Vier Buchbesprechungen mit „Ja, aber…“

Diesen Titel hörte ich während einer längeren Autofahrt:

Ein gestresster Mann fährt zum Wochenendhaus ohne seine Familie- endlich mal wieder in Ruhe etwas abarbeiten! Doch daraus wird nichts, denn er lernt zufällig einen älteren Kartoffelbauer kennen, der ihn zu sich nach Hause einlädt. Der Bauer ist ein sehr emphatischer Mensch und beide verbringen das ganze Wochenende mit Gesprächen über den Sinn der Lebens. Am Ende sind beide Freunde und der jüngere Mann gewinnt eine große Portion Weisheit.

„ 25 Sommer“ reiht sich in die Gruppe von Erfolgsbüchern ein, zu denen auch „Johannes“ von Körner oder „Der Alchimist“ von Coelho gehören.
Mir ist diese Geschichte zu perfekt und heimelig , was vielleicht durch die Stimme von M. Hoffmann noch verstärkt wurde.

Ich bekenne, dass ich noch nie ein Buch von B. Wells gelesen habe. So las ich ganz unvoreingenommen dieses Buch über seinen Werdegang als Schriftsteller. Das fand ich unterhaltsam und machte mich neugierig auf seine Bücher und auch auf Titel anderer Autoren, die für Wells Vorbilder und Anleitungen zum Schreiben gegeben haben,
Auch die Kapitel am Ende, in denen er die Erstfassung von Auszügen aus seinen ersten beiden Bücher präsentiert und danach zeigt, was daran alles nicht gut war, ist lesenswert.
Bei seiner Anleitung, wie man einen guten Roman schreibt, war ich froh, dass ich keinerlei Ambitionen diesbezüglich habe. Mich hätten seine Ausführungen eher abgeschreckt, denn was man alles falsch machen kann und was man beachten sollte, das ist schon ein „dickes Brett“. Da helfen auch am Ende nicht seine Beteuerungen, dass man auch ohne Beachtung von gewissen Regeln einen erfolgreichen Roman schreiben kann.
Wer bereits dem Schreiben verfallen ist, der wird dieses Buch sicherlich sehr wertschätzen.

Dieser Titel sollte in mir Erinnerungen an frühere Meerurlaube während heißer Sommertage auslösen. Kapitelüberschriften wie „Meerglas“, „Flaschenpost“ oder „Strandgutsammler“ hörten sich vielversprechend an.
Die Autorin zieht mit ihrem Mann und ihrem kleinen Sohn auf die Shetland-Inseln, da sich hier eine berufliche Verbesserung für ihren Mann ergibt. Sie kennt niemand auf der Insel, mag das Meer nicht besonders und fühlt sich ausgebremst als studierte Umweltwissenschaftlerin. Zudem ist sie gesundheitlich sehr labil, bedingt durch ein geschwächtes Immunsystem und einer Rheumaerkrankung. So ist die Stimmung des Buches am Anfang eher grau und zäh. Das ändert sich ein bisschen, als sie sich einer Gruppe von Nachbarn anschließt, die Strände von Plastikmüll säubern und Funde von toten Vögeln dokumentieren. Sally Huband ist von dieser Sammeltätigkeit fasziniert und beginnt, Strände zu erkunden, um Besonderes zu entdecken und herauszufinden, woher es kommt: Müll aus Kanada oder Norwegen, Knochen von Walen oder Samen aus der Karibik, eine Flaschenpost aus den USA. Das ist interessant zu lesen, aber ich fand das Buch letztendlich eher bedrückend. Die Schilderungen über ihre Krankheiten, die Beschreibungen der Meeresverschmutzung, die Alltagsprobleme der Inselbewohner- nur wenige Buchseiten war unbeschwert.


