Manchester Teil 2

Im letzten Beitrag beschrieb ich meinen Eindruck, dass das Northern Quarter in Manchester immer mehr Wolkenkratzern weichen muss und kündigte an, neben dem Wegfall von Lebensraum der LSBTQ Gemeinde und der Zerstörung altehrwürdiger Backsteinbauten weitere Verluste aufzuzeigen, die zu spüren sind, wenn dieses Viertel verschwinden sollte.

Lässt man sich durch die Straßen des Northern Quarters treiben, entdeckt man große Street Art an Häuserwänden und

und kleine Kunstwerke…

und ich selbst wurde auch inspiriert:

Sonnenuntergang an der Promenade
No Answer

Wenn dieses Viertel verschwindet, geht auch viel Kreativität verloren.

Aber auch besondere Treffpunkte müssen dann schließen, wie beispielsweise dieser Food Market in einer alten Halle.

Es gibt im Northern Quartier viele Spezialgeschäfte. In den Reiseführern wird u.a. das Afflecks erwähnt, ein mehrstöckiges Geschäft, in dem es ausgefallene Kleidung und Geschenkartikel gibt. Persönlich mehr beeindruckt hat mich dieser Laden:

Ein riesiger Handarbeits- und Bastelladen mit mehreren Etagen

Eine andere Anlaufstelle ist das Kunsthandwerkzentrum. In ca. 25 Ateliers kann man den Künstlern bei der Arbeit zusehen und schöne Dinge entdecken. Das ist auch ein Anziehungspunkt für Touristen und das Kunsthandwerk bringt neue Ideen in die Stadt.

Ja und dann ist da noch der Duft dieses Viertels. Ihn habe ich noch in keiner anderen Stadt wahrgenommen und in anderen Stadtteilen von Manchester merkte man ihn nur manchmal schwach. Ich habe im Internet recherchiert und diese Erklärung gefunden:

Die vielen alten Gebäude tragen den Geruch der Industrie noch in sich, kein Wunder also, dass das Northern Quarter auch in dieser Hinsicht einzigartig ist.

Manchester war auf unserem Weg nach Nordirland nur ein Zwischenstopp. Vom nahen Liverpool aus fuhr am späten Abend die Fähre nach Belfast, so dass wir vorher noch Zeit hatten, Liverpool ein bisschen zu erkunden. Davon mehr am Donnerstag.

Von JJ über Klaus Nomi nach Manchester

Bereit für ein paar Gedankensprünge?

Am Wochenende gewann JJ für Österreich den European Song Contest mit seinem Lied „Wasted Love“. Der junge Mann stellte sein Können als Countertenor unter Beweis und alle waren und sind noch aus dem Häuschen.

Als ich das Lied hörte, dachte ich sofort an Klaus Nomi, der ebenfalls mit seiner Countertenorstimme eine gewisse Berühmtheit erlangte. Allerdings bereits Ende der 70er und Anfang der 80er Jahre. Für die damalige Zeit war er wie ein Wesen vom anderen Stern, wie aus seiner Biografie hervorgeht.

Geboren im Allgäu, lebte er während seiner Kindheit und Jugend zusammen mit seiner Mutter im Ruhrgebiet. Er zeichnete und sang gerne und wollte Opernsänger werden. Allerdings unterstützen seine Lehrer ihn nicht bei seinem Wunsch, sich als Countertenor zu spezialisieren und er brach deshalb die Ausbildung ab. Mit Aushilfsjobs und ersten kurzen Auftritten verdiente er sich seinen Lebensunterhalt, dann ging er nach Berlin. Dort entdeckte ihn David Bowie, der ihn für die Einspielung eines Songs als Backroundsänger engagierte. Nomis Hoffnung auf eine weitere Zusammenarbeit zerschlugen sich und er beschloss, nach New York weiterzuziehen. Auch hier kämpfte er sich durch, sang Operntitel und Rocklieder und wurde schließlich in den New Yorker Clubs Ende der 70er, Anfang der 80er Jahre mit seiner außergewöhnlichen Stimme berühmt. Er bewegte sich im Dunstkreis von Keith Haring oder Andy Warhol und war unterwegs in der Schwulenszene New Yorks. In Japan wurde er eine Berühmtheit und auch in Europa hatte er mehrere Auftritte, so in Deutschland bei Thomas Gottschalk. Bei ihm sang er dieses Lied.

Kurze Zeit später starb Klaus Nomi an Aids und war damit einer der ersten prominenten Aidsopfer Anfang der 80er Jahre.

Die Möglichkeit, in der Öffentlichkeit schwul zu sein, war damals in New York nur an wenigen Plätzen möglich. Dies beschreibt Olivia Laing in ihrem Buch „Die Stadt der Einsamkeit“ ausführlich. (Siehe unten Link zur Besprechung). Es waren u.a Plätze am Hafen, alte Piers und Häuser, in deren Winkel sich Männer trafen. Diese Beschreibungen hatte ich noch im Kopf, als ich jetzt in Manchester war und das Northern Quarter durchstreifte.
In Manchester gibt es weiter südlicher ein spezielles Gay Village, aber im Norden ist die LSBTQ Szene präsent.
Sieht man es mit dem Architekturblick, entdeckt man viele Backsteinschönheiten:


Diese Backsteingebäude verschwinden aber immer mehr und werden von Wolkenkratzern verdrängt, wie man oben auf zwei Fotos gut erkennen kann.

Denn es sieht im Northern Quarter auch so aus:

Wie gut, endlich keine Schmuddelecken mehr? Vor 40 Jahren wurden in New York mit dem Abriss der alten Vierten die Menschen vertrieben und in Manchester passiert Ähnliches. Was geht außer dem Lebensort noch verloren, wenn solche Straßenzüge verschwinden? Das zeige ich in meinem nächsten Beitrag.



Manchester- New York für Anfänger (GB 2)

Auf unserer Rückreise von Schottland übernachteten wir auch in Manchester. Ich war skeptisch, denn bei den Vorbereitungen fand ich keinen Zugang zu der Stadt. So fuhren wir von unserem Hotel (Holiday Inn East) mit dem Bus in die Innenstadt ( ca. 15 Minuten) und stiegen am Picadelly Place aus. Es war später Nachmittag und unglaublich wuselig zwischen den Wolkenkratzern, den alten Fabrikgebäuden und in den öffentlichen Parks. (Oder kam es mir nur so vor nach stillen Tagen auf den Hebriden??) Wir gingen zuerst zur Kathedrale, einem Ort der Stille…

Innen konnten wir uns nur kurz umschauen, da gerade eine Messe begann.

Aber zufällig traf ich auf einen Engel 2.0…

Ganz in der Nähe der Kathedrale befindet sich ein Stückchen Altstadt von Manchester, wo es viele „Afterwork-Meetings“ gab.

Wir schlugen uns weiter durch Richtung Chinatown und so langsam beschlich mich das Gefühl, in Klein-New York zu sein. Die Mischung von alter und neuer Architektur, die teilweise eher düsteren Gassen, die Viertel, die für verschiedene Lebensformen stehen und schließlich die Bewohner von Manchester, deren Vielschichtigkeit auffällig war. Hier ein paar Fotobeweise:

Manchester bietet noch mehr: Zwei neue Viertel, die direkt am Wasser liegen, das alternative Northern Quartier, tolle Museen, drei alte Bibliotheken, das Arndale Shoppingcenter und das Thema Fußball nicht zu vergessen. Manchester ist prädestiniert für ein langes Wochenende. Touristengruppen wie in London und Edinburgh haben wir nicht gesehen, die Mancunians scheinen noch unter sich zu sein.