Die Toilette bleibt weiß

Vorletzte Woche besprach ich das Hörbuch „Für Eile fehlt mir die Zeit“ von Horst Evers, hier nun die zweite Rezension zu einem Hörbuch, das ebenfalls von einem Berliner Autor gelesen wird und in der Sparte „Humor und Satire“ anzusiedeln ist.

Ich hatte hohe Erwartungen, denn das Buch von Max Goldt „Für Nächte am offenen Fenster„ gefiel mir vor zwei Jahren gut.
Dieses Hörbuch (bestehend aus 2 CDs) bietet eine Sammlung von Texten und Liveauftritten aus den Jahren 1988 bis 2020. Wie Evers legt auch Goldt den Alltag unter das Mikroskop und findet auf den ersten Blick unbedeutende Momente, die er dann süffisant kommentiert oder neu interpretiert. Seine Spracheleganz ist dabei besonders erwähnenswert und beim Lesen des Buches hat sie mich immer wieder entzückt. Aber beim Hörbuch…Lieber Herr Goldt, warum lesen Sie so manieriert vor? Das haben Ihre Texte nicht nötig! Mit Ihrem gedeeeeeeeeehhhhhhhnten Vortragsstil konnte ich mich nicht anfreunden, zumal es zwischendurch kurze Passagen gibt, in dem Sie ganz „normal“ sprechen. Ich habe bewusst und interessiert zugehört, auch manchmal gelächelt, aber vom Inhalt des Hörbuchs weiß ich heute kaum noch etwas. Das könnte besorgniserregend sein, aber die Inhalte der Evers CDs sind mir noch präsent, also schließe ich daraus, dass die Vortragsart dem Text nicht optimal zuträglich war.

Deshalb meine Empfehlung: Lesen Sie lieber Bücher von Max Goldt.

Bücherliebe

Wenn ich in der Vergangenheit über „Bücherliebe“ sprach, dachte ich immer an die Liebe zu Büchern und zum Lesen. Man kann das Wort aber auch anders interpretieren, wie mir das Weihnachtsgeschenk einer Bekannten zeigte:

Aber noch einmal zurück zu der ersten Definition. Dies sind die Bücher, die ich über die Feiertage gelesen habe. Die Nummerierung ist schon ein Hinweis auf meine Bewertung. Mir gefielen alle, aber mit Abstrichen. Deshalb gibt es für 3-6 nur Kurzbesprechungen.

Nr. 6 „Leimen“. Die Geschichte eines Mannes, der durch „Leimen“ sich ein kolossales Netzwerk erschaffen hat. Boosmans erpresst Leute und fordert für sein Schweigen, dass sie eine hohe Stückzahl seiner Zeitschrift beziehen. In dieser Zeitschrift veröffentlicht er positive Firmenportraits und lässt sich dies noch einmal extra bezahlen. Dieser „Leimer“ sucht nun einen Nachfolger und ein junger Mann erscheint passend. Doch er muss eine harte Schule absolvieren, bis er sein Leim-Handwerk versteht. 1924 erstmals erschienen, wirkt die Sprache etwas altmodisch, aber das Buch ist eine Satire, in der man heutige Machenschaften durchaus erkennen kann.

Nr. 5 „Fup“- von Harry Rowohlt übersetzt- das sagt schon die Hälfte über das Buch aus, wenn man sich an Harry Rowohlt noch erinnert. Man kann sich Rowohlt sofort als Vorleser oder sogar als Hauptfigur in dem Roman vorstellen. Jake Santee ist Spieler, war mehrmals verheiratet und bekommt eines Tages von einem alten Indianer das Rezept eines hochprozentigen Lebenselixiers. Er spricht diesem Elixier sehr gut zu und schafft es dann auch locker mit über achtzig, sich um seinen Enkel Tiny zu kümmern, dessen Mutter, Jakes Tochter, gerade verstorben ist. Tiny ist ein stilles Kind, was dem alten Eigenbrötler sehr entgegenkommt. So lässt er seinen Enkel auch gewähren, als dieser für sich das Zäunebauen entdeckt und das ganze Gelände der Farm, auf dem die beiden leben, obsessiv immer wieder neu einzäunt. Die Jahre vergehen unspektakulär bis Tiny, inzwischen schon ein junger Mann, eines Tages ein fast totes Küken findet und es mit nach Hause nimmt. Der Vogel überlebt und bekommt den Namen Fup. Damit ändert sich das Leben von Jake und Tiny unerwartet…Ein Buch mit rauher Poesie und einem traurig-fröhlichen Ende.

Nr. 4 „Das Büro der einsamen Toten“. Der erste Teil einer Krimireihe mit Pieter Posthumus als Ermittler. Dieser ist Angestellter bei der Amsterdamer Stadtverwaltung und hat zusammen mit anderen Kollegen die Aufgabe, bei anonymen Toten zu recherchieren, ob es Verwandte gibt. Ist er dabei nicht erfolgreich, führt er Haushaltsauflösungen durch und versucht, Sachen aus den Wohnungen zu verkaufen, um die anonyme Beerdigung möglichst kostenneutral zu halten. Seine Kollegen spulen ihren Job ab, Posthumus „leidet“ unter einem Bauchgefühl, das ihm Zeichen gibt, wenn etwas bei den Toten nicht stimmt. In diesem Fall sind es ein Mann unbekannter Herkunft, der in seiner Wohnung anscheinend Selbstmord begangen hat und dessen angegebener Name nicht stimmt und einem Marokkaner, der tot in einer Gracht gefunden wird. Dessen Verwandte sind schnell gefunden, aber auch hier schlägt das Bauchgefühl Alarm. Der Krimiplot war mir teilweise etwas zu verworren, was mir gefiel, waren die eingestreuten Alltagsszenen, die Amsterdam charakterisieren.

Nr.3 „Die vergessene Insel“- Noch ein Krimi, oder besser eine Erzählung, mit zunehmend spannender Handlung. Die ältere Tochter einer Familie, die auf einer italienischen Insel Urlaub macht, verschwindet spurlos. Die Auflösung ist nicht sehr überraschend, aber die Autorin schafft es hervorragend, die Urlaubsstimmungen auf Insel zu beschreiben. Die Gerüche, Farben, Töne der Landschaft an einem heißen Sommertag- ich vergaß sofort unser hiesiges usselige Wetter. Auch wie die emotionalen Spannungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern, deren Freunden und Nachbarn schleichend zunehmen, war gut zu lesen.

Nr. 2 und Nr. 1? Nächste Woche geht es weiter!

Bei kleiner Dosierung empfehlenswert

Wenn Ihr Lesestoff quietschfidel, herzrasenauslösend, schweineigelig, sprachfantasievoll, subkulturig, drohbriefauslösend, bizarr, grantelig, bitterböse, überkandidelt, pointiert, erlebnisreich, knickebeinig und geschichtsträchtig sein darf, dann ist diese Sammlung von Kurzgeschichten, Comics und Liedtexten genau richtig für Sie!

Das Buch hat mich den Sommer über begleitet, zwischen zwei Schwimmrunden im Freibad wärmte ich mich auf und las immer ein, zwei Geschichten. Diese Beschränkung ist bei den Geschichten wichtig, einmal habe ich mich nicht daran gehalten und mehrere hintereinander gelesen, da fand ich den Schreibstil, die Gedankensprünge und die Themen plötzlich nur noch fade. Aber in kleiner Dosierung machten mir die Geschichten viel Spaß!

Morgen habe ich zu diesem Buch einen passenden Musiktipp, da wird auch ein Finger in die Wunde gelegt.