Kann man über einen Stein lachen?

Ja, ich kann und habe beim Zuschauen alles um mich herum vergessen:

Der Anlass, das Video mir anzusehen, war die Lektüre dieses Buches:

Ein feines Büchlein mit 127 Seiten, in dem der berühmte Pantomime Carlos Martínez mit einem Augenzwinkern kurze Geschichten erzählt, die er während seiner 30jährigen Laufbahn erlebt hat. Aber er wird auch ernst, wenn es um sein Verhältnis zu den vielen Garderoben geht, in denen er sich geschminkt hat, auf seinen Auftritt wartete oder fremde Menschen traf. Die Garderobe ist für ihn Mentorin, Geliebte, Gefährtin, immer für ihn da, immer bereit, seinen Gedanken zuzuhören oder ihn zu schützen.
Die zweite wichtige Verbündete ist die Stille. Wenn er die weiße Farbe auf das Gesicht aufträgt, verliert er seine Worte und wird stumm. Die Stille bemächtigt sich seiner und erst nach dem Auftritt wird sie ihn wieder verlassen, wenn er sich bei den Zuschauern für den Besuch seiner Vorstellung bedanken wird.

Das Buch hat mich verzaubert. Nicht nur wegen seiner Geschichten, die das Feingefühl und die Menschenfreundlichkeit von Martínez widerspiegeln, sondern auch wegen der Zitate über die Stille in Kombination mit ausdrucksvollen Fotos von Martinez beim Schminken. Ich durfte für eine kurze Zeit teilhaben an einer mir fremden Welt.

Still

Leises Wimmern, geheimnisvolles Tuscheln, wohliges Schnurren- Karl Hartmann hört seit der ersten Sekunde seines Lebens alles und dieses übermenschliche Gehör ist für ihn keine Gnade, sondern es besiegelt sein schlimmes Schicksal. Seine Eltern sind beide überglücklich, als Karl da ist. Doch bei der Mutter Charlotte schreit er unerbittlich, denn sie hat eine laute Stimme, während er bei Vater Johann zu Ruhe kommt, wenn dieser ihn mit in den Wald nimmt. Die Ärzte sind ratlos. Charlotte gibt ihm aus Verzweiflung immer mehr zu essen, denn dann ist er kurze Zeit ruhig.  So wird Karl fett, die Dorfbewohner nennen ihn ein Monster, der nie lächelt, geschweige denn spricht. Erst als Johann herausfindet, dass Karl unter jeglicher Art von Geräuschen leidet und ihm im Keller eine Art schallgedämpftes Kinderzimmer einrichtet, hat Karl ein klein wenig mehr eine “normale” Kindheit. Er entdeckt Bücher, beginnt zu zeichnen, wird dabei älter, schlauer, neugieriger und traut sich mit Ohrstöpseln eines Tages nach draußen. Dort beobachtet er Charlotte mit einem anderen Mann an einem Weiher, er begreift nicht, was die beiden tun. Auch versteht er die anderen Dorfbewohner nicht. Sie handeln widersprüchlich, sagen schlimme Dinge über ihn und seine Familie. Aber Karl fragt niemanden, warum alles so ist, wie es ist und bekommt langsam ein eigenes Weltbild, in dem der Tod ein Gnade sein muss, denn mit dem Tod kommt die Stille. Karl beginnt im Dorf zu töten, dann flieht er und mordet in anderen Orten. Dann lernt er Marie kennen, zum ersten Mal begegnet er einem vorurteilsfreien Menschen. Doch Marie wird von ihrem Vater misshandelt und der Grund des Tötens wird daraufhin für Karl ein anderer. Er muss erneut fliehen. Jahre vergehen, Kommissar Schubert ist ihm seit den ersten Todesfällen im Dorf auf der Spur, doch konnte er bisher nichts beweisen. Schubert, der Marie geheiratet hat, ahnt nicht, dass Karl die ganzen Jahre nur an Marie gedacht hat und sie noch einmal sehen will, Karl weiß nichts von der Heirat. Dann gibt es ein Wiedersehen…

Als ich das Buch beendet hatte, war ich sprachlos, erschüttert. Der Titel wird vom Verlag als ein Psychothriller angepriesen, doch das ist er nicht. Karls Weltbild hält unserem Weltbild den Spiegel vors Gesicht und zeigt, wie absurd unser heutiges Leben teilweise ist. Wenn Sie einen Vergleich mit anderen Büchern brauchen: “Still” erinnert teilweise an “Das Parfüm” und an den Krimi “Tannöd”, der in Deutschland und in Schweden zum besten Krimi des Jahres gewählt wurde.

Morgen werden Sie übrigens eine andere Stille hören… 

Reise zum Ruhepol Europas-Teil 1

Wissen Sie, wo die Mitte Europas liegt? An der deutsch/tschechischen Grenze, der nächste deutsche Ort heißt Neualbenreuth und dort verbrachten wir drei Tage. Für mich ist diese Region der Ruhepol Europas. Eine Luft, die der Meeresluft mit ihrer Würzigkeit Konkurrenz machen kann, eine Stille in fast endlosen Wäldern und sehr beschauliche Dörfer und Städtchen. Vom Tourismus ist diese Gegend noch nicht “verwöhnt”, obwohl sie für Wanderer und Naturliebhaber, aber auch für Kulturliebhaber viel bietet. Falls Sie neugiergig geworden sind: In den nächsten beiden Tagen zeige ich Ihnen noch ein paar Fotos, die vielleicht Lust auf einen Urlaub in der Region machen.

 

 

Blattgesicht-Stille-Gänse

Zum Monatsabschied mal wieder drei neue Haikus:

Blattgesicht

Das Blatt dort am Zaun,
ein Gesicht erkenne ich-
Erinnerungen…

Keine Bänke mehr,
Hütten geschlossen- nur noch
die Stille am See

Schnatternde Gänse
heiteres Bild übers Jahr-
bis zum Weihnachtsfest