Bereit für ein Abenteuer?

Dieses Buch nimmt Sie mit auf eine mehrmonatige Abenteuerreise. Nicht nach Borneo, Ecuador oder Kamerun, sondern nach Paris. Allerdings nicht zum Bling-Bling Paris mit Louvre, Eiffelturm oder Place de la Concorde, sondern wir lesen von Exkursionen „außerhalb der Mauer“. Der Mauer? Damit ist die Pariser Stadtautobahn (oder auch Périphérique) gemeint.
Die Autorin Anne Weber ist Deutsche, die bereits seit den 80er Jahren in Paris lebt. Sie wohnt innerhalb der Mauer, gehört zu den Etablierten, den weißen Franzosen. Vor Jahren lernte sie auf einer Reise den Filmemacher Thierry kennen und sie freundeten sich an. Jetzt hat Thierry ein neues Filmprojekt. Er will über die Vorstädte berichten, wo neue Sportstätten für die Olympiade 2024 entstehen. Wie wirken sich diese Projekte auf die „Banlieus“ aus? Thierry ist Franzose mit algerischen Wurzeln und wohnt dort. Er lädt die Autorin ein, ihn bei einem Streifzug durch die Vorstädte im Nordosten von Paris zu begleiten.
Um es vorweg zu nehmen: Am Ende des Buches sind beide über mehrere Monate über 600 Kilometer gelaufen und ein Ende ihrer Expeditionen ist nicht abzusehen. Anne Weber, die sich vorher nie dafür interessiert hat, was jenseits der Périphérique geschieht, bzw. auch Angst hatte, alleine die Vororte aufzusuchen, lernt und sieht in dieser Zeit ungleich mehr als bei ihren früheren weiten Reisen.
Wenn man sich für Frankreich interessiert, erfährt man viel über das noch immer schwierige Verhältnis zwischen Franzosen mit französischen Wurzeln und Franzosen mit nordafrikanischen Bindungen. Die Autorin wird mit den widrigen und teilweise skandalösen Lebensumständen von Franzosen aus Nordafrika oder den Einwanderern aus Senegal, Mali, Sudan oder Indien und Sri Lanka konfrontiert.
Dabei beobachtet sie genau, wie beispielsweise architektonische Desaster aus den 80er Jahren, ausgedacht von sogenannten Stararchitekten und die Zerschneidung der Vororte durch Schnellstraßen zu diesem trostlosen Leben beitragen. Nur selten gibt es kleine Inseln, wo menschliche Wärme zu spüren ist. Eine dieser Inseln ist das Café von Rashid, das für Thierry und Anne eine feste Anlaufstelle bei ihren Wanderungen wird. Sie gehören bald zu den Stammgästen und nehmen an den Schicksalen der anderen Cafébesucher teil.
„Bannmeilen“ ist aber auch ein Buch über Vorurteile und Freundschaft. Anne traut sich anfangs nicht, als weiße Frau in die dunklen Gesichter der Anwohner zu blicken. Sie schämt sich, fühlt sich völlig deplatziert und auch bedroht. Nur langsam lernt sie, dass ihre Anwesenheit den anderen egal ist.
Der Umgangston zwischen Anne und Thierry ist ironisch, manchmal sogar zynisch und politisch völlig inkorrekt. Nur so ist es ihnen möglich, über alles Traurige und Ungerechte, das sie sehen und erfahren, zu reden ohne ihre Freundschaft zu gefährden. Manchmal allerdings hilft das auch nicht mehr und dann ist es besser, einfach zu schweigen.

Ich hätte die beiden gerne auf ihren Wanderungen begleitet und beneide die Autorin um ihren Erfahrungsschatz.

Autor: linda

Wohne in Duisburg.

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