Wir schreiben das Jahr 2033. Die Firma „Omen SE“ist dank KI omnipräsent im deutschen Alltag. Ein paar Beispiele: Das Programm „Dieter“regelt alles innerhalb der vier Wände, untersucht z.B. täglich die Ergebnisse der Toilettengänge, um die Ernährung nötigenfalls umzustellen, das Programm „Diana“ bietet therapeutische Gespräche und Ratschläge an, „Intelligenzija“ wurde auf den Markt gebracht, um paarungswillige Menschen mit ähnlichem IQ zusammenzubringen.

Das neuste Projekt von Omen heißt „Homen“ und soll jedem Deutschen ein komfortables Heim bieten. Die vier ersten Bungalows werden mit einer epochalen Rede des CEO im Niemandsland von Brandenburg eingeweiht.
Jochen, der „Brain“ der Firma, Nifular, die junge Creative Director, verantwortlich für die besonders erfolgreiche KI-Wein-Plattform „Veritas“, Daniel, ein erfolgreicher Sachbearbeiter und Christiane, eine gestandene Workalcoholikerin sind die Bewohner dieser vier Behausungen, denn die Firmenleitung schickt sie in den wohlverdienten Ruhestand. Was werden sie nun tun, welche Träume und Albträume haben sie, welche Wünsche werden sie sich erfüllen?

Dieses Buch trieft an vielen Stellen vor Zynismus und ich hatte Spaß beim Lesen. Allerdings nicht bedingungslos. Die vier Protagonisten stammen aus einer reichen „Techno-Bubble“, die auf die spießigen Kleinbürger mit Verachtung herabblicken. Ihre Luxusprobleme gibt es auch schon heute in gewissen Kreisen und 2033 wird das Gros der deutschen Gesellschaft wohl ganz andere Probleme haben. Das Buch zeigt deshalb für mich keine typischen deutschen Herbst im Zeitalter der KI, wie der Klappentext es vermuten lässt.

Wann haben Sie das letzte Mal Ihre Nase gelobt?

Im ersten Kapitel dieses Buches

schreiben die Autoren ein Hohelied auf unsere Nase. In unserer Nase befinden sich 20 Millionen (!) Riechzellen, die sich ca. alle vier Wochen erneuern und Düfte wahrnehmen. Diese werden an 400 Riechrezeptoren weitergeleitet, die einen Duft analysieren. Diesen „Job“ macht unsere Nase ununterbrochen, selbst in der Nacht bei jedem Atemzug. Das ist wichtig, denn die Interpretation der Düfte kann für uns lebenswichtig sein, wie z.B. bei Rauch, Gas oder ätzenden Gerüchen. Bei Gestank versucht die Nase, das Riechen herunterzufahren, bei angenehmen oder leckeren Düften intensiviert sie ihre Arbeit. So kommen auch besondere Geschmackserlebnisse zustande, die Geschmacksknospen auf der Zunge könnten dies alleine gar nicht leisten. Was wären wir also ohne unsere Nase?
Nach dem ersten Kapitel war ich von dem Buch schon sehr angetan, aber es sollte sich noch steigern. So erfährt man, dass es nicht nur in der Nase, sondern auch in anderen Organen Riechrezeptoren gibt. Diese Erkenntnis hat die Wissenschaft noch nicht sehr lange und daraus ergeben sich große Forschungsmöglichkeiten. Die beiden Autoren arbeiten an der Bochumer Ruhr- Universität auf diesem Gebiet und geben mehrere Beispiele: Ein Gehirntumor verlangsamt das Wachstum, nachdem er mit bestimmten Düften konfrontiert wird. Bei Asthma hebt ein bestimmter Duft die Verengung der Bronchien auf. Im Darm und im Herz gibt es Riechrezeptoren für Fette. Riecht ein Organ zu viel Fett, löst dies Krankheiten aus. Ein Antiduft kann das stoppen.

Weitere Kapitel beschäftigen sich u.a. mit den Gebieten „Tiere und Düfte“ (kann ein Tier die Krankheit eines Menschen riechen und anzeigen?), Manipulation durch Düfte in der Wirtschaft (durch Düfte werden Käufer angeregt, mehr Geld auszugeben) oder Verbesserung der Hirnleistungen durch Düfte ( kann Gehirnjogging mit Düften die Entwicklung von Alzheimer oder Demenz beeinflussen?)

