Die Träume anderer Leute

Meine heutige Buchbesprechung fängt mit einem Lied an, welches für ein Buch den Titel zur Verfügung stellte und bestens auf den Buchinhalt einstimmt:

2022 erschien dieses Buch von Judith Holofernes, laut einer Zwei-Sätze-Buchbesprechung in einer Zeitung eine „gnadenlose Abrechnung mit dem heutigen Musikgeschäft“. Mal hinter die Kulissen von Konzerten, Spotify und Sony zu gucken, fand ich reizvoll.

Vielleicht schütteln jetzt manche Leser und Leserinnen ungläubig den Kopf, aber ich wusste von Judith Holofernes nur, dass sie Sängerin ist. Wann, wie, warum- keine Ahnung. Sie als Frontsängerin von „Wir Sind Helden“- keine Ahnung. Hits von „Wir Sind Helden“-keine Ahnung. Also las ich das Buch völlig unvoreingenommen und das war vielleicht gar nicht so schlecht.
2012 löst sich die Gruppe „Wir Sind Helden“ auf, u.a. auch wegen der Tatsache, dass Judith, sie ist verheiratet mit Pola, dem Schlagzeuger der Gruppe und beide haben zwei Kinder, das Familienleben auf Konzert-und Promotouren nicht mehr aufrecht erhalten kann, ohne dauernde gesundheitliche Schäden davonzutragen. Nach dem Ende fällt der Druck endlich von ihr ab, endlich kann sie wieder durchatmen, endlich Zeit, ihr „eigenes Ding“ zu machen, sprich, eine CD mit ihren aufmüpfigen Liedern herauszubringen. Ohne Stress mit Garageband! Dann macht sie den Fehler, Berater aus der Heldenzeit mit einzubeziehen und schnell ist sie wieder in der alten Maschinerie des Musikgeschäfts gefangen. Ihre Solokarriere beginnt holprig, denn ihre Lieder handeln vom Muttersein und anderen Themen einer Frau von 38 Jahren, nicht unbedingt kompatibel mit den Ansprüchen der Musikbeschallungssender. Hier ein Beispiel:

Erneut ist ihre seit der Kindheit labile Gesundheit ausschlaggebend, dass sie aus dem Musikzirkus aussteigen muss.
2015 bringt sie einen Band mit Tiergedichten heraus, 2017 erscheint „Ich bin das Chaos“, die zweite Solo CD. Sie hat aus den Fehlern früherer Jahre gelernt, lässt sich nicht durch Verträge einengen, hat keine zu großen Erwartungen an den Erfolg. Trotzdem verlangt ihr diese CD auf andere Weise viel ab. Sie ist eine Frau über 40, deren Jungmädchenstimme nicht mehr zu ihr passt, wie sie selbst spürt.

Der Versuch, ihre Stimme zu verändern, scheitert, denn die Stimme verweigert den Dienst und beendet vorerst das Leben als Musikerin.
Aber sie seitdem hat andere Träume wahr gemacht. Sie bringt u.a. einen Podcast heraus, hat dieses Buch geschrieben und ist nun Hundebesitzerin- es scheint ihr gut zu gehen, Ende des Buches.
Judith Holofernes bekommt dieses Jahr den Fred Jay Preis für ihre Liedtexte verliehen. „Mit ihrem breiten Themenspektrum beweist sie, dass sich politisches Engagement, Verletzlichkeit, Sprachwitz und populäre deutsche Musik nicht ausschließen“, betonte die Jury.
Der Sprachwitz war auch für mich das größte Plus beim Lesen ihres Buches. Holofernes schreibt sehr ehrlich über sich, ihre Familie, Freunde und das Musikgeschäft, was ich ihr hoch anrechne. Sie irrlichtert durch ihr Leben, manchmal hätte das Selbstmitleid vielleicht etwas kleiner sein dürfen.
In den Texten kommen immer wieder Buchtitel vor, von denen sie begeistert schreibt oder sie erwähnt Musikgruppen oder besondere Lieder. Da musste ein Notizzettel her, um das alles nachzuarbeiten- sehr anregend!

Autor: linda

Wohne in Duisburg.

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