Ein Tag mit Hermann Hesse (GSLI Nr. 5)

Nicht weit von Lugano liegt der Ort Montagnola , in dem der Schriftsteller Hermann Hesse von 1919 bis zu seinem Tod 1962 gelebt hat.
Ich war bisher kein großer Hermann Hesse Fan. In der Vergangenheit las ich einige Bücher von ihm, die mir gut gefielen, aber Hermann Hesse als Mensch war mir, ohne das ich es richtig begründen konnte, nicht sympathisch. Der Auslöser für den jetzigen Besuch war dieses Buch, das ich vor meinem Urlaub gelesen hatte:

Hermann Hesse wird in dem Buch als sehr höflich, bescheiden und humorvoll, aber auch als teilweise depressiv und schwierig beschrieben. Von seiner ersten Ehefrau trennte er sich wegen ihrer Schizophrenie und gab die drei gemeinsamen Kinder zu Freunden, die Ersatzeltern wurden. Danach zog Hesse nach Montagnola. Die zweite Ehe hielt nur kurz, zu groß war der Altersunterschied. Die dritte Ehefrau, Ninon, behütete und beschützte Hesse wie den heiligen Gral und war im Umgang wohl auch eher kompliziert. Das Haus der Hesses war in Friedenszeiten und während des 2. Weltkrieges ein Anlaufpunkt für viele Berühmtheiten. Einige Freunde ließen sich ebenfalls in Montagnola oder in Nachbardörfern oder in nahen Städten nieder und so gibt es in dem Buch diverse kleine Geschichten über Prominente der damaligen Zeit zu lesen. Mehr gefallen haben mir aber die Lebensläufe und Interviews von den Personen, die dafür sorgten, dass das Leben der Hesses in Montagnola so angenehm war. Da sind beispielsweise der Leibarzt von Hesse, seine Italienischlehrerin, die einen schweren Stand hatte, da Italienisch für Hesse ein Buch mit sieben Siegeln blieb oder der Postbote und seine Familie, die bis zu 1000 Briefe am Tag zu Hesses Haus bringen mussten, als dieser den Nobelpreis für Literatur gewonnen hatte. Auch die Beschreibungen der politischen Landschaft las ich gerne, erinnerten sie mich doch teilweise an „Don Camillo und Peppone“. Das Buch ist reich bebildert mit Alltagsfotos, Fotos von Dokumenten, Briefen und anderen Texten.

Unser Ausflug nach Montagnola hat sich gelohnt. Dank des Museums und des „Hermann Hesse“ Wanderwegs konnte man noch ein bisschen die Welt des Schriftstellers nachempfinden.

Rechts das Hessemuseum in Montagnola, oben der Schreibtisch mit der originalen Schreibmaschine
Links der Friedhof mit dem Grab von Hermann und Ninon Hesse

Als ich jetzt wieder zuhause war, verleitete mich dieses Buch dann, mich an einem Hesse Motiv zu versuchen.

Dieses Buch lege ich allen sehr ans Herz, die das Malen für sich als Hobby pflegen. Hesse beschreibt u.a. wunderbar, welche glücklichen Stunden er verbringt, wenn er alleine ist und malt. Da er mit dem Malen erst angefangen hat, als er über 40 war und die Welt damals in Kriegsangst lebte, ist seine Dankbarkeit, diese Malstunden erleben zu dürfen und alles Schlimme für kurze Zeit vergessen zu können, sehr groß. Es ist nach dem Malen fast süchtig, beobachtet die Welt immer mehr mit „Maleraugen“ und mehrere Abbildungen belegen, wie er im Laufe der Zeit seinen eigenen Stil gefunden hat.

Eins der Lieblingsbilder von Hermann Hesse

Mein zweiter Buchtipp:

Zu diesem Band mit kurzen Betrachtungen und kleinen Geschichten habe ich freundschaftliche Gefühle aufgebaut und lese immer mal wieder einen Text. Der Mensch, der dort schreibt, hat Gedanken, die meinen sehr nahe kommen und die 100 Jahre später oft noch aktuell sind. Auch drücken seine Betrachtungen Gelassenheit und Fokussierung auf das Wesentliche aus, davon schneide ich mir immer wieder gerne eine Scheibe ab!

Der nächste Beitrag zu der Italienreise erscheint heute in einer Woche!