Auf 141 Seiten gelingt es den Autoren, dieses sehr komplexe Thema so zu erklären, dass man es ohne medizinische Vorbildung gut versteht. Ihr Enthusiasmus für Düfte ist so groß, dass sie ein eigenes Parfüm herausgebracht haben. Es heißt „Knowledge“ und ist im Einzelhandel erhältlich.
Mein Interesse an der Wirkung von Düften hat sich vergrößert und
seit vorgestern mache ich sogar ein Experiment. Laut einer Studie mit einer großen Gruppe von Studenten soll Rosenduft das Behalten von Gelerntem verbessern. Ich habe mir ein mit Rosenöl getränktes Taschentuch in mein französisches Vokabelheft gelegt… Sollte es nicht helfen, erfreue ich mich wenigstens an dem Duft!

Wie überwintern Sie?

Für die Autorin Katherine May gibt es zwei Arten des Winters: Die Jahreszeit und der Winter im eigenen Leben, in dem das „normale“ Leben ruht und fast alles stillsteht. So einen persönlichen Winter erlebt die Autorin, als sie 40 wird und ihr Mann schwer erkrankt. Sie wird zur Maschine, die sich fast rund um die Uhr um ihren Mann kümmert, ihren Sohn versorgt und an der Universität noch tätig ist. Eigenen Bedürfnissen nachzugehen ist kaum möglich. Als es ihrem Mann wieder besser geht, tauchen bei ihr undefinierbare Bauchschmerzen auf, die sie so belasten, dass sie ihren Beruf aufgeben muss. Erst sehr spät stellen die Ärzte die richtige Diagnose, um zu gesunden, braucht es viel Zeit und Ruhe. Diese Ruhe findet sie in den Wintermonaten und sie setzt ihre Krankengeschichte in Beziehung zu allem, was typisch für diese Jahreszeiten ist. Zwei Beispiele:
May wohnt am Meer der englischen Südostküste und Spaziergänge sind für sie Medizin. Sie beobachtet die Natur, die sich auch wie sie selbst ausruht und neue Kräfte für den Frühling sammelt. Sie fährt nach Stonehenge, um dort die Wintersonnenwende zu erleben und beschäftigt sich mit Ritualen, die ihr auf ihrem Weg der Heilung gut tun.
Das Buch ist in Kapiteln aufgeteilt, es beginnt im September und endet Ende März. May schreibt mit großer Offenheit über ihre körperlichen und geistigen Befindlichkeiten und den daraus resultierenden Problemen. Dabei wünscht sie sich in der Gesellschaft eine größere Akzeptanz von persönlichen Winterzeiten. Einen „Happy Summer“ kann es nicht immer geben! Sie hat ein Hohelied auf die kalte Jahreszeit geschrieben und ruft auf, diese Jahreszeit viel mehr für das eigene Innehalten zu nutzen.
Die englische Zeitung „The Guardian“ meinte zu dem Buch:“Wenn Therapie eine Redekur ist, dann ist dieses wunderbare Buch eine Lesekur. Ein Buch wie ein warmer Mantel.“ Da schließe ich mich an.

Unschöne Erfahrung mit einer Tierärztin

Meiner Katze geht es nicht gut. Sie ist 20 Jahre alt und ich wollte ihre die Autofahrt zur Tierärztin ersparen. So rief ich eine mobile Tierärztin in Duisburg an. Sie wohnt in Duissern, ihr war der Weg zu weit. (10 KM). Ich musste meine Frustration abbauen, das ist das Ergebnis:

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All You Can Eat

„All You Can Eat“- dieser Ausdruck kam mir in der letzten Woche in meinem Garten zweimal in den Sinn. Das erste Mal war es beim Beobachten von Bienen, Hummeln & Co, als diese sich bei dem Blütenangebot von Salbei, Cosmeen und Glockenblumen gar nicht entscheiden konnten, wohin sie zuerst fliegen sollten. Ähnlich wie Menschen an einem Buffet.

