Ein Tattoo zum 75. Geburtstag

Um Sie auf die Buchbesprechung einzustimmen, vorab noch zwei Bilder aus dem Steinskulpturenpark, über den ich vorgestern geschrieben habe. So viele Bücher hatte ich in diesem Urlaub nicht mit…

Nur jemand, der an Abibliophobie (= die fürchterliche und lähmende Angst, dass der Lesestoff ausgeht) leidet, würde so einen Stapel mitnehmen:

Sind die verschiedenen Steinarten nicht herrlich?

Meine Urlaubslektüre hatte nichts mit Kunst zu tun, sondern war ein Hohelied auf den Optimismus.

Kurz vor ihrem 75. Geburtstag stürzt Morayo da Silva in ihrer Wohnung und bricht sich eine Hüfte. Sie kommt zuerst ins Krankenhaus, danach in die Reha. Dort hat sie viel Zeit, sich an ihr früheres Leben zu erinnern. Sie war in jungen Jahren die Frau eines nigerianischen Diplomaten, die von der Welt viel sah und ein luxuriöses Leben führte. Doch irgendwann hatte sie genug von der Treulosigkeit ihres Mannes und wollte nicht mehr länger die Rolle der Vorzeigefrau spielen. Sie verlässt ihn und wird Literaturprofessorin. Viele glückliche Jahre folgten.
Seit vielen Jahren lebt sie jetzt schon alleine und sehnt sich öfter nach ihrem Heimatland Nigeria zurück. Doch lässt sich Morayo von diesen manchmal traurigen Momenten nicht unterkriegen, denn sie ist eine wahre Lebenskünstlerin. Sie fährt beispielsweise noch ein schickes Sportcoupé mit dem Namen „Buttercup“, will auch zum anstehenden Geburtstag wieder etwas Neues ausprobieren, dieses Mal soll es das Tattoostechen sein, und knüpft immer wieder neue Bekanntschaften. So lernt sie in der Reha auch Reggie kennen. Er besucht jeden Tag seine demente Frau und Morayo und Reggie schwimmen bald auf der selben Wellenlänge.
Als Morayo entlassen wird, ist sie voller Lebensfreude und Neugierde auf das, was die Zukunft noch für sie bereit hält.
Morayos Geschichte wird nicht nur von ihr selbst erzählt, sondern es kommen auch Freunde, Nachbarn und ihr Ex-Ehemann zu Wort. Deren Beziehungen zu Morayo zeigen noch einmal andere Wesenszüge dieser tollen Frau und ich wünschte mir, zum Bekanntenkreis Morayos zu gehören.

Bis Samstag!

Tadunos Lied

Heute erscheint das Buch „Tadunos Lied“ von dem nigerianischen Autor Odafe Atogun.

Tadunos Lied

Ich hatte das Vergnügen, es vorher lesen zu dürfen, und seine Geschichte hat mich beeindruckt.

Taduno ist ein Liedermacher, der im Exil lebt. Das Volk von Nigeria liebte ihn wegen seiner Stimme und weil er es wagte, mit seinen Liedtexten die Diktatur in seinem Heimatland zu kritisieren. Er wird jedoch festgenommen und gefoltert, weil er sich weigert, Lobeshymnen auf den Diktator zu singen. Eines Tages erhält er im Exil von seiner Geliebten Lela auf mysteriösem Weg einen Brief und erfährt, dass man Lela ins Gefängnis geworfen hat. Taduno beschließt, umgehend in die Hauptstadt Lagos zurück zu kehren und sich zu stellen. Lela ist das neue Druckmittel der Regierung, um Taduno in die Knie zu zwingen. Allerdings erwartet ihn zuhause eine Überraschung: Niemand erkennt ihn mehr. Seine Stimme kann er als Beweis nicht mehr einsetzen, da er diese durch die Folter fast verloren hat und so beginnt er verzweifelt, auf seiner Gitarre Lieder zu spielen, um die Herzen der Menschen erneut zu gewinnen. Auch diese Lieder sind so gefühlvoll wie früher seine Stimme, so dass ihm schon bald immer mehr Menschen zuhören und ihn wie den alten Taduno verehren. Die Maschinerie der Diktatur mit ihren Greultaten beginnt von vorne und Taduno muss sich entscheiden, ob er ein Loblied auf die Tyrannei singt und damit Lela rettet oder sich erneut weigert, zum Verräter am Volk zu werden.

Die Figur des Taduro lehnt sich an das Leben des nigerianischen Musikers Fela Kuti an, der in den 70er und 80er Jahren ebenfalls mit seinen Liedern für ein freies und gerechteres Nigeria gekämpft hat. Der Inhalt des Buches bestürzt, zeigt aber auch, was Zivilcourge, der Kampf um die Freiheit und die Macht der Musik im Leben eines jeden Einzelnen bedeuten kann. Der Erzählstil erinnert manchmal an ein Märchen und so strahlt dieses Buch etwas Magisches aus, dem ich mich kaum entziehen konnte.