschen auf Körper und Psyche auswirkt, haben mich sehr beeindruckt. Ihre eigene Geschichte mit Texten über die amerikanische Künstlerszene zu kombinieren, ist überraschend und nachvollziehbar.
Olivia Laing findet etwas Trost in der Tatsache, dass sie in ihrer Verlorenheit nicht alleine ist, sondern immer mehr Menschen von Einsamkeit heimgesucht werden. Auch scheint es so, dass einsame Menschen eine erweiterte Wahrnehmung des Alltagslebens haben, daraus zieht sie selbst eine positive Kraft.
Nach Laings Meinung ist das offene Bekennen zur eigenen Einsamkeit fast immer noch ein Tabu in der Gesellschaft. Diese fürchtet sich vor dem Gefühl und verdrängt es gerne. Die wohl gemeinten Ratschläge Nichtbetroffener (einem Verein beitreten, ein Ehrenamt übernehmen, sich einen Hund anschaffen) helfen gegen das Alleinsein, sind für die Einsamkeit aber nur ein Pflaster. Deshalb wünscht sich die Autorin mehr Orte, in dem einsame Menschen sich ohne Scham treffen und sich gegenseitig unterstützen können, um aus dem Teufelskreis der Einsamkeit zu entkommen.