Das Geheimnis von Little Sark

Ich beginne mit einem Zitat aus dem Buch:“ Auf Sark gedeihen viele Feindschaften, wenn es wenig anderes zu tun gibt.“
Das gilt besonders dann, wenn die Touristensaison auf der kleinen Insel im Ärmelkanal vorbei ist und sich in den Wintermonaten die Bewohner wieder mit sich selbst beschäftigen. 1933 ist es allerdings ein bisschen anders, denn eines Tages findet man am Rand einer Klippe zuerst eine ausgebreitete Jacke und dann zwei ordentlich zusammengelegte Kleiderstapel von einem Mann und einer Frau. Schnell wird klar, dass diese teuren Kleidungsstücke nicht Inselbewohnern gehören und langsam erinnert man sich, ein fremdes Paar in der Kleidung an mehreren Stellen gesehen zu haben. Doch wo ist dieses Paar? Ist es bei einem Unfall ums Leben gekommen? Oder handelt es sich um Selbstmord? Die lokale und bald auch die Presse des gesamten Königreichs überschlägt sich in Vermutungen und als eine junge Frau tot im Meer gefunden wird, während der Mann verschwunden bleibt, gibt es die ersten Mordspekulationen. Könnte jemand von der Insel damit zutun haben?
Die Autorin macht mehrmals einen Zeitsprung zum Jahr 1923 und widmet sich den o.g. Feindschaften. Besonders involviert sind u.a. Elise Carey und ihre Tochter Phyllis. Elise will alles kontrollieren und das Postgeheimnis ist für sie als Poststellenleiterin nur eine Empfehlung. Auch leitet sie nicht unbedingt alle Briefe weiter, was das Leben einiger Bewohner eine andere Richtung gibt. Die pubertierende Phyllis liebt es, Erwachsenen Streiche zu spielen und bedient sich bei alten Sarker Geschichten, in denen es um Geister und andere ungeklärte Phänomene geht. Dass sie mit diesen Streichen viel Leid auslöst, wird ihr erst 1933 richtig klar. Nebenfiguren wie Maud, die Hebamme, die vieles weiß, John, der Chief Constable als Fels in der Brandung, Paul und Ann Cecil, Sommergäste, die ungesund für die Insel sind oder der stets betrunkene Arzt Stanhope sind nur einige, die den Mikrokosmos der Insel bevölkern. Am Ende des Romans sind einige geheime und mysteriöse Geschichten, Geistersichtungen und Verletzungen aus der Vergangenheit geklärt und vielleicht wird das Leben auf Sark nun ein bisschen leichter.
Die Leserschaft wird von der ersten Seite an von einer nicht näher benannten Person mit in die Handlung gezogen. „Wir“ rätseln zusammen mit den Inselbewohnern, „uns“ macht man nichts vor und „Wir stellen mal eine Vermutung an.“ Das ist lebendig geschrieben und macht Spaß. Zuerst scheint es sich um einen Kriminalroman zu handeln, denn die Berichterstattung über das Paar wird immer brisanter. Doch die alten Inselgeschichten übernehmen nach und nach die Handlung und das Spektrum menschlicher Tragödien und besonders dem damit verbundenen Leid der Frauen ist groß. Doch irgendwann beginnen die Frauen, zusammen zu halten und sich zu wehren.
Das Buch beruht auf einem authentischen Fall und vielen alten Quellen, die die Autorin in der Bibliothek von Guernsey gefunden hat. Auch orientieren sich einige Romanfiguren an ehemaligen Inselbewohnern. Ein weiteres Leseargument für das Buch!








