Es schließt sich der Kreis

Vor einiger Zeit schrieb ich darüber, welches Buch ich auf eine einsame Insel mitnehmen würde, es sind die Essays von Montaigne. Jetzt las ich ein Buch, in dem es um die unglaubliche Geschichte des Buches geht, das Montaigne wohl am meisten verehrt hat. Es geht um den Titel „ Des Res Naturum“ von Lukrez.

Hauptperson dieses Buches ist Poggio Bracciolini. Er ist Notar und erster Sekretär vom Papst, doch seine Loyalität zur katholischen Kirche hält sich in Grenzen. Als Humanist lehnt er die Verderbtheit vieler Mönche und anderer kirchlichen Respektpersonen ab. Da seine Position als hochangesehener Adeliger und begnadeter Schreiber unangreifbar ist, kann er es sich erlauben, kritische Schriften zur Kirche herauszugeben. Erst als der Papst abgesetzt wird, muss  er sich eine andere Beschäftigung suchen. Als Humanist schon immer Büchern verbunden, besonders den alten aus der Antike, wird er zum Büchersammler und Bücherjäger. Er besucht Klöster in verschiedenen Ländern, um dort nach antiken Schriften zu suchen, sie abzuschreiben und nach Italien zu bringen, wo die Zahl der Anhänger des Humanismus stetig wächst. 1417 ist es dann soweit: Poggio findet, vermutlich in einem Kloster in Fulda,  die wohl noch einzig erhaltene Schrift des Philosophen Lukrez. „Des Res Naturum“ bietet viel „Zündstoff“. Hier eine ganz kurze Zusamnenfassung aus Wikipedia: Lukrez war überzeugt, dass die Seele sterblich sei (wofür er 28 „Beweise“ vorbrachte) und dass es den Göttern nicht möglich sei, sich in das Leben der Menschen einzumischen. Seine Philosophie sollte dem Menschen Gemütsruhe und Gelassenheit geben und ihm die Furcht vor dem Tode und den Göttern nehmen. Lukrez nimmt, im Gegensatz zu Epikur, Anteil an den gesellschaftlichen Ereignissen seiner Zeit, verurteilt den sittlichen Verfall des Adels, klagt den Krieg und seine Schrecken an. Außerdem geht Lukrez davon aus, dass alles aus Atomen besteht -Lukrez lebte ca. 99-55 v.Chr. … Die Verbreitung des Buches lässt sich trotz immer wieder ausgesprochenen Druckverboten nicht aufhalten und damit wird das Gedankengut von Lukrez richtungsweisend für die Ideen der Renaissance.

Ein tolles Buch zum Mehrmalslesen. Nach Ende der Lektüre wollte ich mehr wissen und lieh mir in der Bücherei dieses Buch aus.

Die Briefe sind keine leichte Kost, aber Aphorismen und kurze Sätze sind sehr „erhellend“.

Da ist ich wissen wollte, wie es mit der Renaissance weiterging, war dies  der zweiter Folgetitel:

Was passierte 1517 auf der Welt? Luther war in diesem Jahr noch ein deutsches Thema, aber was geschah 1517 z.B. in Italien, Rußland, China oder Mexiko? 

Ich habe vor einiger Zeit schon das Buch „1913“ besprochen, was ja sehr flüssig und kurzweilig geschrieben war. Dies kann ich von diesem Buch nicht behaupten. Es ist mühseliger zu lesen, da sehr viele Begebenheiten in einem trockenen Schreibstil präsentiert werden. Ob die Beschreibungen der historischen Ereignisse alle richtig sind, kann ich mangels Fachwissen nicht beurteilen. Beeindruckt hat mich das Buch aber sehr, denn was in diesem Jahr geschah, das beeinflusst z.T. heute noch unser Leben. (Und damit sind nicht nur die lutherischen Thesen gemeint). Was mein Hauptinteresse anging, über das Fortschreiten des Humanismus und der Renaissance zu lesen, so bekam ich viele neue Erkenntnisse. Zuviel neues Wissen auf einen Schlag – und noch ein Buch, das ich in einiger Zeit noch einmal lesen werde.

