Wenn Frauen flexen

Flexen Sie, liebe Leserinnen? Das Wort „flexen“ hat mehrere Bedeutungen, u.a. von „ eine Frau läuft durch eine Stadt“. Ich schreibe bewusst nicht „flanieren“, denn damit werden Muße, Wohlempfinden, kultivierte Lebensfreude verbunden. Diese guten Gefühle findet man in den Texten dieses Buches selten. „Flexen heißt, mich dort zu bewegen, wo ich nicht vorgesehen bin und etwas tun wollen, was für mich erst einmal als etwas Ungewöhnliches gilt. Ich habe Lust am Stören.“ Flexen heißt, eine Flâneusin zu sein, keine Flaneurin!

30 Autorinnen sind weltweit in verschiedenen Städten unterwegs. Erwarten Sie keine kontemplativen Texte über Architektur, Cafébeobachtungen oder Parkschlendereien. Nein, in einem z.T. wütenden, provozierenden oder atemlosen Schreibstil erzählen Frauen über ihre Angst und Frustration, dass sie auf der Straße einmal mehr männlichen Übergriffen ( mal direkt, mal subtil) ausgesetzt sind oder waren.
Städte sind auf die Bedürfnisse von Männern ausgelegt, fragen Sie eine Mutter, die täglich ihre Runden mit dem Kinderwagen dreht oder Frauen, die verzweifelt eine Toilette suchen, weil das Hinhocken in der Öffentlichkeit nicht die Akzeptanz wie das Nachlustundlaunehinstellen der Männer hat.
Die Stadt ist ein Molloch, in dem bei genauer Betrachtung der Wahnsinn herrscht. Armut, Dreck, Kakophonie gepaart mit den verrücktesten Werbebotschaften und unaufhörliche Bewegung.
Dieses Buch ist wie ein Faustschlag auf den Tisch. Ich bin froh, dass ich es gelesen habe und werde mich mit den Werken einiger Autorinnen auch noch weiter beschäftigen.

Manipulation aus Stein

Wenn man eine Kathedrale besucht, dann ist es offensichtlich, dass die Höhe des Gebäudes dazu beiträgt, dass man als Besucher der Kirche mehr oder minder erfurchtsvoll nach oben sieht und sich dabei ganz klein fühlt. Doch gibt es in unseren Städten noch weitere Gebäude, Plätze oder Straßen, die uns durch ihre Form, ihre Größe oder Länge oder auch durch ihre Baumaterialien manipulieren ohne dass wir uns dessen bewusst sind. Dieses Buch öffnet uns die Augen:

Der Autor ist Neurowissenschaftler und Experimentalpsychologe und untersucht das Verhalten der Menschen in Städten und Räumen. Er schreibt über den heutigen Status Quo der Erkenntnisse auf diesem Gebiet und gibt dabei viele anschauliche Beispiele. (So habe ich beispielsweise gedacht: „Schade, dass diejenigen, die für die Umgestaltung des Duisburger Bahnhofplatzes zuständig waren, das Buch nicht vorher gelesen haben). Colin Ellard wirft auch einen Blick in die Zukunft, die schon angefangen hat, doch deren Konsequenzen ich mir erst nach der Lektüre richtig ausmalen konnte. Gemeint sind die virtuellen Realitäten. Es stecken sehr viele positive Möglichkeiten in dieser Technik, doch haben mich manche beschriebenen Auswirkungen fatal an den Film „Die Zeitmaschine“, gedreht nach dem Buch von Wells, erinnert. In ferner (???) Zukunft sind die Menschen dank Gehirnwäschen und Verunselbständigung nur noch Puppen, mit denen diejenigen, die das Sagen haben, alles machen können. Gruselig!

Um Ihnen einen Einblick in den Schreibstil zu geben, hier eine kurze Textpassage:

P.S. Oculus Rift ist eine Firma, die Brillen für virtuelle Realitäten herstellt.

Im Laufe des Jahres denke ich immer wieder:“Das ist das beste Buch, das du dieses Jahr gelesen hast! Besser wird es nicht!“ Aber dann kommt wieder ein Buch, das mich richtig begeistert. Wie dieses hier (oder das von gestern)…

Morgen wird auch gebaut, aber spontan im Garten.