Die Kolonie- ein nordirisches Inselleben

Wir schreiben das Jahr 1979.
Der Franzose Jean-Paul Masson reist seit vier Jahren im Sommer zu einer kleinen abgelegenen irischen Insel. Dort sprechen noch einige wenige Bewohner die alte irische Sprache und er will als Sprachwissenschaftler erforschen, wie diese Sprache durch das Englische verdrängt wird. Die Inselbewohner mögen JP und unterstützen ihn, die junge schöne Witwe Mainhead wird seine Geliebte.
Doch im fünften Sommer ist alles anders. Als JP eintrifft, ist er nicht der einzige Gast. Der englische Künstler Mr. Lloyd hat sich einquartiert. Er kommt aus London, seine Frau hat hat eine Kunstgalerie, hält seine Bilder aber schon seit geraumer Zeit für antiquiert. Lloyd hofft, auf der Insel neue Inspirationen für seine Bilder zu finden.
JP und Lloyd wohnen nebeneinander und sind wie Hund und Katze. Lloyd wird von JP bei seiner Suche nach inspirierender Stille gestört, JP befürchtet, dass durch Lloyd die Inselbewohner mehr Englisch sprechen und damit Massons Bestrebungen untergraben werden, dieses Jahr seine Doktorarbeit beenden zu können.
Schließlich zieht Lloyd in eine abseits gelegene Hütte ohne Wasser und Strom. Die meisten Bewohner mögen den Engländer nicht, nur Maeinhead und ihr fünfzehnjähriger Sohn James zollen ihm Respekt und kümmern sich etwas um ihn. So gehen die Wochen dahin und es ergibt sich, dass Meinhead Lloyds Modell wird und James bei ihm zu zeichnen anfängt. Schnell erkennt Lloyd, dass James sehr begabt ist und Insel-und Naturszenen besser darstellt als er selbst. Er will James fördern und ihn mit nach London nehmen, um ihn zur Kunstakademie zu schicken. Auch eine gemeinsame Ausstellung in der Galerie seiner Frau kann er sich vorstellen. James malt wie im Fieber, denn er will weg von der Insel. Er möchte nicht wie sein Vater Fischer werden und eines Tages von einer Ausfahrt nicht mehr wiederkommen.
Die Abreise von JP und Lloyd rückt näher und näher rücken auch die tödlichen Auseinandersetzungen zwischen Katholiken und Protestanten auf dem Festland. Hört man anfangs nur manchmal im Radio eine Meldung, dass wieder eine Bombe gezündet wurde und Menschen starben, häufen sich diese Meldungen im Laufe der Geschichte und gipfeln in zwei Anschlägen, bei denen u.a. Verwandte der Queen getötet werden. Nun ist auch die Insel involviert, denn Einwohner nehmen Partei und die Situation für Lloyd als Engländer wird nicht einfacher. Er muss nur noch sein übergroßes Meisterstück beenden, dann wird er gehen. Das Bild zeigt eine Inselszene mit allen Bewohnern und James erkennt darauf seine eigenen Bilder wieder. Zufall oder Verrat?


Wenn mich jemand fragen würde, was Literatur ist, dann sage ich: „Lesen Sie das Buch „Die Kolonie!“ Die Geschichte, die Atmosphäre des Buches, die Beobachtungen, die Sprache, die angerissenen Themen- perfektes „Material“ für einen Buchclub, in dem Menschen diskutieren und jeder etwas anderes in diesem Roman entdecken wird.

Orkneyinseln: Megan öffnete uns die Augen (GB 6)

Auf der Orkney-Mainlandinsel hatten wir das Glück, bei Yesnaby an der Westküste an einer Führung mit der auf Orkney lebenden Megan Taylor teilnehmen zu können. Für ca. 3 Stunden gingen wir an der Küste entlang und Megan machte uns auf viele verschiedene Vogel- und Blumenarten aufmerksam.

Die Blüten waren teilweise winzig und Megans genaues Hinsehen übertrug sich auf mich, so dass ich später auf den Äußeren Hebriden auch jedes kleine Blümchen genau unter die Lupe nahm und das in Zukunft auch tun werde. Ein Dankeschön an Megan!

Einmal im Leben Papageientaucher sehen-das war für mich einer der Gründe, auf die Orkneyinseln zu fahren. Aber das ist ungerecht den anderen Vogelarten gegenüber und Megans Erklärungen brachten uns die heimische Vogelwelt näher.

Diese Fotos zeigen eine kleine Auswahl der Vögel, die wir auf der gesamten Reise gesehen haben.

Hier geht es zu Megans Homepage, auf der sie verschiedene Führungen anbietet:https://wildorkneywalks.co.uk/about/

Ich unterhielt mich mit Megan auf dem Rückweg zum Parkplatz noch über das Alltagsleben auf den Inseln. Ein Problem sind beispielsweise die riesigen Kreuzfahrtschiffe, die vermehrt im Hafen von Kirkwall vor Anker gehen und deren Passagiere die Mainlandinsel überfluten. Die Infrastruktur ist dafür nicht vorgesehen und ich hatte den Eindruck, dass diverse Geschäfte nur noch Souvenirs für Touristen anbieten und die Versorgung der einheimische Bevölkerung darunter leidet. Es rumort auf den Orkneyinseln. Vorgestern war zu diesem Thema auf der Seite von n-tv zu lesen:

Enge Beziehungen zu Norwegen-
Orkney-Inseln erwägen Loslösung von Großbritannien

Die schottischen Orkney-Inseln fühlen sich von den Regierungen in London und Edinburgh betrogen. Sie streben eine größere wirtschaftliche Selbstständigkeit an. Als eine Option gilt, ein selbst verwaltetes Gebiet Norwegens zu werden.

