Das Duell

„Wir stehen selbst enttäuscht und sehn betroffen, den Vorhang zu und alle Fragen offen.“ Erinnern Sie sich noch, wer seine Sendung mit diesem Zitat immer beendete? Es war Marcel Reich-Ranicki, der in seinem „Literarischen Quartett“ mit dem Brechtzitat seine Zuhörer verabschiedete.

Ich habe dieses Buch als Hörbuch in den letzten Tagen genossen, allerdings passt o.g. Zitat hervorragend zu meinem Gefühl am Ende des Buches.

Der Untertitel auf dem Buch gibt an, wovon das Buch handelt. Es ist die Geschichte einer Hass-Liebe zwischen einem Autor und einem Literaturkritiker, die über Jahrzehnte andauert. Mir war dieses besondere Verhältnis zwischen den beiden bekannt, doch wusste ich nicht viel über die Hintergründe und wollte jetzt mehr erfahren.

Das Buch beginnt mit Kapiteln, in denen beider Kindheit erzählt wird, danach widmet es sich den so unterschiedlichen Schicksalen während des zweiten Weltkriegs. Diese Jahre sind für die zukünftigen Leben der Männer prägend. Grass war als junger Soldat Angehöriger der SS und suchte seinen großen Einsatz, Reich-Ranicki und seine Frau lebten erst im Warschauer Ghetto und nach ihrer Flucht viele Monate in Todesangst in einem Versteck.
Mitte der 50er Jahre lernen sich beide kennen, sind sich nicht sympathisch und ihre Wege trennen sich wieder. Ihre gemeinsame Geschichte beginnt erst 1960, als Reich-Ranicki, inzwischen freiberuflicher Literaturkritiker in Deutschland, als einziger das so gefeierte Buch „Die Blechtrommel“ zerreißt und das große schriftstellerische Talent von Grass teilweise in Frage stellt.
Wer interessiert ist an deutscher Geschichte ( z.B. das Engagement von Grass für Willy Brandt) und am deutschen Literaturbetrieb ( Einblicke in die „Gruppe 47“, auch ein bisschen Klatsch, schließlich Verleihung des Nobelpreises an Grass) wird bestens bedient. Die Inhalte mehrerer Bücher von Grass werden skizziert und ich bekam Lust, in der Danziger Trilogie mal wieder zu blättern und Passagen zu lesen.

Fassungslos am Ende des Buches war ich von der Art, wie Grass und Reich-Ranicki miteinander umgegangen sind. Wie können sich zwei hochintelligente Menschen über viele Jahre immer wieder so verletzen? Am Ende ihres Lebens wissen oder ahnen beide zumindest, wie sehr sie sich Schaden zugefügt haben. Immerhin.

Das Hörbuch wird von Gerd Heidenreich gesprochen. Lob von mir, ohne wenn und aber.

Autor: linda

Wohne in Duisburg.

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