Unhaltbare Zustände

Robert Stettler, 59jähriger Junggeselle, führt ein unspektakuläres Leben in einer schweizer Großstadt. Sein Beruf ist seine Passion: Er ist Schaufenstergestalter im größten Kaufhaus der Stadt und seine Fenster werden immer zum Tagesgespräch. Der Briefwechsel mit der von ihm verehrten Pianistin Lotte Zerbst bringt ein weitere kleine Abwechslung. Stettlers Leben ändert sich, als der Kaufhausinhaber ihm einen zweiten jungen Schaufensterdekorateur zur Seite stellt und dessen innovative Fenster sogar in überregionalen Zeitungen und im Spiegel besprochen werden. Neben diesen privaten Einschnitten verunsichern Stettler aber auch äußere Veränderungen. 1968- Vietnamkrieg, Jugenddemonstrationen, der neue Alltag lässt Stettler wanken und er fühlt sich in die Ecke gedrängt, so dass seine Handlungen immer irrationaler werden.
Auch das Leben von Lotte wird erzählt. Sie wurde vor vielen Jahren während ihrer Ausbildung zur Pianistin vom berühmten Pianisten Mereschkowsiki über Jahre hin missbraucht. Ihr Ziel, vom besten Lehrer unterrichtet zu werden, ließ sie bleiben. Nun lebt sie zurückgezogen und geht in ihrer Arbeit aus Pianistin auf. Gerne würde sie ihren Verehrer Stettler einmal persönlich kennenlernen, er wäre der Fremde, dem sie ihre Lebensgeschichte vielleicht anvertrauen könnte. Sie wird in Stettlers Heimatstadt ein Konzert geben, ob ein Treffen stattfindet?

Ein leiser Unterhaltungsroman. Er gefiel mir aus zwei Gründen gut: In die Welt der Schaufensterdekoration einzutauchen und zu lesen, wie viel Mühe hinter einer gelungenen Schaufenster steckt, das war mal wieder ein Moment, in dem mir klar wurde, dass man alles mehr wertschätzen sollte. Der zweite Grund: Die unterschiedliche Entwicklung der beiden Hauptpersonen. Während Robert Stettlers Selbstbewusstsein sich in Zweifel, Angst und Irrsinn umwandelt, wächst Lottes Persönlichkeit, die weiß, wo sie im Leben steht und was sie will.

Und noch ein Weihnachtsstern-ganz japanisch

Meine Vorliebe für japanische Haikus wird den meisten Lesern und Leserinnen ja schon bekannt sein, aber ich bin auch große Liebhaberin von Wabi-Sabi. Um das mal wie eine Ruhrgebietsfrau auszudrücken: Dat is alles, watt ne Macke hat oder schon reichlich vergammelt oder oll aussieht und eigentlich wech kann. Hat aber trotzdem watt und wenne über wahre Schönheit nachdenken tust, dann kommse schon ins Grübeln.

wabi-Sabi Stern
Mein Wabi-Sabi Stern aus Ton im Garten

Hier jetzt die wissenschaftliche Wikipedia-Erklärung:

Wabi-Sabi (jap. 侘寂) ist ein japanisches ästhetisches Konzept (Konzept der Wahrnehmung von Schönheit). Eng mit dem Zen-Buddhismus verbunden, ist es eine Entsprechung zur ersten der buddhistischen Vier Edlen Wahrheiten, Dukkha.

Ursprünglich bedeutet Wabi sich elend, einsam und verloren fühlen. Dies wandelte sich zur Freude an der Herbheit des Einsam-Stillen. Aber erst in der Verbindung mit Sabi, alt sein, Patina zeigen, über Reife verfügen, entstand die eigentlich nicht übersetzbare Begriffseinheit, die den Maßstab der japanischen Kunstbewertung bildet. Nicht die offenkundige Schönheit ist das Höchste, sondern die verhüllte, nicht der unmittelbare Glanz der Sonne, sondern der gebrochene des Mondes. Der bemooste Fels, das grasbewachsene Strohdach, die knorrige Kiefer, der leicht berostete Teekessel, das und Ähnliches sind die Symbole dieses Schönheitsideals. Es geht um die Hoheit, die sich in der Hülle des Unscheinbaren verbirgt, die herbe Schlichtheit, die dem Verstehenden doch alle Reize des Schönen offenbaren. (Wilhelm Gundert)

In den Wäldern drüben,
tief unter der Last des Schnees,
ist letzte Nacht
ein Pflaumenzweig erblüht.

In diesem berühmten Vers liest der Verständige das Sabi und Wabi.

 

 

Bin ich eine Antiquität?

Gestern holte ich mir ein paar neue Kniestrümpfe für 2,99€, waren also nicht teuer. Heute wollte ich sie anziehen und musste die Banderole abmachen. Auf dieser stand “Since 1992”. In meinem Kopf tauchten ??? auf. 1992 war doch erst kürzlich! Bisher hatte ich dieses “Since” auf alten Whisky Flaschen gelesen, in England an Häuserfassaden oder auf einer Bonbondose eines Händlers, der die Königsfamilie beliefert. Allerdings kam die Jahresangabe dann aus dem 18. oder 19. Jahrhundert, aber 1992? Bin ich dann auch schon eine “Since”? Vielleicht sollte ich mir eine Armbinde mit “Since 1959” anlegen, dann steige ich bestimmt auch im Wert…