Mein Ausmisten dehnte sich letzte Woche auch auf unser Gartenhäuschen aus. Hier stapelten sich diverse Plastikblumentöpfe. Auch ihnen widme ich vor dem Wegwerfen zur Erinnerung eine kleine Geschichte mit einem wahren Kern.
Die Stammkundin
Dora Trolliger betonte bei jeder Gelegenheit, dass sie eine Stammkundin sei. Im Friseursalon war das vielleicht nicht so verwunderlich, schließlich hatte sie dort eine persönliche Kundenkarte, auf dem die Mischung ihrer Haarfärbung vermerkt war. Alle vier Wochen ließ sie dort einen dreistelligen Betrag, um ihr staubgrauen Haare von einem Tizianrot mit dezenten Goldsträhnchen überdecken zu lassen. Hatte Frau T. eine Sitzung, lagen neben einem Glas Sekt, ( es durften auch schon mal zwei oder drei sein), die neusten Modemagazine für sie bereit. Gerne nahm Frau T. sich diese dann nach der Sitzung mit nach Hause.
Beim Metzger hatte Dora Trolliger jeden zweiten Samstag ihren Auftritt. Sie hätte es als angemessene Geste goutiert, wenn man ihr dort den roten Teppich ausgerollt hätte. Aber gut, das konnte man wohl nicht von Leuten erwarten, die sich täglich ihre Hände blutig machten. Aber ein „interner Rabatt“ ließ sie bei jedem Besuch wohlwollend verkünden, dass sie nur in dieser Metzgerei kaufen würde, hier gäbe es das beste Fleisch.
Auch die Buchhandlung war ihr Einundalles und sie würde jedes Buch ausschließlich nur hier bestellen, das erzählte sie der anwesenden Kundschaft in ganzer epischen Breite. Dafür reklamierte sie für sich, dass sie jedes Buch erst einmal zur Ansicht kommen ließ und auf Rechnung einkaufte mit einem Zahlungsziel mit Goldsternchen. Sie hatte Vera, die Besitzerin der Buchhandlung, inzwischen soweit erzogen, dass diese, sobald Frau T. den Laden betreten hatte, sofort einen Cappuccino brachte, natürlich frisch geröstet, ein bisschen Mühe konnte man als Stammkundin wohl erwarten. Einmal hatte eine neue Angestellte es gewagt, ein Kaffeepad zu benutzen, Frau T. wunderte sich nicht, das dieses junge Ding bald verschwunden war.
Dora Trolliger war die Frau des Bürgermeisters in N., einer kleinen Stadt im schönen Münsterland. Das Netzwerk der Frau Bürgermeisterin hätte jede Spinne neidisch gemacht. Wen wundert es, dass man in den Geschäften Doras spezielle Wünsche und ihre Arroganz gepaart mit Bauernschläue und falscher Freundlichkeit ertrug? Nur ein Fingerschnippen von Dora würde genügen, um ein Geschäft in N. dank abnehmender Kundensequenz in den Ruin zu treiben.
Frau T. war auch Stammkundin bei der Gärtnerei „Bunt und dufte“ , aber seit einiger Zeit war sie das ungern.
Imke Wille war Inhaberin dieser kleinen Gärtnerei, die sich auf Pflanzenraritäten spezialisiert hatte. Neben den Laufkunden hatte sie über ihren Onlineshop deutschlandweit Gartenliebhaber als treue Kunden. So konnte ihre kleine Gärtnerei in der Nachbarschaft von mehreren Gartencentern bestehen und Imke Wille hatte ihr Auskommen.
Dora Trolligers Garten musste repräsentieren. Sie kaufte die Gartenblumen üblicherweise in den Gartencentern und überließ das Einpflanzen und Pflegen ihrem Gärtner. Aber zweimal im Jahr fand das „Wochenende der offenen Gärten“ statt. Es verstand sich von selbst, dass sie und ihr Mann daran teilnahmen, aber zu diesem Anlass brauchte sie das besondere Grün und das gab es nur bei Imke Wille.
Es war jetzt fast zwei Jahre her, dass Dora einen Zacken in ihrer Stammkundinnenkrone verloren hatte. In den ersten Jahren konnte sie mit Imke Wille umspringen wie es ihr gefiel, doch dann war der Nachmittag gekommen, als sie ihren Gärtner losgeschickt hatte, um zwei vorbestellte Erdbeerbäume abzuholen. Der Gärtner hatte auf ihre Anweisung hin die gesammelten leeren alten schwarzen Plastikblumentöpfe aus dem alten Gewächshaus mitgenommen. Imke Wille nahm diese zurück, das wusste Dora.
Nach einer Stunde war ihr Gärtner zurück gekommen. Auf der Ladefläche des Pick Ups standen die beiden Bäume, aber auch fast alle Plastiktöpfe. „Schönen Gruß von Frau Wille. Die runden Töpfe nimmt sie nicht zurück, die seien von ihrer Konkurrenz, sie hätte nur rechteckige Töpfe. Aber das könnte man ja als alte Stammkundin schon mal vergessen….“.