Auf den schottischen Orkney-Inseln im Nordatlantik wird über eine Loslösung von Großbritannien diskutiert. Als eine von mehreren Optionen gilt, ein selbst verwaltetes Gebiet Norwegens zu werden. Gemeinde-Vorsteher James Stockan betonte im Gespräch mit BBC Radio Scotland die historisch engen Beziehungen zu dem skandinavischen Land, zu dem die Inselgruppe mit 20.000 Einwohnern einst gehörte. 

Britische Medien sprachen am späten Sonntagabend – in Anlehnung an den „Brexit“ getauften EU-Austritt Großbritanniens – von einem möglichen „Orkxit“ im Nordatlantik. Stockan hat beantragt, andere Regierungsformen in Betracht zu ziehen. Ziel sei eine größere wirtschaftliche Selbstständigkeit, sagte er. Die Inselgruppe nördlich des schottischen Festlands fühle sich von den Regierungen in London und Edinburgh betrogen. Die finanziellen Zuwendungen seien deutlich geringer als auf den weiter nördlich gelegenen Shetlandinseln oder den Äußeren Hebriden im Westen von Schottland.

Orkney wurde 1472 als Sicherheit für die Mitgift bei der Hochzeit der dänischen Königin Margarethe mit dem schottischen König James III. an Schottland verpfändet. „Auf der Straße in Orkney fragen mich die Leute, wann wir die Mitgift zurückgeben, wann wir wieder zu Norwegen gehören“, sagte Stockan. Es gebe eine große kulturelle Verbindung mit den nordischen Ländern. Mögliche Regierungsformen seien auch ein Kronbesitz wie etwa die Inseln im Ärmelkanal, die über eigene Gesetze verfügen und direkt der britischen Krone unterstehen, oder ein Überseegebiet wie Gibraltar oder die Falklandinseln.

Der Gemeinderat soll an diesem Dienstag über den Antrag diskutieren, der keine konkrete Lösung festlegt. „Wir werden die praktische Bedeutung prüfen und dann die Ergebnisse auswerten“, sagte Stockan. „Wir wollen die beste Position für künftige Generationen und unseren Platz in der Welt finden.“

03.07.2023, 09:42 Uhr

Keine bezahlte Werbung!

Vorrat für den Winter

Die schlechten Nachrichten für den Winter häufen sich. Wer sich in den nächsten Monaten eine kleine Auszeit genehmigen möchte, dem lege ich dieses Buch sehr ans Herz:

Der Autor Axel Hacke, bekannt u.a. für seine Bücher und Kolumnen in der Süddeutschen Zeitung, fährt seit über 30 Jahren mit seiner Familie 2-3 mal pro Jahr auf die Insel Elba. Dort steht in einem kleinen Dorf ein sehr alter Turm, dieser ist das Ferienhaus der Familie. Darüber hinaus besitzt sie noch einen Olivenhain mit einem kleinen Haus.
Verbringt die Familie auf Elba ihre Ferien? Offiziell ja, doch Hacke schreibt ehrlich und humorvoll, dass es in den Wochen auf der Insel auch Vieles zu regeln gibt, seien es Reparaturen oder Veränderungen an Turm und Haus, Behördengänge, das Kümmern um den divahaften alten Fiat 500, das Ernten der Oliven und, und, und…“Garniert“ wird alles mit der unterschiedlichen Einstellung des Deutschen und der Italiener, wenn es um verbindliche Zusagen und die Ausführungen geht. Irgendwie klappt alles, na ja, fast alles, aber wann und wie, wer weiß das schon. Gelassen bleiben ist das oberste Gebot.
Durch diese Aktivitäten lernt Hacke zwar viele Dorfbewohner kennen,
jedoch gehört er nicht zu der alten Dorfgemeinschaft, kennt nicht alle früheren Geschichten und Geheimnisse, die über Jahrhunderte hinweg unsichtbare Verbindungen und Grenzen zwischen den Anwohnern geschaffen haben. Hacke beginnt trotzdem, Alltagsgeschichten über Bewohner aufzuschreiben, manche sind wahr, andere denkt er sich aus. So lernt man beispielsweise Paolo, den Kaffeemaler, kennen und Henky den Schriftsteller. Ennio, der Fiatspezialist ist dabei, Mauro, der Herrscher über den Strand und Boote, Tanneo, der verhinderte Schmied oder Ludwig, der Käfersammler.
Dieses Buch strahlt auf jeder Seite „Bella Italia“ aus und Italienfreunde werden es mögen. Wie sich die Insel in den letzten 30 Jahren verändert hat, ist mit etwas Sentimentalität zu lesen. Was mich aber besonders für dieses Buch einnimmt, das sind die Alltagsgeschichten, die zeigen, wie wenig man braucht, um ein zufriedenes Leben zu führen.