Dieser Anblick erfreute mich schon sehr, doch an anderer Stelle war das Angebot anscheinend ebenfalls sehr beliebt.

Rote Spornblume, Schwarzer Lauch und ein blauer Ceanothus Strauch

Das zweite „All You Can Eat“ ging mir bei diesem Anblick durch den Kopf:

Das war mal eine Funkie, die in einer Nacht zur Leibspeise dieser Gartenbewohnerin wurde:

Mich hätte der Anblick der abgefressenen Funkie noch bis vor Kurzem in negative Wallung gebracht, doch jetzt machte ich mit der Schnecke einen kurzen Spaziergang zu einem Feld und verabschiedete mich von ihr mit ein paar wohlmeinenden Worten. Ich hatte dieses Buch gelesen:

Die Autorin des Buches litt über viele Jahre hinweg an einer sehr schweren Viruserkrankung, wodurch es ihr zeitweise nicht möglich war, sich zu bewegen oder lautere Geräusche wie Musik zu ertragen. Von einer Pflegerin zweimal am Tag versorgt, lag sie nur im Bett, sah und dachte. Eines Tages bringt ihr eine Freundin einen Blumentopf mit, in dem eine kleine Waldschnecke lebt. Die Autorin macht die Freundin darauf aufmerksam, doch die Freundin verabschiedet sich nur lächelnd und geht.

Bailey fängt an, die Schnecke zu beobachten und immer mehr ist sie von deren Verhalten fasziniert. Es passiert, dass sie die so langsam verstreichende Zeit, ihre Krankheit und ihre oftmals hoffnungslose Lage vergisst. Die Schnecke zieht in ein komfortables Terrarium um und in guten Zeiten, in denen Bailey ein Buch halten und umblättern kann, beginnt sie Fachliteratur über Schnecken zu lesen, was ihre Bewunderung für diese Lebewesen noch mehr wachsen lässt. Sie hat eine Weggefährtin gefunden, die in ihrer Langsamkeit dem Lebensrhythmus Baileys entspricht. Die Schnecke spendet ihr Trost und das Beobachten gibt ihr einen Lebenssinn.
Auch ich war von dem in diesem Buch vermittelten Wissen über Schnecken sehr beeindruckt. Das „System Schnecke“ mit der Langsamkeit, mit den besonderen Sinnesorganen, der Behausung, mit dem Schleim und der Art der Fortpflanzung hat größere Überlebenschancen als das „System Mensch“ und verlangt Respekt und Anerkennung.
Das Buch ist aber auch wegen der Gedanken der Autorin zu ihrer Krankheit lesenswert. Gezwungenermaßen fokussiert sie ihren Blick auf wirklich Wichtiges im Leben und das sollte jeder Mensch auch ohne große Krankheit ab und zu einmal tun.

Habe ein Zipperlein

Da ich gestern mein Ohrwurmleiden ansprach, passen die unten stehenden Verse heute gut dazu.
Vor einem Monat kündigte ich an, dass ich Ihnen in nächster Zeit ab und zu Wörter vorstellen möchte, denen ein Verschwinden aus der deutschen Sprache droht. Diese Ankündigung geriet bei mir ein bisschen in Vergessenheit, doch jetzt beginne ich damit. Hier das erste Wort: Zipperlein. Hört sich doch viel netter an als z.B. „Ich habs im Kreuz“. Zur Vertiefung noch ein kleiner Vers:

Das war nicht fein
das Zipperlein
oben an meinem linken Bein.
In meinem kalten Kämmerlein
entdeckte ich bei Kerzenschein
ein Fleckchen mit etwas gelbem Schleim.
So ging ich schnell zu Doktor Klein
und gab ihm meinen letzten Euroschein.
Doch leider war Herr Doktor Klein
schon bald am Ende mit dem Latein.
Wieder daheim
blieben mir nur Tränelein
und ich behandelte ganz allein
mit ein paar Flaschen weißem Wein
mein großes kleines Zipperlein.