Ich habe wegen Montaigne als Überschrift „Es schließt sich der Kreis“ gewählt, aber diese Buchbesprechungen sind auch der Einstieg für meine „Italientage“, die morgen beginnen. Letzte Woche war ich dort und habe viel „Renaissance“ gesehen und natürlich auch wieder Erstaunliches.

 

 

 

 

Welches Buch würden Sie auf eine einsame Insel mitnehmen?

Heute mal ein kleines Rätsel: Lesen Sie folgende Zitate und raten Sie, wenn Sie die Aussagen nicht kennen, in welchem Jahrhundert die Person gelebt hat, von dem diese Worte stammen:

1. Die Frauen haben nicht Unrecht, wenn sie sich den Vorschriften nicht fügen wollen, welche in der Welt eingeführt sind: weil die Männer sie verfasst haben, ohne die Frauen zu fragen.

2. Nicht weil es Sokrates gesagt hat, sondern weil es in Wahrheit meine Sinnesart ist, vielleicht nicht ganz ohne Schwärmerei, achte ich alle Menschen für meine Mitbürger und umarme einen Polen so innig wie einen Franzosen, indem ich dieses Nationalband dem großen und allgemeinen Bande der Menschheit nachsetze. Ich halte gar nicht meinen Himmel für den blauesten. Die Natur hat uns frei und ungebunden auf die Welt gesetzt: wir kerkern uns ein in ein kleines Stück Land.

3. Es gibt eine gewisse Achtung und eine allgemeine Pflicht der Menschlichkeit, die uns verbindet nicht nur mit den Tieren, die Leben und Empfindung haben, sondern sogar mit Bäumen und Pflanzen. Dem Menschen sind wir Gerechtigkeit schuldig, Milde und Wohlwollen aber den anderen Geschöpfen, gegen die man milde und wohlwollend sein kann.

4. Wenn ich mit meiner Katze spiele, bin ich nie ganz sicher, ob nicht ich ihr Zeitvertreib bin.

Und zum Schluss mein derzeitiger Favorit:
5. Das deutlichste Anzeichen von Weisheit ist
anhaltend gute Laune.

Es folgt eine Beschreibung der Person von einem Historiker:

“Er spielte seine Rolle, wie sie ihm in böser Zeit zugefallen war, als Franzose, Katholik, Bürger und Bürgermeister von Bordeaux, pflichtgemäß und ohne Leidenschaft und bewahrte sich damit die innere Freiheit, … zu bleiben. Die schönste Frucht ist die absolute Offenheit gegenüber anderem und anderen. Dieser Skeptiker gegenüber jedem Dogma ist aufgeschlossen für die ganze unendliche Vielfalt der geistigen Möglichkeiten, Lebensformen und Lebenswahrheiten anderer Menschen, und er begegnet mit Achtung auch jenen, die ihm selbst verschlossen sind.”

Und haben Sie geraten, wer es sein könnte?

Die berühmte Frage, welches Buch man mit auf eine einsame Insel mitnehmen würde, kann ich klar beantworten: Es sind die Essays von Michel de Montaigne. Die Sätze vom Anfang dieses Textes sind von ihm und er hat im 16. (!!!) Jahrhundert gelebt, in einer Zeit der Inquisition, in einer Zeit, in der humanistische Bildung nicht bekannt war und das Zeitalter der Aufklärung noch in ferner Zukunft lag.

Dieser Literat und Philosoph ist einer meiner VIPs und mit ihm beginne ich eine neue Kategorie. Sie wird nicht viele Einträge haben, aber Menschen vorzustellen, die für mich etwas Besonderes sind, ist mir wichtig.

 

Wer mehr über Michel de Montaigne wissen möchte:

https://de.m.wikipedia.org/wiki/Michel_de_Montaigne