Gedankenreise durch die Wartezimmer

Vor ein paar Tagen besuchte ich eine Arztpraxis, bei der ich bisher noch nicht war. Ich musste etwas warten und sah mich im Wartezimmer um. Links von mir hing ein ca. 1,80 x 1,20 m großes Foto an einer Wand. Das Motiv: ein abgewrackter dunkelbrauner Ledersessel (oder Autositz) stand auf einem Bergvorsatz, bestehend aus schwarzem Lavagestein. Im Hintergrund sah man etwas verschwommen eine Wüstenlandschaft mit Sand und kahlen Felsen, durch denen sich ein grauer Fluss schlängelte. Alles war eingetaucht in einem Licht, das auf Sonnenuntergang schließen ließ. Ich fragte mich, warum ein Arzt oder eine Ärztin dieses Foto in das Wartezimmer hängt. War es die eigene Heimat? Sollte es Ruhe ausstrahlen? Beinhaltete es einen Hinweis auf die Vermüllung der Wüste? Mir gefiel dieses Foto nicht, es machte mich durstig und erinnerte mich eher an einen Weltuntergangsfilm. Aber da war die Idee geboren: Was sagen Wartezimmer über ihre Ärzte aus? Ich ließ meine besuchten Wartezimmer der letzten Jahrzehnte im Kopf Revue passieren…

Besonders gerne warte ich in einem Zimmer, in dem mich jedes Mal etwas Neues erwartet. Eine Arztpraxis stellt Bilder von Schülern zum Thema Ruhrgebiet aus, die Bilder wechseln zumindest alle halbe Jahr. Ist eine tolle Idee. Diese Arztpraxis zeigt in anderen Räumen farbintensive große Fotos von Tieren (Affen, Zebras,Papageien), das macht gute Laune, so muss es sein!

Dieses und nachfolgende Fotos sind nicht die beschriebenen Fotos, sondern Bilder von Pixabay. Sie sollen nur meine Wartezimmereindrücke unterstützen.

Papageien scheinen beliebt bei Ärzten zu sein. In zwei Zahnarztpraxen sollen sie erheitern, wenn man auf dem Behandlungsstuhl sitzt. Aber gleichzeitig tummeln sich in den Räumen auch ein old fashioned Garfield für Kinder, Picassos In-einem-Strich-Tiere und Gestecke mit Seidenblumen und kleine Figürchen, passend zur Jahreszeit. Ich vermute, dass hier die Damen an der Rezeption auch mitwirken.


Inkonsequent ist eine Doppelpraxis, die letztes Jahr komplett neu gestaltet wurde, um den 80er Jahre Charme zu verbannen. Chic, selbst die dort arbeitenden Personen tragen nun Kleidung, passend zu den Farben der Möbel. Doch dann bleiben die Augen an einem Bild hängen, das aus einem Ölmalereikurs für Anfänger stammen muss. Verstehen Sie mich nicht falsch, ich habe absolut nichts gegen diese Bilder. Aber ein buntes Blümchenbild in lilagrauem Umfeld passt einfach nicht.

Konsequent dagegen ein Arzt, der in seinen Räumen Kunstliebenden zeigt, was er besitzt. Originalradierungen von Horst Janssen, bei jedem Besuch fragte ich mich, ob es auffallen würde, wenn ich eine kleine Radierung in meinen Rucksack stecke. Die Bilder waren so schön…(Die Praxis gibt es leider nicht mehr).

Ja und dann ist da noch eine Praxis, deren Wände sind mit unzähligen Urkunden tapeziert, die Teilnahmen an Fortbildungsmaßnahmen in China und anderswo bescheinigen. Seht her, was bin ich für ein toller Arzthecht! Das ist für mich Antiwerbung.
Oder es läuft auf einem Bildschirm eine Dauerschleife, die über Zusatzbehandlungen informiert. Daneben steht eine Nespresso Kaffeemaschine…

Noch einmal zurück zu der ersten Praxis mit dem Ledersesselbild. Nach der Wartezeit wurde ich in das Behandlungszimmer gerufen. Dort begrüßt mich eine nette junge Ärztin, deren Kleidung mich zu dem Schluss kommen ließ, dass sie dem islamischen Glauben angehört. Hinter ihrem Schreibtisch hing ein Bild mit diesem Motiv

Ich war irritiert…Als ich es meinem Mann erzählte, gab er zu bedenken, dass das Sprechzimmer vielleicht nicht ihr eigenes war. Mag sein, aber auch in einem Sprechzimmer eines Arztes würde mich dieses Bild überraschen, um es nett auszudrücken.
Ein weiterer Knüller im Behandlungsraum (ca. 25 qm): Die gesamte Decke und eine Wand waren bemalt. Motiv: Feuerquallen unter Wasser… Ich dachte nur „WOW!“ Nun beschäftige ich mich gerade mit dem Leben unter Wasser (demnächst mehr), bin also Quallen zugeneigt. Aber was ist mit Patienten, die schon einmal von Feuerquallen malträtiert wurden?

Zum Schluss möchte ich noch ein Foto an der Wand meines Orthopäden erwähnen, das ich heiß und innig liebe. Man sieht einen dreijährigen kleinen Jungen mit blonden Haaren und Ringelpullover von hinten, wie er eine Düne hochstampft. Ich habe dem Bild den Titel „Das Menschlein“ gegeben. Es ist der Sohn des Arztes in Holland am Meer und als ich meinem Arzt sagte, wie schön ich sein Bild fände, tauchte ganz kurz ein stolzes Lächeln auf seinem Gesicht auf.

Meine Gedankenreise in Wartezimmer ist damit vorerst beendet. Ich wünsche Ihnen viel Vergnügen bei Ihren Entdeckungen in „Ihren“ Wartezimmern!