Gestern stellte ich ein Buch zum Thema Wertschätzung vor. Diese wird z.Zt. immer mehr zur Mangelware und das Buch versucht gegenzusteuern. Allerdings dachte der Autor beim Schreiben wohl nur an lebende Menschen, denen Wertschätzung fehlt, von Toten war nicht die Rede.
Aber mir kam das Buch sofort in den Sinn, als ich vorgestern auf dem Friedhof war. Von weitem kam mir ein Familie auf dem Weg entgegen, sie ging in Richtung der Gräber. Vater, Mutter und ca. achtjähriger Sohn. Alle drei sahen stumm auf ihre Handys. Ich ging auf sie zu und merkte, dass es keine Chance gab, dass die Familie mich wahrnehmen würde. Also wich ich ihr auf dem breiten Weg aus. Diese gedankliche Nichtanwesenheit und Gleichgültigkeit gegenüber eines solchen Ortes fand ich beschämend. Im Nachhinein ärgerte ich mich, nicht einfach vor ihnen stehengeblieben zu sein, gedacht hatte ich daran, aber ich hatte keine Lust auf irgendeinen Wortwechsel.
Ich ging weiter, nicht ahnend, dass dieses Verhalten noch zu „toppen“ war. In dem Gang, in dem das Grab meiner Eltern und Großeltern liegt, standen in einiger Entfernung Vater und Tochter, ca.13 Jahre alt, vor einem Grab. Was taten sie? Genau, sie starrten beide auf ihre Handys. (Das Grab wurde laut eines Schildchens von einem Friedhofsgärtner gepflegt)-Beim meinem Gieskannefüllen und Entfernen von braungewordenen Blüten, beobachtete ich sie ein bisschen aus den Augenwinkeln. Wohlwollend hatte ich erst noch angenommen, dass sie evtl. das Grab fotografieren, um das Bild jemanden zu zeigen, der es nicht besuchen kann. Dem war nicht so. Vater starrte auf das Display, Tochter tippte Text ein, las, tippte. Dann gingen sie und kamen an mir vorbei, die Handys immer noch in ihren Händen. Ich ging zu dem anderen Grab. Dort lag ein Ehepaar, vielleicht die Eltern des Mannes, die Großeltern der Mädchens. Der Vater war 2016 gestorben, die Mutter 2018. Der Besuch war anscheinend nur noch Pflichterfüllung, nicht mehr ein Wunsch. Warum sich also mit einer gewissen Ehrerbietung verhalten?