Der Kaffeemaler

Was in eine Streichholzschachtel passt

Angeregt von den Büchern, die ich gestern besprach, habe ich ein neues Bastelprojekt gestartet. Unter dem Motto „Steichholzschachtel ABC“ versuche ich, für jeden Buchstaben eine passende Füllung für eine Schachtel zu finden. Hier meine ersten sechs Buchstaben:

Will be continued.

Drei Wochen auf einer Leuchtturminsel

Der Autor, Reisender und Journalist, verbringt drei Wochen auf einer unbenannten kleinen Insel vor der ligurischen Küste. Das Besondere an der Insel: Sie hat einen Leuchtturm mit zwei Wärtern. Sie empfangen ihn freundlich, lassen ihn aber sonst ziemlich unbehelligt, da sie sich neben dem Wachen mit dem Fischfang befassen, um sich noch etwas dazuzuverdienen. So streift Rumiz  über die Insel, besucht den einäugen Esel, beobachtet die Möwen und den Horizont und lässt seine Gedanken schweifen. An diesen Gedanken lässt der Autor uns teilhaben und er weiß viel über den Mittelmeerraum zu erzählen. Wir werden auf eine geschichtliche Reise mitgenommen, erfahren viel über die verschiedenen Winde des Meeres, lesen von den heutigen Arbeitsbedingungen der Fischer oder werden ebenso melancholisch wie Rumiz, wenn er nachdenkt über das Untergehen der alten Mitelmeerwelt, wie wir sie heute noch z.T. zumindest erahnen. So verschwinden z.B. die Leuchttürme in Zeiten des GPS, der Mittelmeerraum verliert jede Mystik, wird zum reinen Wirtschaftsraum.

Rumiz öffnet sich dem Leser aber auch, wenn es um Gedanken zu seiner eigenen Person geht. Er ist voller Neugierde, hat auf seinen zahlreichen anderen Reisen schon viel erlebt und möchte doch noch so Vieles sehen und entdecken. Doch das Leben ist kurz, nur was machen die meisten Menschen daraus?

Es steckt so viel in diesem schmalen Buch, ich werde es sicherlich noch einmal lesen.

Das Böse lauert auch im äußersten Winkel Deutschlands-auf Helgoland!

Helgolandkrimi

Die Polizistin Anna wurde auf Helgoland geboren. Als Jugendliche passiert ihr Fürchterliches und sie verlässt die Insel, aber nach sechs Jahren kehrt sie wieder zurück als stellvertretene Dienstleiterin der Polizeiwache, denn sie will sich ihrer Vergangenheit stellen. Allerdings bekommt sie schon am ersten Tag  zuerst eine merkwürdige SMS und kurze Zeit später ein Päckchen zugeschickt, in dem sich ein abgetrennter Daumen befindet. Da Windstärke 8 bis 11 herrscht und der Schiffs-und Flugverkehr eingestellt sind, müssen Anna und ihre beiden Kollegen Paul und Marten ohne Hilfe vom Festland selbst ermitteln, zumal noch weitere Päckchen mit einem Marmeladenglas voller Blut und einem abgeschnittenem Ohr auftauchen. Die Untersuchungen erweisen sich als äußerst schwierig, denn es gibt auf Helgoland nicht die technischen Hilfsmittel. Die beiden Kollegen von Anna haben mit solchen „blutigen Angelegenheiten“ kaum Erfahrungen und Anna selbst quälen immer wieder fürchterliche Migräneattacken. Alles weist darauf hin, dass ein Mensch schrittweise getötet wird und dem Team läuft die Zeit davon. Und dann sind Paul und Marten plötzlich wie vom Erdboden verschwunden…

Das klassische „Setting“: Ein „geschlossener“ Raum, aus dem es kein Entrinnen gibt, in diesem Fall ist es die Insel Helgoland. Es ist aber nicht das Helgoland der Sommerfrische und der vielen Touristen, sondern die Geschichte spielt im Winter, und da fordert die Insel allen, die auf ihr zu dieser Jahreszeit wohnen, sehr viel ab: Wütende Stürme, Tristesse und Einsamkeit. Das hat mit an diesem Krimi am besten gefallen, der Plot selbst bekommt von mir eine 3.

Tim Erzberg: Hell Go Land, Harper Collins Verlag, 16 Euro.