Einmal den Tod ausprobieren

2018: Amélie arbeitet im französischen Außenministerium. Als ihren Vertrauten hat sie ihren ehemaligen Mitschüler Éric eingestellt und sie beide sind ein erfolgreiches Team, wenn es darum geht, ausländische Firmen davon zu überzeugen, in Frankreich zu investieren.
Eine Reise nach Seoul verändert alles, denn Éric bricht bei der ersten Präsentation zusammen und bei der zweiten Chance, die Samsung den beiden gibt, lässt er Amélie im Stich und taucht unter. Was war geschehen?
Éric, Mitte 40, gibt sich immer noch die Schuld an dem Unfalltod seines Vaters vor fast zwanzig Jahren. Da half es danach auch nicht, dass er eine liebe Frau und einen tollen Sohn hatte und erfolgreich im Beruf war. Inzwischen ist er geschieden, seine Mutter befeuert seine Schuldgefühle, bei der neuen Arbeit mit Amélie stößt er an seine körperlichen und mentalen Grenzen. Er ist ausgebrannt, als er in Seoul, ein paar Stunden vor der zweiten Präsentation, in ein Geschäft geht, das „Happy Life“ heißt. Hier lernt er eine für ihn sehr befremdliche Geschäftsidee kennen: Auf Probe sterben. Eine Expresszeremonie dauert eine Stunde, beinhaltet die Gestaltung des Grabsteins, das Verfassen der letzten Worte und das überwachte Liegen in einem geschlossenen Sarg. Éric bucht diese Stunde, die ihm einen Erweckungsmoment beschert. Im Sarg stürzen so viele wichtige Gedanken auf ihn ein, dass er merkt, wie sehr er noch an seinem Leben hängt und dass sich vieles ändern muss. Nach der Stunde ist er euphorisiert und zugleich zu verstört, um zusammen mit Amélie bei Samsung aufzutreten.
Er fliegt zurück nach Frankreich, kündigt und ist beseelt von der Idee, den Service des Probesterbens auch in seinem Heimatland anzubieten. Endlich hat er eine Lebensaufgabe gefunden, mit der er anderen Menschen helfen kann.
Und tatsächlich finden sich immer mehr Menschen, die seinen Laden besuchen und fast alle machen ähnliche Erfahrungen wie Éric. Die Mundpropaganda wird immer größer, Éric eröffnet Filialen, wird wieder sehr erfolgreich. Doch dieses Mal zieht er die Reißleine und gibt alles ab. Er wird etwas Neues suchen und vielleicht spielt dabei Amélie eine Rolle, denn deren Leben lief nach Seoul alles andere als rund.

Das Thema Tod in einen leichten Unterhaltungsroman zu verpacken und das mit einer Portion Tiefgang, der die Leserschaft zum Nachdenken bringt, dazu gehört schriftstellerisches Können. Dass David Foenkinos das besitzt, stellte er schon in früheren Romanen unter Beweis.

Wer noch mehr über die südkoreanische Therapie der Toderfahrung wissen möchte, auf der Seite abschieds.com fand ich diesen Text:

https://www.abschieds.com/simulierter-tod-in-sudkorea-ein-ungewohnlicher-weg-das-leben-neu-zu-schatzen

Leben? Oder Theater?

Dies ist der Titel eines Werkzyklus mit 1325 Bildern der Berliner Künstlerin Charlotte Salomon, einer Künstlerin, die in Vergessenheit gerät. David Foenkinos will mit seinem Roman gegensteuern.

Charlotte Salomon

Charlotte wird 1917 geboren. Ihr Leben ist von Anfang an überschattet, denn in der Familie mütterlicherseits gab es viele Selbstmorde und auch ihre eigene Mutter nimmt sich das Leben, als Charlotte neun Jahre alt ist. Glücklicherweise versteht sie sich mit ihrer Stiefmutter, einer bekannten Sängerin, anfänglich gut, doch als die Pubertät beginnt, ändert sich dies und Charlotte hat erste depressive Schübe. Zusätzlich verschlimmert sich die Situation durch den Beginn des Krieges. Als Jüdin hat sie es in der Schule sehr schwer und sie verlässt die Schule ein Jahr vor dem Abitur. Zwei Jahre später wird sie als große Ausnahme an der Kunstakademie angenommen, doch als sie den ersten Preis bei einem Wettbewerb gewinnt, ihn aber als Jüdin nicht annehmen darf, verlässt sie die Akademie. Wieder zwei Jahre später flüchtet sie alleine nach Frankreich, wo sie zusammen mit ihren Großeltern in Villefranche-sur-Mer lebt. Auch hier kämpft sie mit Schrecklichem: In Berlin musste sie ihren Geliebten verlassen und darunter leidet sie sehr, ihre Großmutter nimmt sich das Leben und 1940 besetzen die Deutschen auch den Süden Frankreichs. Um nicht verrückt zu werden, beginnt sie wieder zu malen und malt in 800 Blättern ihr Leben, erweitert durch passende Musik und Theateranweisungen. Sie heiratet einen österreichischen Flüchtling und wird etwas später schwanger. Doch dann verrät man das Ehepaar und beide kommen im Konzentrationslager Ausschwitz ums Leben.

Das Herz wird schwer, wenn man das Buch liest. Aber es lohnt sich! Wer mehr über Charlotte Salomon wissen möchte: In Amsterdam gibt es das Joods Historisch Museum, hier ist das Werk von der Künstlerin ab und zu zu sehen.http://jck.nl/nl/locatie/joods-historisch-museum

Zur Erinnerung: Heute vor 75 Jahren fand die Wannseekonferenz statt, auf der fünfzehn Mitglieder des Naziregimes die Ausrottung der Juden beschlossen  und die Abwicklung ausarbeiteten.