Bevor ich loslege, möchte ich mich noch für die gestrige Panne entschuldigen. Bis ca. morgens um 6 Uhr wurde nicht der komplette Text angezeigt. Wie dies passieren konnte, ist mir noch unklar, aber ich forsche.
Aber nun das eigentliche Thema:
Vorletzte Woche war ich bei einem Vortrag in der Duisburger VHS über die Fotografin Gisèle Freund. (Langsam „arbeite“ ich mich durch diesen Bildband…).
Gisèle Freund (1908-2000) ist hauptsächlich bekannt durch Portraits prominenter Menschen und besonders ihre Fotos von Virginia Woolf, Frida Kahlo und James Joyce werden immer wieder in passenden Zusammenhängen gezeigt. Sie hatte ein sehr bewegtes Leben, das sich vor allen Dingen dadurch auszeichnete, dass sie bereits als Sechzehnjährige auf Konventionen pfiff, aus dem gutbürgerlichen Elternhaus auszog und, wie man heute so schön sagt “ihr eigenes Ding“ machte. Freund wurde 92 Jahre alt und war bis im hohen Alter sehr aktiv. Im Arche Verlag gibt es eine Biografie über sie, diese werde ich sicherlich später noch einmal lesen.
Ein Bekannter brachte mir vor einiger Zeit dieses Sonderheft mit.
Ich hatte es schon einmal kurz durchgeblättert, aber noch nicht in Ruhe angesehen. Das tat ich jetzt, denn der Vortrag hatte mich zum Nachdenken gebracht. Die Prominentenfotos von Gisèle Freund bewegten nichts in mir, doch ihre eher unbekannten Fotos vom Alltagsleben im Paris der 30er Jahre sprachen mich sehr an. Warum war das so? Beim Durchblättern der SZ-Heftes ging es mir ähnlich und ich fragte mich: Was ist für mich ein Fotokünstler?
Dieses Heft stellt gut 50 Fotokünstler/innen mit einer ihrer Auftragsarbeiten vor. Dazu gibt es kurze Informationen zu der Person mit Lebenslauf und über das Thema, auf das sie sich spezialisiert hat. Porträts, Kriegs-und Alltagsfotografie, Studioarbeiten. Wenn man viele benutzte Lippenstifte oder Gesichter von Boxern fotografiert- ist das Kunst? Oder Sammelleidenschaft? Oder Dokumentation? Wenn man eine Bierbank nimmt und darauf ganz viele verschiedene Menschen, Tiere oder Sachen platziert und dann ablichtet, sind die Bilder dann Fotokunst oder ist es nicht eher Ideenkunst? Wenn man am 11.September 2001 im Schrecken erstarrte Gesichter fotografiert, Kunst oder zur richtigen Zeit am wichtigen Ort?
Ich habe in diesem Heft viele neue Namen kennengelernt, darunter auch ein paar Fotografen, die für mich wahre Künstler sind: Michael Wesely, der mit einer Langzeitbelichtung das Verblühen eines Blumenstraußes sichtbar macht. Maurizio Di lorio, in dessen Fotos immer wieder der Schalk durchblitzt, weil an dem Motiv irgendetwas nicht stimmt. Armin Smailovic, der Menschen porträtiert, die den Bosnienkrieg überlebt haben. Auf den Bildern sieht man zumeist nur einen Teil des Gesichts, dieser drückt aber so viel aus. Und dann noch Rinko Kawauchi, die Japan im Frühjahr 2011 nach einem Erdbeben fotografiert. Es sind keine Bilder der Zerstörung, sondern „flüsternde Fotos“, die leise das Weitergehen des Lebens nach der Katastrophe zeigen.
Ich bleibe morgen noch bei dem Thema Foto. „Fotos und wie man sie weiterdenken kann.“